Die zweite neue Idee, die ich der Regierungsklärung entnehme, betrifft die Atomkraft. Auch da liegen Sie völlig quer zu dem, was die Menschen in unserem Land wollen.
Herr Pinkwart, Sie kennzeichnen die Steinkohlesubventionen zu Recht als Thema der Vergangenheit. Insofern frage ich mich: Wie kommen Sie eigentlich dazu, der Steinkohle ausgerechnet die Atomkraft als Zukunftsinvestition gegenüberzustellen? Wissen Sie denn nicht, dass die Atomkraft in diesem Land ebenfalls eine Technologie
der Vergangenheit ist? – Und sie ist vor allem eine Technologie, die Milliarden an Subventionen verschlungen hat und die – das ist heute schon absehbar –
auch in Zukunft Milliarden an öffentlichen Geldern verschlingen wird, weil beispielsweise die Endlagerfrage überhaupt noch nicht geklärt ist. Das werden nicht die Unternehmen zahlen, sondern das werden wir Steuerzahler aufzubringen haben. Insofern ist es unverantwortlich, dies auch noch als eine neue Idee in eine innovationspolitische Regierungserklärung einzubringen.
Drittens fallen Ihnen die Lebenswissenschaften und viertens die Nanotechnologie ein. Das sind sicherlich interessante Felder, aber die haben nun wirklich nicht Sie erfunden, Herr Pinkwart.
Das sind Entwicklungen und Schwerpunktsetzungen, die lange vor 2005 entschieden waren und die Sie deswegen auch zu Recht weiterführen.
Damit ich nicht falsch verstanden werde: Ich unterstütze und lobe diese Punkte, aber Sie tun so, als seien Sie deren Erfinder, und das ist einfach nicht wahr.
Sie sagen: Bislang war die Förderlandschaft in Nordrhein-Westfalen unübersichtlich. Die Förderinstrumente waren stumpf. Die Förderprinzipien waren unklar. Sie wollen aufräumen. – Prima. Es fragt sich nur, wie Sie das machen wollen.
In dem einschlägigen Kapitel „Technologie- und Innovationsförderung des Landes Nordrhein-Westfalen“ kürzen Sie erst einmal satte 20 %.
Und auch in anderen Bereichen regiert der Rotstift. Dabei gehen Sie durchaus ideologisch vor. So wird zum Beispiel das Wuppertal-Institut schön zusammengestrichen, andere Institute erhalten gleich viel oder sogar mehr Mittel. Die Mittel für das REN-Programm werden um knapp 20 % re
Verstehen Sie das unter innovationsfreundlichem Klima? – Hier sind Unternehmen dabei, die Effizienz von Windenergieanlagen in diesem Lande – daran hängen auch Arbeitsplätze – zu erhöhen, und dann kommt aus der Landesregierung der Satz: Das ist das Erste, was wir kaputtmachen. – Ist das innovationsfreundlich, meine Damen und Herren? – Nein.
Innovationen lassen sich nicht mit reiner Wettbewerbsideologie hervorrufen oder steuern. Dieser Ansatz ist extrem unmodern. Eine erfolgversprechende Strategie bestünde vielmehr darin, ein wirklich innovationsfreundliches Klima zu schaffen und gesellschaftlich relevante Fragestellungen aufzugreifen.
Wir alle wissen doch, dass die entscheidende Frage des neuen Jahrhunderts wie folgt lautet: Wie kommen wir mit weniger Ressourcenverbrauch aus, ohne die sozialen Spannungen auf der Welt zu verschärfen? Wie kann es gelingen, aus einer Tonne Öl das Zehnfache dessen herauszuholen, was wir in unserer verschwenderischen Manie bislang herausgeholt haben? Wie können wir unseren Wohlstand halten, ohne unsere Natur, unsere Ressourcen unwiederbringlich auszubeuten?
