Protokoll der Sitzung vom 05.04.2006

Für uns in Nordrhein-Westfalen ist die Altenpflege auch ein Job-Motor. Die Gesundheitsberufe verlangen ohne Zweifel eine besondere fachliche wie auch persönliche Kompetenz. Deswegen ist es nachvollziehbar, dass nach dem Bundesaltenpflegegesetz grundsätzlich die Einstiegsschwelle in die Altenpflegeausbildung die sogenannte mittlere Reife ist. Die positiven Beschäftigungsmöglichkeiten in der Altenpflege dürfen aber nicht an den Hauptschülerinnen und Hauptschülern vorbeigehen. Deshalb wollen wir auch ihnen den Zugang zur Altenpflege ebnen. Hierfür brauchen wir nach dem Bundesrecht eine staatlich geregelte Altenpflegehilfeausbildung, die bislang fehlte.

Mit der nun gesetzlich vorgesehenen Einführung der Helferqualifizierung schaffen wir eine Einstiegsmöglichkeit, um guten und ehrgeizigen Hauptschülern den Weg in die Pflegekraftausbildung zu eröffnen.

(Beifall von der CDU)

Der Gesetzentwurf sieht auch eine Ermächtigung zum Erlass einer Ausbildungs- und Prüfungsordnung für die Altenpflegehilfeausbildung vor. Dazu werden bereits die Verbände angehört. Die Verordnung soll dann zum 1. September in Kraft treten.

Um bereits den Schulabgängern des Jahres 2005 eine entsprechende Perspektive zu geben, haben auf Basis dieses Entwurfes in den letzten Monaten im Rahmen eines Modellvorhabens bereits 29 Kurse mit 632 Teilnehmerinnen und Teilnehmern begonnen. Es ist beabsichtigt, dass gute Absolventinnen oder Absolventen dieser einjährigen Qualifizierung die Möglichkeit einer von drei auf zwei Jahre verkürzten Fachkräfteausbildung erhalten. Diese Qualifizierung von Helferinnen und Helfern ist bereits ein Baustein für die dritte Säule der Berufsausbildung, die wir in NordrheinWestfalen konsequent umsetzen werden. Dazu gehört auch, dass erfolgreichen Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Werkstattjahres der Zugang

in die Qualifizierung der Altenpflegehilfe ermöglicht wird.

Mit dem Ihnen vorliegenden Gesetzentwurf schaffen wir nicht nur die Voraussetzung für eine weitere Verbesserung der Ausbildungsqualität in der Altenpflege, gleichzeitig dürften sich durch diese Gesetze zusätzliche Chancen für Hauptschulabgänger auf einen Ausbildungsplatz ergeben. Ich bitte Sie daher nachdrücklich um Ihre Unterstützung für die notwendigen gesetzlichen Regelungen. Und an diesem Beispiel sehen Sie: Wenn man gut über die Landesregierung redet, ist man grundsätzlich nahe bei der Wahrheit. – Schönen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Herr Minister. – Meine Damen und Herren, ich weise darauf hin, dass man die Reden auch zu Protokoll geben könnte, aber wer hier reden möchte, darf das natürlich gerne. – Herr Kollege Wilp, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es hat im Vorfeld einige Irritationen gegeben, ob zu diesem Tagesordnungspunkt gesprochen werden soll oder nicht. Nun ist entschieden, dass die Fraktionen ihre Stellungnahmen im Plenum abgeben. Also beginne ich:

Die Landesregierung legt uns heute den Gesetzentwurf zur Durchführung des Altenpflegegesetzes und zur Ausbildung in der Altenpflegehilfe vor. Grundlage dieser Altenpflegeausbildung ist das seit dem 1. August 2003 geltende Bundesaltenpflegegesetz und die entsprechende Ausbildungs- und Prüfungsordnung des Bundes. Dabei hat es der Bund den Ländern überlassen, verbindliche Regelungen für die theoretische und praktische Ausbildung festzusetzen.

Von daher ist es zu begrüßen, wenn mit diesem Landesausbildungsgesetz die Grundlage für eine erforderliche verbindliche Regelung für die theoretische und die praktische Ausbildung geschaffen wird, die dann landesweite Geltung erhalten soll.

Wir finden es auch richtig, dass die Richtlinien unter Beteiligung der ausbildenden Verbände, d. h. unter Einbeziehung der Praktiker, erstellt werden sollen.

Der vorgelegte Gesetzentwurf schafft auch die Grundlage – und das ist neu – zur Ausbildung in der Altenpflegehilfe. In diesem Zusammenhang will ich auf zwei positive Aspekte hinweisen, die mit diesem Ausbildungsgang verbunden sind:

Mit diesem Berufsfeld erhalten Hauptschülerinnen und Hauptschüler die Möglichkeit, in den Pflegeberuf einzusteigen. Wenn wir heute an anderer Stelle über Gewalt an Schulen gesprochen haben, so hängt das unter anderem auch damit zusammen, dass die jungen Menschen sich immer weniger berufliche Chancen ausrechnen. Frust und Gewalt hängen oft zusammen. Hier eröffnen wir eine Möglichkeit zur Ausbildung.

