Protokoll der Sitzung vom 23.03.2010

Auch da scheinen mir die Fronten klar zu sein. Insbesondere Sie von CDU und FDP sagen: Zu diesem Zweck wird die Gruppe der Studierenden belastet. – Die müssen zahlen, und zwar ausgerechnet dann, wenn sie es gar nicht so gut können, wenn sie es gar nicht gebrauchen können: im Studium oder hinterher in der Phase, in der sie in den Beruf einsteigen wollen, wenn ein Kredit zurückge

zahlt werden muss, wo häufig auch noch die Familiengründung dazukommt.

Was ich aber zynisch finde, meine lieben Kolleginnen und Kollegen – das muss ich auch sagen, weil Sie immer nach dem Geld fragen, Herr Dr. Brinkmeier; jetzt passen Sie noch mal einen Augenblick auf! –, ist, dass Sie im selben Atemzug, wenn Sie den Studierenden das Geld aus der Tasche ziehen, Ihre Klientel, nämlich Hoteliers, Erben und Besserverdienende in diesem Lande, großzügig bedienen, und zwar mit dem dreifachen Betrag. Das wird das Land Nordrhein-Westfalen dreimal so viel belasten, wie Studiengebühren insgesamt in einem Jahr einbringen. Meine Damen und Herren, das ist der eigentliche Skandal!

(Beifall von der SPD)

Studentinnen und Studenten werden belastet. Besserverdienende, Erben und Hoteliers werden entlastet. Das zur Frage der Finanzierung! – Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Groth. – Als nächster Redner spricht der fraktionslose Abgeordnete Sagel.

Meine Damen und Herren! Herr Präsident! Wir werden die Abzocke bei den Studierenden nach dem 9. Mai beenden. Das kann ich Ihnen hier garantieren. Das wird der erste Antrag der Linken-Fraktion im Landtag NordrheinWestfalen sein. Zum jetzigen Zeitpunkt – muss ich ehrlich sagen – macht solch ein Antrag relativ wenig Sinn; denn es gibt natürlich keine Mehrheit dafür.

Wir haben aber auch noch – das muss man so deutlich sagen – gewisse Zweifel, wie es da mit der Ernsthaftigkeit bei SPD und Grünen tatsächlich bestellt ist. Denn zum Beispiel die SPD in Münster hat gerade gemeinsam mit der CDU eine Zweitwohnsitzsteuer für Studierende eingeführt. Die SPD zockt also gemeinsam mit der CDU die Studierenden in Münster ab.

(Svenja Schulze [SPD]: Das ist doch Unsinn!)

Das weckt natürlich immer wieder Zweifel an solchen Vorhaben. Die Grünen wollen ja nun auch unbedingt mit der CDU regieren. Also: Da gibt es schon noch gewisse Zweifel.

Hier wird immer versprochen: SPD und Grüne schaffen das ab. – Fakt ist aber: In Hessen hat es nicht mit SPD und Grünen geklappt, sondern dadurch, dass auch die Linke im Landtag ist. Das war die erste Maßnahme, die auch gleich funktioniert hat. Von daher kann ich nur sagen: Ohne die Linke wird es vermutlich nicht gehen. Deswegen möge man sich das noch ein vor Augen führen.

Studiengebühren sind unsozial; das ist überhaupt keine Frage. Söhne und Töchter aus sozial schwachem Umfeld können sie sich nicht leisten. Die Studiengebühren führen zu weniger Bildung in NRW, und zwar durch Arbeit neben dem Studium. Jeder vierte Studierende bricht ab, ein Großteil davon aus finanziellen Gründen. Jeder dritte Studierende denkt wegen Geldmangels an Abbruch. 69 % der Abiturienten machen sich Sorgen über die Finanzierung des Studiums. Nur 44 % der Abiturienten ohne reiche Eltern treten ein Studium an. Trotz erhöhter Anmeldezahlen sinken die Studierendenzahlen, weil so viele abbrechen. Der prozentuale Anteil der Studienanfänger bei den Abiturienten ist zurückgegangen. Lediglich 2 bis 4 % der Studierenden fällt die Finanzierung des Studiums leicht.

