Protokoll der Sitzung vom 24.06.2009

Offensichtlich gibt es deswegen auch die Abstimmungsschwierigkeiten, dass Sie noch keinen Gesetzentwurf vorlegen können, weil Sie sich nicht einig sind, was zu machen ist.

Herr Engel, die SPD-Fraktion will keinen Polizeistaat und keine Totalüberwachung. Sie wissen das; das steht auch nicht in unserem Gesetzentwurf. Das haben Sie hier ein bisschen salopp formuliert. Aber wir müssen uns, Herr Engel, tatsächlich Gedanken darüber machen, wie die Sicherheitslage in der Bundesrepublik Deutschland aussieht. In den letzten Jahren, seit der letzten Novelle des Polizeigesetzes, hat sich tatsächlich das eine oder andere geändert.

Wir haben reale Angriffssituationen auf die Freiheit unseres Staates. Ich nenne nur die Kofferbombenattentäter in Dortmund und die Sauerlandgruppe, die von ihren Sprengstoffvorbereitungen gerade noch rechtzeitig abgehalten werden konnten. Wir haben also eine existierende Bedrohungslage in diesem Lande. Die Gefahren werden immer anders, sie werden auch vielschichtiger. Die Täter sind bislang nicht bekannt, sie arbeiten in kleinen Gruppen verdeckt, und sie nutzen moderne Kommunikationsmittel. Deswegen ist es Aufgabe des Staates – das rechtfertigt sich auch aus dem Grundgesetz –, diesen realen Gefahrenlagen entgegenzuwirken. Auch die Sicherheit und der Schutz der Bevölkerung sind ein Staatsziel. Aus diesem Grunde legen wir Ihnen heute diesen Gesetzentwurf vor.

Herr Kruse, Ihnen geht das nicht weit genug. Ich sage Ihnen: Vielleicht ist nicht alles, was verfassungsrechtlich zulässig ist, auch wünschenswert und sinnvoll. Auch da muss man unterscheiden, was man tatsächlich haben muss. Denn bei einer vernünftigen Ausgestaltung des Polizei- und Verfassungsschutzgesetzes mit zeitgemäßen, lagegerechten und handhabbaren Eingriffsbefugnissen darf nicht vergessen werden, dass das Grundgesetz auch den Schutz der Freiheitsrechte der Bürger als Auftrag an uns enthält. Deshalb brauchen wir eine ausgewogene Balance zwischen Sicherheit und Freiheit. Ich meine, unser Gesetzentwurf zeigt dies sehr deutlich.

Das Bundesverfassungsgericht hat uns den genauen Rahmen aufgezeigt, in dem wir uns bewegen dürfen, nicht nur durch die Entscheidung zur Onlinedurchsuchung am 27. Februar 2008. Da gab es etliche Entscheidungen: Wohnraumüberwachung, TK-Überwachung, Rasterfahndung und Kennzei

chenerfassung, aber insbesondere die Entscheidung zur Onlinedurchsuchung, bei der Sie, Herr Minister, mit Ihrem Gesetzentwurf kläglich gescheitert sind. Nach dieser Entscheidung richtet sich der Rahmen dafür, wie wir bei der Onlinedurchsuchung vorgehen können.

Tatsächlich sind wir an der Stelle etwas restriktiver als das BKA-Gesetz und sagen: In NordrheinWestfalen sind wir liberaler und freiheitsdenkender als das BKA-Gesetz. Bei uns ist eine Onlinedurchsuchung nur dann möglich, wenn tatsächliche Anhaltspunkte einer konkreten Gefahr für ein überragend wichtiges Rechtsgut vorhanden sind. Wir haben einen ausschließlichen Richtervorbehalt vorgesehen. Außerdem ist uns ganz wichtig, dass der Kernbereichsschutz als Teilbereich der persönlichen Lebensführung unangetastet bleibt. Unser Gesetz erfüllt diese Voraussetzungen. Ihr altes Gesetz hat diese Voraussetzungen nicht erfüllt.

Die Onlinedurchsuchung ist auch nicht zum Ausspionieren vorgesehen. Das ist allein schon deswegen klar, weil wir das nicht ins Verfassungsschutzgesetz packen, sondern sagen, dass die Onlinedurchsuchung eine Maßnahme zur konkreten Gefahrenabwehr ist. Deswegen gehört diese Vorschrift ins Polizeigesetz.