Der zweite positive Aspekt ist, dass die Altenpflegehilfeausbildung keine Sackgasse darstellt, sondern gute, engagierte Absolventen die Weiterqualifizierung zur Altenpflegefachkraft erlangen können.

Ich gebe allerdings zu, dass über das Berufsbild der Altenpflegehelferinnen und -helfer noch einmal nachgedacht werden muss. Ich denke, darüber müssen wir uns bei der Beratung noch unterhalten. Es geht hier um die Festlegung der jeweiligen Kompetenzen.

Als weiterer Punkt des Gesetzentwurfes bleibt festzuhalten, dass hier auch die Voraussetzungen für die hauptamtlichen Lehrkräfte bestimmt werden und damit eine Klarstellung erfolgt, die sinnvoll, ja notwendig ist.

Die CDU-Fraktion – ich habe das eben schon gesagt – begrüßt dieses Ausführungsgesetz. Die Notwendigkeit ist unbestritten. Der Minister hat eben darauf hingewiesen, dass in Nordrhein-Westfalen zurzeit etwa 460.000 pflegebedürftige Menschen leben. Hinzu kommen 300.000 demenzkranke Menschen. Ihre Pflege und Betreuung ist eine besondere Herausforderung. In den Pflegeheimen und Pflegediensten sind rund 165.000 Menschen beschäftigt, davon allein 113.000 direkt in der Pflege.

Wir wissen alle, dass aufgrund der demographischen Entwicklung die Zahl der Pflegebedürftigen kontinuierlich steigen wird. Wenn wir Wert auf eine menschenwürdige Pflege legen, muss die Zahl der Kräfte in der Altenpflege ebenso steigen. Wir wollen auf beiden Ebenen, der Altenpflege und der Altenpflegehilfe, eine gute Ausbildung und einen qualitativ hohen Standard. Vor dem Hintergrund der eben an anderer Stelle geführten Diskussion ist das für uns sicherlich klar. Dafür werden erhebliche Anstrengungen notwendig sein. Wir werden um Pflegekräfte werben müssen.

In der Diskussion um die Pflege gab es bislang zwischen den Fraktionen zum großen Teil ein gemeinsames Vorgehen. Ich hoffe, dass wir diesen Gesetzentwurf gemeinsam begleiten können. Eventuelle Unklarheiten lassen sich noch im Ausschuss klären, zumal zurzeit noch die Verbändeanhörung läuft. Mit der Überweisung des Gesetzentwurfes an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales sind wir einverstanden. – Ich bedanke mich fürs Zuhören.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Herr Kollege Wilp. – Herr Kollege Garbrecht von der SPD-Fraktion hat nun das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der vorgelegte Gesetzentwurf steht ein bisschen unter dem Eindruck – lassen Sie mich das feststellen – der Diskussion, die wir unter dem Tagesordnungspunkt 9 geführt haben, Stichwort: Verlagerung des Heimrechtes. Wer in die Stellungnahmen der Verbände zum Referentenentwurf schaut, wird sich darin bestätigt sehen.

Unbestritten ist: Der demographische Wandel der Gesellschaft wird den Bedarf an Fachkräften in der Pflege merklich steigen lassen. Auch bei aller Förderung ehrenamtlichen Engagements bei der häuslichen Pflege in diesem Bereich werden wir einen steigenden Bedarf an gut ausgebildeten Profis haben.

Ein Blick in den Abschlussbericht der Enquetekommission „Zukunft der Pflege“ zeigt: Wenn wir menschenwürdige Pflege wollen, müssen wir die Qualität der Pflege erhöhen. Das fängt bei qualifiziertem und motiviertem Personal an und macht außerdem ein attraktives Berufsbild, ein klares Profil und eine Verzahnung mit anderen Professionen der Heilberufe notwendig.

Von daher war das bundeseinheitliche Altenpflegegesetz ein notwendiger und richtiger Schritt, im Übrigen von NRW immer vorangetrieben,

(Minister Karl-Josef Laumann: Ja!)

von Bayern leider aufgehalten.

Wir haben heute – das müssen wir so feststellen – trotz 1.000 Schulplätzen zu wenig Ausbildung in der Altenpflege.

(Minister Karl-Josef Laumann: Richtig!)

Darauf gibt der Gesetzentwurf keine Antwort.

Seit dem entsprechenden Verfassungsgerichtsurteil galten die bisherigen Länderregelungen in dem Maße weiter, wie sie im Ermächtigungsrahmen des Bundesgesetzes standen. Da das Bundesverfassungsgericht zur Altenpflegehilfeausbildung die Regelungskompetenz des Bundes verneint hat, sind die Länder gefordert.

In der letzten Legislaturperiode hat der Ausschuss für Arbeit, Gesundheit. Soziales – damals hatte er noch den Zusatz „und für Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge“ – im Rahmen einer

Anhörung im Jahre 2004 zur Altenpflegeausbildung auch über die notwendigen Konsequenzen diskutiert.

