Protokoll der Sitzung vom 30.11.2005

Wenn Sie sich so viele Sorgen um die Kleinen machen, werde ich immer ganz hellhörig. Sie haben darauf hingewiesen, dass die Kleinen mit den Spitzenkandidaten vielleicht nicht so agieren sollten. Vor dem Hintergrund, welche Rolle Herr Steinbrück im Landtagswahlkampf und Herr Schröder im Bundestagswahlkampf für die SPD gespielt haben, wäre ich sehr vorsichtig, welche Partei aufgrund dieses Umstands programmatisch vielleicht Nachholbedarf in der politischen Diskussion hätte. - Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank. - Meine Damen und Herren, die Beratung ist damit abgeschlossen. Es ist alles gesagt, was zum gegenwärtigen Zeitpunkt gesagt werden sollte.

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs mit der Drucksache 14/719 an den Hauptausschuss - federführend - und an den Innenausschuss. Wer für diese Überweisung ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Ist jemand dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist die Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Wir kommen zu:

8 Scheinvaterschaften entschiedener bekämpfen

Antrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP Drucksache 14/713

Ich weise darauf hin, dass es hierzu einen gemeinsamen Entschließungsantrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

mit der Drucksache 14/816 gibt. Wir beraten über beide Anträge gemeinsam.

Ich eröffne die Beratung und erteile als erstem Redner für die CDU-Fraktion Herrn Abgeordneten Giebels das Wort. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag der Fraktion von CDU und FDP zur Bekämpfung von Scheinvaterschaften hat einen sehr ernst zu nehmenden Hintergrund. Bei den Vaterschaftsanerkennungen droht ein ähnlicher Rechtsmissbrauch, wie es ihn schon bei Scheinehen gegeben hat. Behörden müssen zukünftig bei Missbrauchsverdacht innerhalb einer bestimmten Frist die Vaterschaftsanerkennung überprüfen und anfechten können. Das würde bei offensichtlichen Scheinvaterschaften ausreichenden Handlungsspielraum eröffnen.

Die derzeitige Gesetzeslücke ermöglicht Mutter und Kind durch eine falsche, also wahrheitswidrige Vaterschaftsanerkennung ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht in Deutschland einschließlich umfassender Sozialhilfeansprüche. Ausländische Männer können sich durch eine zum Schein erklärte Vaterschaft rechtsmissbräuchlich Aufenthaltsanspruch und Sozialhilfeansprüche sichern. Zudem ermöglicht der auf diesem Weg erhaltene Aufenthaltstitel auch, enge Familienangehörige nach Deutschland zu holen.

Derzeit dürfen die Behörden selbst bei offensichtlich unzutreffenden Vaterschaftsanerkennungen nicht eingreifen. Es kann aber nicht sein, dass Behörden selbst bei offensichtlichem Missbrauch die Augen verschließen müssen. Das ist nicht nur für Mitarbeiter unzumutbar, sondern untergräbt vor allem das Ansehen und den Respekt vor dem demokratischen Rechtsstaat.

Die Bekämpfung der Scheinvaterschaften ist letztlich auch im Interesse der betroffenen Kinder. Ein Kind hat einen natürlichen, selbstverständlichen Anspruch auf seinen wirklichen Vater und darf nicht zum Werkzeug für die Erlangung eines Aufenthaltstitels degradiert und missbraucht werden. Es ist nicht hinnehmbar, dass der Bund sich bisher geweigert hat, in dieser Frage zu handeln. Alle müssen an einen Tisch, um dem Missbrauch von Vaterschaftsanerkennungen einen Riegel vorzuschieben. Niemand darf aus ideologischen Gründen die Augen vor einer offensichtlichen Problematik verschließen.

Hinter den falschen Vaterschaftsanerkennungen stecken häufig kriminelle, lukrative und straff organisierte Strukturen. Wie hoch der Anteil der unzutreffenden Vaterschaftsanerkennungen tatsäch

lich ist, können die Zahlen wegen der bestehenden gesetzlichen Beschränkungen nicht detailliert belegen. Die Daten lassen aber eine Dimension erkennen - dies ist dann mehr als ein Indiz -, die staatliches Handeln verlangt. Der Anteil, bei dem die Vaterschaftsanerkennung im Zusammenhang steht mit der Ausreisepflicht einer unverheirateten ausländischen Mutter, ist mit 72 % auffällig hoch.

„Imbissväter“, so heißen im Behördenjargon deutsche Männer, die sich ihre Vaterschaft abkaufen lassen. Behördenangaben zufolge werben kriminelle Vermittler die Männer an öffentlichen Plätzen wie Imbissbuden an. Für die Kindsanerkennung gibt es bis zu 50.000 € Prämie bar auf die Hand. Für das Kind selbst zahlt dann oftmals der Staat. Das ist kriminell.

Das kann sich unser Rechtsstaat nicht bieten lassen. Besonders verheerend sind außerdem die Folgen für die betroffenen Kinder. Die Anerkennung durch den falschen Vater vereitelt ihr Recht auf Kenntnis der Abstammung und auf den Umgang mit dem leiblichen Vater. In Fällen der Scheinvaterschaft ist weder eine biologische noch eine soziale Vater-Kind-Beziehung vorhanden.

