Es ist nahezu zynisch, wenn Sie eine Aktuelle Stunde beantragen und sich dann über das Leid einer Kommune lustig machen, die Sie dorthin geführt haben.
Wenn der Plenarsaal des Landtags eine Ecke hätte, dann sollten Sie sich dort schnell hineinsetzen. Sie kochen Ihr parteipolitisches Süppchen auf dem Rücken der Kommunen. Das ist unredlich.
Meine Damen und Herren, ich darf Sie dazu auffordern – vielleicht hat das noch eine Chance –, aufgrund dieser Notsituation mit uns in eine konzertierte Aktion zu treten, damit wir die Kommunen vor dem finanziellen Kollaps retten. Das heißt: Sie sollten unserem Stärkungspakt Stadtfinanzen umgehend zustimmen. Sie sollten die Verantwortung übernehmen.
Wir haben einen Plan, wie wir den Kommunen in dieser schwierigen Situation aus ihrer finanziellen Misere helfen können. Zeigen Sie sich verantwortlich, stimmen Sie unserem Stärkungspakt Stadtfinanzen zu. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrte Damen und Herren! Herr Wißen, Sie hätten am Anfang Ihrer Rede die Betrachtung darüber, wie die CDU dazu kommt, Herrn Wittke sprechen zu lassen, weglassen sollen. Denn nach Ihrem Beitrag kann man sich wirklich nur fragen: Wie ist die SPD auf die Idee gekommen, Sie sprechen zu lassen?
Das ist mir nach Ihrem Beitrag völlig rätselhaft, denn Sie haben sich wohl noch nicht einmal die Überschrift dieser Aktuellen Stunde durchgelesen. Sie haben über alles Mögliche gesprochen, nur über das, was heute eigentlich Gegenstand der Aktuellen Stunde ist, haben Sie kein Wort verloren. Aber wie sollten Sie auch? – Das Thema ist Ihnen ja völlig fremd.
Stattdessen haben Sie über die Finanzsituation der Kommunen gesprochen. Aber bei in dieser Aktuellen Stunde geht es gar nicht um die Finanzsituation der Kommunen, sondern um die Glaubwürdigkeit in der Politik, um das Lügen in Dortmund und um das, was dort stattgefunden hat.
Dazu muss ich Ihnen sagen: Der Kollege Jäger, der hier spielt und hier und dazu etwas erzählt, kommt dabei genau richtig. Welche Beispiele haben Sie denn eigentlich gebracht, Herr Jäger? – Die waren völlig neben der Sache. Ich möchte Ihnen das an zwei Beispielen deutlich machen.
In Willich ist der Haushalts- und Finanzausschuss im Juni in einer öffentlichen Vorlage informiert worden, dass bei einer weiteren Verschlechterung der Steuereinnahmen ab dem 12. September mit einer Haushaltssperre zu rechnen ist. Das ist vor der Wahl in einer öffentlichen Vorlage angekündigt worden, und Sie lügen hier weiter: Dort sind die Wähler getäuscht worden. – Das aber ist der Unterschied zu Dortmund, Herr Jäger. Da müssen Sie schon bei der Wahrheit bleiben.
Wenn ich Ihnen aus der „Krefelder Stadtpost“ von heute vorlese, dass der Kämmerer bereits im Juni im vorläufigen Jahresabschluss erklärt hatte, dass infolge der Wirtschaftskrise die Stadt mit einem Loch in zweistelliger Millionenhöhe rechnen müsse, dann war das lange vor der Kommunalwahl angekündigt worden. Sie sollten nicht mit Ihrem Fingerbeispiel kommen und die Unwahrheit sagen.
Das ist das Prinzip „Politik in Dortmund“. Und darüber sprechen wir heute und über nichts anderes. Ich sage Ihnen noch einmal ganz deutlich: Sie können so viele Ablenkungsmanöver starten, wie Sie wollen, der Vorgang in Dortmund bleibt einzigartig.
Er ist ein wiederholter Vorgang und deswegen sollten Sie, anstatt hier Ihr parteipolitisches Süppchen zu kochen, einfach einmal demütig den Kopf einziehen – so wie Herr Becker das in Bezug auf Herrn Langemeyer ganz vorsichtig angedeutet hat – und zugeben, dass hier ein personelles, in Dortmund begründetes Problem liegt, das kein Einzelfall ist – in Dortmund schon gar nicht.
Ich erinnere an den Fall, den wir im Kommunalausschuss vor anderthalb Jahren diskutiert haben, als es um die Erschleichung der Haushaltsgenehmigung in Dortmund ging.
Wir betrachten die Situation in Dortmund als außerordentlich gefährlich, weil es um die Glaubwürdigkeit der Politik geht.
Wenn man das, wie Sie, Herr Becker, es tun, noch schönredet und davon ablenken will, dann wird es unglaubwürdig. Sie haben am Anfang staatstragend etwas vorgetragen; das finde ich vernünftig. Aber im zweiten Teil Ihrer Rede konnten Sie nicht der Versuchung widerstehen, Ihr Wahlkampfsüppchen zu kochen, und zwar immer wieder mit dem gleichen Spruch.
