Protokoll der Sitzung vom 04.02.2010

Schenkt man der Berichterstattung der „Rheinischen Post“ vom gestrigen Tage Glauben, so sind die ersten Steuersünder mit Selbstanzeigen schon auf dem Weg.

Ich bin auf die Ausführungen des Finanzministers gespannt, der uns sicher neue Informationen zur Verfügung stellen wird. Schon jetzt halte ich für die Fraktion der CDU fest, dass wir keinen Zweifel daran haben, dass Helmut Linssen wieder einmal den richtigen Weg in einer schwierigen Situation beschreiten wird. Besonnenes und umsichtiges Handeln sind nun einmal seine Markenzeichen.

(Beifall von CDU und FDP – Hans-Theodor Peschkes [SPD]: Herr Minister, lächeln!)

Davon lenkt auch kein Vorwahlkampfpalaver der SPD ab. Als solches bewerten wir den Eilantrag, und daher werden wir ihn in dieser Art ablehnen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Herr Kollege Krückel. – Für die FDP-Fraktion spricht nun die Kollegin Freimuth.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Verfolgung von Straftätern ist eine der Hauptaufgaben eines jeden Rechtsstaates, und nur eine konsequente Einhaltung und Durchsetzung der Rechtsordnung sichert und garantiert ein gedeihliches Zusammenleben. Die Pflicht, Steuern zu zahlen, ist eine Bürgerpflicht in einer Bürgergemeinschaft, weil die Bürger dem Staat Mittel zur Verfügung stellen müssen, damit dieser im Sinne der Bürgerinnen und Bürger die Aufgaben wahrnehmen kann, die sie selbst nicht wahrnehmen können.

(Ewald Groth [GRÜNE]: Das klingt lieblich!)

Ich stimme dem Kollegen Peschkes auch voll zu: Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt.

(Ewald Groth [GRÜNE]: Das ist eine Straftat!)

Es ist ein Straftatbestand, und insofern wird diese auch zu Recht als Straftat geahndet.

Die FDP hat sich als Rechtsstaatspartei immer sehr klar und dezidiert dafür ausgesprochen, dass das

Strafrecht konsequent angewendet wird und dass die Straftatbestände konsequent geahndet werden.

Meine Damen und Herren, wer dem Fiskus zu versteuerndes Vermögen vorenthält und somit vorsätzlich Steuern hinterzieht,

(Hans-Theodor Peschkes [SPD]: Steuerhin- terziehung setzt immer Vorsatz voraus!)

der ist mit den Mitteln des Rechtsstaates zu verfolgen, und zwar ohne Wenn und Aber und ohne Ansehen der Person.

Der Kollege Peschkes hat gerade gesagt, auch gegen Entgelt erworbene Daten müssten verwendet werden, um eine Straftat zu verfolgen. Das ist nicht die zutreffende Beschreibung des Dilemmas der Abwägung.

(Hans-Theodor Peschkes [SPD]: Ich hätte es auch lieber anders!)

Herr Kollege Peschkes, wenn es Daten wären, die völlig legal gewonnen, erhoben usw. worden wären, dann müssten wir diese Diskussion nicht führen. Aber Kollege Krückel hat schon auf die Situation, in der wir uns befinden, hingewiesen, dass nämlich unklar ist, woher die Daten – „unklar“ ist noch die freundlichste Formulierung – stammen. Schließlich gibt es durchaus Anhaltspunkte dafür, dass die Daten über eine Straftat – auch nach unseren strafgesetzlichen Bestimmungen – in den Besitz desjenigen gekommen sind, der diese Daten jetzt offensichtlich zum Verkauf anbietet.

Meine Damen und Herren, hier kommen wir in die grundsätzliche Abwägungsproblematik hinein, ob nicht auch die Handlungen des Rechtsstaats diesen hohen und auch moralischen Anforderungen unterliegen.

(Rüdiger Sagel [fraktionslos]: Der Rechtsstaat hat versagt!)

Herr Kollege Sagel, reden Sie doch nicht über etwas, wovon Sie nun wirklich definitiv keine Ahnung haben.

(Beifall von FDP und CDU)

Das Rechtsstaatsprinzip beinhaltet eben, dass auch der Rechtsstaat seine eigenen Gesetzmäßigkeiten beachten muss. Das hat bisher gegolten, und auf diese Problematik haben auch viele Kolleginnen und Kollegen – im Übrigen aus allen Fraktionen –, der Anwaltsverein, der Bundesdatenschutzbeauftragte und der Vorsitzende des Rechtsausschusses im Deutschen Bundestag hingewiesen. Bis jetzt hat nämlich das Prinzip gegolten, dass sich der Staat nicht an Straftaten beteiligt.

(Beifall von Ingrid Pieper-von Heiden [FDP])

Man muss nun abwägen, ob mit diesem Prinzip gebrochen und damit die Glaubwürdigkeit des Gemeinwesens aus kurzfristigen und – als Haushälterin kann ich das sagen – monetär durchaus

nachvollziehbaren Motiven heraus möglicherweise geopfert wird. Die Antwort auf die Frage, ob wir damit Datendieben zusätzliche Anreize bieten, ist dabei auch zu berücksichtigen. Wo ist denn da die Grenze, meine Damen und Herren?