Dies entspricht ganz sicher nicht dem Wohl des Kindes. Zudem wird dem Kind durch die Scheinvaterschaft seine grundrechtliche und gesetzliche Rechtsposition gegenüber seinem natürlichen Vater gestohlen. Man denke zum Beispiel an die gesetzlich normierte Einstandspflicht des Vaters gegenüber seinem Kind oder den ebenfalls gesetzlich normierten Erbanspruch des Kindes gegenüber seinem Vater.

Vor diesem Hintergrund kann der Entschließungsantrag der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen nicht nur Verwunderung, sondern bei jedem sach- und fachkundigen Rechts- und Familienpolitiker auch nur Befremden erzeugen. Sie, meine Damen und Herren von Bündnis 90/Die Grünen und SPD, wollen den auch Ihnen bekannten Rechtsmissbrauch nicht nur tolerieren, sondern diesen zudem durch Ihr parlamentarisches Handeln sogar unterstützen. Die Fraktionen von CDU und FDP in Nordrhein-Westfalen stehen auf der Seite der Kinder und des Rechts. Aber wofür stehen Sie? Würde man Ihrem Antrag folgen, dann würden auch zukünftig durch Scheinvaterschaften Kinder nicht nur selbst betrogen, sondern auch für Betrug gegenüber dem Staat und unserem Sozialsystem missbraucht und der in diesem Bereich organisierten Kriminalität das Tor weiter geöffnet.

Das diesbezügliche Vorgehen der SPD verwundert auch noch vor einem ganz anderen Hinter

grund. Sie, meine Damen und Herren der SPD, rühmen sich doch so gerne eines vermeintlichen Einflusses der NRW-SPD auf die Bundespolitik. Offensichtlich wissen Sie aber nicht, für was Ihre Partei auf der Bundesebene steht. Meine Damen und Herren von der SPD, ich darf Ihnen vorlesen, was Ihre Partei unter Beteiligung maßgeblicher Politiker der NRW-SPD durch Unterschrift besiegelt hat. In der Koalitionsvereinbarung auf Bundesebene heißt es wörtlich:

„Den Missbrauch von Vaterschaftsanerkennungen zur Erlangung von Vorteilen im Ausländer- und Staatsangehörigkeitsrecht wollen wir durch geeignete Maßnahmen, beispielsweise die Schaffung eines Anfechtungsrechts einer öffentlichen Seite, unterbinden.“

Meine Damen und Herren der SPD, wenn Sie das beherzigen, wofür Ihre Bundespartei steht, dann können Sie heute nur eines tun, nämlich das Begehren des Antrages von CDU und FDP unterstützen. - Vielen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Giebels. - Für die zweite antragstellende Fraktion, die FDP-Fraktion, spricht Herr Dr. Orth.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Ich versuche, unter der Zeit meines Vorredners zu bleiben.

Ich kann sagen, dass wir natürlich den Antrag gemeinsam stellen und uns vorstellen, dass der Missbrauch, der hier betrieben wird, wirksam bekämpft wird. Man braucht keine Angst zu haben, dass wir jetzt massenhaft irgendwelche Anfechtungsverfahren haben. Allein in der Zeit zwischen März 2003 bis März 2004 gab es in NordrheinWestfalen knapp 400 Fälle, sodass es sich von selber verbietet, eine etwaige Hysterie auszubreiten und gar zu behaupten, dass wir zur Gesetzeslage des Jahres 1998 zurückkehren würden. Das tun wir gerade nicht.

Es gibt keinen Generalverdacht gegen Vaterschaftsfälle aus binationalen Ehen, sondern lediglich ein befristetes Anfechtungsrecht des Trägers öffentlicher Belange. Wir gehen ja alle davon aus, dass der Träger öffentlicher Belange ein solches Recht nur nach einer Abwägung, nach Anhörung und Ähnlichem und auch nur bei einem entsprechenden Verdacht ausübt. Insofern, meine ich, dass der Entschließungsantrag der Opposition etwas über das Ziel hinausschießt.

Ich freue mich auf die abschließende Beratung im Ausschuss und danke Ihnen für Ihr Zuhören. - Herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Dr. Orth, für Ihren sehr kurzen Beitrag. - Jetzt spricht für die SPD-Fraktion der Abgeordnete Stotko.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich sage direkt, dass ich nicht beabsichtige, unter der Redezeit des Kollegen Orth zu bleiben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU- und FDP-Fraktion, wir nehmen Ihre Forderung bezüglich der Einschränkung missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennungen ernst. Das ist aber auch schon alles, muss ich sagen. Denn bei dem von Ihnen vorgelegten Antrag stelle ich leider fest, dass Sie offensichtlich weder die Komplexität der ausländer- und familienrechtlichen Problematik ernst nehmen, noch die Fragen behandeln, ob eine Gesetzesinitiative notwendig ist oder es Alternativen gibt.

