Protokoll der Sitzung vom 24.06.2009

Die Menschen in unserem stolzen Bundesland können froh sein, dass wir einen liberalen Innenminister haben, der zusammen mit dieser Landesregierung diesen Angriff auf die freie und offene Bürgergesellschaft abzuwehren weiß.

(Beifall von der FDP – Zurufe von der SPD)

Ich rufe Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren von der SPD, zu: Freiheit schützt man nicht, indem man sie abschafft. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Engel. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Abgeordnete Düker.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Beiträge von Herrn Kruse und Herrn Engel machen mich wirklich fassungslos. Herr Engel, ich weiß nicht, welche Vorlage Sie gelesen haben. Aber eines ist doch deutlich geworden: Die SPD tut das, was Ihr liberaler Innenminister nicht auf die Reihe bekommt, nämlich Rechtsprechung des Verfassungsgerichts zum Kernbereich Schutz umzusetzen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Man kann fachlich darüber diskutieren, ob das an der einen oder anderen Stelle gelungen ist. Aber nichts zu tun, was wir hier seit Jahren vorgeführt bekommen, ist doch das Problem in diesem Land. Deswegen frage ich mich immer – das ist wirklich eine schwierig zu beantwortende Frage, die ich oft nicht beantworten kann –, was eigentlich an diesem Innenminister schlimmer ist: das, was er tut, oder das, was er nicht tut. Heute haben wir wieder eines der Beispiele, wie schlimm es ist, dass er nichts tut, sodass ihm die SPD dankenswerterweise auf die Sprünge helfen muss. Das, was er nicht tut, ist, die Rechtsprechung des Verfassungsgerichts in nordrhein-westfälisches Gesetz zu übertragen. Spätestens seit dem 27. Februar 2008 ist es doch jedem hier im Hause klar: Wir brauchen eine Reform der Sicherheitsgesetze, um sie verfassungskonform und bürgerrechtsorientiert hinzubekommen. Es ist Ihre Partei, Herr Engel, die das seit anderthalb Jahren verpennt, um es ganz deutlich zu sagen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir als Opposition haben den Innenminister im September 2008 und im März 2009 aufgefordert, dies endlich zu tun. Herr Kruse, ich zitiere Sie aus der Debatte vom 17. September 2008, fast ein Jahr her:

Ich bin allerdings sehr zuversichtlich, Herr Minister, verehrte Kolleginnen und Kollegen, dass der Meinungsbildungsprozess bald abgeschlossen ist und die Gesetzentwürfe in diesem Jahr nicht nur vorliegen, sondern auch in die parlamentarische Beratung gelangen.

Das war 2008, ein Jahr her. Als wir Sie das nächste Mal, im März 2009, aufforderten, sagten Sie am 19. März im Plenum zu unserer Aufforderung, nun endlich etwas zu machen – Partei der inneren Sicherheit, Herr Kruse, wie Sie sich immer so gerne nennen –:

Ich bin außerordentlich zuversichtlich,

im September waren Sie noch sehr zuversichtlich; im März des nächsten Jahres sind Sie außerordentlich zuversichtlich –

dass noch in der ersten Hälfte dieses Jahres der Entwurf des Polizeigesetzes gemeinsam mit dem Evaluierungsbericht zu den angesprochenen §§ 31 und 34 Abs. 2 des Polizeigesetzes

es geht um die Evaluierung Platzverweis und Rasterfahndung –

vorliegen werden. Aus Gründen der Verfahrens- und Beratungsökonomie macht es aus unserer Sicht sehr viel Sinn, den Gesetzentwurf gemeinsam mit dem Evaluierungsbericht vorzulegen.

