allerdings mit der Bitte, den Abzug der vorhin stattgefundenen Versammlung der Abgeordneten im Hause mit mehr Ruhe durchzuführen, damit die Kollegin Steffens ihre Argumente und Begründungen vortragen kann. – Bitte, Frau Steffens.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Heimgesetz ist sicherlich bei einem älter werdenden Parlament ein Gesetz, das alle interessiert. Deswegen wird kaum jemand hinausgehen, sondern alle werden zuhören. Ich freue mich also über das rege Interesse an diesem Thema.
Wir haben auf Bundesebene die Debatte um die Föderalismusreform. Im Zuge dieser Föderalismusreform ist beabsichtigt, die Zuständigkeit für das Heimrecht von der Bundesebene wieder auf die Länder zu übertragen. Das wäre etwas Überlegenswertes, wenn es nicht 1974 rund um das alte Heimgesetz eine breite Debatte vonseiten der Länder gegeben hätte, die gesagt haben, dass es keinen Sinn macht, die Zuständigkeit für das Heimrecht auf die Länder zu übertragen, sondern das ist ein Bereich, in dem wir dringend eine bundeseinheitliche Regelung brauchen, damit in jedem Land die Pflegebedingungen gleich sind und nicht in jedem Bundesland eine andere Heimgesetzregelung gilt. Die Befürchtung, dass das nach der Föderalismusreform genau so wieder eintreten wird, 16 verschiedene Länder, 16 verschiedene Regelungen, ist meines Erachtens gerade vor dem Hintergrund der Diskussionen in den letzten Wochen und Monaten dahin gehend, welches Bundesland was machen will, wenn es dafür zuständig ist, begründet.
Baden-Württemberg hat klar erklärt, dass es mit der Fachkräftequote heruntergehen will. Andere Bundesländer haben erklärt, dass sie zwar an der Quote wahrscheinlich weiter festhalten würden, wenn es landesgesetzliche Regelungen wären, aber überlegen, ob sie die Altenpflegehelferinnen mit ihrer einjährigen Ausbildung, die in vielen Bundesländern verankert sind, nicht schon auf die Quote anrechnen und damit die Qualität absenken können.
An vielen Stellen wird rauf- und runterdiskutiert, wie man Kosten senken kann. Gerade wenn wir uns die Diskussionen um den Landeshaushalt ansehen und erkennen, in welchem Ausmaß Sozialpolitiker und -politikerinnen Kürzungen nur verhindern können, dann sehe ich auch da schwarz und habe Angst, dass wir hinterher einen Wettbewerb innerhalb der Länder um das Absenken der Qualitätsstandards haben und nur noch Pflegepolitik nach Kassenlage definieren.
Meine Damen und Herren, ich glaube, dass wir dementsprechend klar und deutlich weiterhin bundesgesetzliche Regelungen brauchen. Der Diskussion in der Enquetekommission „Zukunft der Pflege“, die auf Initiative der CDU in der letzten Legislaturperiode hier gearbeitet hat, war klar und deutlich zu entnehmen: Wir brauchen bundeseinheitliche Standards, aber wir brauchen auch eine Veränderung und eine Weiterentwicklung, eine Neuausrichtung des Heimgesetzes. – Das war damals Beschlusslage der Enquetekommission, sich nämlich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass wir eine Neuausrichtung und eine Weiterentwicklung des Heimgesetzes bekommen.
Erstens. Wir wollen keine Dezentralisierung, keine Entscheidung auf Länderebene. Und zweitens. Wir wollen eine Veränderung im Heimgesetz.
Ich finde es schön, dass die SPD einen Entschließungsantrag zu unserem Antrag vorgelegt hat, der auf der einen Seite der Situation in Berlin – große Koalition, Föderalismus zustimmen – und auf der anderen Seite der Situation auf Landesebene, eigenständig entscheiden zu können, gerecht wird. Das kann ich verstehen. Aber in dem Antrag wird nicht gesagt, welchen Anspruch man entsprechend der Ergebnisse der Enquetekommission an eine Weiterentwicklung der Heimgesetzgebung hat.
