Protokoll der Sitzung vom 16.02.2006

(Beifall von CDU und FDP)

Lassen Sie mich ein drittes Zitat hinzufügen, das vom Rektor der Universität Aachen stammt, der dies auch in seiner gegenwärtigen Funktion als Vorsitzender der bundesweiten Hochschulrektorenkonferenz gesagt hat. Er hat es auf einen ganz kurzen Nenner gebracht: Rundum zufrieden. – Meine Damen und Herren, das ist seine Antwort auf die Eckpunkte unseres Hochschulfreiheitsgesetzes.

(Beifall von CDU und FDP)

Ich möchte der Opposition zurufen: In Anbetracht dieser Aufnahme, wie ich sie sehe und wie sie sich dokumentiert, wäre es doch trotz aller berechtigten Fragestellungen, auf die wir in der Debatte der nächsten Wochen und Monate sicherlich werden eingehen müssen, angezeigt, wenn das Hohe Haus bei Zielkonformität in der Frage, wie wir Nordrhein-Westfalen bei Forschung, Wissenschaft und Technologie auch mit Blick auf das Lissabon-Ziel, das Sie dankenswerterweise noch einmal angesprochen haben, wieder nach vorne bekommen, es als gemeinsame Aufgabe betrachten könnte, einen solchen notwendigen und von den Hochschulen offensichtlich auch gewünschten Befreiungsschlag als Chance für NordrheinWestfalen zu begreifen, und nicht polemisieren würde, auch mit Blick auf die Gestaltungskraft der Hochschulen nicht mit Zahlen durch das Land gehen würde, mit denen versucht wird, den Eindruck zu erwecken, als wollten wir die Hochschulen

nicht hinreichend finanzieren, obwohl Sie wissen, dass diese Landesregierung wie keine vorher trotz desaströser Haushaltslage zu den Vereinbarungen mit den Hochschulen steht.

(Beifall von CDU und FDP – Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Vorsicht mit solchen Er- klärungen! – Hannelore Kraft [SPD]: Was bestätigen uns denn dann die Hochschulen? – Zuruf von der SPD: 36 Millionen sind gar nichts!)

Sie haben Musterpressemitteilungen verteilen lassen, obwohl wir über die Agenturen am Wochenende schon deutlich gemacht haben, dass Sie einer Falschmeldung aufgesessen sind. Sie verteilen sie trotzdem. Sie müssen sich von den Kanzlern der Hochschulen darlegen lassen, dass Sie mit Ihrer Angstkampagne falsch liegen.

Lassen Sie mich abschließend zur Frage der Hochschulfinanzierung noch einmal den Rektor der Universität Köln, Herrn Freimuth, aus seinem Interview vom 11. Februar in der „Kölnischen Rundschau“ zitieren:

„Bei aller Freiheit muss die Finanzierung der öffentlichen Einrichtungen gesichert bleiben. Viele Kanzler und Rektoren haben es als das erste Wunder 2006 bezeichnet, dass dieses Jahr entgegen allen Erwartungen kein Geld im Landeshaushalt für die Hochschulen gekürzt wurde!“

Meine Damen und Herren, bei den Hochschulen ist das angekommen. Ich würde mir wünschen, dass das auch bei Ihnen der Fall wäre. – Herzlichen Dank.

(Beifall von CDU und FDP – Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Die haben den Haushalt auch noch nicht gesehen!)

Vielen Dank, Herr Minister Pinkwart. – Als nächster Redner hat für die SPD-Fraktion der Kollege Schultheis das Wort.

Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben in unserer Fraktion lange überlegt, ob wir zu diesem Antrag überhaupt reden sollen. Es ist ein Jubelantrag,

(Ralf Witzel [FDP]: Das ist eine Tatsachen- beschreibung!)

der von CDU und FDP zu einem Gesetzentwurf vorgelegt wird, der dem Landtag überhaupt noch

nicht vorliegt. Es ist interessant, über ein Gesetz zu debattieren, das es noch gar nicht gibt.

Als Abgeordneter, der die Interessen des Parlaments wahrnehmen will, finde ich es seltsam, über die Eckpunkte eines solchen Papiers durch die Presse informiert zu werden.