(Beifall von der FDP – Ewald Groth [GRÜ- NE]: Dann sagen Sie doch mal! Was meinen Sie denn, wo die Grenze ist?)

Hier muss eine sehr grundsätzliche Abwägung vorgenommen werden. Und dabei spielt die Herkunft der Daten eine Rolle. Das gehört in eine rechtsstaatliche Abwägung und Prüfung hinein. Vorhin hat mir ein Kollege zugerufen, es gebe doch die Kronzeugenregelung. Ich will nur darauf hinweisen, dass der Vergleich mit der Kronzeugenregelung bei Strafprozessen hinkt. Der Kronzeuge erhält Strafminderung, wenn er zur Aufklärung einer Straftat beiträgt, an der er selber in irgendeiner Weise beteiligt war. Das Äquivalent im Steuerrecht ist völlig zu Recht das Instrument der Selbstanzeige. Der Ankauf von gestohlenen Daten gehört aus meiner Sicht nicht dazu.

(Beifall von der FDP)

Deswegen halte ich es für sinnvoll und richtig, genau wie der Kollege Krückel schon gesagt hat, diese sehr grundsätzlichen Problematiken sehr genau und dezidiert zu prüfen. Das spiegelt sich in dem Antrag Ihrer Fraktion – das ist der Kritikpunkt, den ich daran habe – in keiner Weise wider. Diese Abwägung muss ein Rechtsstaat vornehmen, weil er sich an anderen Maßstäben messen lassen muss. Und ich bleibe dabei: Der Staat darf nicht als Hehler auftreten, er darf sich nicht an Straftaten beteiligen.

(Beifall von der FDP)

Deshalb gilt es abzuwägen. Ich bin sehr zuversichtlich, dass der Finanzminister diese Abwägungsfragen sehr gründlich gemeinsam mit seinen Kollegen auf der Bundesebene prüft. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von FDP und CDU)

Danke schön, Frau Kollegin Freimuth. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht nun der Kollege Groth.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich fasse es nicht. Dieses Rumgeeiere kann man nicht tolerieren, Frau Freimuth.

(Beifall von den GRÜNEN)

Es ist sehr einfach: Man muss natürlich abwägen, es sind rechtliche Fragen zu bedenken, aber die FDP veranstaltet ein Rumgeeiere. Sie glauben jetzt wieder Ihre Rechtsstaatlichkeit zu entdecken, wo Herr Baum gerade erst Minister Wolf wegen Nichtrechtsstaatlichkeit verklagt hat. Dieser musste sich

bestätigen lassen, dass es auf FDP-Seite überhaupt nicht mehr um Rechtsstaatlichkeit geht. Bei einer solchen Lappalie – es ist ganz klar entschieden, worum es eigentlich geht, dass man das machen kann und die Daten verwertbar sind, ist auch längst gerichtlich entschieden, Frau Kollegin – eiern Sie jetzt rum und tun so, als ob man noch mal prüfen müsse – am besten sechs Monate –, damit uns diejenigen, die keine Steuersünder, sondern Straftäter sind, auch noch entkommen und das Geld in Sicherheit bringen können. Das kann doch nicht unser Ziel sein, jedenfalls nicht unser gemeinsames.

Herr Kollege, es gibt eine Zwischenfrage von Herrn Engel. Möchten Sie die zulassen?

Bitte.

Bitte schön, Herr Engel.

(Ewald Groth [GRÜNE]: Mit dem wollte ich sowieso noch sprechen!)

Vielen Dank, Herr Groth. Würden Sie unter dem Stichwort „Baum verklagt Wolf“ bitte schön zur Kenntnis nehmen, dass das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ein neues Grundrecht geschaffen hat, das weder Sie noch Herr Wolf, weder der Landtag noch irgendeine Institution in Deutschland kannten? Würden Sie das bitte zur Kenntnis nehmen? – Vielen Dank.

Das hilft Ihnen als FDP aber auch nicht weiter.

(Beifall und Heiterkeit von GRÜNEN und SPD)

Sie hatten mal gute Leute in dieser Frage. Das ist lange vorbei. Davon haben Sie sich verabschiedet, und das beklage ich. Da waren Sie als Partei noch sympathisch. Das ist vorbei, Herr Engel.

Es geht hier nicht um Hehlerei, Frau Kollegin Freimuth. Sie haben das Wort wieder gebraucht. Hier ist keine Sache gestohlen worden, also ist es auch kein Diebstahl. Dann kann es auch keine Hehlerei sein.

(Angela Freimuth [FDP]: Daten sind keine Sache?)

Es geht im Moment auch nicht darum, zu beurteilen, welche Straftaten der Informant möglicherweise begangen hat, die im Übrigen zu verfolgen sind; das ist klar. Wenn er etwas Strafbares getan hat, muss man das verfolgen. Deutsche Ermittlungsbehörden und insbesondere die Steuerfahndung greifen seit

Jahrzehnten auf das Mittel zurück, dass sie, um Straftaten aufzuklären, Strafprozesse führen zu können, Informationen zu erlangen, Geld ausloben. Die Informationen müssen sachdienlich sein. Die Art der Beschaffung spielt dabei – bislang jedenfalls – keine Rolle.