Protokoll der Sitzung vom 23.03.2010

würden zu sozialer Selektion führen, ist nicht belegbar und damit unseriös.

Meine Damen und Herren, die Studienbeiträge haben maßgeblich zur Verbesserung der Studienbedingungen an unseren Hochschulen geführt.

(Rüdiger Sagel [fraktionslos]: Das glauben Sie doch selber nicht!)

Zudem bieten Mittel aus Studienbeiträgen im Gegensatz zu Landesmitteln den Vorteil, dass sie nicht kapazitätsrelevant sind. Die Studienbeiträge sichern den Hochschulen jährlich zusätzliche Einnahmen von bis zu 280 Millionen € für die Verbesserung der Studienbedingungen und der Lehre. Diese Mittel brauchen die Hochschulen dringend. Wir dürfen den Hochschulen dieses Geld nicht wieder wegnehmen oder infrage stellen; denn unsere Hochschulen brauchen dringend finanzielle Planungssicherheit.

Wir Liberalen haben deshalb mit Freude gelesen, dass nun auch die SPD-Landes- und -Fraktionsvorsitzende Kraft erkannt hat, dass sie die Studiengebühren nicht von heute auf morgen streichen kann.

(Ralf Witzel [FDP]: Kraftlose Kraftmeierei!)

Frau Kraft hat noch in den „Ruhr Nachrichten“ vom vergangenen Mittwoch erklärt, sie möchte den Hochschulen das Geld aus Studienbeiträgen jedenfalls vorerst nicht wegnehmen, sondern erst in der Mitte der nächsten Legislaturperiode.

(Manfred Kuhmichel [CDU]: Sie hat nicht mit Schultheis gesprochen!)

Eben. Sie hat nicht mit Herrn Schultheis gesprochen. Ich habe mich vorhin auch über die Meinungsfindung innerhalb der SPD gewundert.

(Marc Jan Eumann [SPD]: Die ist eindeutig, Frau Kollegin!)

Denn bereits am vergangenen Donnerstag, also nur einen Tag später, haben SPD und Grüne in der Ausschusssitzung gemeinsam dem Antrag der Fraktion der Grünen zugestimmt. Ich möchte gern von Herrn Schultheis wissen, ob er die Aussage, die er heute getroffen hat, mit seiner Fraktions- und Landesvorsitzenden abgesprochen hat.

(Karl Schultheis [SPD]: Soll ich das beantwor- ten? – Svenja Schulze [SPD]: Ja, hat er! Gu- cken Sie doch mal in unser Programm!)

Es wäre schön, wenn Frau Kraft auch hier wäre. Herr Schultheis, mir ist immer noch nicht klar geworden, woher Sie die Landesmittel bekommen und wie Sie die Kapazitätsrelevanz verhindern wollen.

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Schultheis?

Ja, gerne.

Bitte schön, Herr Kollege Schultheis.

Herr Präsident! Liebe Frau Kollegin, das ist keine Zwischenfrage, sondern eine Zwischenantwort. Ich möchte mit Ja antworten.

Das ist nicht gestattet. – Vielen Dank, Herr Schultheis.

Bitte schön, fahren Sie mit Ihrer Rede weiter fort.

Ich sehe gerade, meine Redezeit ist zu Ende. Daher komme ich zum Schluss: Die FDP ist klipp und klar für die Studiengebühren.

(Rüdiger Sagel [fraktionslos]: Haben Sie sich das gerade überlegt, oder was?)

Den Antrag der Grünen lehnen wir deshalb klipp und klar ab. Die chronische Unterfinanzierung der nordrhein-westfälischen Hochschulen ist zum Glück vorbei und wird mit der FDP auch nicht zurückkehren.

(Rüdiger Sagel [fraktionslos]: Sie auch nicht!)

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Dr. Dreckmann. – Für die Fraktion der Grünen spricht nun Herr Kollege Groth.

Meine Damen und Herren! Herr Präsident! Keine Rückzugsgefechte, Herr Dr. Brinkmeier – das hat Ihnen der Kollege Schultheis gerade klargemacht. Ich hatte einen Augenblick lang vergessen, dass es sich um einen Gesetzentwurf der Grünen handelt, und war schon froh, dass wir mitmachen. Er hat deutlich gemacht, dass es nach dem 9. Mai kein Zurück gibt, sondern nur ein Vorwärts in Richtung Abschaffung, und zwar sofort.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Das wollen wir mit dem vorliegenden Gesetzentwurf erreichen. Wir wollen das Studiengebührenexperiment von Schwarz-Gelb beenden. Fünf Jahre Chaos an den Hochschulen, fünf Jahre Diskussionen über die richtige Verwendung der Gebühren,

(Manfred Kuhmichel [CDU]: Oh!)

fünf Jahre Verunsicherung bei den Studierenden und den Lehrenden, fünf Jahre Kommissionen, meine Damen und Herren, Gutachten, Studien, Petitionen, Demonstrationen, und Sie reden sich

die Welt in fünf Minuten wieder schön, Frau Dr. Dreckmann, und sagen: Wenn die alle nicht studieren wollen, dann ist das deren privates Problem.

