Protokoll der Sitzung vom 16.03.2006

Wir haben jetzt über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Drucksache 14/1395 zu entscheiden. Er empfiehlt, den Gesetzentwurf Drucksache 14/1033 unverändert anzunehmen. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind CDU und FDP. Wer ist dagegen? Bündnis 90/Die Grünen und SPD. Gibt es Enthaltungen? – Dann ist so mit Mehrheit beschlossen. Der Appell hat nichts gebracht.

(Beifall von CDU und FDP)

Ich rufe auf:

5 Kein Bundeswehreinsatz für polizeiliche Aufgaben bei der Fußballweltmeisterschaft

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 14/1435 – Neudruck

Die antragstellende Fraktion hat direkte Abstimmung beantragt. Für diejenigen, die jetzt den Saal verlassen: Sie müssen bald wieder hereinkommen.

Für die antragstellende Fraktion erteile ich dem Abgeordneten Peschkes das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fußball-WM ist heute das herrschende Thema – beim Immissionsschutz wie beim Einsatz der Bundeswehr im Innern. Jedes Großereignis wie die Fußball-WM ruft Trittbrettfahrer hervor. Das gilt im Übrigen nicht nur für die Stiftung Warentest. Das gilt auch für viele Unionspolitiker, allen voran den bayerischen Innenminister Beckstein. Auch Herr Innenminister Schäuble steht ihm nicht nach.

Sie alle wollen die WM dazu nutzen, um die schon immer gewollte Änderung beziehungsweise Ergänzung des Grundgesetzes endlich umsetzen zu können, damit die Bundeswehr uneingeschränkt auch im Innern eingesetzt werden kann, und das über die Dauer der WM hinaus. Die Forderung einiger Unionspolitiker nach einem Einsatz der Bundeswehr zum Objektschutz und auch zur Personenkontrolle anlässlich der WM ist geradezu abenteuerlich. Es werden Ängste vor terroristischen Übergriffen geschürt, um die Bundeswehr als Reservepolizei einführen zu können.

Dabei ist die Ausgangslage eindeutig. Das muss man hervorheben. Das zwischen Bund und Ländern vereinbarte Sicherheitskonzept zur WM sieht keinen Einsatz der Bundeswehr vor. Das hat Herr

Beckstein unterschrieben, und das weiß auch Herr Schäuble.

Es gibt überhaupt kein realistisches Szenario, welches den Einsatz der Bundeswehr als notwendig erscheinen lässt. Wer etwas anderes behauptet, handelt unverantwortlich, weil er eine Bedrohungslage suggeriert, für die es derzeit überhaupt keine Anhaltspunkte gibt.

(Beifall von der SPD)

Die Polizei in Nordrhein-Westfalen ist in der Lage, die öffentliche Sicherheit während der WM zu gewährleisten. Das schafft sie ohne Bundeswehr.

(Beifall von der SPD)

Die Weltmeisterschaft ist ein großes Ereignis, bei dem der Sport im Vordergrund steht. Es kommt darauf an, der Welt zu zeigen, dass wir wirklich lockere und unbekümmerte Gastgeber sein können.

Damit bei Ihnen von der CDU nicht die beliebten Fehlinterpretationen aufkommen und kein falscher Zungenschlag die Sache trübt, sage ich sofort dazu: Die Bundeswehr und unsere Soldaten leisten hervorragende Arbeit zur Sicherung unseres Landes nach außen. – Hier geht es aber ausschließlich um den möglichen Einsatz der Bundeswehr im Innern.

Theo Zwanziger, der DFB-Präsident, war in seinem vorherigen Leben CDU-Landtagsabgeordneter in Rheinland-Pfalz, Herr Schittges.

(Zuruf von Winfried Schittges [CDU])

Er war auch Regierungspräsident und für kurze Zeit Kultusminister. Ich kenne seine Biografie. Er hat es treffend formuliert, als er sagte: Wir wollen, dass sich die Leute in den Armen liegen. Wenn im Hintergrund aber Panzer stehen – und sei es nur vorsorglich –, dann funktioniert das nicht.

