Protokoll der Sitzung vom 04.11.2009

(Hannelore Kraft [SPD]: Jedenfalls nicht Ihr Insolvenzgeschwafel!)

und zweitens dass wir als Freie Demokraten unsere Bedenken immer wieder in geeigneter Form eingebracht haben.

(Beifall von der FDP)

Jetzt müssen wir nach vorne gucken. Wir müssen sehen: Die alte Bundesregierung ist Geschichte. Die neue Bundesregierung trägt jetzt die Verantwortung, auch für das, was in der Vergangenheit versäumt worden ist. Wir müssen sehen, was wir jetzt für Opel erreichen können. Die bisherige Verhandlungsstrategie ist erkennbar nicht aufgegangen. Umso größer wird in der Tat die Verantwortung der Bundesregierung sein, alles wirtschaftlich Vernünftige für den Erhalt von Opel, auch für den Erhalt von Opel Bochum, zu unternehmen und, falls nötig – das ist unsere klare Erwartung in NordrheinWestfalen –, tragfähige Alternativkonzepte für neue Arbeitsplätze massiv zu unterstützen.

(Zuruf von Carina Gödecke [SPD])

Zur Steuerpolitik, Frau Kollegin Kraft. Wir haben nach der Bundestagswahl 2005 hier eine intensive Nachbetrachtung der damals zurückliegenden Bundestagswahl von 2005 gehabt. Ich habe Ihnen damals diesen Antrag der SPD vorgehalten.

(Dr. Gerhard Papke [FDP] hält einen Antrag hoch.)

Den habe ich aus dem Archiv geholt. Das ist ein Antrag vom 5. Juli 2005, unterzeichnet von Hannelore Kraft, Carina Gödecke, Gisela Walsken und Fraktion.

Keine Erhöhung der Mehrwertsteuer. Der Landtag lehnt die von der Union geplante Erhöhung der Mehrwertsteuer ab.

Begründung: Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer wäre derzeit Gift für die schwache Binnennachfrage. Sie wäre ungerecht, weil sie hauptsächlich die Familien und die Bezieher niedriger Einkommen belasten würde.

Sehr richtig, Frau Kollegin Kraft. Das war Ihre Wahllüge 2005. Sie haben hier gegen die Absicht der Union argumentiert, die Mehrwertsteuer um zwei Prozentpunkte zu erhöhen.

(Zuruf von Carina Gödecke [SPD])

Sie haben Ihr Wort gegeben, Sie würden das verhindern. Dann sind Sie in die Bundesregierung gegangen – und der Kompromiss zwischen dem, was Sie wollten, und dem, was die Union wollte, waren nicht zwei Prozentpunkte, sondern drei Prozent

punkte Mehrwertsteuererhöhung, Frau Kollegin Kraft.

(Beifall von FDP und CDU)

Das war die schlimmste Steuerlüge in der langen Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.

Mit keiner anderen Maßnahme – das kommt noch hinzu – sind die schmalen Portemonnaies so sehr belastet worden wie mit der Erhöhung der Mehrwertsteuer. Das ging doch gerade – wie Sie selber zu Recht geschrieben haben, Frau Kollegin Kraft – zulasten der kleinen Einkommen. Sie haben vor der Wahl versprochen, Sie würden es verhindern, und nach der Wahl haben Sie die von der CDU geplante Mehrwertsteuererhöhung noch weiter ausgebaut.

(Britta Altenkamp [SPD]: Und jetzt?)

Das ist die Hypothek, mit der Sie von uns in solchen steuerpolitischen Debatten immer wieder konfrontiert werden.

(Beifall von der FDP)

Was haben wir als Freie Demokraten vor der Bundestagswahl gemacht? Wir haben gesagt: Wenn wir in die Verantwortung kommen, dann werden die Steuern gesenkt. Dann wird es ein einfaches, niedriges und gerechtes Steuersystem in Deutschland geben.

(Marc Jan Eumann [SPD]: Aus Schulden?)

Wir machen im Unterschied zu Ihnen nach der Wahl das, was wir vor der Wahl angekündigt haben.

(Beifall von der FDP – Hannelore Kraft [SPD]: Schulden!)

Das ist ein fundamentaler Unterschied. Sie haben das Gegenteil dessen gemacht, Frau Kollegin Kraft. Wir machen jetzt das, wofür wir gewählt worden sind – und ich darf hinzufügen: mit einem bemerkenswerten Ergebnis.

(Zuruf von Britta Altenkamp [SPD])

Wir haben vor der Wahl gesagt: Wir werden die Steuern auf breiter Front senken. – Sie haben gesagt, Sie wollen eine Steuersenkung verhindern. Sie sind mit dem schlechtesten Wahlergebnis der bundesdeutschen Geschichte abgestraft worden; wir haben für diese klare Botschaft das beste Wahlergebnis unserer Geschichte bekommen. Und wir halten an dem fest, was wir vor der Wahl angekündigt haben.

(Beifall von der FDP)

Dazu gehört vor allem, dass wir gerade die Familien entlasten. Wir machen doch eine Politik für kleine und mittlere Einkommen, für Familien, wie Sozialdemokraten sie seit 1998 in der Verantwortung in der Bundesregierung nicht im Ansatz hinbekommen haben.

Dazu gehört jetzt im Rahmen des Sofortprogramms die Erhöhung des Kinderfreibetrages. Das ist eine strukturell wirksame Maßnahme zugunsten der Familien.

(Beifall von der FDP)

Dazu gehört auch die Erhöhung des Kindergeldes.

(Sören Link [SPD]: Warum gibt es denn da einen Unterschied?)