So viel Theo Kruse Anfang diesen Jahres! Die erste Jahreshälfte ist vorbei, Herr Kruse. Was passiert? – Nichts passiert! Herr Engel und Herr Kruse, Sie können doch den Bürgerinnen und Bürgern draußen nicht mehr verkaufen, dass Sie hier in der Lage sind, Sicherheitspolitik in diesem Land zu gestalten. Weder für die Bürgerrechte, Herr Engel, noch für die Sicherheit, Herr Kruse, wird hier etwas getan.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das beweisen Sie uns jedes Mal, wenn wir diese Debatte führen.

Hinzu kommt, dass Sie im September 2008 nicht nur das ankündigen, sondern auf unsere Frage hin, wie es mit dem Lauschangriff und den Eingriffskompetenzen der Polizei, die nicht mehr verfassungskonform sind, ist, sagen Sie – auch das ist dem Protokoll zu entnehmen –, dass die Wohnraumüberwachung zurzeit nicht angewandt wird, und versprechen den Bürgerinnen und Bürgern – man höre und staune –, sie, also die Wohnraumüberwachung, wird es auch erst dann wieder geben, wenn die neuen gesetzlichen Grundlagen geschaffen worden sind. Wunderbar!

Was heißt das übersetzt? – In Nordrhein-Westfalen finden unter Schwarz-Gelb keine Lauschangriffe statt. Hier könnte man sich denken: Eine tolle Bürgerrechtspolitik ist das. – Nein, Herr Kruse, es ist nicht Ihre Bürgerrechtspolitik, dass in diesem Land noch nicht einmal ein Lauschangriff stattfinden kann. Sie tragen auch zur Sicherheitspolitik nichts bei. Im Gegenteil: Es ist Stillstand der Sicherheitspolitik in NRW, und das unter der Ägide auch Ihrer Partei.

Wenn Sie jetzt in den Kommunalwahlkampf ziehen und sagen, dass Sie die Partei der inneren Sicherheit sind, dann glaubt Ihnen das langsam niemand mehr. Und Ihnen, Herr Engel, glaubt das mit der Bürgerrechtspolitik auch niemand mehr. Was macht denn die SPD hier? – Sie greift doch genau das Problem auf, indem sie eine Generalklausel für den Kernbereichsschutz formuliert. Das sind Hausaufgaben, die uns als Gesetzgeber das Bundesverfassungsgericht seit mehreren Jahren ins Stammbuch schreibt.

Kernbereichsschutz heißt, dass der Mensch ein Recht darauf hat, vom Staat in Ruhe gelassen zu werden. Das hat das Bundesverfassungsgericht zur Rasterfahndung – das ist schon ein paar Jahre her – sehr deutlich gesagt. Wenn seine Privatheit betroffen ist, hat der Staat abzuschalten, wegzuschauen und die heimlichen Überwachungsmethoden abzubre

chen. Genau dies haben wir nicht in unseren Gesetzen. Ich finde es deshalb positiv, dass die SPD einen Vorschlag unterbreitet, wie man das mit einer Generalklausel in beiden Gesetzen regeln kann. Das ist doch genau das, was wir brauchen. Deswegen ist es völliger Blödsinn, wenn Sie, Herr Engel, erzählen, dass die SPD damit einen Überwachungsstaat will. Ganz im Gegenteil!

