Protokoll der Sitzung vom 26.06.2009

Mit diesem Rollkommando sind Sie doch angetreten. Die FDP sagt das immer wieder. Und mit diesem Rollkommando machen Sie auch weiter,

(Christian Lindner [FDP]: Aus voller Überzeu- gung!)

zum Schaden des Landes und zum Schaden der Menschen im Land.

Denn trotz Finanzmarktkrise, trotz Wirtschaftskrise, trotz des grandiosen Scheiterns der marktradikalen Ideologie hängen Sie doch weiter – das ist gerade deutlich geworden – dem verhängnisvollen Irrglauben an: Der Markt wird es schon richten. Deshalb setzen Sie auch mit diesem Gesetzentwurf unbeirrt auf die sogenannten Selbstheilungskräfte des Marktes.

(Minister Dr. Helmut Linssen: Das ist eine Anstalt des öffentlichen Rechts! Was reden Sie denn da?)

Ich hatte ja tatsächlich für einen Moment die Hoffnung gehabt, dass nach der Auswechslung des skandalumwobenen Ministers Wittke durch Sie, Herr Lienenkämper, auch diese verhängnisvolle Wohnungspolitik geändert werden würde. Pustekuchen! Der Gesetzentwurf zeigt: Sie machen einfach weiter, als sei nichts geschehen.

Herr Minister, Sie haben heute Morgen eine große Chance vertan. Ich bin allerdings zuversichtlich. Wir helfen Ihnen bei den Beratungen, dass Sie doch noch zur Einsicht kommen können. Die Chance besteht ja noch.

Meine Damen und Herren, in unserem Grundgesetz ist die Unverletzlichkeit der Wohnung festgeschrieben, und das aus gutem Grund. Denn Wohnungspolitik ist Teil der Daseinsvorsorge, die der Staat für die Menschen zu leisten hat. Dazu gehört der Schutz der Mieterinnen und Mieter und dazu gehört auch die Bereitstellung von preiswertem Wohnraum, besonders für die Menschen, die auf dem freien Wohnungsmarkt keine angemessene und vor allem keine bezahlbare Wohnung finden würden.

Doch Daseinsvorsorge hat ja in der Politik dieser Landesregierung, zumal in der Wohnungspolitik, keine Rolle gespielt.

(Beifall von der SPD)

Vielmehr ging es darum, zunächst einmal die Gesetze vermieterfreundlicher zu machen. Sie haben die Mieterinnen und Mieter geschwächt, indem Sie die Vermieter einseitig gestärkt haben.

Stufe 1 des Regierungsprogramms ist gleich zu Beginn dieser Koalitionsregierung gezündet worden: Einschränkungen beim Mieterschutz, Einschränkungen der Belegungsrechte der Kommunen, Erleichterung der Umwandlung von Wohnungen in Gewerbeeinheiten, also deutliche Verschlechterungen für die Mieterinnen und Mieter, weniger Handlungsmöglichkeiten für die Kommunen. Das ist das Fazit.

Und dann Stufe 2, der Verkauf der LEG. Statt das Land mit eigenen Wohnungen weiter eine regulierende Funktion auf den Wohnungsmärkten ausüben zu lassen, haben Sie die 93.000 Wohnungen des Landes verkauft – nicht an die Kommunen, die interessiert waren. Denen haben Sie keine Chance gegeben. Sie haben an den- oder diejenigen verkauft – das ist immer noch nicht klar –, die am meisten zahlen konnten und wollten.

Ich füge an die Adresse des Finanzminister, der im Moment draußen ist, hinzu: Diese Geheimniskrämerei muss endlich ein Ende haben.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Ich kann verstehen, dass es dem Finanzminister peinlich ist,

(Horst Becker [GRÜNE]: Wo ist der über- haupt?)

einzugestehen, dass er offensichtlich die Hand zu einem Deal gereicht hat, mit dem ganz offenbar Millionen Euro an Steuern durch den oder die Käufer eingespart werden konnten. Aber gerade deshalb muss der Finanzminister endlich Klarheit schaffen, um wie viel Geld es sich dabei handelt, warum er das mitgemacht hat und ob mit diesem Deal unsere an den LEG-Wohnungen interessierten Kommunen nicht benachteiligt worden sind. Transparenz statt Geheimniskrämerei: Für einen ehrbaren Kaufmann ist das ein Gebot, und Herr Linssen, der für sich in Anspruch nimmt, das zu sein, muss endlich danach handeln.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Was wir heute wissen, meine Damen und Herren, ist klar: Die LEG hat ihre Instandhaltungsmaßnahmen massiv zurückgefahren. Sie nutzt jeden sich bietenden Spielraum für Mieterhöhungen. Sie hat so ziemlich alle Modernisierungsmaßnahmen gestoppt. Schon jetzt zahlen die Kommunen sowie die Mieterinnen und Mieter für diese Fehlentscheidung der Landesregierung.