Bei einer Neuausrichtung des Heimgesetzes wäre es wichtig zu berücksichtigen, dass viele Vorschriften, die jetzt im Heimgesetz enthalten sind und die den Bedürfnissen der Bewohner und Bewohnerinnen nach Individualität, nach Selbst- und
Mitgestaltungsanspruch nicht gerecht werden. Das Heimgesetz greift derzeit reglementierend in den Lebensalltag ein und erschwert die Gestaltung eines individuellen Wohn- und Lebensbereichs. In der Enquetekommission haben wir klar gesagt: Wir wollen Veränderungen und weitere Gestaltungsmöglichkeiten zum Selbstbestimmungsrecht der Bewohnerinnen und Bewohner.
So haben auch die Betreiber zeitgemäß orientierter Heime Probleme, die Vorgaben, die jetzt noch vorhanden sind, umzusetzen und gleichzeitig den Interessen und Wünschen der Bewohnerinnen und Bewohner zu entsprechen. Um das unter einen Hut bekommen, brauchen wir die Weiterentwicklung.
Eine Neuausrichtung des Heimgesetzes sind in den letzten Jahren von vielen Seiten, etwa auch vom runden Tisch „Pflege“, der auf Bundesebene eingerichtet war, oder von der damals noch zuständigen SPD-Ministerin in dem Zehn-PunkteProgramm gefordert worden. Das sind ganz wichtige Punkte, die eine inhaltliche Veränderung des Heimrechtes klar beschreiben.
Dazu gehören die Entbürokratisierung der inhaltlichen Anforderungen, die Einbeziehung und Weiterentwicklung neuer Wohn-, Betreuungs- und Pflegeformen und die Unterstützung der Umgestaltung bestehender Heimeinrichtungen zu überschaubaren und individuell ausgerichteten Orten der Pflege und des Wohnens. Nach wie vor stehen viele Bestimmungen einer entsprechenden Entwicklung entgegen.
Wir wollen aber auch, dass die Belange der Tagespflege im Heimgesetz Berücksichtigung finden. Wir wollen eine verbesserte Koordination der verschiedenen Prüf- und Kontrollinstanzen. Wir wollen die Vermeidung von Doppel- und Mehrfachprüfungen durch Regelungen zur Zusammenarbeit von Heimaufsicht und dem Medizinischen Dienst der Krankenkassen.
All das waren Punkte, die wir in der Enquetekommission klar und deutlich benannt haben und die von den Expertinnen und Experten – wie gesagt auch die des Runden Tisches – klar als Veränderungsbedarfe gedacht und so benannt worden sind.
Deswegen halten wir es für wichtig, die Ergebnisse nicht wegen veränderter Regierungsverhältnisse ad acta zu legen, sondern an die Ergebnisse dieser Enquetekommission anzuknüpfen, sie aufzugreifen und dementsprechend klar und deutlich umzusetzen, das heißt, sich bei der Föderalismusreform im Bund aktiv für die Ausgestaltung
Ein letzter Punkt, der eigentlich im Zusammenhang mit einem anderen Tagesordnungspunkt steht, mit dem wir uns heute ohne Debatte befassen werden. Das ist die Altenpflegehelferinnenausbildung. Schauen Sie einmal, wie in den anderen Ländern – ich habe es eingangs schon gesagt – die Qualitätsstandards diskutiert werden.
Wenn die Entscheidungsmöglichkeit, etwas zu verändern, in der Zuständigkeit der Länder liegt und man die Helferinnen auf die Fachkraftquote anrechnen will, wie es in einzelnen Bundesländern diskutiert wird, dann muss man als Ministerium bei der Einführung der Helferinnenausbildung klar fragen, wie man die Qualitätsstandards in den Heimen halten will.
Wenn beabsichtigt ist, vor Einführung der Helferinnenausbildung die Zuständigkeit der Länder per Föderalismusreform zu schaffen, die Fachkraftquote in der bestehenden Form abzuschaffen und die Helferinnen als angebliche Fachkraft mit in die Quote hineinzuschieben, dann sind wir auf jeden Fall da, wo niemand, der in diesem Land älter wird, hin will nämlich in die Absenkung der Qualitätsstandards.
Vielen Dank, Frau Kollegin Steffens. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der CDU Kollege Burkert das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Viele Menschen haben das Gefühl, dass sich in unserem Staat vieles in einem System organisierter Unverantwortlichkeit abspielt. Für den Bürger ist es unmöglich festzustellen, wer eigentlich wofür zuständig ist und die Verantwortung trägt. Diese Transparenz wieder herzustellen ist unabdingbar für die Akzeptanz der Demokratie und für das Vertrauen der Menschen in die Politik.