Ich glaube, Dr. Zwanziger hat Recht. Das Motto der WM heißt „Die Welt zu Gast bei Freunden“. Ich finde, das ist ein gutes Motto. „Die Welt bei zu Gast bei bewaffneten Freunden“ wäre nun wahrlich ein schlechtes Motto.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Vermischung von polizeilichen und militärischen Aufgaben ist gefährlich.

(Vorsitz: Präsidentin Regina van Dinther)

Selbst die Bundeswehr will diese Vermischung nicht. Das hat Verteidigungsminister Jung Ende Januar noch erklärt. Er sagte ganz deutlich: Die Bundeswehr ist keine Hilfspolizei. – Ich füge hinzu: Sie darf auch keine werden.

Es gibt fundamentale Unterschiede und Grenzlinien zwischen polizeilicher und militärischer Aufgabenbestimmung und Ausbildung. Das ist gut so und liegt auch in der Sache begründet. Es ist nun einmal ein riesiger Unterschied, einem bewaffneten Aggressor militärisch gegenüberzutreten oder randalierende Hooligans im Zaum zu halten. Ich persönlich mag mir gar nicht die Szene vorstellen, dass für diese Situation überhaupt nicht ausgebildete junge Soldaten mit G3-Sturmgewehren vor randalierenden und gewaltbereiten Hooligans stehen. Das ist ein Szenario, welches die Polizei weit von sich weist, weil sie auch nicht daran denken mag.

In dieser Situation wird von Deeskalation wohl nicht mehr die Rede sein können, wie sie die bewährte Strategie der Polizei in NRW ist. Die Auseinandersetzungen mit schlimmsten Folgen mag ich mir nicht vorzustellen.

Die Bundeswehr steht bei Notlagen und Katastrophen im Innern bereit. Bei dieser Sachlage kann sie auch nach geltender Rechtslage jederzeit mit polizeilicher Ausrüstung eingesetzt werden.

(Monika Düker [GRÜNE]: Richtig!)

Auch bei dieser WM stehen rund 2.000 Soldaten im Wege der Amtshilfe als Sanitäter zur Verfügung. Die SPD-Fraktion begrüßt das ausdrücklich. Wir sagen aber auch ausdrücklich: Darüber hinaus gibt es keinen weiteren Handlungsbedarf.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen insbesondere von der CDU, aber auch von der FDP, lassen Sie mich zum Schluss eine Bemerkung mit einer abschließenden Feststellung machen. Die SPD hat sich in den letzten Wochen mehrfach mit der Sicherheitslage und den Sicherheitsvorkehrungen bei der WM auseinander gesetzt. Der Arbeitskreis Sport meiner Fraktion war beispielsweise bei der zentralen Informationsstelle für Sporteinsätze in Neuss. Wir haben uns das tatsächlich angesehen und nicht nur im Antrag beschrieben. Ich selbst war noch vor gut zwei Wochen vor Ort in Gelsenkirchen auf Schalke und habe mir von der Polizei und von den Verantwortlichen der Stadt die Sicherheitskonzepte erläutern lassen.

(Winfried Schittges [CDU]: Auf eigene Kos- ten?)

Auf eigene Kosten, Herr Schittges. Dauerkarte, 350 €.

(Winfried Schittges [CDU]: Respekt!)

Für mich ist klar: Die Sicherheitskonzepte der Polizei sind schlüssig. Sie sind plausibel und, wie es scheint, auch wirksam.

(Winfried Schittges [CDU]: Donnerwetter!)

Für die SPD stelle ich fest: Die Sicherheit unseres Landes ist bei der Polizei in allerbesten Händen. Deshalb bedarf es absolut nicht des Einsatzes der Bundeswehr. Sie würde in dieser Situation allenfalls zur Unsicherheit statt zur Sicherheit beitragen.