(Beifall von der SPD)

Das war der Einstieg in die Information über dieses Gesetzesvorhaben, das ja zentrale Bedeutung hat, wie Sie, Herr Minister Pinkwart, auch selbst herausgestellt haben. Also muss man sich doch fragen: Welches Selbstverständnis haben wir als Abgeordnete, wenn wir einen solchen Jubelantrag beraten und womöglich noch beschließen?

Ich kann vorwegschicken: Die SPD wird dem Antrag natürlich nicht zustimmen und Ihnen damit den Persilschein, den Sie gerne hätten, nicht erteilen. Den müssen Sie sich schon selbst erteilen.

Herr Kuhmichel, Sie haben heute Ihr politisches Vermächtnis vorgetragen: zehn Jahre Leiden unter sozialdemokratischer Hochschulpolitik. Die Hochschulen haben das nicht so empfunden.

(Widerspruch von der FDP)

Nein. In der Tat ist die Hochschulgesetzgebung Nordrhein-Westfalens die fortschrittlichste in der Bundesrepublik. Herrn Minister Pinkwart, der sich zurzeit schwerpunktmäßig in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz zum Wahlkampf aufhält, wird das dort natürlich auch vermittelt. Das ist so.

(Beifall von der SPD)

Die Schwerpunkte und Wahrnehmungen, die ein Aufenthalt bewirkt, nimmt man mit; das sind in Baden-Württemberg und in Rheinland-Pfalz andere als hier.

Meine Damen und Herren, man fragt sich auch, warum dieser Antrag gerade jetzt gestellt wird, bevor das Gesetz eingebracht ist. Das kann doch nur daran liegen, dass man langsam merkt, dass das, was tatsächlich beabsichtigt ist, durchsickert, dass die Menschen mitbekommen, was in den Hochschulen los ist.

(Ralf Witzel [FDP]: Was heißt „durchsi- ckern“? – Zuruf von Christian Lindner [FDP])

Herr Lindner, wenn Sie von Hochschulen sprechen, muss man Ihnen die Frage stellen: Wer ist „die Hochschule“? Wenn man sich die Eckpunkte durchliest, kann man sehr gut analysieren, was Sie unter „Hochschule“ verstehen. Wir verstehen

unter „Hochschule“ alle Mitglieder dieser Einrichtung.

Meine Damen und Herren, zum Exzellenzwettbewerb: Die Evaluation des Hochschulwesens ist damit nicht betrieben worden. Es ist ein Wettbewerb gewesen. Es gibt viele andere Kriterien, die zu Rate zu ziehen sind, wenn es darum geht, die Qualität unserer Hochschulen zu bewerten. Dazu gehört nach wie vor, dass wir in NordrheinWestfalen die meisten Sonderforschungsbereiche und auf wichtigen Feldern Exzellenzcluster haben, die im Wettbewerb nicht zum Tragen gekommen sind, aber anderweitig zum Tragen kommen.

Meine Damen und Herren, ich komme zu den Schwerpunkten des Eckpunktepapiers. Im Antrag steht:

„Die Hochschulen werden Arbeitgeber bzw. Dienstherren ihres Personals.“

Hieran kann man genau ablesen, welches Selbstverständnis sie haben. Wer ist die Hochschule?

Wir müssen fragen: Sind die Hochschulen in der Lage, die Voraussetzungen hierfür zum 1. Januar 2007 aus dem Stand zu schaffen? Ist auf diesem Wege qualifiziertes Personal zu gewinnen, auch im Wettbewerb mit den anderen Bundesländern? Sind wir dort wettbewerbsfähig? Behalten die Beschäftigten ihre bisherigen Rechte und Pflichten in vollem Umfang – das wird so formuliert –, und, wenn ja, wie wollen Sie das gewährleisten? Das können wir nicht aus einer Pressemitteilung ablesen. Wir müssen wissen, wie das Personalvertretungsrecht in Zukunft aussehen wird. Werden die Vertretungsrechte beibehalten? Wie sieht es mit den Tarifverträgen aus? Sie wollen es ja ermöglichen, dass die Einzelhochschule aus dem öffentlichen Tarifbereich aussteigen kann.