Das sind die realen Zahlen, die wir in NordrheinWestfalen vorfinden. Deswegen kann ich nur an Sie appellieren, hier eine andere Politik, nämlich ohne Studiengebühren, zu machen.

Darüber hinaus geht es auch noch darum, Studierende stärker zu fördern. Die Studierenden in Münster sagen zum Beispiel klipp und klar: Gefördert wird, wer Rendite bringt. – Das ist die aktuelle Förderpolitik dieser Koalition. Die Studierenden schreiben: Seit dem Wintersemester 2009/2010 vergibt das Land NRW Geld für Stipendien an Hochschulen, wenn diese die gleiche Summe an Geld von Wirtschaftsunternehmen erbetteln. Wer ein Stipendium bekommen kann, darf die Wirtschaft größtenteils selbst bestimmen. Sie erhält somit erheblichen Einfluss an den Hochschulen. Wer dann letztlich gefördert wird, wird allein aufgrund von Leistung entschieden, völlig unabhängig davon, wer Geld braucht und wer nicht. Wir fordern – so sagen es die Studierenden in Münster – stattdessen eine bedarfsorientierte Studienfinanzierung für alle, keine selektive Elitenförderung, kein Diktat der Wirtschaft an den Hochschulen.

Das ist auch etwas, was konkret passieren muss. Wir brauchen eine Förderung und keine Abzocke bei den Studierenden.

Herr Minister, Sie sind ja da, der Ministerpräsident ist nicht da. Ich überreiche Ihnen das, was mir vom AStA in Münster gegeben worden ist.

(Der Redner überreicht Minister Pinkwart ein Schreiben.)

Vielen Dank, Herr Kollege Sagel. – Als nächster Redner spricht für die Landesregierung Herr Minister Dr. Pinkwart.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich freue mich sehr, dass uns die Opposition mit ihrem Antrag zur Abschaffung der Studienbeiträge noch einmal die Gelegenheit

eröffnet – gestützt nunmehr auch auf die Ergebnisse der jüngsten Anhörung im Fachausschuss –, die Vorteile des nordrhein-westfälischen Studienbeitragsmodells zusammenfassend darstellen zu können.

Erstens. Die Studienbeiträge sind in NordrheinWestfalen so sozialverträglich wie in keinem anderen Bundesland.

(Beifall von CDU und FDP – Zuruf von Marc Jan Eumann [SPD])

Zweitens. Die Hochschulen nutzen sie verantwortungsvoll, um die Lehre zu verbessern, und erzeugen damit positive Wirkungen, wie auch der Vorsitzende des Wissenschaftsausschusses eben festgestellt hat.

(Beifall von CDU und FDP)

Drittens. Wer die Beiträge abschaffen will, tut den Studierenden keinen Gefallen, denn er gefährdet im Gegenteil ihren Studienerfolg und die Studienqualität.

(Beifall von CDU und FDP)

Lassen Sie mich auf einige Punkte aus der Anhörung kurz eingehen.

Zur sozialen Verträglichkeit von Studienbeiträgen trägt, wie Herr Leitner vom Hochschul-InformationsSystem im Ausschuss ausgeführt hat, die Kappungsgrenze bei, die bei uns niedriger als in anderen gebührenerhebenden Ländern ist. Bei uns kommen die Maßnahmen zur Sicherung der Sozialverträglichkeit auch besser als anderswo zum Tragen. Fast jedem zweiten ehemaligen Studierenden, der im Wintersemester mit der Rückzahlung seines Studienbeitragsdarlehens hätte beginnen müssen, sind die Studienbeiträge komplett erlassen worden. Das heißt: Unser Modell ist sozial gerecht, es schafft neue Chancen, anstatt die Studierenden an überfüllten, schlecht finanzierten Hochschulen alleine zu lassen, wie die Opposition das jahrzehntelang hier in Nordrhein-Westfalen getan hat.