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

Wir kennen von Ihnen, dass wir als Staat für gar nichts mehr zuständig sein sollen. Wenn die nicht studieren wollen, ist das ein privates Problem, weil sie so bildungsfern sind. Dann setzen wir noch die Studiengebühren von 1.000 € im Jahr obendrauf. – So stelle ich mir Bildungspolitik in NordrheinWestfalen eben nicht vor. Deshalb haben wir den Gesetzentwurf vorgelegt.

Die Anhörung hat aus unserer Sicht die Fronten im Ausschuss geklärt. Wir stehen auf der Seite der Studierenden, der GEW, der Personalräte, der Studentenwerke, also auf der Seite derjenigen, die sich insbesondere mit den sozialen Belangen der Studierenden auseinandersetzen. Das ist unsere Seite.

Eines möchte ich dabei klarstellen, meine Damen und Herren: Die Abschaffung der Studiengebühren ist für uns keine ideologische, sondern eine bildungspolitische Frage. Wir wollen bildungspolitisch einen anderen Weg.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Wir wollen die „Privat-vor-Staat“-Politik dieser Landesregierung beenden und wieder Verantwortung übernehmen. Der Staat hat die Verantwortung für die Hochschulen, die wir übernehmen wollen.

(Ralf Witzel [FDP]: Die Anfängerzahlen stei- gen!)

Weil wir für die Abschaffung der Studiengebühren sind, das Geld aber trotzdem an den Hochschulen bleiben soll, laufen Ihre Argumente ins Leere, Herr Dr. Brinkmeier. Sie haben wieder gesagt: Wenn wir die Studiengebühren abschaffen, dann fehlt den Hochschulen das Geld. Und das Geld wird an den Hochschulen ohne Anrechnung auf die Kapazitäten bleiben. Auch da gibt es kreative Möglichkeiten.

Natürlich sind mit den Studiengebühren an vielen Stellen sinnvolle Angebote entstanden – das ist doch ohne Zweifel der Fall –, die auch zur Verbesserung der Lehre beigetragen haben. Aber wir können auch nachvollziehen, wenn die Studierenden keine 1.000 € pro Jahr dafür bezahlen wollen, dass ihre Bibliothek jetzt abends zwei Stunden länger geöffnet hat. Meine Damen und Herren, dafür ist der Staat zuständig und muss das garantieren.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Dr. Brinkmeier?

Bitte, gerne.

Bitte schön, Herr Kollege Dr. Brinkmeier.

Vielen Dank, Herr Kollege Groth. Weil Sie nicht nur Hochschulpolitiker, sondern auch Haushälter sind: Können Sie einmal darlegen – von der SPD gab es dazu eben keine Antwort, die Grünen sind dort vielleicht etwas besser aufgestellt –, wie solch eine nicht kapazitätswirksame Finanzierung aussehen könnte? Nach meinen Rechnungen müsste ein Fonds, wie Sie ihn vielleicht auch anstreben, ca. 10 Milliarden € umfassen, damit man die gleiche Menge Geld erwirtschaftet. Oder gibt es eine bessere Möglichkeit?

Herr Dr. Brinkmeier, wir haben uns nicht endgültig darüber verständigen können; noch regieren wir ja nicht. Aber es gibt Möglichkeiten. Wenn Sie sich an die Anhörung erinnern, dann hat der Sprecher der Kanzlerkonferenz angeregt, es könnte auch eine Stiftung sein. Ob man eine solche Stiftung dann mit einem solch hohen Grundkapital ausstatten muss, ist überhaupt noch die Frage. Das ist weder sinnvoll noch muss das so sein.

Das ist aber nur eine der Lösungen. Es gibt auch andere Lösungen. Man kann sich auch über die Kapazitätsverordnung insgesamt einig werden. Die muss aus meiner Sicht sowieso angepasst werden, insbesondere nach der Einführung von Bachelor und Master. Auch da muss man drangehen. Das bedeutet, es gibt viele Möglichkeiten, zu Verbesserungen zu kommen, damit das Geld an den Hochschulen bleibt und eben nicht auf die Kapazitäten angerechnet wird.

Meine Damen und Herren, es gibt positive Effekte – keine Frage. Aber für die meisten Studierenden stehen diese Verbesserungen in keinem Verhältnis zu den von ihnen geleisteten Beiträgen. Das PreisLeistungs-Verhältnis stimmt einfach nicht.

Es geht in der heutigen Debatte – noch einmal gesagt – also nicht um die scheinbare Alternative: Studiengebühren abschaffen oder Studienbedingungen verbessern. Nein, liebe Kolleginnen und Kollegen, hier und heute geht es schlicht um die eine Frage: Woher soll das Geld kommen, um die Qualität von Studium und Lehre an unseren Hochschulen zu verbessern? Das ist die entscheidende Frage: Wo kommt es her?

Auch da scheinen mir die Fronten klar zu sein. Insbesondere Sie von CDU und FDP sagen: Zu diesem Zweck wird die Gruppe der Studierenden belastet. – Die müssen zahlen, und zwar ausgerechnet dann, wenn sie es gar nicht so gut können, wenn sie es gar nicht gebrauchen können: im Studium oder hinterher in der Phase, in der sie in den Beruf einsteigen wollen, wenn ein Kredit zurückge