schrieben hat, braucht man nicht zu begründen, warum sich etwas ändern muss. Es geht vielmehr darum, dass sich sehr schnell etwas ändern muss, weil jeder Tag, an dem sich nichts ändert, schlecht für die Kinder in unserem Land ist.
Ich will heute nicht darüber räsonieren, dass es vielleicht auch etwas damit zu tun hat, dass man selber noch auf der Suche nach einer neuen, einer besseren Antwort ist. Ich habe zur Kenntnis genommen, dass der neu gewählte Vorsitzende der SPD in Nordrhein-Westfalen angekündigt hat, dass man bis zu den kommenden Wahlen zu allen politischen Fragen alternative Konzepte vorlegen will.
Ich wünsche viel Glück und freue mich auf die Diskussionen. Ich finde es ehrlich, wenn Herr Dieckmann zugibt, mit ihm werde es keine Schnellschüsse geben, Vorrang habe die Sorgfalt. Aber das heißt, auch in dieser Schulfrage hat die SPD zurzeit kein Konzept.
Es gibt aber einen zweiten Denkansatz in der SPD und, wie wir heute von Frau Löhrmann gehört haben, auch bei den Grünen. Die Abgeordnete Kraft hat ihn in einem Interview folgendermaßen formuliert: Bei den Schulen stellen wir die Systemfrage.
Frau Löhrmann, vielleicht lohnt es sich, ein klein wenig darüber nachzudenken, warum Sie so gesprochen haben, wie es hier der Fall war. Ich vermute, es hat etwas damit zu tun, dass es in Wahrheit, auch schon in den letzten Jahren, um etwas ganz anderes ging. Mich hat es eben erstaunt, dass Sie immer dazwischengerufen haben: „Wir wollen die Hauptschule doch gar nicht abschaffen!“ Dann haben Sie hier eine Rede gehalten, in der Sie deutlich gemacht haben, dass Sie zwar vielleicht nicht eine einzelne Hauptschule auflösen wollen – das mag so sein –, aber in Wahrheit die Hauptschule, die Realschule und das Gymnasium auflösen möchten. Das ist doch die Systemfrage.
Das ist doch der alte Streit, der uns seit 30 Jahren beschäftigt: Was ist besser, das gegliederte oder das integrierte Schulwesen? Wir wissen seit 30 Jahren, dass wir da keinen Konsens haben. Ich fände es ehrlich, wenn Sie das wenigstens sagen würden, statt hier zu rufen: „Ich will die Hauptschule nicht auflösen!“, während Sie in Wirklichkeit alle Schulformen auflösen wollen. Frau Löhrmann, das ist nicht ehrlich. Das ist nichts an
Der Punkt ist deshalb von Bedeutung, weil er etwas mit dem neuen Schulgesetz zu tun hat. Das neue Schulgesetz enthält viele Elemente dahin gehend – das sage ich frank und frei, und Frau Kollegin Sommer hat das in vielen Reden, auch heute Morgen, deutlich gemacht –, dass wir nicht, wie Sie zu insinuieren versuchen, sagen: Wir machen jetzt eine Politik, durch die wir die Schulformen voneinander abschotten und dafür sorgen...
Das suggerieren Sie übrigens mit der Verwendung eines Wortes, über das Sie noch einmal nachdenken sollten. Vielleicht denken Sie noch einmal darüber nach, ob der Begriff „Selektion“ nicht aus dem Wörterbuch des Unmenschen stammt und ob er in diesem Zusammenhang wirklich angemessen ist.
Frau Beer, das gilt auch für Sie. Wir haben in den letzten Monaten versucht, Lösungen zu finden, die die verschiedenen Schulformen so durchlässig machen, dass niemand schon ganz am Anfang auf eine bestimmte Schulkarriere festgelegt wird.
Hätten Sie doch wenigstens den Mut, mit uns über die Frage zu diskutieren, wie man das vorhandene Schulsystem durchlässig machen kann. Aber Sie verweigern sich dieser Diskussion, weil Sie in Wirklichkeit nicht wollen, dass das Schulsystem durchlässiger wird, damit Sie Ihre ideologischen Vorstellungen von den Schulformen durchsetzen können.
Frau Schäfer, insofern haben Sie natürlich Recht, wenn Sie sagen, dass dieses Gesetz ein politisches Programm ist. Es ist ein politisches Programm, das von mehr Selbstbestimmung geprägt ist, von mehr Leistung und mehr sozialer Gerechtigkeit. Das ist genau das, was wir durchzusetzen versuchen.
Dieses neue Schulgesetz stärkt die Selbstbestimmung, weil es den Schulen die Chance gibt, ein eigenes pädagogisches Profil zu entwickeln. Es stärkt die Selbstbestimmung und Selbstverantwortung, weil es den Schulleitungen mehr Gestaltungsfreiheit und Verantwortung gibt. Es stärkt die Lehrerinnen und Lehrer, weil es ihnen erzieherische und pädagogische Kompetenz zurückgibt. Schließlich stärkt es die Selbstbestimmung der Eltern, weil es ihnen die freie Wahl der Grundschule ermöglicht und ihnen mehr Mitgestaltungsmöglichkeiten in den Schulen einräumt.
