Wenn Sie die Globalhaushalte ansprechen: Das ist doch eine Erfindung der rot-grünen Landesregierung, die wir in den vergangenen Jahren eingeleitet haben und die Sie jetzt fortführen, was ich gut finde.
Der Qualitätspakt: Richtig, Sie führen ihn fort, Sie verlängern ihn. Aber das war doch eine Aktion, die mich damals zwar viele Abende der Verhandlung im Kabinett gekostet hat, die aber doch wir eingestielt haben. Deswegen, lieber Herr Pinkwart, bleibt wenig mehr als heiße Luft, wenn wir Ihre Regierungserklärung auf wirklich Neues abklopfen.
Wenn Sie uns denn schon eine solche Regierungserklärung zumuten, und dann sind Ihre eigenen Leute nicht einmal da: Schauen Sie sich doch an, was für ein trauriges Bild die Koalition hier abgibt!
(Christian Lindner [FDP]: Aber wir müssen Ihnen doch etwas erklären! – Zuruf von Cari- na Gödecke [SPD])
Aber, entschuldigen Sie bitte, Sie haben doch die Regierungserklärung abgegeben! Dann unterstellt man doch, dass CDU und FDP ein Interesse an diesen Fragen haben.
Ich habe ja Verständnis dafür, dass Herr Stahl, um im Plenarprotokoll endlich einmal deutlich werden zu lassen, dass es ihn wirklich gibt, hier redet. Aber dann sofort die Biege zu machen, wenn die nachfolgenden Redner kommen, das ist wirklich schlechter Stil. Das hätte ich nicht gesagt, wenn sich Herr Stahl nicht zum Notengeber für Herrn Eumann aufgespielt hätte; und er tut das leider immer wieder, dass er andere Redner benotet. Das sollte er dann – gerade er – doch wirklich lassen.
Meine Damen und Herren, wozu diente diese Regierungserklärung, was waren ihr Sinn und ihr Ziel? – Erstens. Um die RWI-Studie ein Vierteljahr nach ihrem Erscheinen vorzustellen, bedarf es wirklich keiner Regierungserklärung. Lesen können wir selbst, und zum Vorlesen brauchen wir Sie nicht. Die Hälfte der Regierungserklärung waren Zitate aus der RWI-Studie vom November 2005.
Die zweite Möglichkeit ist das Hochschulfreiheitsgesetz. Aber ich debattiere hier nicht über das Hochschulfreiheitsgesetz, und ich weigere mich auch, es anhand von Eckpunkten, die gar nicht zusammenpassen, zu diskutieren. Denn sonst geht es uns am Ende so wie mit der Geld-zurückGarantie bei den Eckpunkten des Studiengebührengesetzes, die sich hinterher, wenn man den Gesetzentwurf liest, als nicht existent erwiesen hat.
Ich möchte zunächst einmal den Gesetzentwurf sehen. Anschließend reden wir darüber, und zwar sehr ausführlich.
Globalhaushalte finde ich zum Beispiel richtig. Ich finde es auch richtig, Unternehmensgründungen zu erleichtern. Auch die Erlassdichte gegenüber Hochschulen zu verringern, finde ich völlig richtig, wobei ich allerdings glaube, dass gerade das Studiengebührengesetz und das Hochschulfreiheitsgesetz zu einer neuen Flut von Erlassen führen. Beide sind nämlich sehr bürokratisch, wie das schon heute an ihren Eckpunkten deutlich wird.
Aber es gibt einen großen Unterschied, lieber Herr Pinkwart: Unternehmen verfolgen einen privatwirtschaftlichen Auftrag. Hochschulen hingegen haben einen öffentlichen Auftrag.
Sie dürfen nicht nach rein privatwirtschaftlicher Rationalität handeln, sondern sie müssen immer auch das Gemeinwohl im Auge behalten. Hochschulen funktionieren anders als Unternehmen; das ist kein Vorwurf gegenüber den Unterneh
men, sondern das ist Inhalt unserer Wirtschaftsordnung. Hochschulen funktionieren darüber hinaus mit innerer Demokratie. Auch diese innere Demokratie zu erhalten, ist notwendig. Vor dem Hintergrund der Eckpunkte habe ich daran große Zweifel.
Nein, will ich nicht. Ich will Ihnen nur schon einmal mitgeben, was Sie bei der Ausformulierung des Gesetzentwurfs beachten sollten, Herr Pinkwart. Die Aussprache sollten wir dann bis zur Debatte über das Hochschulfreiheitsgesetz vertagen.
Es bleibt aber immer noch die Frage, was diese Regierungserklärung eigentlich soll. Sie verkünden neue Ansprüche, die wirklich verblüffen – ich zitiere –:
Natürlich ist das gut, Herr Kuhmichel. Hierfür werden Sie Einstimmigkeit im Landtag erzielen. Die Frage ist nur, wie man das erreichen kann. Ihre Antwort lautet:
Meine Damen und Herren, der Staat kann nicht alles freigeben, er muss Leitplanken einziehen, damit es Chancengerechtigkeit, Gemeinwohlorientierung gibt. Es ist richtig, wenn Sie sagen, die Menschen sollen ihre Angelegenheiten ohne staatliche Bevormundung selbst regeln. Aber daraus folgt für mich noch lange nicht, dass man diese Leitplanken einreißen darf und kann. Der Staat soll sich überall weitestgehend zurückziehen – das ist Ihre Ideologie –, dann werden es die Kräfte am Markt schon richten.