Uns ist natürlich bekannt, Herr Kollege Giebels, dass es die CDU/CSU-SPD-geführte Bundesregierung für richtig erachtet, das zu tun. Nun muss aber doch die SPD-Fraktion im nordrheinwestfälischen Landtag nicht jede Kröte schlucken, die eventuell auf Bundesebene geschluckt wurde.

(Dr. Robert Orth [FDP]: Das tun wir auch nicht!)

Daneben müssen wir sicherlich auch nicht alles das akzeptieren, was die von mir geschätzte Kollegin Zypries verfolgt.

Ich will daran erinnern, dass es doch gerade die CDU/CSU-FDP-geführte Bundesregierung war, die 1998 die Einspruchsmöglichkeit der Jugendämter gegen die Vaterschaftsanerkennung abgeschafft hat.

Der Staat - das war damals auch die Auffassung Ihrer Partei, Kollege Giebels - muss sich aus der Familie heraushalten. Er muss nicht nur biologische, sondern auch faktische Väter akzeptieren. Dankbarerweise befindet sich die SPD-Fraktion und mit ihr gemeinsam die Grünen damit in Übereinstimmung mit dem deutschen Anwaltverein, der Ihnen ja sicherlich auch bekannt ist, dessen Stellungnahme vom 17. November ausdrücklich besagt, diesen Antrag der CDU und FDP abzulehnen, weil die Gefahr besteht, dass funktionie

rende Familien nur deshalb auseinander gerissen werden, weil jemand wegen einer anderen Hautfarbe dem Verdacht ausgesetzt wird, Scheinvater zu sein.

In ähnlicher Weise hat sich übrigens auch der iaf, der Verband binationaler Familien und Partnerschaften, am gestrigen Tage geäußert. Auch er hat bemängelt, dass in diesem Falle eine Diskriminierung einer bestimmten Gruppe und dementsprechend eine einseitige Benachteiligung erfolgt.

Herr Kollege Orth, ich danke für den Hinweis, dass es knapp 400 Fälle seien und dass keine Hysterie ausbrechen möge. Wir reden nach Ihrem eigenen Antrag über 1.381 Fälle. Jetzt unterstelle ich einmal, dass sich auch CDU und FDP vorstellen können, dass es die Möglichkeit gibt, dass Deutsche mit einer nichtdeutschen Frau ein Kind zeugen. Wenn das möglich ist, dann reduziert sich die Anzahl der Fälle um die Hälfte auf vielleicht knapp 700 Fälle. Wenn es dann so wäre, dass erfasst worden ist, ob denn in den Fällen, in denen es um die Vaterschaft geht, überhaupt Sozialleistungen in Anspruch genommen werden, was aber nicht gemacht wurde, dann reduziert sich die Anzahl noch einmal.

Schließlich weise ich darauf hin, dass wir über eine Statistik reden, in der der Zeitraum von Anfang 2003 bis Anfang 2004 betrachtet wird. Noch nicht Bestandteil ist also die neue Hartz-Gesetzgebung, die ja gemeinsam mit der FDP so verabschiedet wurde. Vielleicht haben sich ja die Fälle verändert. Vielleicht sind es dann noch 500 Fälle in der Bundesrepublik, davon entfallen dann nicht 400, sondern 60 auf Nordrhein-Westfalen. Ich erlaube mir zu sagen: Dafür muss man kein Gesetz ändern, schon gar nicht das Bürgerliche Gesetzbuch.

(Beifall von der SPD)

Herr Giebels, Sie haben gerade gesagt, es gebe offensichtliche Hinweise. Ich bin beeindruckt. Das Problem der Behörden ist doch gerade, dass es die nicht gibt. Welche Hinweise sollen das denn sein, das Herkunftsland der Mutter oder des Vaters, die Haarfarbe, vielleicht sogar die Haarpracht, die Hautfarbe?

Letztlich sagen Sie selbst, die von Ihnen behauptete hohe Anzahl lasse sich nicht belegen. Dann muss ich ernsthaft fragen: Wer will die Möglichkeit beweisen, es sei missbräuchlich, wenn eine soziale Beziehung zum Vater existiert? Welche Behörde soll das nachvollziehen? - Ich kenne keine.

Insbesondere frage ich mich auch, wann die Anerkennung angefochten wird. Dann, wenn festgestellt wird, dass jemand noch über Leistungen ver

fügt und sie selber nicht benötigt? Oder wenn er etwas später in den Leistungsfall gerät?

Nach Ihrer Auffassung soll die fehlende Bereitschaft, Unterhalt zu zahlen, ein weiteres Kriterium sein. - Na ja, wie soll ich es formulieren? Danach müsste in Deutschland ungefähr 800.000 Vätern die Vaterschaft aberkannt werden,

(Beifall von der SPD)

denn 50 % aller Väter zahlen gar keinen Unterhalt, verringerten Unterhalt oder einen Betrag, der unterhalb des Regelunterhalts liegt. Auch diese Regel macht keinen Sinn.