Meine Damen und Herren, wir halten fest: Wir sehen bei der Landesregierung Stillstand, den selbst Herr Kruse beklagt. Herr Kruse, in Ihrer Rede am 19. März 2009 haben Sie zu Recht darauf hingewiesen, dass in der ersten Jahreshälfte ein Gesetzentwurf vorgelegt wird. Sie sagten gerade sehr niedlich, das dauere vielleicht etwas zu lang. Sprechen Sie einmal mit Ihrem Innenminister, warum das so lange dauert. Vielleicht kann er uns dazu noch etwas sagen.

Herr Innenminister, zu Ihnen kann man nur sagen: Wenn Ihre Gesetze weiter so gemacht werden, müssen wir die Freiheit vor Ihnen in Sicherheit bringen. Unser Gesetz sichert die Freiheit, ohne dabei die Freiheit selbst aufzugeben.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Kutschaty. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Abgeordneter Schittges.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich die Einstiegsbegründung des Kollegen Rudolph richtig werte, habe ich den Eindruck, dass er entweder gerade in einer parteipolitischen Auseinandersetzung gewesen ist und die Wertungen aus der gestrigen Sitzung in seiner Fraktion mitgenommen hat oder sich in seinem Bundestagswahlkampf befindet, für den ich ihm viel Glück wünsche. Keine Anstrengungen, keine Ambitionen, Regierung um des Amtes willen – damit kann er nur andere als den Innenminister

meinen. Stumpfsinn – vielleicht meint er damit seine eigene Fraktion und die Diskussion dort.

Meine Damen und Herren, warum zu diesem Zeitpunkt dieser Gesetzentwurf kommt, ist jedem in meiner Fraktion klar. Damit haben wir kein Problem: Ein wenig muss auch das Parlament für den Wahlkampf der SPD herhalten.

Frau Düker, damit das klar ist: Die Grünen können nie ein Maßstab für innere Sicherheit sein. Der Staat ist gefordert. Eingriffe sind notwendig. Meine Damen und Herren, fast alle Deutschen wünschen sich die Grünen bei der inneren Sicherheit in der Opposition. Das ist gut so. Das zieht auch für Nordrhein-Westfalen.

Wer immer diesen Gesetzentwurf verfasst hat, meine Damen und Herren – die SPD hatte ja zahlreiche Rechtsstreiter an ihrer Seite; vielleicht ist das Ganze auch nur ein Abfallprodukt der letzten Wochen vor dem NRW-Verfassungsgericht –, so muss man zumindest den Eindruck haben: Hier haben Theoretiker etwas aufgebaut, was absolut nicht in die Landschaft passt.

Einige Kernbotschaften: Der Gesetzentwurf der SPD zeichnet ein verzerrtes Bild, die innere Sicherheit zu verbessern. Man gewinnt den Eindruck, dass es dazu geradezu fast ausschließlich auf rein technisch geprägte Eingriffsbefugnisse ankomme. Meine Damen und Herren, das geht an der Realität und an der polizeilichen Praxis vorbei. Das wissen auch die Kollegen der SPD, insbesondere dann, wenn sie sich durch Zwischenrufe wie eben bemerkbar machen.

Meine Damen und Herren, der wesentliche Beitrag zur inneren Sicherheit ist, wie es der Kollege Kruse bereits deutlich gesagt hat, erst einmal eine gut aufgestellte und gut ausgerüstete Polizei. An der Stelle haben wir – das sollten Sie wissen – vieles nachgeholt, was zum Beispiel die Informationstechnik und die Sicherheit der einzelnen Beamten anbelangt. Das ist alles in dieser Zeit passiert. Die SPD hatte – das sollten Sie alle wissen – den Abbau von über 2.300 Polizistenstellen vorgesehen. Wir haben 841 Stellen erhalten, und – das hat uns bei allen Polizeigewerkschaften hohe Anerkennung gebracht – Tatsache ist die Erhöhung der Neueinstellungen von 500 auf 1.100 Stellen. Das hat eine lange Vorbereitung – auch was die haushalterische Absicherung anbelangt – bedingt. Auch das muss alles geschehen.