Lieber Herr Pinkwart, ich habe Ihnen aufmerksam zugehört, und ich will Ihnen bescheinigen, dass die Zusammenarbeit mit Ihnen – das kann man nicht in Bezug auf alle Kollegen sagen – Spaß und Freude macht, aber so einen platten Neoliberalismus wie in Ihren Äußerungen heute in der Regierungserklärung habe ich selten erlebt. Dagegen wirkt selbst Guido Westerwelle wie ein Gewerkschaftsfunktionär.
Müller ist ja auch da –, dann weiß man, dass das Spiel mit Libero und vor allem mit Neolibero gänzlich unmodern ist und man damit meistens auf den Bauch fliegt. Das wird auch hier der Fall sein.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe mich während dieser Regierungserklärung gefragt: Wann kommen endlich Ihre eigenen neuen Ideen? Dass Sie mit der Bayer AG zusammensitzen, ist hoch interessant. Dass Sie mit Telecom Gespräche führen und andere Unternehmen besuchen, die hier dann wunderbare Einrichtungen schaffen, die wir auch begrüßen und die zum Teil in der Regierungszeit der Vorgängerregierung eingestielt worden sind – das werden Sie nicht bestreiten –, ist schön und gut. Aber das ist doch nicht Ihre Leistung, Herr Pinkwart. Diese eben aufgezählten Entwicklungen sollten wir alle gemeinsam begrüßen, und das tue ich auch uneingeschränkt. Aber das sind keine eigenen Ideen einer neuen Innovationspolitik. Die habe ich vermisst. Sie sagen:
„Damit Neugier, Wissensdurst, Erkenntnisdrang und Erfindergeist bei uns wieder gedeihen können, machen wir Schluss mit der Ideologisierung der Forschungs- und Technologiepolitik.“
Richtig! – Abgesehen davon, dass Ihr Herr Papke, der auch wieder weg ist, obwohl er gleich reden möchte, der größte Ideologe ist, wenn es um neue Technologien im Energiebereich geht,
reicht es einfach nicht aus, nach einem halben Jahr immer nur zu verkünden, womit Schluss sein soll. Die Leute und das Parlament wollen wissen, womit Sie anfangen wollen, und nicht nur, was Sie beenden wollen, und zwar konkret, abseits Ihrer salbungsvollen Bekenntnisse nach dem Motto: Wir müssen aufholen, wir bekennen uns, wir brauchen, wir müssen offen sein, wir wollen. Das sind alles tolle Formulierungen, aber wenn man versucht, sie anzupacken, dann erweisen sie sich wie der sprichwörtliche Pudding, den man nicht an die Wand nageln kann.
Sie verwenden – Herr Lindner hat von Tricks gesprochen – einen schönen Trick: Mit großer Inbrunst und mit einem seriösen Augenaufschlag, der das Blut von Schwiegermüttern in NordrheinWestfalen in Wallung bringt,
verkünden Sie selbstverständliche Wahrheiten, die zum großen Teil bereits wir eingestielt haben. So erklären Sie mit großem Tremolo in der Stimme, das EU-Recht müsse 1:1 in nationales Recht umgesetzt werden. Wissen Sie denn nicht, dass das ein Zitat aus dem „Düsseldorfer Signal“ aus dem Jahre 2003 ist?
Erstens die Gentechnologie. Auch hier sind Sie für völlige Freigabe, für das Niederreißen aller Schranken. Es schert Sie überhaupt nicht, dass die Menschen das nicht wollen.
Bisher habe ich die CDU, Herr Kuhmichel, Herr Brinkmeier, so verstanden, dass Sie ebenso wie die Kirchen davon überzeugt sind, dass es gerade bei der Gentechnologie weiterhin Grenzen braucht.
Sie verkünden Ihre FDP-Position als Position der Regierung. Ist das eigentlich abgestimmt? Wir mussten früher Regierungserklärungen in der Koalition abstimmen. Mich würde die Meinung des Ministerpräsidenten dazu interessieren, ob die FDP-Position einer vollkommenen Liberalisierung der Gentechnik Position der Landesregierung ist. Ich fände das schlimm, meine Damen und Herren.
Mag sein, ich baue einen Popanz auf. Die Lautstärke Ihrer Zwischenrufe zeigt mir jedenfalls, dass ich mit dem, was ich sage, nicht ganz falsch liege.
Die zweite neue Idee, die ich der Regierungsklärung entnehme, betrifft die Atomkraft. Auch da liegen Sie völlig quer zu dem, was die Menschen in unserem Land wollen.