(Beifall von CDU und FDP)

Die Studierquote – und das sollte uns alle freuen – ist gerade bei den bildungsfernen Schichten in den letzten Jahren stärker gestiegen als bei den bildungsnahen Schichten. Und noch wichtiger: Nach den Ergebnissen der Anhörung gibt es keine Unterschiede bei der Entwicklung der Studienanfängerzahlen zwischen den Bundesländern, die sich für Beiträge entschieden haben, und denen, die sich dagegen entschieden haben. Ebenso wenig wandern Studierende aus Ländern mit Studienbeiträgen jetzt in andere Bundesländer ab.

Wer bei uns in Nordrhein-Westfalen ein Studium anfängt, hat heute sehr viel bessere Chancen als früher, es aufgrund der mithilfe der Studienbeiträge verbesserten Lehre auch erfolgreich abzuschlie

ßen. Das belegen alle Zahlen, die Ihnen auch die Experten im Ausschuss vorgetragen haben.

(Beifall von CDU und FDP)

Das ist der Unterschied: Bei uns können nicht nur alle studieren, bei uns kommen auch alle zu einem Abschluss. Das ist der Unterschied zwischen unserer und Ihrer Regierungszeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Wie effizient die Hochschulen die Beiträge nutzen, um Lehre und Studienbedingungen zu verbessern, zeigt zum Beispiel die Studie des Deutschen Studentenwerkes und des Stifterverbands für die Deutsche Wissenschaft, die wir im Dezember vorgestellt haben. Herr Leitner vom HochschulInformations-System hat im Ausschuss auch noch einmal auf den Studienqualitätsmonitor des HIS hingewiesen, der das ebenfalls belegt.

Ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten aus der Anhörung im Ausschuss:

Wer behauptet, es habe keine deutliche Verbesserung der Studienbedingungen an den nordrhein-westfälischen Hochschulen gegeben, der schaut nicht genau hin.

So der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Kanzlerinnen und Kanzler der nordrhein-westfälischen Fachhochschulen im Ausschuss.

(Beifall von CDU und FDP)

Dank der Studienbeiträge sind zwischenzeitlich alleine an den Universitäten des Landes 2.000 Vollzeitstellen-Äquivalente geschaffen worden. Zusätzliches Lehrpersonal, eine verbesserte technische Ausstattung von Seminarräumen und Laboren, Tutoren- und Mentorenprogramme und Bibliotheken, die endlich länger geöffnet haben – das ist die Realität an den Hochschulen, das sind echte Verbesserungen, die die Studierenden im Alltag jetzt täglich spüren.

Ohne Zweifel wollen wir das auch weiterentwickeln. Ohne Zweifel wollen wir aus den VollzeitstellenÄquivalenten dauerhaftes Lehrpersonal machen. Wir wollen, dass die Hochschulen mehr Professoren und wissenschaftliche Mitarbeiter einstellen können.

Uns sagen die Rektoren, sie könnten mit der heutigen Finanzausstattung bei Beibehaltung der Studienbeiträge und der guten Landesfinanzierung in den nächsten Jahren 3.500 zusätzliche Stellen für Professoren und wissenschaftliche Mitarbeiter schaffen.

(Beifall von CDU und FDP)

Aber Rahmenbedingungen sind notwendig! Verlässlichkeit ist notwendig!

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schultheis?

Ich möchte mit Blick auf die Redezeit, die ich hier habe, jetzt gerne zum Abschluss kommen.

Keine Zwischenfrage, okay.

(Zuruf von der SPD: Oh!)

Wir können ja gerne noch lange diskutieren, Herr Schultheis.