Protokoll der Sitzung vom 23.03.2010

Das können Sie so oft mit Ihrer Plakatdiskussion …

(Heike Gebhard [SPD]: Warten Sie mal die Entscheidungen der Wählerinnen und Wähler ab!)

Ich fand es sehr interessant, dass wir heute diese bildungspolitische Debatte entlang der Bildungskette geführt haben und sehen, dass dieser schwarzgelbe Faden der sozialen Selektion bei jedem Tagesordnungspunkt wieder ins Licht tritt, Herr Witzel,

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

und zwar gerade auch an dieser Stelle, wo es um die Studiengebühren geht. Hier geht es um die Interessen der jungen Menschen in diesem Land,

(Ralf Witzel [FDP]: Bei niemandem hingen die Aufstiegschancen so von der sozialen Herkunft ab wie bei Rot-Grün!)

darum, dass sie nach ihren Fähigkeiten gefördert werden und auch nach ihren Fähigkeiten ein Studium aufnehmen können. Wir wollen, dass jeder junge Mann, jede junge Frau in diesem Land bestmögliche Abschlüsse erzielen kann und dies nicht durch Studiengebühren erschwert wird, Herr Witzel.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Kuhmichel?

Selbstverständlich.

Bitte schön, Herr Kollege Kuhmichel.

Schönen Dank, Herr Kollege Schultheis. Es geht auch ganz schnell. – Eine kurze Frage: Trifft es zu, dass wir, als wir nach der Wende 2005 die Regierung antraten, ein Studiengebührenmodell vorgefunden haben, für das Rot-Grün Verantwortung trug? Nach diesem Modell wäre das Geld, was erzielt worden wäre, in den Säckel des Finanzministers für irgendwelche Projekte im Land gegangen. Trifft es zu, dass wir dieses rot-grüne Studiengebührenmodell vorgefunden haben?

Herr Kollege Kuhmichel, es gab ein Studienkontenmodell, aber dieses Studienkontenmodell erfasste keine allgemeinen Studiengebühren. Wir haben klare Aussagen dazu gemacht: Es wird kein Studienkontenmodell mehr geben. Das ist aus der Welt. Es wird nach der Wahl am 9. Mai keine Studiengebühren mehr geben –

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

ganz klar. Darüber brauchen wir nicht zu diskutieren. Dem ist so.

Wir werden auch gewährleisten, Herr Brinkmeier – Sie sind insofern ja wirklich in brennender Sorge –, dass das Finanzierungsmodell, das wir benötigen, um den Hochschulen eine Kompensation für diese Mittel zu bieten, so wasserdicht ist, dass die Gelder

auch aus Drittmitteln bereitgestellt werden können. Darauf können Sie sich verlassen. Dafür haben wir genügend Erfahrung und Kompetenz in unseren Fraktionen, hier ein Modell vorzustellen, das diesen Anforderungen gerecht wird.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Wir wollen auch – ich sage das noch mal ganz deutlich in Richtung der Fraktionen, aber auch der interessierten Öffentlichkeit – sicherstellen, dass diese Mittel, die den Hochschulen dann zusätzlich zur Verfügung gestellt werden, nicht kapazitätswirksam werden.

(Beifall von der SPD)

Denn wir wollen doch gerade, dass den jungen Leuten in den Bachelor-Studiengängen bessere Studienbedingungen geboten werden als bisher.

Wir alle wissen, dass gerade die Einführung der gestuften Studiengänge Bachelor und Master 15 % mehr Personal erfordert. Wir werden durch ein neues Gesetz, das die Studiengebühren abschafft, dafür sorgen, dass an den Hochschulen verlässlich und ohne prekäre Beschäftigungsverhältnisse neues Personal eingestellt werden kann. Dann sind die Hochschulen, die Rektorate und die Kanzler, die in der Anhörung nur diese Sorge vorgetragen haben, auf der sicheren Seite – einer sichereren Seite, als sie es jetzt sind, Herr Dr. Brinkmeier.

(Beifall von der SPD)

Wir haben in der Anhörung die Argumente erfahren, warum man für Studiengebühren sein kann. Die Rektorenkonferenzvertreter sowie die Vertreter und Vertreterinnen der Kanzlerinnen und Kanzler haben dazu ausgeführt. Aber diejenigen, um die es geht, nämlich die Studierenden, und die Organisationen, die sie vertreten – das Landes-ASten-Treffen, das Studentenwerk und das Hochschulinformationssystem, die mit Vertreterinnen und Vertretern dort anwesend waren –, haben deutlich gemacht, dass Studiengebühren selektiv wirken – gerade im Hinblick auf junge Frauen, die kein Studium aufnehmen, weil sie sich nicht verschulden wollen. Das ist ganz eindeutig.

(Svenja Schulze [SPD]: Ja!)

Es wird eine weitere Studie geben – es ist ganz interessant, dass sie noch nicht veröffentlicht worden ist –, eine Studie, die HIS erarbeitet und bei der wir erfahren werden, dass es einen Riesenrücklauf aus der Studierendenschaft gibt, was die Beantwortung dieser Anfrage angeht. Wir erwarten, dass diese Studie belegen wird, dass die Studiengebühren sozial selektiv wirken.

(Svenja Schulze [SPD]: Genau!)

Dafür brauchen wir diese Studie. Aber wir können das auch schon anhand der uns jetzt vorliegenden Zahlen feststellen, die zeigen, dass sich die Schere zwischen Studienberechtigten und denjenigen, die

ein Studium aufnehmen, immer weiter öffnet. Das können Sie nicht bestreiten.