Nun versucht die SPD mit ihrem Gesetzentwurf zu verdecken, dass sie selber die verfassungsrechtlich nachzubessernden Normen wie zum Beispiel die Wohnraumüberwachung aus ihrer Gott sei Dank letzten Periode zu verantworten hat. Sie hatte nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Schutze des Kernbereichs privater Lebensgestaltung nicht die politische Kraft, das Gesetz verfassungskonform auszugestalten. Das ist Ihnen, wie ich meine, auch mit diesem Entwurf nicht gelungen,

Die von Ihnen, Ihrem Professor oder wem auch immer gut aufgeschriebene Kernbereichsregelung entspricht keineswegs den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts. Das haben Sie bereits eingestanden. Sie können von Glück reden, dass dieser Entwurf – das ist sein Vorteil – hier im Haus keine Mehrheit finden wird.

Im Gesetzentwurf vermissen wir alle einen weiteren wichtigen Punkt, den der Kollege Kruse angedeutet hat und den man nicht oft genug wiederholen kann, weil die Beamtinnen und Beamten darauf warten, dass eine Entscheidung in dieser Frage kommt. Es geht um eine gesetzliche Regelung zum finalen Rettungsschuss. An der Stelle hat sich die SPD vor einer klaren Regelung gedrückt. Das kennen wir, wir haben selbst mit dieser Diskussion Probleme zwischen den Koalitionsfraktionen – das sollte man offen sagen – und wissen von daher um die Bedeutung dieses Themas.

Wir wollen außerdem die Wiederaufnahme der öffentlichen Ordnung als zu schützendes Rechtsgut. Deshalb sage ich in aller Klarheit: Entgegen den vollmundigen Ankündigungen bleibt der Gesetzentwurf der SPD auch an anderen Stellen hinter den verfassungsrechtlichen Vorgaben zurück. Die konkrete Ausgestaltung des Kernbereichsschutzes erreicht zum Teil nicht das Niveau der bundesgesetzlichen Regelungen. Das, meine Damen und Herren, dürfte mit Blick auf das G10-Gesetz und das BKA-Gesetz noch einmal deutlich unterstrichen werden.

Ich sage Ihnen klar: Wir arbeiten daran und wissen ganz genau, dass wir in den Fraktionen Grundsatzhaltungen haben, die nicht kompromissfähig sind. Das sagen wir auch mit Blick auf unseren Koalitionspartner. Wir wissen aber um die Entwicklung der neuen Kriminalität, die Sie in Ihrem Gesetzentwurf aufgelistet haben.

Herr Kollege!

Herr Präsident, ich komme zum Schluss.

Wenn der Eindruck entsteht, dass das zu diesem Zeitpunkt allenfalls ein Durchmarschieren oder ein Mitwirkungsproblem im Wahlkampf ist, haben Sie der Diskussion um die innere Sicherheit keinen Dienst erwiesen. Ganz im Gegenteil! Wir sind weiter, als Sie denken. Wir wollen ein solches Thema aber nicht im Wahlkampf problematisieren und werden zur rechten Zeit mit dem Gesetzentwurf kommen, den der Innenminister angedeutet hat. – Danke schön.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Schittges. – Jetzt hat für die FDP-Fraktion Herr Dr. Orth das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man in dieser Debatte die Redner der Opposition hört, könnte man denken, dass sie gerade neu ins Parlament gekommen sind. Frau Düker, Sie kommen aber nicht damit davon, dass Sie hier immer darstellen, was alles schlecht sei, ohne gleichzeitig zu sagen, dass alles das, was im Gesetz noch schlecht ist, doch zu Ihren Zeiten verabschiedet worden ist.

Sie müssen hier im Parlament bitte endlich einmal auch die Verantwortung dafür übernehmen, dass Sie es waren, die das Polizeigesetz des Landes Nordrhein-Westfalen in das Gesetzbuch des Landes hineingebracht haben, und dass Sie es waren, die kernbereichsverletzende Normen en masse in dieses Gesetz aufgenommen haben.

Sie erklären hier immer, der Innenminister habe an einer Stelle kernbereichsverletzende Normen in das Verfassungsschutzgesetz Nordrhein-Westfalen hineingebracht. Sagen Sie aber bitte im gleichen Atemzug auch, dass Sie an mindestens drei, vier oder fünf anderen Stellen die gesetzgeberische Verantwortung für diese Dinge tragen. Da ducken Sie sich weg, meine Damen und Herren.