Diese Strategie „weg vom Öl“ haben Sie leider überhaupt nicht im Blick, und daraus resultieren hundertfach Fragestellungen, die Innovationen nötig und lohnend machen. Das emissionsfreie Auto oder das Passivhaus, das keine Energie mehr verbraucht, sind Beispiele, die des Erfindergeistes gerade aus Nordrhein-Westfalen harren und wo wir gute Vorarbeiten geleistet haben. Hier bekommen Sie von uns jede Unterstützung, wenn Sie Ihre Mittel und Ihre Anstrengungen auf diese Felder richten.
Meine Damen und Herren! „Was früher ökologische Avantgarde war, das ist heute Speerspitze der technologischen Entwicklung.“ Das sagt Thomas Vašek, der Chefredakteur der „Technological Review“.
Also, wir sind an Ihrer Seite, wenn es darum geht, Innovationen zu fördern. Aber dann muss man es auch wirklich tun und darf sich nicht mit fremden Federn schmücken. – Vielen herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Dr. Vesper. – Als nächster Redner hat der Kollege Römer für die Fraktion der SPD das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Ich kann die Bemühungen der Regierungskoalition verstehen, diese sogenannte Regierungserklärung schönzureden zu versuchen. Das gelingt nicht. Das war – wie das viele vor mir und Herr Vesper gerade noch einmal festgestellt haben – eine sogenannte Regierungserklärung. Diese verdient den Namen nun wirklich nicht.
Herr Kuhmichel, ich habe von Ihnen gerade gelernt – das war eine intellektuelle Meisterleistung Ihrerseits –, dass die rot-grüne Landesregierung die Hochschulen im Ruhrgebiet vor allem dadurch benachteiligt habe, dass sie diese Ihrem Verständnis nach zu viel gefördert habe. Und Sie würden diesen Hochschulen jetzt einen Wettbewerbsvorteil verschaffen, indem Sie die Förderungen drastisch reduzierten, wie das der Haushaltsentwurf für 2006 belegt. Was Sie da hinbekommen, finde ich schlicht grandios.
Ich will noch einmal aufgreifen, was Herr Pinkwart zu den Investitionen der nordrhein-westfälischen Wirtschaft in Innovationen, in Forschung und Entwicklung ansatzweise ausgeführt hat. Seinen Appell, dass die nordrhein-westfälische Wirtschaft in den nächsten fünf bis zehn Jahren ihre Investitions- und Innovationsanstrengungen verdoppeln solle, habe ich als sehr beeindruckend empfunden. Dieser Appell – davon bin ich überzeugt – wird richtige Wirkungen erzielen. Ich gehe davon aus, dass jetzt schon – ich nehme an, Herr Pinkwart, Sie werden uns das gleich erklären – in den großen Unternehmen der nordrhein-westfälischen Wirtschaft die Investitionsentscheidungen für die Aufsichtsräte vorbereitet werden, damit eine solche große Kraftanstrengung gelingen kann.
Nein, es reicht überhaupt nicht aus, einen solchen Appell hier loszulassen. Vielmehr müssten Sie den Unternehmen, die in Nordrhein-Westfalen innovativ tätig sind, sagen, welche Anreize diese Landesregierung geben will, damit mehr Innovationen in Nordrhein-Westfalen auch durch die private Wirtschaft möglich werden. Wo wollen Sie Schwerpunkte setzen? – Darauf sind Sie nicht eingegangen.
Stattdessen machen Sie das, was Sie aus Ihrer Oppositionsrolle heraus bis heute nicht abgelegt haben: Sie reden das Land schlecht. Sie treffen
Herr Pinkwart, eines habe ich heute bei Ihnen gelernt. Sie haben zwei oder drei Mal behauptet, die Vorgängerregierung wäre in ihrer Politik ideologisch ausgeprägt gewesen. Bei Ihnen habe ich festgestellt, dass Sie weder Ihre Ideologie aufgeben noch Ihre Scheuklappen absetzen.
Denn ansonsten hätten Sie doch auch dem Hohen Haus sagen müssen, dass das RheinischWestfälische Institut für Wirtschaftsforschung klar festgestellt hat, dass das Problem – das wollen wir doch gar nicht leugnen – für die im Vergleich zu anderen Bundesländern geringeren Forschungsaktivitäten in Nordrhein-Westfalen eben nicht die öffentlichen Ausgaben waren. Hier lag unser Land zum Beispiel vor Bayern. Für Sie ist das überhaupt nicht erwähnenswert. Ich vermute, das liegt daran, dass das nicht in Ihr Weltbild passt.