(Sören Link [SPD]: Dann passt es ja zu Ihrer Rede! – Horst Becker [GRÜNE]: Das ent- spricht den Tatsachen!)
Sie nannten den Innenminister kommunalfeindlich. Was soll das denn eigentlich? Die Kommunen – und dabei bleibt es – werden im nächsten Jahr durch das GFG mit der zweithöchsten Summe ausgestattet, die es je gegeben hat; im letzten Jahr gab es die höchste Summe.
Das werden wir immer wieder feststellen. Aber das ist nicht Thema der heutigen Veranstaltung. Davon sollten Sie mit all Ihren Manövern nicht ablenken. Heute geht es vielmehr nur darum, dass in Dortmund ein unglaublicher Vorgang geschehen ist, der hier zu kritisieren ist.
Ich glaube, es ist nicht nur das System Dortmund. Herr Lindner hat eben schon darauf hingewiesen, dass Sie auch vor der Wahl versucht haben, die Leute zu täuschen, indem Sie gesagt haben, dass die demokratische Legitimation der Bewerber um das OB-Amt durch den Wegfall der Stichwahl schwindet.
Wir haben Ihnen gestern gesagt, dass der Oberbürgermeister von Mönchengladbach bei der Wahl 2004 in der Stichwahl 16 % der Wahlberechtigten hinter sich hatte. Wenn das die große demokratische Legitimation ist, dann weiß ich es nicht.
Sie logen vor der Wahl weiter, indem Sie sagten, es sei ohne Weiteres möglich, wieder eine Sperrklausel einzuführen, was nur an der CDU gescheitert sei, weil sie Rücksicht auf die FDP nehmen müsse. Das ist völliger Quatsch. Sie ist deswegen gescheitert, weil das Landesverfassungsgericht so hohe Hürden aufgestellt hat.
(Zuruf von Horst Becker [GRÜNE] – Ralf Wit- zel [FDP]: Die SPD hat doch erstmals jedwe- de Sperrklausel 1999 abgeschafft!)
Sie sollten auch hier im Parlament bei der Wahrheit bleiben. Deshalb sollten Sie nicht mit Ablenkungsmanövern davon ablenken, dass in Dortmund ein unglaublicher Skandal geschehen ist, der unbedingt Folgen haben muss. – Schönen Dank.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie, dass ich als nach der Rednerliste letzter Redner noch einmal zum Thema zurückkomme.
… sollen ein Papier und ein Aktenvermerk aufgetaucht sein, nach dem es am 5. Juni 2009 zu einer Unterredung im kleinen Kreis gekommen sein soll. Teilnehmer: OB Gerhard Langemeyer, die damalige Kämmerin Christian Uthemann, Kämmereileiter Jürgen Wissmann und: der damalige Stadtdirektor Ullrich Sierau. Schon bei diesem Treffen im Juni soll Uthemann auf einen sich abzeichnenden Mehrbedarf von rund 160 Mio. Euro hingewiesen haben – fürs laufende Jahr 2009. Darauf angesprochen, sagte OB Langemeyer gestern: Ja, es habe am 5. Juni besagtes Treffen gegeben, man habe aber über das Jahr 2010 gesprochen. Auf weitere Nachfrage räumte Langemeyer ein, es habe „auch ein Papier für 2009 gegeben“ – ohne auf den Inhalt genauer einzugehen.
Ich rufe den Bürgerinnen und Bürgern in Dortmund und dem dortigen Rat Folgendes zu: Es gibt zwei Instrumente in unserer Rechtsordnung, die gesamte Angelegenheit aufzuklären. Zunächst einmal gibt es für den Rat, für die dort vertretenen Fraktionen, das Recht auf Akteneinsicht. Ich kann nur appellieren, dass die Fraktionen im Dortmunder Rat davon Gebrauch machen.
Aber darüber hinaus, Herr Wißen, gibt es – Gott sei Dank – das von diesem Parlament verabschiedete sogenannte Informationsfreiheitsgesetz. Ich rufe den Bürgerinnen und Bürgern in Dortmund zu: Jeder Einzelne hat dieses Recht. Gehen Sie ins Rathaus, und verlangen Sie Akteneinsicht! Die Verwaltung muss Ihnen die Akten vorlegen. – Dann werden wir sehen, was dabei herauskommt.
Ähnliches ist schon einmal im hessischen Bad Homburg geschehen. Dort hatte ein Oberbürgermeisterkandidat vor der Wahl Probleme beim Verkauf eines städtischen Grundstücks verschwiegen. Die Angelegenheit ging bis zum Bundesverwaltungsgericht, welches die Wahl – das wundert niemanden – schließlich annullierte und wiederholen ließ. Das Gericht hat damals zwei Kriterien benannt, anhand derer die Gültigkeit einer Wahl im Hinblick auf Wählertäuschung zu beurteilen ist.