Jetzt kommt die Stufe 3 der politischen Agenda dieser Landesregierung: die Abschaffung des Landeswohnungsbauvermögens. Wir sollen Ihnen glauben – das ist vorhin noch mal deutlich geworden –, dass Sie mit dem heute eingebrachten Gesetzentwurf den Stein der Weisen gefunden haben, dass Sie eine eierlegende Wollmilchsau geklont haben, mit der der große Wunschtraum von Herrn Linssen, den er seit 20 Jahren träumt, in Erfüllung geht. Alle sollen Gewinner sein: die NRW.BANK, die Politik, die Wohnungswirtschaft und diejenigen, die von den zusätzlichen neuen Förderprogrammen profitieren sollen.

Das wird so nicht gehen. Sie wissen das doch. Es geht – sagen Sie es doch einfach laut und deutlich – einzig und allein einmal mehr um die Entlastung des Landeshaushalts. Für diese Entlastung hat die soziale Wohnraumförderung, seitdem Sie regieren, schon immer als anzapfbare Spardose herhalten müssen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Da wird der Wohnungswirtschaft vorgegaukelt – das ist gerade noch mal deutlich geworden, Herr Minister –, dass es auch zukünftig einen revolvierenden Fonds für den Wohnungsbau geben würde. Der sei jetzt nur politisch, statt wie bisher rechtlich abgesichert.

Ich muss nach der Durchsicht dieses Gesetzentwurfs feststellen: Ich finde keinen Fonds. Ich finde auch kein Landesfördervermögen. Ich finde das ganz normale Stammkapital der Bank, das genauso gut für andere Geschäfte genutzt werden kann.

(Zuruf von der SPD: So ist es!)

Das haben Sie ja gesagt. Also, Herr Minister, wenn Sie das uns und anderen vorgegaukelt haben, dann

zeigen Sie uns doch die Stelle oder schreiben Sie es hinein, wo es in diesem Gesetz einen revolvierenden Fonds geben soll.

Gerade haben Sie vorgegaukelt, mit diesem Gesetzentwurf sei das Primat der Politik sichergestellt. Doch bei Durchsicht wird klar: Sobald es ein Risiko gibt, geht nichts ohne den Bankvorstand. Er legt im Übrigen auch fest, wie hoch zukünftig die Zinsen für Wohnungsbaudarlehen sein werden. Auch das macht der Gesetzentwurf deutlich. Primat der Politik? – Fehlanzeige!

Da wird denen, die auf zusätzliche Fördergelder hoffen, vorgegaukelt, die NRW.BANK wäre in Zukunft im großen Umfange fähig, neue Programme aufzulegen, weil die Eigenkapitalsituation der Bank – Sie haben es gerade gesagt – so massiv verbessert wäre. Doch Sie schweigen sich auch heute darüber aus, in welchem Umfang das Wfa-Kapital denn überhaupt angerechnet werden kann, zumal der Bank mit der Vollintegration noch zahlreiche Lasten auferlegt werden, die bisher nicht bei der Wfa lagen.

Also: Die Landesregierung – das ist mein Fazit – schwächt damit langfristig und nachhaltig die Eigenkapitalbasis der Bank, statt sie zu stärken.

Herr Minister Lienenkämper, an der Zukunft des Landeswohnungsbauvermögens entscheidet sich, ob Sie das sind, was Ihr Vorgänger bereits war, nämlich ein Erfüllungsgehilfe des Finanzministers, der marktliberalen Agenda der Koalition, oder ob Sie für die Menschen da sein wollen, für die der Staat auch in dieser besonderen Situation auf dem Wohnungsbaumarkt Daseinsvorsorge zu leisten hat.

Ich freue mich auf die Beratung und darauf, dass der Minister dann vielleicht auch einsichtig wird. – Vielen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Römer. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Bernd Schulte das Wort. Bitte schön, Herr Kollege Schulte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe dem Vorredner aufmerksam gelauscht und festgestellt, dass er in Ermangelung von Aussagen zum Thema Wfa auf Nebenkriegsschauplätze geflüchtet ist, weil er zum Thema LEG eine Menge zu sagen weiß.

Und ich stelle fest, dass in seiner Rede auch Vorurteile ihren Niederschlag gefunden haben, wie das Vorurteil, das sich mit der Devise „Privat vor Staat“ verbindet.