(Beifall von der FDP)

In Wirklichkeit machen Sie ja auch keine Politik nach dem Motto „Man hat das Recht, in Ruhe gelassen zu werden.“ Das haben Sie hier eben gesagt. Warum haben Sie denn dann vor einigen Jahren verantwortet, dass zum Beispiel die Wanze ins Polizeigesetz kam? Dort haben Sie es anders gesehen. Sagen Sie bitte, dass sich Ihre Einsicht geändert hat! Jetzt vertreten Sie ja die Ansicht, man dürfe nichts Gesetzwidriges ins Gesetz schreiben. Das hätten Sie vorher selber aber auch wissen müssen.

(Monika Düker [GRÜNE]: Der Lauschangriff ist nicht von uns dort hineingebracht worden!)

Der Lauschangriff ist mit Ihnen in das Gesetz hineingekommen; denn Sie haben hier zehn Jahre regiert. Das haben Sie anscheinend vergessen. Es ist auch besser, dass das inzwischen Historie ist.

Was die SPD betrifft, wundert es mich, dass man inzwischen dazu übergehen möchte, private Computer auszuspähen und Verbindungsdaten zu erfassen. Wenn die SPD für diese Dinge eintritt, dann ist sie eine Partei, die den totalen Überwachungsstaat will. Meine Damen und Herren, in Ihren Wahlkampagnen haben Sie vor Parteien gewarnt, die angeblich Finanzhaie seien oder heiße Luft verbreiteten. Fragen Sie sich einmal, unter welchem Etikett Sie demnächst in den Wahlkampf ziehen wollen!

Zum Beispiel wäre „SPD – die Partei der Schnüffler“ dann nur konsequent.

Nach unserer Ansicht sollten wir das Polizeigesetz vernünftig auf Basis der verfassungsgerichtlichen Vorgaben aufsetzen. Das werden wir auch zeitnah tun. Zeitnah heißt wirklich zeitnah. Sie werden in einigen Wochen die Gelegenheit haben, sich mit einem fundierten, vernünftigen Gesetzentwurf zu beschäftigen. Insofern ist der SPD-Entwurf eigentlich nur Papier. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Dr. Orth. – Jetzt hat für die SPD-Fraktion noch einmal Herr Dr. Rudolph das Wort. Herr Kollege, bitte.

(Dr. Karsten Rudolph [SPD]: Ich dachte, erst käme Frau Düker!)

Frau Düker hat sich bislang noch nicht bei mir gemeldet.

(Monika Düker [GRÜNE]: Ich melde mich jetzt!)

Dann bekommen Sie danach das Wort, Frau Düker.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dies ist eine abenteuerliche Debatte, die eher zwischen den Koalitionsfraktionen und nicht zwischen Koalition und Opposition geführt wird. Das können wir weiter so treiben lassen. Eigentlich sollte ein Parlament aber auch zu Ergebnissen kommen. Sie tragen hier noch einmal Ihre Koalitionsverhandlungen aus dem Jahr 2005 vor.

(Vorsitz: Vizepräsidentin Angela Freimuth)

Sie werfen uns vor, wir hätten in unserem Entwurf eines Artikelgesetzes nichts zur öffentlichen Ordnung gesagt. Warum sagen wir nichts dazu? Weil wir Ihre Regelung für Quatsch halten. Sie ist rückständig. Das haben wir damals herausgenommen.

Sie werfen uns vor, wir würden nicht den finalen Rettungsschuss oder den Todesschuss ins Gesetz schreiben. Den halten wir für Quatsch. Deswegen haben wir ihn in Nordrhein-Westfalen nie in ein Gesetz geschrieben. Auch in anderen Bundesländern gibt es ihn ja überhaupt nicht. Im Übrigen hat die Tatsache, dass es in diesem Punkt keine Extranorm gibt, nie zu einem praktischen Problem bei der nordrhein-westfälischen Polizei geführt.

Das sind Nebelkerzen. An solchen Nebensächlichkeiten und Petitessen arbeitet sich die Koalition ab. Zu der wirklich wichtigen Frage, wie Freiheit und Sicherheit angesichts des internationalen Terrorismus und der organisierten Kriminalität in Einklang zu bringen sind, verweigern Sie hier aber jede Arbeitsleistung – seit 2005.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)