Herr Orth, Ihr flinker Fuß ist ja bewundernswert. Sie können das natürlich so weitertreiben. Das wird dann ein historisches Seminar. Die Wahrheit ist allerdings, dass Sie die Novelle des Verfassungsschutzgesetzes verantworten. Oder nicht? Das hat doch Ihr Innenminister gemacht, und dieses Parlament hat es mit Ihrer Mehrheit beschlossen.
Darin steht alles das, was Sie der SPD vorwerfen. In Ihrem Gesetz ist die Wohnungsraumüberwachung enthalten, die verfassungswidrig ist. Keine Änderung! In Ihrem Gesetz ist die Onlinedurchsuchung enthalten, die verfassungswidrig und nichtig ist. Trotzdem werfen Sie hier der SPD den totalen Überwachungsstaat vor. Mit der krachenden Niederlage in Karlsruhe ist in Deutschland doch gezeigt worden, wer wirklich nicht mit dem Thema Freiheit umgehen kann:
Die von Ihnen in der Novelle des Verfassungsschutzgesetzes vorgenommenen Datenschutzregelungen sind nicht in Ordnung und haben keinen Bestand. Und dann werfen Sie das anderen vor? Kernbereichsschutz: Wo haben Sie denn da etwas geregelt? Klar ist, dass die entsprechende Regelung in dem von Ihnen verantworteten Gesetz nicht so weiterläuft; denn das Gericht hat beanstandet, dass dies kein richtiger Kernbereichsschutz ist. Quellen-TKÜ: Das haben Sie doch alles gemacht.
Sie müssen einmal die Gesetze lesen, die Sie hier im Parlament verabschieden, damit Sie auch wissen, was Sie als FDP-Abgeordneter eigentlich politisch gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern des Landes zu verantworten haben – nämlich exakt die Gesetze mit exakt den Regeln, zu denen Sie anderen vorwerfen, sie hätten sie erlassen, und verschweigen, dass Sie sie alle beschlossen haben.
Herr Dr. Rudolph, der Kollege Engel würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen. Wollen Sie sie zulassen?
Danke. Ich rege mich schon ein bisschen auf. Deswegen kommt mir diese Zwischenfrage gerade gelegen. Herr Kollege Engel, bitte.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Kollege Rudolph, weil Sie Karlsruhe explizit angesprochen haben, frage ich Sie: Haben Sie denn zur Kenntnis genommen, dass das Bundesverfas
sungsgericht in diesem Urteil ein völlig neues Grundrecht aus der Verfassung hergeleitet hat und man im Umkehrschluss ja nicht verlangen kann, dass die Gesetzgebungsorgane, auch dieser Landtag und diese Landesregierung, über hellseherische Fähigkeiten verfügen? Haben Sie das wenigstens zur Kenntnis genommen?
Herr Kollege Engel, ich habe das natürlich zur Kenntnis genommen. Genauso wie ich das zur Kenntnis genommen habe, haben Sie aber vielleicht auch zur Kenntnis genommen, dass der Kollege Jäger und ich Ihnen vor drei Jahren vor der Landespressekonferenz NRW gesagt haben: Was Sie da in Bezug auf die Onlinedurchsuchung machen, ist, auch wenn es kein neues Grundrecht gibt, eindeutig verfassungswidrig und deshalb nichtig.
Genau das ist eingetreten. Seinerzeit haben Sie uns alle als diejenigen, die keine Ahnung hätten, verlacht. Deswegen kann ich nur feststellen: Wer allen Grund hatte, erhobenen Hauptes aus dieser Gerichtsverhandlung herauszugehen, war die Opposition – aber nicht die Regierung.
Gestatten Sie mir zum Schluss folgende Bemerkung: Im englischen Sprachgebrauch tragen Parlamentarier den schönen Namen Lawmaker. Bei Ihnen kann man in der Innenpolitik feststellen, dass Sie diese Bezeichnung nicht verdient haben, weil Sie im Grunde genommen die Gesetzgebungsarbeit eingestellt haben, obwohl Sie dafür verantwortlich sind.
Mit unserem Gesetzentwurf fordern wir Sie auf, die Gesetzgebungsarbeit endlich wieder aufzunehmen und das zu tun, was Parlamentarier auch sind, nämlich Lawmaker. Wir werden all die Fragen, die Sie aufgeworfen haben, in der Anhörung zu dem Gesetz mit dem entsprechenden Sachverstand, der dazu eingeladen wird, bereden. Wenn es von Ihrer Seite Verbesserungsvorschläge zu einzelnen Normen gibt: Herzlich willkommen! Wir nehmen die gerne auf.