Herr Kollege, haben Sie jemals zur Kenntnis genommen, dass die Förderbank des Landes Nordrhein-Westfalen eine nicht den Zielen der Gewinn

maximierung unterliegende Einrichtung ist, sondern die Aufgabe hat, das Wohl der Kommunen und das Wohl der Unternehmen zu fördern, dass Ihre Ziele also nicht dem entsprechen, was Sie hier behaupten? Sie ist eine staatliche Fördereinrichtung, die nicht privatisiert wird, sondern im Gegenteil gestärkt wird, um effektiver und besser arbeiten zu können.

(Beifall von CDU und FDP)

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf werden drei Zielrichtungen verfolgt, die in einem Artikelgesetz vereinigt werden: die Umsetzung der Föderalismusreform auf dem Gebiet der Wohnraumförderung, die Erweiterung der Fördermöglichkeiten, Herr Kollege Römer, der landeseigenen Förderbank NRW.BANK – das ist keine private Bank, um es noch mal ausdrücklich zu bestätigen – und damit verbunden die Integration des WfaVermögens in die NRW.BANK zur Stärkung der Eigenkapitalbasis.

Die Opposition hat im Vorfeld dieser Diskussion redliches Bemühen an den Tag gelegt, den Gesetzentwurf nach dem Vorbild des Sparkassengesetzes zu instrumentalisieren, und hat nach Verbündeten in den Verbänden und Organisationen gesucht. Dieser Versuch ist gründlich misslungen und voll danebengegangen. Es ist deutlich geworden, dass es allen Beteiligten – auch in den Organisationen und Verbänden – darum geht, die Förderpolitik des Landes vor dem Hintergrund der Finanz- und Wirtschaftskrise zielgenauer und effektiver zu gestalten und zu erweitern.

Der Gesetzentwurf und der Wegfall der Zweckbindung des Wohnungsbauvermögens dienen nicht einer Beschneidung der Fördermöglichkeiten, sondern dem konsequenten Ausbau der Förderlandschaft. So baut Nordrhein-Westfalen seine führende Position in der Wohnraumförderung im Bundesvergleich weiter aus.

Nicht nur in der Koalition, sondern offensichtlich auch in einsichtigen Teilen der Opposition hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass Wohnraumförderung als integrierter Bestandteil von Stadtentwicklungspolitik anzusehen ist und deshalb keines politischen und rechtlichen Artenschutzes innerhalb einer eigenen Anstalt bedarf. Deshalb ist die Integration des Wohnungsbauvermögens innerhalb der NRW.BANK in ein Landesfördervermögen richtig.

Insbesondere die Beibehaltung des revolvierenden Fonds verhindert, dass das Vermögen schleichend aufgezehrt und konsumptiven Wunschvorstellungen geopfert wird,

(Norbert Römer [SPD]: Wo steht das denn? Auf welcher Seite?)

wie Sie es in der letzten Legislaturperiode beabsichtigt haben, indem Sie Unterhaltungsarbeiten und andere konsumtive Ausgaben des Haushalts auf das Wohnungsbauvermögen abwälzen wollten. Der

Kollege Klein wird gleich auf die mit der Vollintegration zusammenhängenden Aspekte näher eingehen.

Die politische Aufgabenstellung in Nordrhein-Westfalen ist unbestritten und spiegelt sich sowohl im Regierungsprogramm als auch in den jährlichen Haushaltsplänen wider. Der demografische Wandel trifft die verschiedenen Teile des Landes unterschiedlich. Es bedarf deshalb regional differenzierter Strategien. Während in den Wachstumsregionen des Landes nach wie vor der Neubau von Wohnraum in verschiedenen Wohn- und Rechtsformen erforderlich ist, wird in den Schrumpfungsgebieten verstärkt über sogenannten Rückbau nachzudenken sein.

Die Altersverschiebung innerhalb der Bevölkerung erzwingt Modernisierung zur Herstellung von Barrierefreiheit im Geschosswohnungsbau, um auch alten Menschen eine möglichst lange Verweildauer in angestammten Wohnungen unter Inanspruchnahme ambulanter Hilfen zu ermöglichen. Die energetische Erneuerung von Wohnraum ist ebenso in den Förderkatalog aufzunehmen wie Wohnraum in Betreuungseinrichtungen, Formen des gemeinschaftlichen Wohnens und wohnraumnahe Sozialinfrastruktur.

Das Ausmaß der Aufgabenstellung, das damit nur skizzenhaft beschrieben ist, erfordert auch in den nächsten Jahren Kontinuität in der Mittelbereitstellung. Die Koalition hat bereits in diesem Jahr reagiert und im Zuge der Haushaltsplanberatungen die Höhe des Wohnraumförderungsprogramms auf 950 Millionen € festgelegt. Ich gehe davon aus, dass dies eine Größenordnung ist, die Maßstab für die nächsten Förderperioden sein kann.