Das sind auch familienfreundliche Maßnahmen. Dazu gehört auch, dass wir die himmelschreienden Ungerechtigkeiten bei der Erbschaftssteuer jetzt zügig beseitigen werden. Geschwister, die Jahrzehnte zusammengelebt und füreinander gesorgt haben, wären durch Ihre himmelschreiende soziale Ungerechtigkeit in der Besteuerung von Erbschaften so unter Druck geraten, dass sie im Alter nicht mehr ihr Auskommen gehabt hätten, Frau Kollegin Kraft.

(Hannelore Kraft [SPD]: Kennen Sie den Freibetrag?)

Das beseitigen wir jetzt. Ich sage mit Stolz: Das ist eine Politik für die Familien.

(Britta Altenkamp [SPD]: Über welche Ge- schwisterkinder reden Sie?)

Wir werden in der zweiten Runde gleich weitere Aspekte vertiefen können.

Ihre zentrale Botschaft gerade war: Solche Steuersenkungen sind gar nicht zu finanzieren. – Die Mehrwertsteuerbelastung, die Sie zu verantworten haben, zieht den Menschen in Deutschland, insbesondere denen mit schmalem Portemonnaie, jedes Jahr 23 Milliarden € zusätzlich aus der Tasche. Wir wollen, wenn alle Elemente der Steuerreform in dieser Wahlperiode umgesetzt sind, eine Entlastung von 24 Milliarden € erzielen. Sie haben die Menschen eiskalt lächelnd belogen und um 23 Milliarden € per annum erleichtert, beschimpfen uns aber dafür, dass wir diese Ungerechtigkeit beseitigen und die Familien sowie die Leistungsträger entlasten. Wir wollen, dass die Menschen endlich wieder selbstbestimmt entscheiden können, wofür sie ihr eigenes Geld, das sie sich mit ihrer Hände Arbeit verdient haben, ausgeben.

(Beifall von FDP und CDU)

Weil Sie erwähnt haben, dass das derzeit nicht finanzierbar sei, will ich noch folgenden Punkt anführen: Ihr Finanzminister Peer Steinbrück hat doch alleine in diesem Jahr in Berlin Konjunkturprogramme mit einem Gesamtvolumen von 80 Milliarden € aufgelegt – alle komplett schuldenfinanziert. Sie haben hier dazu gesagt, das sei konjunkturpolitisch alternativlos. Steinbrück hat 5 Milliarden € für alte Autos aus dem Fenster geworfen.

(Beifall von FDP und CDU)

Wir hätten dieses Geld lieber den Familien gegeben. Das wäre eine Maßnahme gewesen, um die Konjunktur anzukurbeln. Sie haben 5 Milliarden € für alte Autos rausgeworfen. Das ist ein Programm, das wirkungslos verpuffen wird. Wir erleben es jetzt bereits in Ansätzen. Das wird im Jahr 2010 noch schlimmer.

Wir haben die Konjunkturprogramme kritisiert, weil sie für die Menschen in Nordrhein-Westfalen und Deutschland insgesamt zu wenig Entlastung beinhaltet haben. Diese Entlastung holen wir jetzt nach. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit, meine Damen und Herren.

(Beifall von FDP und CDU)

Danke schön, Herr Dr. Papke. – Für die Landesregierung spricht jetzt Herr Finanzminister Dr. Linssen.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ja, es ist richtig: Deutschland steht in einer ökonomisch ganz schwierigen Situation. In dieser schwierigen Situation haben sich sowohl die alte Koalition im vorigen Jahr und in diesem Jahr als auch die neue Koalition geeignete Mittel einfallen lassen, um aus diesem tiefen Loch herauszukommen.

Die frühere Koalition hat das Finanzmarktstabilisierungsgesetz aufgelegt. Wir sind sehr dafür gescholten worden, dass angeblich 480 Milliarden € den Bankern und den Banken zur Verfügung gestellt würden. Die meisten haben nicht erwähnt, dass es sich bei 400 Milliarden € um Garantien handelt, von denen wir hoffen, dass sie nie schlagend werden. Aber: Bei den Banken ist Ruhe eingekehrt. Wir sind zwar noch nicht am Ende der Fahnenstange, aber es ist gelungen, das Schlimmste zu verhindern.

Dann sind das Konjunkturpaket I und das Konjunkturpaket II aufgelegt worden. Ja, meine Damen und Herren, man kann in Zeiten einer globalen Krise, wie es sie bisher noch nicht gegeben hat, mit keynesianischen Mitteln gegensteuern, das heißt mit öffentlichen Investitionen. Ich gestehe gerne, dass ich mir nicht vorgestellt hätte, in meinem Leben noch einmal keynesianische Politik betreiben zu müssen, weil wir gemerkt haben, dass sie die Schuldenspirale beschleunigt. Aber es war richtig. Alle Sachverständigen haben diesen Kurs für richtig befunden.

Wir haben uns noch etwas einfallen lassen: Diese Landesregierung hat sowohl den Haushalt 2009 als auch den Haushalt 2010 expansiv angelegt, um mit eigenen Mitteln gegenzusteuern, obwohl es Teile der Gesellschaft gibt, denen das immer noch nicht genug ist. Ich will Ihnen gleich vortragen, inwieweit wir mit unseren Mitteln in ausgezeichneter Weise dazu beitragen, gegen die Krise anzukämpfen.

Es gibt selbstverständlich auch die Methode, Steuern zu senken, um Wachstumsimpulse zu setzen. Darüber gibt es sehr große unterschiedliche Meinungen – genauso wie über die keynesianische Politik. Die Frage, die hier und heute eigentlich zu beantworten ist, lautet: In welchem Volumen können wir uns das leisten? Entscheidend aber ist, dass wir versuchen, mit all diesen Methoden Wachstumskräfte in unserem Land zu stimulieren.