Protokoll der Sitzung vom 03.05.2006

(Beifall von FDP und CDU – Rüdiger Sagel [GRÜNE]: Verlogen sind Sie doch! Sie ha- ben sich doch kaufen lassen mit den Partei- spenden!)

Herr Sagel, dazu habe ich Ihnen schon einmal etwas gesagt. Mich oder die FDP kaufen zu können, Herr Sagel, das ist völlig ausgeschlossen.

(Lachen von SPD und GRÜNEN)

Diesen Vorwurf, den Sie hier schon zweimal erhoben haben, wo Sie wirklich nur noch die Immunität schützt, dass Sie …

(Rüdiger Sagel [GRÜNE]: Zahlen Sie das Geld zurück!)

Herr Sagel, wenn Sie Belege für Ihren Vorwurf haben, legen Sie sie vor.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Er hat doch ge- sagt, es soll zurückgezahlt werden!)

Wir haben im Koalitionsvertrag verabredet, dass wir aus dem subventionierten Steinkohlebergbau aussteigen. Eine solche Verabredung – an dieser Stelle erlaube ich mir den freundlichen Hinweis – haben Sie nie zustande gebracht. Ganz im Gegenteil:

(Widerspruch von SPD und GRÜNEN)

Mit Ihrer Unterschrift sind die Verträge zur Subventionierung verlängert worden.

(Beifall von FDP und CDU)

Meine Damen und Herren, nun will auch die CDU-Fraktion nicht abseits stehen. Herr Klein hat sich auch noch einmal zu Wort gemeldet. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich weiß gar nicht, Frau Löhrmann, warum Sie so allergisch reagieren.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Ich reagiere nicht allergisch!)

Ich habe Sie doch im Prinzip gelobt. Ich habe mich erfreut gezeigt, dass auch vernünftige Erkenntnisse in Ihrem Papier stehen.

(Beifall von Rüdiger Sagel [GRÜNE])

Ich habe Sie vor allen Dingen gelobt, weil Sie endlich – endlich! – zu der Erkenntnis gekommen sind, dass die Finanzen dieses Landes konsolidiert werden müssen. Nicht mehr und nicht weniger! Das ist aber etwas, finde ich, was durchaus vermerkt werden muss, weil es eben nicht selbstverständlich ist. Wenn man seinen Blick ein bisschen weiter nach links richtet, dann stellt man fest, dass diese Erkenntnis dort leider immer noch nicht da ist.

Wenn es aber so ist, dass wir konsolidieren müssen – ich denke, das ist bei der Diskussion jetzt deutlich geworden –, dann ist damit leider unvermeidlicherweise verbunden, dass wir den Men

schen in diesem Land einiges abverlangen müssen. Das ist ganz klar. Die Verantwortung, die wir für das Größere haben, für die größere Gemeinschaft, nämlich unter Hinzunahme künftiger Generationen, macht es unumgänglich, genau so zu entscheiden. Das wissen Sie.

Wir sollten konstruktiv darüber diskutieren, wie wir dieser Verantwortung gerecht werden. Wir werden ihr nicht gerecht, wenn wir einfach so weitermachen wie in der Vergangenheit: mit Luftbuchungen über Verkäufe beim BLB, völlig unrealistischen Einnahmen, zu hohen Steuerschätzungen. Das ist nicht der richtige Weg. Das muss hier abschließend noch einmal deutlich gesagt werden.

(Beifall von CDU und FDP)

Meine Damen und Herren, wir sind damit am Ende der Beratung des Einzelplans 12 in Verbindung mit dem Einzelplan 20. Wir haben vereinbart, dass in der Mittagspause keine Abstimmungen stattfinden. Die Abstimmungen finden erst nach 14 Uhr statt, so dass ich jetzt überleiten kann auf den nächsten Einzelplan.

Ich rufe den Einzelplan 11 auf:

Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales

Wir beginnen mit dem Teilbereich „Arbeit und berufliche Weiterbildung, Soziales“.

Als erster Redner hat für die SPD-Fraktion der Abgeordnete Schmeltzer das Wort.