Es ist unstrittig: Deutschland braucht eine Föderalismusreform. Die Bundesrepublik Deutschland ist aus den Ländern entstanden. Die Grundnorm des damals verfassten Systems wurde in Artikel 30 Grundgesetz festgeschrieben: Die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben ist Sache der Länder.
In den vergangenen Jahrzehnten sind die Grundsätze von Subsidiarität, Vielfalt und auch Wettbewerb einer zunehmenden Zentralisierung insbe
sondere in der Gesetzgebung gewichen. Entgegen der ursprünglichen Intention dominiert heute der Bund auf der Ebene der Gesetzgebung in übermäßiger Form, während die Landtage nur noch über sehr begrenzte Zuständigkeiten verfügen. Das föderalistische System kann in dieser Form nicht mehr den vielfältigen Bedürfnissen der Bürger gerecht werden.
Wir werden die Probleme des Landes NordrheinWestfalen nicht durch immer mehr staatliche Regulierung, Gesetze, Erlasse und Vereinheitlichungen durch den Bund lösen. Der Ministerpräsident hat in seiner Regierungserklärung hier im Landtag darauf hingewiesen, wie wichtig es ist, den Menschen in Nordrhein-Westfalen mehr Freiheit zu geben. Der Föderalismus in Deutschland ist Ausdruck der Vielfalt der Länder mit ihrer unterschiedlichen Geschichte, Kultur und regionalen Identität. Er ermöglicht den Ländern, eigene Wege der Aufgabenerfüllung zu entwickeln. Gleichzeitig fördert er die regionale Identität und Nähe zwischen Staat und Bürgern.
Deshalb unterstützen wir den Vorschlag der Bundesregierung und der sie tragenden Parteien, die Zuständigkeit für das Heimrecht von der Bundes- auf die Länderebene zu übertragen.
Schaut man sich den Antrag der Grünen an, wird recht deutlich, dass es eigentlich gar nicht um das geht, was in der Überschrift steht, sondern eigentlich geht es um die Schaffung eines zeitgemäßen Heimrechtes und seiner Entbürokratisierung. Frau Steffens hat darauf gerade noch einmal nachhaltig hingewiesen. In dieser Angelegenheit bin ich sofort bei Ihnen, Frau Steffens. Das Heimrecht muss zwingend entrümpelt und fit für die Zukunft gemacht werden. Sie bemängeln beispielsweise, dass es zu viele Rechtsvorschriften gibt. Das ist doch gerade die Folge eines zentralen Systems, das allen Belangen gerecht werden will und muss. Hier muss im Interesse der Betroffenen ausgemistet werden.
Sie sagen selbst, dass es bei den jetzigen Vorschriften des Heimgesetzes schwer sei, Wünsche der Bewohnerinnen und Bewohner zu berücksichtigen. Diese Freiheit kann doch nur geschaffen werden, wenn die Verantwortung für das Gesetz und seine Weiterentwicklung näher an den Betroffenen liegt, also im Land und nicht beim Bund. Die Senioren in Bayern haben nun einmal andere Wünsche als die in Schleswig-Holstein oder Nordrhein-Westfalen.
Im Übrigen hat sich der Landtag von SchleswigHolstein in einem – ich betone es – fraktionsübergreifenden Antrag dafür ausgesprochen, das Heimrecht in Landesverantwortung zu übergeben. Wenn Sie sich nicht zutrauen, den Menschen in Nordrhein-Westfalen ein qualitätsgesichertes Heimrecht zu bieten, kann ich das verstehen. Die neue Landesregierung und die sie tragenden Parteien trauen sich das zu.
Vielen Dank, Herr Kollege Burkert. – Als nächster Redner hat der Kollege Killewald für die SPD-Fraktion das Wort.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Kollegin Frau Steffens, Sie haben mit diesem Antrag mit Sicherheit auch eine Positionierung vonseiten der SPD gewünscht. Die haben Sie mit unserem Entschließungsantrag bekommen. Wir sehen durchaus unsere Verantwortung, zur Föderalismusdiskussion einen Beitrag zu leisten. Wir werden dieses Fass nicht mehr aufmachen können. Deshalb müssen wir mit dem Vorschlag konstruktiv umgehen.
