Es wird keine Schnellschüsse geben. Denn Schnellschüsse würden erstens dazu führen, dass Kürzungen durch eine verstärkte Kofinanzierung des Landes aufgefangen werden müssten. Das ist angesichts der Haushaltslage nicht möglich. Ein zweiter Weg wäre die Reduzierungen des Angebots. Aber Sie alle wissen, dass die neun Zweckverbände in vertraglichen Verpflichtungen stecken, die nicht kurzfristig kündbar sind, und eine Übergangsfrist brauchen. Eine dritte Möglichkeit wäre die Erhöhung der Fahrgastentgelte, die derzeit nicht diskutabel und nicht realisierbar ist.
Insofern stehen wir vor der Aufgabe, möglicherweise mit weniger Geld mehr leisten zu müssen. Das ist auch nicht neu. Auf diese Tatsache hat der Ministerpräsident bereits in seinem Brief vom 21. Oktober an die Koalitionäre in Berlin hingewiesen. Sie haben diesen Brief in Bausch und Bogen verdammt. Im Grunde war er weitsichtig und hat auch in diesem Punkt auf die Probleme hingewiesen, die in Berlin und Düsseldorf gelöst werden müssen.
Mit weniger Geld mehr erreichen, das bedeutet, dass wir auch die Organisationsstrukturen des öffentlichen Nahverkehrs sowohl auf der Straße als auch auf der Schiene einer grundlegenden Revision unterziehen müssen. Wir haben im Koalitionsvertrag vereinbart, dass wir die Vorrangstellung der Schiene aufheben, die Gleichwertigkeit von Nahverkehr auf Straße und Schiene herbeiführen und dementsprechend auch die gesetzliche Durchlässigkeit schaffen wollen, um die Finanzierungsmittel für beide Verkehrsträger in Anspruch nehmen zu können. Wir leisten uns in Nordrhein-Westfalen den Luxus von 31 Kreisen, 23 kreisfreien Städten, neun Zweckverbänden und einer Agentur als Träger des Nahverkehrs.
Es entstehen Reibungsverluste. Es könnten Synergien gehoben werden, wenn hier rechtzeitig gehandelt worden wäre. Dass hier nicht gehandelt worden ist, ist auch ein Produkt der Marke Horstmann. Das muss man eindeutig feststellen.
Wir haben nicht die Absicht, regionale Kooperationen von oben nach unten zu erzwingen, sondern wir wollen regionale Kooperationen von unten nach oben fördern.
(Zuruf von der SPD: Geht es noch allgemei- ner? – Dr. Axel Horstmann [SPD]: So genau wollen wir es gar nicht wissen, Herr Schulte!)
Dieses Zeitfenster läuft noch bis zum Jahr 2007. Wir wollen die gesetzlichen Bedingungen des Nahverkehrs in Nordrhein-Westfalen so ausrichten, dass auch Förderungsanreize für regionale Kooperationen freiwilliger Art entstehen mit dem Ziel, Verwaltungskosten freizusetzen, die dann für den Nahverkehr im originären Sinne zur Verfügung stehen. Das ist eine gewaltige Aufgabe, die wir nicht gegen die Betroffenen, sondern mit den Betroffenen lösen wollen. Da gehen wir ran, um das hinzukriegen.
Mein Fazit: Es besteht aufgrund der Koalitionsvereinbarung in Berlin kein Grund, in Panik und Hektik zu verfallen. Wir werden im Bundesrat unsere Positionen, insbesondere die Position Nordrhein-Westfalens bei der Novellierung des Regionalisierungsgesetzes, nachdrücklich wahren. Wir werden besser verhandeln, als Rot-Grün das in der Vergangenheit getan hat, und wir werden unsere landesgesetzlichen Hausaufgaben machen: die Durchlässigkeit der Verkehrsträger herstellen. Und wir werden mit allen Beteiligten versuchen, Strukturveränderungen zu erzielen, die im Ergebnis dazu führen, dass wir mit möglicherweise weniger Geld mehr erreichen können, um den Nahverkehrsstandard in Nordrhein-Westfalen zu verbessern und weiterzuentwickeln. – Vielen Dank.
Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Benzinpreise sind hoch, die Pendlerpauschale ist gefährdet, und nun drohen, weil der Bund, aber auch das Land NRW seine Zuschüsse kürzen will, auch noch Preissteigerungen im öffentlichen Personennahverkehr und/oder eine Ausdünnung des Angebots bei Bussen und Bahnen. Wer mobil sein will – egal, ob mit Auto oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln –, hat offenbar nur noch die Wahl, wofür er mehr Geld ausgeben will. Nun wollen wir uns, weil die antragstellende Fraktion das so wünscht, in dieser Aktuellen Stunde nur mit dem ÖPNV befassen. Das ist übrigens typisch für die Grünen, denen der Autofahrer von jeher ein Dorn im Auge gewesen ist. Da ist eher Einfalt, statt Vielfalt das Gebot.
Herr Keymis, da Sie eine so wegwerfende Bewegung machen: Sie machen sich hier einen schmalen Fuß. Sie sind in keiner Landesregierung und müssen von daher nichts verantworten.
Aber auch in der Antragstellung geht es Grünen vorrangig um Quantitäten und nicht um Qualitäten. Sie stellen das Leistungsangebot im ÖPNV in den Vordergrund, ohne auch nur ein Wort für die Millionen, die den ÖPNV täglich nutzen, übrig zu haben. Gemeint sind die Pendlerinnen und Pendler, die Schülerinnen und Schüler, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die tagtäglich auf ein gutes ÖPNV-Angebot angewiesen sind.
Daher sage ich gleich zu Beginn meiner Ausführungen, dass mit einem guten ÖPNV-Angebot ein qualitativ gutes und nicht ein größtmögliches ÖPNV-Angebot gemeint ist. Viele ÖPNV-Benutzer, die tagtäglich fahren, würden sich mehr freuen, wenn ihr Zug im Halbstundentakt verkehren, dafür aber zuverlässig kommen würde und ein ausreichendes Platzangebot hätte, statt im 20Minuten-Takt mit konstanten Verspätungen und dicht gedrängt stehenden Menschen fahren zu müssen. Mit anderen Worten: Der zweite integrale Taktfahrplan reizt mit seinem enormen Fahrangebot die vorhandene Schieneninfrastruktur maximal aus. Er lässt zeitlich keine Puffer zu, die jedoch
bei besonderen Vorkommnissen wie zum Beispiel bei der Verzögerung beim Ein- und Ausstiegs von Fahrgästen in die beziehungsweise aus der Bahn nötig wären, um Verspätungen im Gesamtsystem Schiene aufzufangen. Daher halte ich Ihren Ansatzpunkt – Mittelkürzungen gleich Angebotskürzungen gleich Qualitätseinbußen – für sehr fragwürdig.
Selbst der Bundesverband der Verbraucherschutzzentralen, sozusagen die obersten Verbraucherschützer – das ist ja sonst Ihr Bereich –, betrachten die derzeitige ÖPNV-Finanzierung kritisch.
„Es gibt da bei den Ländern noch einige Effizienzreserven … Entscheidend ist, wie die Mittel letztlich eingesetzt werden.“
„Ein Preisanstieg müsse nicht zwangsläufig die Folge geringerer Zuweisungen sein … Nötig sei vielmehr eine Reform des Finanzierungssystems …“
Auch die damaligen Kürzungen durch Koch/Steinbrück wurden unter anderem damit begründet, dass viele Länder ihre Regionalisierungsmittel nicht für den Nahverkehr verwenden würden. Das galt bisher löblicherweise nicht für NordrheinWestfalen. Hier wurden stets alle Regionalisierungsmittel voll für den ÖPNV eingesetzt.
Wir hoffen, dass dies auch unter der jetzigen Landesregierung so bleiben wird. Darauf werden wir Sozialdemokraten – das sage ich hier klar und deutlich – im kommenden Haushalt besonders achten. Denn eine andere Begründung zu Mittelkürzungen als die zweckentfremdete Mittelverwendung kann es aus Sicht des Bundes nicht geben.