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! „Sozial ist, was Arbeit schafft!“ – Mit diesem Slogan ist die Union in die Landtagswahl des vergangenen Jahres gezogen. Herr Minister Laumann hat es in seiner Erklärung vor dem Ausschuss zur zukünftigen Regierungsarbeit noch einmal unterstrichen. Jetzt, ca. ein Jahr danach, stellen wir fest: Sie haben keine Arbeit geschaffen, demnach – nach Ihren eigenen Formulierungen – unsozial regiert, was sich nicht nur an den Kindern und Jugendlichen in diesem Land festmacht.

(Vorsitz: Vizepräsidentin Angela Freimuth)

Vor zwei Tagen hatten wir den Tag der Arbeit. Was sagt der Ministerpräsident? – Er steht zur Tarifautonomie, er steht für Flächentarifverträge, er setzt auf die Sozialpartnerschaft mit den Gewerkschaften – das typische Bild dieser Landesregierung: draußen das Wunschbild der Zuhörer

zeichnen und in der tatsächlichen Politik anders handeln als versprochen.

(Beifall von der SPD)

Was ist denn mit der Tarifautonomie? – Zwölf Wochen nunmehr untersagt der Finanzminister den Unikliniken, zu verhandeln. Der Einsatz des Ministerpräsidenten für die Tarifautonomie ist gleich null.

Und der Arbeitsminister? – Auf dem CDALandeskongress einstimmig eine Resolution für Tarifverhandlungen verabschieden, um wenige Tage später den Medien mitzuteilen, es stehe ihm nicht zu, seinem Kabinettskollegen Ratschläge zu erteilen, und bei einem Arbeitnehmerempfang in Dülmen wiederum mitzuteilen, dass man die Gewerkschaften an dieser Stelle nicht demütigen dürfe. Ja, was denn nun, Herr Laumann? – Geben Sie endlich Ihrem Finanzminister den notwendigen Ratschlag, Tarifverhandlungen zuzulassen; denn dieser Finanzminister hat diese Ratschläge nötig.

(Beifall von der SPD – Gisela Walsken [SPD]: Das traut er sich nicht!)

Wir befinden uns in einer wirtschaftlichen Phase, die ausgesprochen hoffnungsfroh stimmt. Der Export und zunehmend auch die Nachfrage im Inland stützen die Konjunktur stärker als noch vor wenigen Monaten erwartet.

Wir befinden uns zugleich auf dem Arbeitsmarkt in einer weiterhin äußerst angespannten Lage. Der konjunkturelle Aufschwung erreicht den Arbeitsmarkt nur am konjunktursensitiven Ende. Die strukturellen Probleme bleiben bestehen, und zwar bei den ganz Jungen und bei den Älteren. Die Zahl der Langzeitarbeitslosen nimmt weiterhin zu, das zeigen uns die Zahlen des vergangenen Donnerstags, die die Regionalstelle der Bundesagentur nur zufällig am Tag der Verkündung der erhöhten Wachstumsprognose veröffentlicht hat.

Die Zahl der Arbeitslosengeld-II-Empfängerinnen und -Empfänger stieg im April langsam, aber offensichtlich abgekoppelt von der wirtschaftlichen Belegung abermals auf nunmehr 705.280 Bezieher an.

Am Donnerstag gab es auch eine andere bedenkliche Übersicht: Landesweit waren Ende April 74.020 und damit 4,9 % weniger Ausbildungsplätze gemeldet als vor Jahresfrist. Zugleich stieg die Zahl der Bewerberinnen und Bewerber innerhalb eines Jahres um 9.750 junge Menschen oder 8,7 %. Das ist nicht alles: Wir beklagen zugleich 38.000 unversorgte Jugendliche, eine Zahl, die noch aus den letzten Jahren rührt. Das ist eine

Entwicklung, die uns alle nicht glücklich schätzen darf. Das heißt: Die Probleme verschärfen sich und verschärfen sich von Jahr zu Jahr.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist eine Kluft, die uns in höchstem Maße Sorge bereiten muss. Ich fordere: Das Land darf sich nicht verstecken. Die Landespolitik hat eine große Verantwortung sowohl für die Langzeitarbeitslosen als auch für die Jugendlichen.