Vielleicht gelingt es uns – man soll die Hoffnung nicht aufgeben –, ein Gesetz in diesen Landtag einzubringen, das von mehr als zwei Fraktionen unterstützt wird. – Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Rudolph. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Kollegin Düker das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach dieser Debatte muss man sich doch hier im Land fragen: Was gilt jetzt eigentlich in der Sicherheitspolitik? Gilt das Wort von Herrn Dr. Orth, der immer gerne den Bürgerrechten das Wort redet? Ich nehme nur ein Beispiel heraus. Beim Thema Platzverweis spricht er sich vehement dagegen aus, dass die Kommunen längerfristige Platzverweise ausstellen dürfen. Das haben Sie mehrfach gemacht. Oder gilt das Wort von Herrn Kruse, der uns – auch an diesem Beispiel – vollmundig erklärt: Wir werden mit dem Ordnungsbehördengesetz einen Annex zum Polizeigesetz machen, indem wir den Kommunen die Kompetenz für langfristige Platzverweise – eine Kompetenz, die wir, RotGrün, ihnen genommen haben – wieder zurückgeben. – Was gilt denn hier?
Können Sie Ihre Koalitionsverhandlungen nicht da machen, wo sie hingehören, in einem Koalitionsausschuss, dann entscheiden und uns endlich einen abgestimmten Entwurf vorlegen? Das sind doch Ihre Hausaufgaben, die Sie nicht machen.
Herr Orth, noch etwas zu dem Thema, Rot-Grün habe Bürgerrechte vernachlässigt. Wir waren es, die damals bei der Reform des Polizeigesetzes, als es zum Beispiel um Videoüberwachung, Platzverweise, Rasterfahndung, ging – nach dem 11. September 2001, als wir die Sicherheitsdebatten hier im Landtag hatten –, Ihre Anregung aufgenommen und gesagt haben: Gerade weil wir bei Rasterfahndungen und Platzverweisen in Grundrechte der Bevölkerung eingreifen, nehmen wir den Vorschlag der FDP auf, das zu evaluieren, um zu schauen, ob im Vollzug die Verhältnismäßigkeit wirklich gewahrt bleibt.
Das haben wir auf Ihren Vorschlag hin in das Gesetz aufgenommen und hier im Parlament beschlossen. Und was passiert? Diese Evaluierungsfrist ist im Sommer 2007 – das muss man sich vorstellen – ausgelaufen. Noch nicht einmal das bekommt die Landesregierung mit einem Innenminister Ihrer Partei auf die Reihe, dass man uns wenigstens einmal vorlegt: Was hat diese Norm gebracht? Wie steht es mit der Verhältnismäßigkeit? Bleibt sie bestehen oder nicht?
Das ist zwei Jahre überfällig. So viel zu dem Thema, bei welcher Partei die Bürgerrechte in guten Händen sind. Bei Ihnen weiß Gott nicht. Sie haben alles dafür getan, dass wir in Nordrhein-Westfalen nicht nur unsicherer leben, Herr Kruse, sondern auch unsere Freiheit nicht mehr in guten Händen ist.
Vielen Dank, Kollegin Düker. – Für die Landesregierung hat Herr Dr. Wolf das Wort. Bitte schön, Herr Minister.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das war wieder einer Ihrer schwächeren Auftritte, Frau Düker.
Wenn es eine Partei gibt, die nicht für innere Sicherheit steht, sind es die Grünen. Deswegen sind alle froh, dass Sie keinen Minister stellen.
Herr Rudolph, 12 von 16 Bundesländern haben mittlerweile die Regelungen über den finalen Rettungsschuss eingeführt, sodass auch SPD-geführte Länder wie Rheinland-Pfalz, Brandenburg, auch Bremen das offensichtlich nicht für Quatsch halten, was Sie als Unsinn ansehen. Das ist ganz interessant.