Das neue Schulgesetz ermöglicht mehr Leistung und mehr Qualität an den Schulen, und es macht die individuelle Förderung der Schülerinnen und Schüler zur zentralen Leitidee dieser neuen Schule in Nordrhein-Westfalen.
Nachdem Sie uns viele Jahre lang von den Schulmodellen in Finnland und anderswo vorgeschwärmt haben, möchte ich Sie fragen, was eigentlich dagegen zu sagen ist – wir haben immer gesagt, dass wir Elemente dieser Form von Schule, nämlich die individuelle Förderung, in unseren Schulen verwirklichen wollen –, wenn in der 5. Klasse nach einem halben Jahr geschaut wird, ob eine andere Schulform für ein Kind nicht angemessener ist?
Was ist dagegen zu sagen, wenn man die Schule nicht nur nach der 4. und der 10. Klasse, wie es heute trotz Ihrer Rederei in den letzten Jahren de facto der Fall ist, wechseln kann, sondern, wenn man bestimmte Leistungen erbracht hat, nach jedem Jahr? Was ist dagegen zu sagen?
Was ist dagegen zu sagen, wenn in allen Schulen und in allen Klassen Fördersysteme existieren, durch die die Kinder, die neu hinzukommen, oder diejenigen, die als Spätstarter irgendwelche Schulprobleme haben, oder diejenigen, die, weil es zu Hause irgendwelche Probleme gab, in der Schule durchhängen, aufgefangen werden? Sie bekommen Hilfe, statt dass man sie von oben nach unten durchrasseln lässt, wie Sie es in dem von Ihnen verantworteten Schulsystem bisher zugelassen haben.
ernst genommen wird. Das ist übrigens ein Satz, der für alle Schulen eine ungeheuere Herausforderung beinhaltet, gerade auch für die Gymnasien. Es geht dann eben nicht mehr, dass man sagt: Wir sind die Schule, wir haben hier einen Stoff, den ihr fressen müsst, und wenn es nicht klappt, habt ihr Pech gehabt und geht eben wieder auf die Realschule. – Dann muss der Schülerin und dem Schüler geholfen werden, und zwar in der konkreten Phase, in der er oder sie sich gerade befindet.
Dass wir damit noch nicht alle Probleme gelöst haben, wissen wir auch. Deshalb diskutieren wir über viele, viele Einzelmaßnahmen. Frau Schäfer, eigentlich diskutiere ich schon gar nicht mehr mit Ihnen, wenn Sie, nachdem Sie es in Ihrer Zeit nicht geschafft haben, dafür zu sorgen, dass unsere Schulen ordentlich mit Lehrern versorgt werden, sich hierhin stellen und versuchen, das herunterzureden.
Wir haben noch nicht alles geschafft, was wir wollen. Das ist die Wahrheit. An unseren Schulen bleibt noch viel zu tun. Aber wir wollen einen Weg beschreiten, der am Schluss dazu führt, dass die Kinder, die an unseren Schulen lernen, aus ihren Fähigkeiten und Fertigkeiten etwas machen können, und zwar so, dass sie alle Chancen haben, das zu machen, was sie wirklich wollen. Dass das natürlich in sozial schwierigen Gebieten eine besondere Herausforderung ist, wissen wir auch. Deshalb wollen wir ja gerade im Bereich der Hauptschulen 50.000 zusätzliche Ganztagsplätze anbieten und versuchen, sehr schnell einen Schritt weiter zu kommen, meine Damen und Herren.
Mehr Förderung, mehr Gestaltungsfreiheit für die Schule, mehr pädagogische Möglichkeiten für die Lehrerinnen und Lehrer, mehr Leistung, mehr Elternwille und mehr Durchlässigkeit – das ist das, was wir mit diesem Schulgesetz umsetzen wollen.
Ich möchte jetzt nicht darauf eingehen, Frau Beer, und Sie fragen, ob Sie uns wirklich empfehlen wollten, ein Schulsystem wie in der ehemaligen DDR einzuführen.
Sie hat gesagt, dort kämen besonders gute Leute her. Das ist zumindest, was Angela Merkel angeht, unzweifelhaft richtig.
Ich glaube, wenn man die Debatte richtig auf sich wirken lässt, gibt es einen fundamentalen Unterschied zwischen Ihnen und uns.
Dass Sie schon „Gott sei Dank“ rufen, bevor Sie gehört haben, welchen Unterschied ich meine, finde ich eine beachtliche intellektuelle Leistung.
Jeder von uns weiß, dass Lehrerin oder Lehrer zu sein heute angesichts der Situation in unseren Schulen und der vielen gesellschaftlichen Probleme, die wir unzweifelhaft haben, nicht nur ein Beruf oder – wie man früher gesagt hat – eine Berufung, sondern eine ungeheuere persönliche Herausforderung ist. Ich finde es wichtig, zu sagen, dass die Arbeit der Lehrerinnen und Lehrer in dieser Gesellschaft unsere aller Hochachtung verdient.
Ich finde und weiß, dass von den Lehrerinnen und Lehrern viel verlangt wird. Ich weiß auch, dass wir dieses Gesetz, wenn der Landtag es beschlossen hat, nur umsetzen können, wenn die Lehrerinnen und Lehrer es mittragen.