Doch was passiert in Nordrhein-Westfalen? – Hinter der eindrucksvollen Fassade des Arbeitsministers: viel zu wenig. Viele Ankündigungen, teilweise oder besser gesagt meistens in den Medien, manchmal auch im Plenum oder im Ausschuss. Viele Schnellschüsse mit vermeintlich enormen Erfolgszahlen – medienpolitisch genial. Aber die tatsächliche Umsetzung – wie von uns moniert –: erschreckend wenig.

Als Beispiel nenne ich das Werkstattjahr, das – wie wir Ihnen damals in der Debatte attestiert haben – vom Ansatz her gut ist, sich im Detail aber zu dem entwickelt hat, was wir befürchteten: zu einem Rohrkrepierer, der sehr weit hinter den von Ihnen vollmundig angekündigten Ergebnissen zurückbleibt. Die Expertenanhörung hat zusätzlich die handwerklichen Fehler eindrucksvoll aufgezeigt.

Dieser Arbeitsminister hat außerdem bereits kurz nach seinem Amtsantritt angekündigt, dass die Landesmittel für Arbeitsmarktpolitik massiv heruntergefahren werden. Das hat sich in dem Haushaltsentwurf leider bewahrheitet. Die Landesregierung hat die Mittel dort um mehr als 22 % gekürzt.

Ebenfalls seit letzter Woche wissen wir: Das war nicht alles. Finanzminister Linssen griff nochmals in Laumanns Kasse. Zusätzlich werden weitere 2 Millionen € aus der Arbeitsmarktpolitik abgesaugt. Die lapidare Begründung im Antrag: kann auch von Dritten erbracht werden.

Das sind Mittelkürzungen, die genau zwei Gruppen treffen: die Langzeitarbeitslosen und die Jugendlichen. Das ist das, was sich hinter der freundlichen, medienwirksamen CDA-Fassade abspielt: der Abschied des Landes aus dem Arbeitsmarkt, durchgeführt durch den Arbeitsminister – prost Mahlzeit kann ich an dieser Stelle nur sagen.

Der Raubbau an den Perspektiven der Arbeitsuchenden in Nordrhein-Westfalen wird weder durch die Anstrengungen des Bundes und der Bundesagentur für Arbeit noch durch zusätzliche Mittel der freien und kommunalen Träger auszugleichen

sein. Das Land entzieht der nachhaltigen Beschäftigungspolitik den finanziellen Boden.

Ihr Zaubermittel, Herr Laumann, heißt Europa. Ja, da, wo wir europäische Mittel einsetzen können, müssen wir dies auch tun. Aber, Herr Minister, mit dem Tenor, dass wir als Land auch in der Verantwortung bleiben. Die Kofinanzierung zukünftig ausschließlich auf Dritte abzuwälzen ist landespolitisch unverantwortlich. Sie müssen zur Kofinanzierung des Landes stehen und auch sachlich und fachlich Verantwortung übernehmen.

Die Kommunen in unserem Land werden die notwendige Kofinanzierung nicht schultern können. Somit werden Mittel nicht in vollem Umfang abgerufen, und Sie, Herr Laumann, stehen gut da, weil Sie eine gute Idee hatten, die Dritte nicht in der Lage waren umzusetzen. Das ist ein populistischer, aber billiger Taschenfummlertrick, den wir Ihnen an dieser Stelle arbeitsmarktpolitisch nicht durchgehen lassen werden und auch nicht durchgehen lassen dürfen – wir nicht, die Betroffenen und die Arbeitslosen in diesem Land. Herr Minister, das sind Ihre Arbeitsuchenden. Sie wissen wie ich: Die Zahlen haben sich trotz Ihrer vollmundigen Ankündigungen im Herbst letzten Jahres zum Vorjahr in keinster Weise verbessert.

Zu dem Sozialen, was Ihres Erachtens Arbeit schafft, habe ich jetzt einiges gesagt. Aber wie sieht es mit Ihrem Sozialen in Ihrem Haus aus? – Sie haben den Ansatz der Stiftung Wohlfahrtspflege um 11 Millionen € auf 14 Millionen € in 2006 gekürzt. Dies wird nach Ihren Aussagen dadurch kompensiert, dass es Haushaltsreste in entsprechender Höhe gibt, sodass auch in diesem Jahr unverändert 25 Millionen € zur Verfügung stehen.

(Minister Karl-Josef Laumann: Ja!)