Man kann unterschiedlicher Meinung sein, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD; das sage ich ganz klar. Wir sollten darüber reden, ob die Lösung des Spannungsverhältnisses zwischen Freiheit und Sicherheit, das der Kollege Rudolph beschrieben hat, in jedem Fall gelungen ist. Ich meine, es bleibt an einem Punkt widersprüchlich. Da ist der Ausgleich nicht gut gelungen. Es ist ein in sich gelagerter Widerspruch, über den man fachlich diskutieren müsste, wenn Sie in § 21 e den Kernbereichsschutz für das Polizeigesetz ausführlich und gut darstellen, dann aber in § 21 d die Onlinekompetenzen für das LKA beschreiben. Aber insgesamt finde ich es doch einen positiven Beitrag zur Debatte, weil Sie, Herr Kruse und Herr Engel, und besonders der Innenminister dieses Landes in der Sicherheitspolitik bislang völliges Versagen an den Tag gelegt haben. Deswegen bin ich der SPD dankbar, dass wir mit diesem Vorstoß endlich in eine Debatte kommen. – Danke schön.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Düker. – Für die Landesregierung erhält der Innenminister, Herr Dr. Wolf, das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Sicherheitsbehörden im Lande NordrheinWestfalen sind gut aufgestellt. Das haben sie in der Vergangenheit stets auch bei schwierigen Lagen unter Beweis gestellt. Dafür gilt den Polizistinnen und Polizisten unser herzlicher Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Natürlich lässt es eine Abgeordnete der GrünenPartei nicht ruhen, dass die Polizei erfolgreich ist. Ich verweise nur auf die guten Zahlen sowohl in der Kriminalstatistik als auch in der Verkehrsstatistik. Von daher entbehren alle Tartarenmeldungen, die heute zu hören sind, jeglicher Grundlage. Weltuntergangsparolen ersetzen eben nicht die sorgfältige Auseinandersetzung mit der Sache. Die Sicherheitsbehörden arbeiten auf der Grundlage der geltenden Gesetze und der Rechtsprechung. Damit gibt es in Nordrhein-Westfalen keine Sicherheitslücken.

Wenn die SPD-Fraktion einen eigenen Gesetzentwurf vorlegt und ihn als beispielhaft modern bezeichnet, dann kann man sich nur wundern. Er ist nämlich in weiten Bereichen aus dem Setzkasten

des Bundesgesetzgebers und in großzügiger Weise auch entlehnt worden. Beim ersten Lesen fällt schon auf, dass Sie den polizeirechtlichen Teil des Gesetzentwurfes unmittelbar aus dem BKA-Gesetz abgeschrieben haben, das – nur am Rande formuliert – auch schon wieder beklagt wird. Und die Neuregelungen zur parlamentarischen Kontrolle des Verfassungsschutzes haben Sie im Wesentlichen ebenfalls aus einem Gesetzentwurf des Bundes übernommen.

Da fragt man sich natürlich: Passen alle Normen für die verschiedenen Sicherheitsbehörden des Bundes 1:1 auf die Polizei und den Verfassungsschutz von Nordrhein-Westfahlen? Ich bin nicht der Ansicht, dass es richtig ist, bundesrechtliche Vorschriften einfach aufzupfropfen. Ich bin für eine organische Fortentwicklung des Landesrechts unter Beachtung unserer gewachsenen Normsystematik.

Dabei geht – und dabei bleibe ich – Gründlichkeit vor Schnelligkeit. Frau Düker, die sich eben wieder echauffiert hat, möge doch immer daran denken, dass die Übereifrigen im Bund in Ihrer Regierungszeit Onlinedurchsuchungen ohne gesetzliche Grundlage durchgeführt haben, dass sie ein verfassungswidriges Flugzeugabschussgesetz vorgelegt haben. All das ist während Ihrer Regierungszeit im Bund geleistet worden. Darauf können Sie wahrlich stolz sein.

(Beifall von CDU und FDP – Zuruf von Moni- ka Düker [GRÜNE])

Meine Damen und Herren, wir nehmen uns die notwendige Zeit, um die dynamische Entwicklung der Rechtsprechung zu den Sicherheitsgesetzen mit einzuarbeiten. Sowohl das BKA-Gesetz des Bundes als auch das bayerische Verfassungsschutzgesetz sind schon wieder mit Verfassungsbeschwerden belegt. Das heißt, wir müssen eine komplexe und komplizierte Materie mit einer Fülle von verfassungsrechtlichen Entscheidungen mit den Instrumenten aus den Sicherheitsgesetzen in Übereinstimmung bringen. Das ist ein ganz schwieriges Unterfangen. Das ist – das will ich durchaus bekennen – sehr viel Detailarbeit. Da kann man eben nicht mit irgendwelchen Generalklauseln mal eben versuchen, den Kernbereichsschutz zu lösen. Das muss man sehr sorgfältig machen.