Die RWI-Studie, die im Übrigen von der rotgrünen Landesregierung in Auftrag gegeben worden ist, kommt zu dem Schluss, dass das Problem in der Wirtschaftsstruktur unseres Landes begründet ist und dass es, wie Sie sich in Anlehnung an das RWI-Gutachten ausdrücken, eine relative Forschungsabstinenz der Wirtschaft in NordrheinWestfalen gibt.
Ja, aber warum denn? – Das hat doch vor allem, Herr Pinkwart, mit dem Rückgang der industriellen Produktion in unserem Land zu tun. Handels- und Dienstleistungsunternehmen – das ist nun einmal die Kehrseite des Strukturwandels – forschen nicht so viel und nicht so intensiv wie große Industrieunternehmen. Dennoch bleiben sie wichtig für Innovationen.
Die Stichworte dafür sind Internethandel und Logistik mit einer völlig neuen Vernetzungsmöglichkeit von Verkehrstechnik, von Planung, von Dienstleistungen. Dazu haben wir von Ihnen kein Wort gehört. Sie kennen unser Land nicht, Herr Pinkwart.
Das ist das große Problem. Sie machen sich nicht einmal die Mühe, es kennen zu lernen. Ich will Ihnen ja nicht zu nahe treten, aber aus Ihrem Terminkalender wird das ganz deutlich: Sie sind of
fensichtlich mit anderen Sachen beschäftigt und haben in den letzten Tagen wenig mit NordrheinWestfalen, mit diesem Land und seinen Entwicklungen zu tun gehabt.
Deshalb würde es sich, Herr Pinkwart, für Sie auch lohnen, ein bisschen genauer hinzugucken, damit für Sie Stärken und Schwächen erkennbar werden. Deshalb darf doch nicht alles in Bausch und Bogen heruntergeredet werden, wie Sie das andauernd tun.
Rechnen wir nämlich, Herr Pinkwart, bei den Forschungsausgaben der Wirtschaft die dicken Brocken einmal heraus, also in Bayern die Siemensforschung, in Baden-Württemberg die Forschung von Daimler-Chrysler und in Nordrhein-Westfalen die Bayerforschung, dann sieht das Bild schon ganz anders aus. Dann liegen die Forschungsausgaben der nordrhein-westfälischen Wirtschaft in etwa auf dem gleichen Niveau wie die der Wirtschaft in Bayern und in Baden-Württemberg.
Nehmen Sie das doch zur Kenntnis, und reden Sie nicht die Leistungen unserer nordrheinwestfälischen Wirtschaft so herunter, wie Sie das hier tun.
Es wäre gut, Herr Pinkwart, wenn Sie solche Fakten endlich zur Kenntnis nähmen und nicht weiter ein Zerrbild von der NRW-Wirtschaft und von ihren Forschungsaktivitäten zeichneten. Das würde Ihnen helfen, wenn Sie ernsthaft den Versuch starten sollten, mehr Betriebe dafür zu gewinnen, noch weitere Anstrengungen zu unternehmen, dort auf Akzeptanz zu treffen. Wenn Sie – im Gegensatz zur Realität – vorher erzählen, die Unternehmen täten überhaupt nichts, werden sie Sie mit Sicherheit nicht freundlich aufnehmen, wenn Sie mit ihnen neue Konzepte – von denen wir allerdings bisher noch nichts gehört haben – besprechen wollen.
Das RWI-Gutachten und das CDU-eigene Fraunhofer-Gutachten des vorigen Jahres zeigen im Übrigen auch ganz deutlich die Stärken des Innovationsstandortes Nordrhein-Westfalen. Warum verschweigen Sie das? Schämen Sie sich eigentlich der Erfolge der Menschen in unserem Land? Oder ist Ihnen eine solche Feststellung – ich wiederhole das – deshalb lästig, weil sie das von Ihnen gezeichnete Zerrbild als eine plumpe, eine billige Fälschung erscheinen lassen würde?