Ähnlich erfreulich sieht es der Innenminister des Landes. Ich lobe ihn in dieser Sache gerne. Herr Wolf hat in dankenswerter Klarheit Position bezogen. Auch er lehnt bei der anstehenden WM einen Einsatz der Bundeswehr, der über sanitätsdienstliche und logistische Unterstützung hinausgeht, entschieden ab. Dies ist in der Presse nachzulesen.

Herr Schittges, eine ähnliche Klarstellung hätte ich mir allerdings auch von der CDU gewünscht. Sie kann sich zu einer Klarstellung leider nicht durchringen. Unsere Bemühungen, in dieser Sache einen gemeinsamen Antrag hinzubekommen, sind leider gescheitert.

Stattdessen legen Sie einen Entschließungsantrag vor, mit dem Sie sich im Kern – wenn auch verklausuliert; das will ich nicht bestreiten – dem Antrag der SPD anschließen. Nur drücken Sie sich geradezu krampfhaft vor der Aussage, dass ein Bundeswehreinsatz für polizeiliche Aufgaben bei der WM nicht erfolgen soll.

(Beifall von der SPD)

Dafür loben Sie am Ende des Antrags die Landesregierung für eine Selbstverständlichkeit. Das finde ich nicht nur lächerlich, nicht nur peinlich, sondern das ist sogar ziemlich arm, zeigt es doch, dass Sie wirklich nicht so souverän sind, wie Sie hier immer wieder vorgeben.

Ich empfehle Ihnen deshalb: Machen Sie uns das Leben einfach! Machen Sie sich das Leben einfach! Stimmen Sie unserem Antrag zu! Dann sind Sie auf der absolut sicheren Seite. Ihnen kann nichts mehr passieren. – Jetzt bedanke ich mich bei Ihnen fürs Zuhören.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Danke schön, Herr Peschkes. Für die CDU spricht nun Herr Luckey.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Peschkes, Ihres Antrages hätte es schlichtweg nicht bedurft. Alles, was Sie gesagt haben, ist längst geteilte Meinung!

Wenn Sie den Innenminister loben, loben Sie ihn zu Recht. Gleichzeitig loben Sie seine Fraktion und die CDU-Fraktion. Wir haben nämlich das Gleiche wie er gesagt.

Meine Damen und Herren, trotzdem – auch aus meiner militärischen Vergangenheit – einige Gedanken, die vielleicht erhellend wirken. Im Sinne der Zeitökonomie fasse ich mich kurz, Frau Präsidentin, weil wir das Thema relativ rasch abhandeln können.

Artikel 87a Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland regelt die Aufstellung und den Einsatz von Streitkräften. Das steht im Absatz 2: Außer zur Verteidigung dürfen die Streitkräfte nur eingesetzt werden, soweit dies verfassungsmäßig ausdrücklich erlaubt ist.

Nach Absatz 3 wird den Streitkräften nur in dem vom Gesetzgeber festgelegten Verteidigungs- oder Spannungsfall die Befugnis erteilt, zivile Objekte zu schützen und Aufgaben der Verkehrsregelung wahrzunehmen, soweit dies zur Erfüllung ihres Verteidigungsauftrages erforderlich ist.

Zur Abwehr drohender Gefahren – zum Beispiel für den Bestand der freiheitlich-demokratischen Grundordnung im Bundesgebiet, also im Bund und in den Ländern – ist es dem Bundestag beziehungsweise dem ständigen Ausschuss möglich, nach Artikel 87a Absatz 4 in Verbindung mit Artikel 91 Absatz 2 Grundgesetz Voraussetzungen zu schaffen, dass die Bundeswehr zur Verstärkung der Polizeikräfte eingesetzt werden kann. – Das wissen Sie; das ergibt sich aus der Notstandsgesetzgebung.