Wir werden dem Landtag zeitnah einen Entwurf zum Polizeigesetz vorlegen.

(Gerd Stüttgen [SPD]: Zeitnah?)

Die medialen Aufschläge und die rührende Sorge der Opposition um die Umsetzung unseres Koalitionsvertrages sind immer wieder bezeichnend, gerade weil Sie die Instrumente, die dort vereinbart worden sind, selbst gar nicht wollen. Deswegen sind das alles Krokodilstränen, meine Damen und Herren.

Die Behauptung der SPD-Fraktion, die sofortige Verabschiedung des Gesetzentwurfs sei zum Schutz von Bürgerrechten und Behörden noch heute Nachmittag zwingend erforderlich, geht natürlich fehl. Die anzupassenden Normen werden bis zum Abschluss eines Novellierungsverfahrens im Rahmen einer verfassungskonformen Interpretation durch Polizei und Verfassungsschutz angewandt. Von daher, wie ich schon sagte: keine Lücke.

Die von der SPD-Fraktion vorgesehenen Änderungen entsprechen eben nicht dem von der Rechtsprechung geforderten oder den durch technische Entwicklungen gegebenen Neuregelungsbedarf. Teile der Neuregelungen sind missverständlich, ein Teil sogar ist verfassungsrechtlich sogar als sehr zweifelhaft einzuschätzen.

Wir haben gravierende Mängel im Gesetzentwurf: Die pauschale nicht bereichsspezifisch geregelte Kernbereichsregelung wird nicht vollumfänglich den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts gerecht, die Beschränkung des Kernbereichsschutzes auf zum privaten Wohnen genutzte Räume ist rechtlich sehr zweifelhaft, und die Formulierung der Beteiligung von Polizei und Verfassungsschutz an gemeinsamen Dateien ist handwerklich misslungen, Nachrichtendienstliche Eingriffsbefugnisse des Verfassungsschutzes werden nur aufgezählt, aber nicht hinreichend konkretisiert.

Sie sehen also: An vielen Stellen gibt es durchaus starke Kritik. Diese wird in der weiteren parlamentarischen Beratung sicherlich artikuliert werden. Ich empfehle Ihnen daher, diesen Entwurf sehr sorgfältig einer eigenen Überprüfung zu unterziehen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Innenminister Dr. Wolf. – Für die SPD-Fraktion erhält der Abgeordnete Kutschaty jetzt das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Debatte ist bislang sehr entlarvend gewesen. Wir haben auf der einen Seite einen Innenminister, der fast anderthalb Jahre nach der desaströsen Niederlage vor dem Verfassungsgericht immer noch nicht weiß, was er für ein Gesetz machen möchte, auf der anderen Seite haben wir Herrn Engel von der FDP-Fraktion, der sagt, dass das, was wir vorschlagen, viel zu weitgehend und viel zu eingreifend in die Rechte der Bürger sei, auf der anderen Seite Herrn Kruse von der CDUFraktion, der genau das Gegenteil sagt, nämlich es gehe noch längst nicht weit genug, wir müssten noch viel mehr machen. Da frage ich die Fraktionen von CDU und FDP: Tragen Sie eigentlich noch gemeinsam eine Landesregierung in diesem Hause?

(Beifall von der SPD)

Sind Sie sich einig, was Sie machen wollen? – Nach diesen Aussagen von Herrn Engel und Herrn Kruse kann man nicht den Eindruck haben, Sie wollten in Nordrhein-Westfalen noch weiter gemeinsam regieren.

(Carina Gödecke [SPD]: Erklärt aber, warum der Innenminister keinen Gesetzentwurf vor- legen kann!)

Offensichtlich gibt es deswegen auch die Abstimmungsschwierigkeiten, dass Sie noch keinen Gesetzentwurf vorlegen können, weil Sie sich nicht einig sind, was zu machen ist.