Zweiter Punkt: Der erkennbar undifferenzierte Diskussionsstand zum Thema Onlinedurchsuchung bedarf sicherlich noch einer Erklärung. Eines ist sehr deutlich geworden – Herr Engel hat die entscheidende Frage gestellt –: Konnte jemand zum damaligen Zeitpunkt über die Kernbereichsschutzregelung etwas vorausahnen, ja oder nein? Das Computergrundrecht ist neu geschaffen worden. Wir haben eine Kehrtwende vollzogen, eine Neuregelung bekommen, die niemand voraussehen konnte und die im Übrigen auch Umsetzungsschwierigkeiten bereitet. Wenn alles so einfach wäre, wäre auch zum Beispiel das Bundeskriminalamtgesetz nicht schon wieder beklagt. Gerade an der Stelle streiten sich also die Geister.
Herr Rudolph hat zum erneuten Male die Falschmeldung herausgegeben hat, wir hätten Onlinedurchsuchungen gewollt. – Wir wollten Kommunikationsdaten überwachen; das steht klar in der Begründung des Gesetzes. Wir haben uns immer gegen die weiter gehende Onlinedurchsuchung gewehrt. Wir hatten das im Übrigen nicht bei der Polizei, sondern beim Verfassungsschutz vorgesehen. Denn die Polizei hat ihrerseits die Möglichkeit, beispielsweise durch Beschlagnahme, Zugriff zu nehmen.
Das heißt, die gesamte Materie ist etwas komplizierter, als Sie sie dargestellt haben. Interessant ist, dass Sie als SPD sich lange Zeit gegen Onlinedurchsuchungen ausgesprochen haben. Nachdem das Bundesverfassungsgericht es für zulässig erklärt hat – jedenfalls in gewissem Rahmen –, wollen Sie es plötzlich auch für Nordrhein-Westfalen, weil das im Bund in das Gesetz aufgenommen worden ist. Diese wechselvolle Geschichte Ihrer Argumentation ließe sich prima aufarbeiten, bringt uns aber heute nicht weiter.
Für uns steht klar fest, dass dieser Gesetzentwurf, den Sie eingebracht haben, mängelbehaftet ist. Wir werden einen eigenen Entwurf vorlegen, der zwi
Vielen Dank, Herr Minister. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Wir sind am Schluss der Beratung.
Wir kommen zur Abstimmung über die Überweisungsempfehlung des Ältestenrats, den Gesetzentwurf Drucksache 14/9386 an den Innenausschuss – federführend – sowie den Hauptausschuss und den Rechtsausschuss zu überweisen. Wenn Sie dieser Überweisungsempfehlung folgen möchten, darf ich Sie um Ihr Handzeichen bitten. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Damit stelle ich die Zustimmung aller Fraktionen und des Abgeordneten Sagel fest.
3 Einwanderungs- und Asylpolitik besser koordinieren – Interessen der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften berücksichtigen
Ich eröffne die Beratung und erteile für die antragstellende Fraktion der CDU der Frau Abgeordneten von Boeselager das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute ganz bewusst diesen Antrag eingebracht, weil wir – da stimmen Sie bestimmt mit mir überein – in einer Zeit des rasanten Wandels leben. Unzählige Menschen machen sich jeden Tag auf den Weg, ihr Herkunftsland zu verlassen und woanders eine bessere Zukunft zu suchen. Besonders für uns in Europa ist das eine riesige Herausforderung und eine Chance zugleich. Hier müssen wir eine Balance finden.
Auf der einen Seite gebietet uns unsere christliche und humanistische Tradition, Menschen, die aufgrund ihrer religiösen oder politischen Ansichten oder aufgrund ihrer ethnischen Abstammung verfolgt werden, Schutz zu gewähren. Jeden Tag können wir in den Nachrichten davon lesen, dass sich Menschen in ihrer Freiheit bedroht fühlen, dass sie um ihr Leben kämpfen müssen und riesige Sorgen haben.
Diesen Tatsachen müssen wir uns in unserer Einwanderungspolitik stellen. Es ist wichtig, dass dazu von uns auch ein zentraler Beitrag zur sozioökono
mischen Entwicklung geleistet wird. Allein schon aus demografischen Gründen werden wir in der Zukunft auf den Zuzug von hoch qualifizierten Frauen und Männern auch in Europa angewiesen sein.
Darüber hinaus ist Zuwanderung auch ein Beitrag der kulturellen Bereicherung. Alle, die legal zu uns kommen, zeigen, dass sie auch willkommen sind und wir ihre Potenziale und Fähigkeiten sehr schätzen und sie uns auch bereichern.