(Beifall von der SPD)

Deshalb werden wir diesen Weg konsequent gehen.

Nochmals: Abschaffung unmittelbar nach den Wahlen am 9. Mai – eine der ersten gesetzgeberischen Maßnahmen –, Kompensation für die Hochschulen unter Bedingungen, die gewährleisten, dass diese zusätzlichen Mittel nicht kapazitätswirksam werden. Herr Brinkmeier, das sind zwei klare Antworten auf Ihre unklaren Fragen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Schultheis. – Für die FDP-Fraktion hat Frau Kollegin Dr. Dreckmann das Wort.

(Ewald Groth [GRÜNE]: Was soll ich jetzt noch sagen? – Gegenruf von Karl Schultheis [SPD]: Wir wollen ein Signal setzen! So ist es!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

(Unruhe – Glocke)

Die FDP-Fraktion befürwortet Studiengebühren. Den Antrag der Grünen lehnen wir deshalb entschieden ab.

Mit dem Hochschulfreiheitsgesetz vom 1. Januar 2007 hat diese Regierung den Universitäten und Fachhochschulen in Nordrhein-Westfalen die Möglichkeit gegeben, Studienbeiträge von maximal 500 € pro Semester zu erheben. Jede Hochschule kann also frei entscheiden, ob sie überhaupt Studiengebühren erhebt und, wenn ja, in welcher Höhe. Von der Möglichkeit, Studienbeiträge zu erheben, haben mittlerweile die meisten Hochschulen Gebrauch gemacht. Dadurch ist kein Rückgang bei der Studierendenzahl zu verzeichnen. Die Anzahl der Studierenden hat sich sogar erhöht.

Wenn Frau Kollegin Seidl in der letzten Ausschusssitzung am vergangenen Donnerstag beklagt, dass gerade Frauen und Angehörige bildungsferner Schichten die Aufnahme des Studiums kritisch sehen, sind das reine Vermutungen. Es gibt darüber keine verlässlichen Daten. Herr Schultheis hat vorhin auch noch mal gerade die Frauen angesprochen.

(Beifall von Ralf Witzel [FDP])

Frauen unterschätzen sich noch immer. Viele Frauen suchen laut Meldung der „Ruhr Nachrichten“ vom 22. März, also von gestern, wegen familiärer und persönlicher Verpflichtungen noch immer ganz gezielt eine Teilzeitbeschäftigung oder sind mehr oder weniger gezwungen, eine solche anzunehmen.

Mit dieser Berufsperspektive macht sich frau natürlich schon Gedanken darüber, ob sie studieren will oder nicht. Dies zu ändern, ist aber Sache der Frauenpolitik und Aufgabe der Schulen.

Ähnliches gilt für die bildungsfernen Schichten. Wenn die Aufnahme eines Studiums innerhalb der Familie nicht als selbstverständlich angesehen wird, kann dies ein Hindernis sein. Studienbeiträge sind es nicht. Die Studierquote in den bildungsfernen Schichten ist in den letzten Jahren zudem gestiegen, mehr gestiegen als in den bildungsnahen Schichten.

Wenn Studienberechtigte auf ein Studium verzichten, sehe ich das primär als Rechtfertigungsgrund für diese Entscheidung. Schon immer haben sich Studienberechtigte aus welchem Grund auch immer gegen ein Studium entschieden oder erst eine andere Ausbildung begonnen –entweder, um früher Geld zu verdienen, oder aus Unsicherheit, was sie überhaupt machen oder studieren wollen.

Nach einem „WAZ“-Bericht von gestern besagt eine HIS-Befragung, dass sich knapp jeder zweite Oberstufenschüler erst ein Jahr vor dem Abitur Gedanken über die berufliche Zukunft macht und sich sogar jeder zehnte ein halbes Jahr vor dem Abi noch nicht mit diesem Thema beschäftigt. Vor Einführung der Studienbeiträge wurde diese Entscheidungsfindungsphase gern mit der Aufnahme eines Studiums überbrückt. Die Wahl der Fächer war zweitrangig, bestenfalls orientierte man sich an den Schulnoten. Studienabschluss oder Abschlussart waren meist ungewiss.

(Marc Jan Eumann [SPD]: Unglaublich! Ihre Einstellung zu jungen Menschen: Unvor- stellbar!)

Bei dieser Art der Aufnahme eines Studiums können Studienbeiträge natürlich nachdenklich stimmen. Das ist auch richtig so, meine Damen und Herren.

Das Studienbeitragsgesetz in Nordrhein-Westfalen ist das sozialverträglichste in Deutschland. Wenn die Studierenden das ihnen zustehende Darlehen der NRW.BANK in Anspruch nehmen, müssen sie es erst nach einer zweijährigen Karenzphase nach Abschluss des Studiums zurückzahlen und auch nur bei hinreichendem Einkommen. Die zurückzuzahlende Darlehenssumme ist zusammen mit dem Darlehensanteil des BAföG auf einen Gesamtbetrag von 10.000 € begrenzt. Aufgrund dieser Regelung musste im vergangenen Wintersemester im Schnitt nur jeder Zweite den Studienkredit zurückzahlen, die andere Hälfte war komplett von der Rückzahlung der Studienbeiträge befreit.

(Svenja Schulze [SPD]: Immer noch zu viele!)

Die Behauptung in dem vorliegenden Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Studienbeiträge

würden zu sozialer Selektion führen, ist nicht belegbar und damit unseriös.