Meine Damen und Herren, trotzdem sieht die SPD-Fraktion im Landtag von Nordrhein-Westfalen die ganze Sache sehr kritisch. Wir sehen viele Gefahren und Risiken in dem Herunterbrechen von Bundes- auf Landesrecht. Wir weisen in unserem Entschließungsantrag grob auf die verschiedenen Gefahren hin.
Ich möchte eine Gefahr herausnehmen, die Frau Steffens schon angedeutet hat. Dabei geht es um die Eigenverantwortung – wenn es dazu kommt –, wie wir mit der Fachkraftquote umgehen. Das Land Baden-Württemberg – es hat übrigens eine CDU/FDP-Regierung – hat gezeigt, dass es die 50%ige Fachkraftquotierung nicht mehr will. Dort will man vielmehr eine Fachkraftquotierung von 33,33 %. Wir wissen, dass schon heute weit über 40 % der Fachkraftarbeit an nichtpflegerischen Leistungen verloren geht, an nicht direkten Kontakten zu den zu Pflegenden. Das bedeutet: Senken wir die Fachkraftquote ab, wird dieses Missverhältnis noch wesentlich größer.
Insofern ist das, was Träger, Kassen und die Verbraucherverbände sagen und wovor sie warnen, sehr berechtigt. Sie sagen nämlich: Wird das
Meine Damen und Herren, wir wollen die Chance nutzen, weil wir in einer langen Tradition von SPD-Ministern und -ministerinnen stehen, die stets bewiesen haben, dass sie die Pflege mit einem besonderen Standard wünschen. NRW war bisher immer unter den Vorreitern in der Pflege. Deshalb sind wir auch nicht bange, im Landtag darüber zu diskutieren, wie wir diese Chancen werden nutzen können. Trotzdem sind die Gefahren und die Risiken für die zu pflegenden Menschen in unserem Land vorhanden.
Als Erstes wollen wir eine Gefahren- und Chancenbewertung vorsehen. Wir wünschen, dass die Landesregierung eine solche Bewertung vorlegt, damit wir in diesem Hohen Hause und im Fachausschuss diskutieren können, wo die besonderen Gefahren liegen. Darauf weisen mit Sicherheit die Träger schon hin; es bedarf aber einer näheren Betrachtung.
Darüber hinaus wollen wir auch in Zukunft bundeseinheitliche Standards haben. Wir glauben, dass es unbedingt notwendig ist – zur Not unterhalb einer Gesetzgebung –, Mindeststandards zu formulieren, damit nicht Unterschiede zwischen Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen entstehen, damit nicht zum Beispiel an den Grenzen des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen Pflegende aus sozialschwachen Kreisen etwa in ein anderes Bundesland gebracht oder dort gepflegt werden, wo Zweibett-, Dreibett- oder Vierbettzimmer vielleicht möglich sind, wo eine andere Fachkraftquote und eine andere Qualitätsdefinition gilt. Das wollen wir nicht.
Das wollen wir nicht. Deshalb sehen wir die Notwendigkeit, dass Mindeststandards weiterhin vorhanden sind.
Ferner wollen wir von der Landesregierung ein Umsetzungskonzept für notwendige Änderungen. Ich bin der Kollegin Steffens dankbar, dass sie wesentliche Ergebnisse aus dem Abschlussbericht der Enquetekommission aufgegriffen hat. Ich bin Ihnen ferner dankbar, dass Sie auch in Ihrem Antrag viele dieser Anregungen, die wir in der Vergangenheit gemeinsam verfolgt haben, aufgeführt haben. Wir wollen die Chance für NordrheinWestfalen nutzen, diese Änderungen, die wir in der Vergangenheit zwar schon immer wünschten, aber nicht durchsetzen konnten, weil einige Bundesländer diese blockierten, zu realisieren.
Zum Abschluss, meine Damen und Herren, möchte ich auf die Herren und Damen der CDU eingehen. Wir hätten uns gewünscht, zusammen mit Ihnen einen Entschließungsantrag vorzulegen. Das ist leider nicht gelungen. Denn Sie meinten, es sei nicht die richtige Art, einerseits in Berlin für dieses Konzept der Föderalismusreform zu sein, andererseits hier im Land aber Kritik zu formulieren.