Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Alle hier im Saal wissen genau, worum es heute geht. Was die CDU und die FDP hier versuchen, ist schlicht und einfach ein Ablenkungsmanöver davon,
dass Sie den Wählerauftrag, den sie 2005 aufgrund Ihrer Versprechungen bekommen haben, nicht erfüllen. Das ist der Punkt.
Damit das auch ganz klar ist: Mein Auftrag und der Auftrag der SPD lautet – wir haben auch einen Wählerauftrag –, wir sollen nämlich die Regierung nicht unenttarnt entkommen lassen, wenn sie ihre Wahlversprechen bricht. Und das tun Sie zurzeit.
Deshalb geht es hier nur um eine einzige Frage: Hat Jürgen Rüttgers das Wahlversprechen aus 2005 eingelöst?
Wir erinnern uns: Es sollten viele Lehrer wegen Unterrichtsausfall an den Schulen des Landes eingestellt werden. Ich spreche von Lehrern. Von 4.000 bis 8.000 war damals zu hören. Der Unterrichtsausfall von seinerzeit 5 Millionen Stunden sollte behoben werden,
und, Herr Kaiser – es klingt mir noch in den Ohren –, Unterrichtsgarantie war das Zauberwort der CDU.
Ein Unterrichtsausfallgesetz hat die FDP versprochen. Und, Nummer drei: Die Klassen sollten kleiner werden. Um die drei Dinge geht es hier.
In der Regierungsverantwortung sind Sie jetzt angekommen. Da machen Sie seit vier Jahren phantastische Zahlenspiele auf mit Lehrerstellen. Die Zahlen variieren zwischen 4.000 und 15.000. Aber irgendwann haben Sie dann doch eine gemeinsame Sprachregelung gefunden. Die Zahlen nahmen ständig zu. Einziges Manko: Die Klagen über Unterrichtsausfall wurden auch nicht weniger, sondern sie nahmen eher zu.
Und das hat dann die CDU mit der eigenen Umfrage im letzten Jahr zur Bildungspolitik selber bestätigt. Sie haben eine Umfrage in Auftrag gegeben. Auf der Top Ten sind die größten Probleme genannt, die Eltern an den Schulen in NordrheinWestfalen letztes Jahr beklagten. Platz eins: zu wenig Lehrer; Platz zwei: zu viel Stundenausfall; Platz drei: zu große Klassen.
Was hatte Jürgen Rüttgers versprochen? – Mehr Lehrer, weniger Unterrichtsausfall, kleinere Klassen. Fehlanzeige zumindest im Jahre 2008!
Erste Beweise, dass die Landesregierung den Menschen mit voller Absicht Sand in die Augen streute, haben Sie nachgeliefert – nicht unsere Zahlen, die Zahlen der Landesregierung in der Unterrichtsausfallstatistik im August letzten Jahres: 4 % der ausgewiesenen Stellen waren in der Realität nicht besetzt. Das heißt, 5.800 Stellen fehlten nach Ihrer eigenen Unterrichtsausfallstatistik an den Schulen
Das war eine Hochrechnung. Dann wollten wir das aber gerne genauer wissen. Deswegen haben wir uns nichts ausgedacht, sondern die Landesregierung befragt. Wir haben da zwei Ordner mit über 80 Kleinen Anfragen. In den Antworten auf diese Kleinen Anfragen sind die Zahlen der Landesregierung, Herr Kaiser – nicht unsere ausgedachten. Zur Auswertung brauchten wir nur einen kleinen Rechner zu nehmen, eine Excel-Tabelle zu machen, das war alles kein Problem. Und siehe da: Nach der Summe dieser Zahlen, die man zusammengerechnet hat, fehlen an 2.600 Schulen über 4.000 Lehrkräfte.
(Helmut Stahl [CDU]: Haben Sie schon ein- mal was von Methodik gehört? – Rainer Schmeltzer [SPD]: Ja, das ist Ihre Methodik!)
Am stärksten betroffen sind die Grundschulen und die Berufskollegs. In Berufskollegs sind es knapp 1.000 Lehrerinnen und Lehrern, die fehlen. Lehrer und Lehrerinnen, die nicht da sind, können natürlich auch keinen Unterricht erteilen. Wenn also 4.000 Lehrkräfte fehlen, dann ist mit Sicherheit allein dadurch ein Unterrichtsausfall von 4 Millionen Stunden vorprogrammiert.
Darin haben wir noch nicht die ausgefallenen Stunden eingerechnet, die Sie selbst in Ihrer Unterrichtsausfallstatistik mit über 1 Million beziffern: Das sind nämlich die Stunden, die aufgrund von Krankheit, Fortbildung und Elternzeit ausfallen. Die haben wir gar nicht eingerechnet. Wenn man die noch einrechnet, sind wir bei 5 Millionen ausgefallener Stunden.
Wenn wir dann über die Kopfnotenerlasse nachdenken, die auch noch einmal 1 Million Stunden Unterrichtsausfall nach sich ziehen, kommen wir locker noch um 1 Million höher.
Ich will nur einmal sagen: In den beiden Ordnern sind 4 Millionen ausgefallene Unterrichtsstunden dokumentiert.
Das ist Ihre Situation, und die müssen Sie lösen. Das heißt also: Wer hier Verwirrspiele macht, ist durch meine Ausführungen ziemlich deutlich geworden.
Sie fordern immer noch mehr Stellen. Ich sage Ihnen aber: Die Lehrerstellen, die Sie schaffen, sind oftmals „Leerstellen“ – mit zwei „e“. Das ist die Situation. Davon haben wir 4.000 aufgedeckt.
Dann können wir in diesen Ordnern auch noch nachlesen, dass in über 9.000 Klassen an unseren Schulen mehr als 30 Schülerinnen und Schüler sitzen.
Wir reden doch über Ihre Wahlversprechen, Herr Witzel. Über Ihre Wahlversprechen reden wir, nicht über das, was in der Vergangenheit war.
Das heißt, statt Lösungen für die Besetzung dieser 4.000 offenen Stellen zu präsentieren, schaffen Sie auch noch den Mangelfacherlass ab, was dafür sorgt, dass ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer, die an die Berufskollegs gehen können, in die Nachbarbundesländer abwandern. Damit machen Sie die Situation an unseren Berufskollegs noch einmal dramatischer.
Ich sage Ihnen: In den beiden Ordnern – rechnen Sie das auch einmal nach – ist festgehalten, dass an 2.600 Schulen 4.000 Lehrerstellen unbesetzt sind. Sie haben damit 4 Millionen Stunden Unterrichtsausfall produziert, und Sie haben 9.000 Klassen, in denen 30 und mehr Schülerinnen und Schüler sitzen.
Das ist das, was Sie nach vier Jahren Regierungsverantwortung hier präsentieren. Lösungen schaffen Sie nicht, sondern Sie reden sich hier mit Zahlenspielen und Statistiken heraus. Das wollen die Menschen nicht mehr hören. Die Menschen wollen, dass der Unterricht erteilt wird, den Sie vor der Wahl versprochen haben.
Insofern haben Sie einen Auftrag nicht erfüllt, und ich bin gespannt, wie die Wählerinnen und Wähler das bei der nächsten Landtagswahl quittieren werden. – Herzlichen Dank.