Zu den Berufungsverfahren müssen wir fragen, ob sie hier in der Tat die besten Professorinnen und Professoren gewinnen werden. Wir sehen hier große Defizite und große Gefahren, wenn sich Nordrhein-Westfalen auf einen solchen singulären Weg begibt.

Zur Zuschussfinanzierung:

Meine Damen und Herren, Sie sprechen immer von Staat. Es ist ganz seltsam: Der Landtag kommt jedoch in Ihrem Staatsbegriff überhaupt nicht vor. Wenn es um die Finanzierung der Hochschulen geht, zum Beispiel über Zuschüsse – da hätte ich Bedenken, wenn ich sehe, wie schnell Herr Papke bei Zuschüssen die Rasierklinge ansetzt –: Wie ist da die Position des Landtages? Wie soll der Landtag hier im Rahmen der Landes

planung steuern? Welche Aufgaben hat der Landtag? Das ist bisher in keiner Weise geklärt.

Der Hochschulrat, den Sie einsetzen wollen – Sie haben zwar noch eine kleine Option eingebaut –, bedeutet doch in der Tat Fremdbestimmung der Hochschulen. Dieses Gremium, das Sie einrichten wollen, bedarf in keiner Weise einer besonderen Legitimation. In diesem Gremium können interessante Persönlichkeiten vertreten sein, gerade aus der Wirtschaft, die dort womöglich sogar versagt und Unternehmen nicht erfolgreich geführt haben, die dazu beigetragen haben, Arbeitsplätze abzubauen. All das müssen Sie doch berücksichtigen. Es kann nicht sein, dass man einem solchen Hochschulrat die strategische Steuerung, die Vereinbarung über die Ziele usw. überträgt und gleichzeitig diejenigen, die Hochschule insgesamt ausmachen, entmachtet.

Diesen Fragen müssen Sie sich stellen. Die Damen und Herren in den Hochschulen merken, dass es an ihre originären Universitätsrechte geht, die aber notwendig sind, damit sich Kreativität entwickeln kann. Das ist einer unserer Hauptkritikpunkte. Und diesen Kritikpunkt werden wir in der Debatte, …

Herr Kollege, ich darf Sie bitten, zum Schluss zu kommen.

… in der Auseinandersetzung über dieses Gesetzesvorhaben weiter vortragen, das dem Landtag leider noch nicht vorliegt. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Schultheis. – Als nächster Redner hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen der Kollege Dr. Vesper das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wer sich einen solchen Antrag bestellt, lieber Herr Pinkwart, der hat es wirklich nötig.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Ich glaube, Sie haben es auch nötig. Ich werde wahrscheinlich als einziger in dieser Debatte nicht Herrn Prof. Ronge zitieren. Aber es wäre doch schön, wenn wir uns, wie Sie das am Ende Ihrer Rede gesagt haben, auf ein paar Gemeinsamkeiten verständigen könnten, wenn wir aus der Rückschau herauskämen und feststellen könnten, wo wir unterschiedlicher Ansicht sind.

Sie bauen Gegensätze auf, wo keine sind. Sie tun so, als wäre nichts passiert. Die positiven Rückmeldungen, von denen Herr Lindner und andere gesprochen haben, beziehen sich doch auf das, was schon längst passiert ist unter der Vorgängerregierung. Sie wissen doch, dass auch wir für weitestgehende Autonomie der Hochschulen und für Wettbewerb zwischen den Hochschulen sind, dass auch wir dafür sind, dass Hochschulen unterschiedliche Gesichter bilden können.

(Minister Prof. Dr. Andreas Pinkwart: Dann stimmen Sie doch zu! – Prof. Dr. Gerd Bol- lermann [SPD]: Aber das soll als Popanz hochgespielt werden!)

All dies ist doch überhaupt keine Frage. Es gibt hier gar keinen Dissens zwischen uns.

Es gibt jedoch einen Unterschied, auf den ich hinweisen möchte: Hochschulen haben einen öffentlichen Auftrag. Sie sind keine privaten Einrichtungen.