Meine Damen und Herren, der vorliegende Gesetzentwurf nimmt die Diskussion unserer Auffassung nach nur unzureichend auf. Vor allem wird alles in die für uns nicht akzeptable Form einer Verordnungsermächtigung des Ministeriums gepresst. Das ist eine deutliche Verschlechterung gegenüber den bisherigen gesetzlichen Regelungen. Der Herr Minister hält ja sonst die Rechte des Parlamentes so hoch; hier aber sehe ich eine genau entgegengesetzte Entwicklung.

Im Übrigen ist es so, dass die Bundesländer den Ermächtigungsrahmen des Bundes sehr unterschiedlich genutzt haben. An der Stelle lohnt sich auch ein Vergleich. Weil wir uns aktuell in der Haushaltsdebatte befinden und die finanzielle Förderung der Fachseminare angesprochen ist, sei es gesagt: Wir halten die Regelung in § 5, die ausschließlich den Namen und die Aberkennung regelt, für völlig unzureichend. Eine auskömmliche Finanzierungsregelung ist unserer Auffassung nach zwingend erforderlich.

Die von mir nur kurz angerissenen Kritikpunkte verdeutlichen, dass im weiteren Beratungsverfahren noch viele offene Fragen anstehen, für deren Behandlung heute nicht die Zeit ist.

Abschließend aber noch eine Bemerkung zum zentralen Punkt des Gesetzentwurfs, nämlich der Altenhilfeausbildung: Das ist nach unserer Auffassung der kritischste Punkt. Wir wollen eine Dequalifizierung im Bereich der Pflege verhindern, gleichzeitig aber auch das System der Ausbildung zum Altenpfleger/zur Altenpflegerin durchlässiger machen für Menschen, die derzeit nicht die schulischen Formalvoraussetzungen erfüllen.

Es geht also um Qualifizierungschancen für diejenigen, denen dieser Weg derzeit versperrt oder zumindest schwer gemacht wird. Daran wollen wir konstruktiv mitwirken, wohlwissend, dass wir uns auf einem schmalen Grat bewegen. Denn derzeit sehen wir für Altenpflegehelfer und -lferinnen keine nachhaltigen Beschäftigungschancen,

(Beifall von Barbara Steffens [GRÜNE])

es sei denn, die Befürchtungen sind berechtigt, dass bei der Verlagerung des Heimrechts auf die Länderebene auch die 50-prozentige Fachkraftquote aufgeweicht werden soll. Wenn sich diese heute schon gehegten Befürchtungen bewahrheiten, möglicherweise die Einrichtung dieses Ausbildungsganges sogar in dieser Absicht geschieht, werden wir daran nicht mitwirken, Herr Minister.

Im Übrigen stimmen wir natürlich der Überweisung des Gesetzentwurfs an den Ausschuss zu

(Minister Karl-Josef Laumann: Schön!)

und freuen uns – darin stimme ich dem Kollegen Wilp zu – auf eine konstruktive Beratung.

(Beifall von der SPD)

Danke schön, Herr Garbrecht. – Frau Steffens hat jetzt für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Diskussion um die Altenpflegehilfeausbildung ist keine neue Idee, sondern eigentlich führen wir diese Diskussion in Nordrhein-Westfalen an verschiedenen Stellen schon seit den Jahren 2003/2004. Seitdem steht eigentlich eine Frage im Mittelpunkt der Diskussion: Wofür soll diese Ausbildung für die Menschen, die sie machen, wirklich gut sein?

Was dürfen die Helferinnen mehr gegenüber dem, was die nicht ausgebildeten Helferinnen, die es bisher gibt, oder den Helferinnen, die in Drei- oder Fünfmonatskursen ausgebildet wurden, dürfen? Was dürfen die Helferinnen nach einem Ausbildungsjahr mehr, was das Mehr an Kosten für die Träger gegenüber nicht qualifizierten Helferinnen rechtfertigt? Die Helferin muss ja hinterher schon ein bisschen mehr Stundenlohn bekommen als eine ungelernte Kraft. Was darf die mehr, dass sich diese Mehrkosten für einen Träger rechnen?

Die Antwort auf diese Fragen habe ich bis heute nicht gehört. Denn natürlich kann man nicht in den wesentlichen Fragen der Grundpflege oder anderen Bereichen eine nicht ausgebildete oder nicht fertig ausgebildete Fachkraft einsetzen. Da bekommen wir dann ein wirkliches Qualitätsproblem.

Also, die Frage ist: Was darf die Helferin, was die nicht qualifizierte Kraft nicht darf? Was darf die Helferin aber nicht, was die Fachkraft alles können muss? – Auch da braucht man die deutliche Abgrenzung, damit es gerade nicht zu der Situation kommt, die eben schon angesprochen wurde: Fangen wir dann irgendwann damit an, die Helferinnen mit so und so viel Prozent auf die Fachkraftquote anzurechnen? Denn schließlich gibt es auch Tätigkeiten, die die Helferin machen kann.