Sehr geehrte Damen und Herren, unabhängig von allen ÖPNV-Finanzierungsfragen ist ein wesentlicher Schritt zur Qualitätsverbesserung im Nahverkehr die Evaluation des ITF 2.
Derzeit überweist der Bund den Ländern jährlich etwa 7 Milliarden €. Die Länder bestellen mit diesem Geld Nahverkehrsleistungen, also Busse und Bahnen bei den Verkehrsunternehmen – vor allem bei der Deutschen Bahn AG, aber auch bei kommunalen und privaten Anbietern.
Die anscheinend auf Bundesebene mit den Ministerpräsidenten der Ländern abgestimmten Kürzungen – wir haben die Zahlen soeben gehört –
sollen für 2006 rund 350 Millionen € betragen. Wenn diese Gerüchte stimmen, dann müsste der nordrhein-westfälische Ministerpräsident diese kennen und bestätigen oder heute widerlegen.
Die Frage, welche Nebenabreden zum Koalitionsvertrag vom nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten getroffen oder gebilligt wurden, kann er hier gleich erklären.
„Wir werden auch weiterhin den ÖPNV mit einem ausreichenden Finanzierungsbedarf auf hohem Niveau fördern.“
Fakt ist aber auch, dass Koalitionsnebenabreden unverbindlich sind, das heißt, ohne die Zustimmung der Länder im Bundesrat sind solche Nebenabreden nicht realisierbar.
Fakt ist weiter, dass das Regionalisierungsgesetz – darauf ist gerade eingegangen worden – 7 Milliarden € jährlich bis einschließlich 2007 garantiert. Erst nach 2007 ist eine Revision vereinbart.
Sehr geehrte Damen und Herren, ein Weiteres ist klar: Auf den ersten Blick würden die jetzt noch spekulativen Kürzungen – wenn sie denn Bestand hätten – zu den Widersinnigkeiten der großen Koalition gehören. Über Jahre wurde doch versucht, Pendler zum Umstieg auf die umweltverträglichere Bahn oder den Bus zu animieren. Und nun wird der Geldhahn zugedreht.
Allerdings können auch die angepeilten Kürzungen als heilsamer Zwang zum Sparen und zu mehr Wettbewerb gesehen werden. Denn insbesondere die Deutsche Bahn AG erwirtschaftet im Nahverkehr satte Gewinne. Die Nahverkehrssparte DB Regio hat 411 Millionen € im Jahr 2003 und 509 Millionen € im Jahr 2004 Gewinn an den DBKonzern abgeführt und ist damit mit Abstand der größte Gewinnbringer innerhalb des Konzerns.
Dazu steuern die Bundesländer einen Großteil des Umsatzes und somit der Überrenditen bei. Im Rahmen langfristiger Finanzierungsverträge zahlten sie der DB AG im Jahr 2004 rund 4,6 Milliarden € oder – mit anderen Worten – 70 % der Spartenerlöse. Im Vergleich war der Fernverkehr
im vergangenen Jahr mit einem Verlust von 260 Millionen € neben der Güterbahn das Sorgenkind des DB-Konzerns.
Vor diesem Hintergrund des lukrativen Nahverkehrs der DB AG ist ihr Umgang mit ihm völlig unverständlich.
Es mangelt überall in Nordrhein-Westfalen trotz erheblicher Förderangebote und Zuschüsse der öffentlichen Hand an kundenfreundlichen, modernen und attraktiven Bahnhöfen und Haltestationen. Und alltäglich muss der volle Pendlerzug des Nahverkehrs auf das Abstellgleis, um dem verspäteten Fernverkehr Platz zu machen. Und die Freigabe des Fernverkehrs bei Verspätungen im Nahverkehr entspricht eher dem RussischRoulette-Prinzip.
Ich will es bei diesen wenigen Beispielen belassen; Sie kennen diese auch. Ich habe sie verdeutlicht, um darzustellen, wie die Bahn mit dem einzig gewinnbringenden Teil, nämlich dem Nahverkehr, umgeht.