Protokoll der Sitzung vom 17.05.2006

Aber wir brauchen im Ruhrgebiet den Durchbruch. Wir brauchen den Durchbruch in dieser Metropolregion. Wir wollen versuchen, ihn durch die Initiative „Zukunft Ruhr“ zu schaffen. Dazu gehört dann – Sie wollten immer wissen, was in diesem Haushalt konkret zum Beispiel gegen Arbeitslosigkeit getan wird –, dass das Land mehr als 30 Millionen € pro Jahr aus EU-Mitteln für Langzeitarbeitslose im Ruhrgebiet zur Verfügung stellt und sich zusätzlich im Bereich der wirtschaftspolitischen Hilfen auf Cluster und auf Dinge konzentriert, durch die wirklich Wachstum entstehen kann, etwa auf Biotechnologie und Werkstoffforschung, die eine Zukunft im Revier haben werden.

(Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Das alles ist schon eingeleitet! Das ist nicht neu! – Dr. Axel Horstmann [SPD]: Das kennen wir alles!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch das – das ist die letzte Seite dieser Politik – verbinden wir mit einer Innovationspolitik.

(Zurufe von der SPD: Ui!)

Diese Innovationspolitik hat nicht nur einen revolutionären Umbau unseres Hochschulsystems zur Folge. Ich kenne kein Land – kein Bundesland und auch kein Land darüber hinaus –, das sich bisher entschieden hat, sich aus der Fachaufsicht über die Universitäten zurückzuziehen und den Menschen an den Hochschulen die Freiheit zu geben, das zu tun, was sie wollen. Das ist das eigentlich Revolutionäre: Freiheit zuzulassen und damit Weiterentwicklung zuzulassen statt irgendwelche Genehmigungen zu geben!

(Beifall von CDU und FDP – Zuruf von Ute Schäfer [SPD])

Dazu gehört das Studienbeitragsmodell, das das sozialste Modell ist, was es bisher in den Bundesländern gibt.

(Lautes Lachen von SPD und GRÜNEN – Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Das ist un- glaublich! – Gisela Walsken [SPD]: Erzählen Sie das einmal den Studierenden!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, jetzt möchte ich einen kleinen Ausflug machen. Frau Kollegin Kraft hat eben in ihrer Rede die Proteste der jungen Menschen in diesem Land angesprochen. Ich lasse weg, dass sie versucht hat, den Eindruck zu erwecken, als würden sich überall die Tausende von Studierenden bei unzähligen Demonstrationen die Klinke in die Hand geben.

(Dr. Axel Horstmann [SPD]: Es werden mehr!)

Noch einmal: Ich bleibe dabei. Ich nehme das ernst.

(Dr. Axel Horstmann [SPD]: Sie haben geju- belt, dass es so wenige seien!)

Frau Kollegin Kraft, in dem Text, der nach Ihrer gestrigen Pressekonferenz verteilt wurde, formulieren Sie:

„Auch hier sprechen die Proteste der jungen Menschen in diesem Land und auch heute vor dem Landtag eine klare Sprache des Widerstandes gegen diese Politik ohne Sinn und Verstand“.

(Demonstrativer Beifall von der SPD – Zuruf von Dr. Axel Horstmann [SPD])

Seien Sie vorsichtig!

Ich hätte schon erwartet, dass Sie heute in Ihrer Rede etwas dazu gesagt hätten, dass es im Anschluss an diese Veranstaltung im Stadtgebiet zu Kreuzungsbesetzungen und Widerstandshandlungen gekommen ist,

(Gisela Walsken [SPD]: Was hat das mit dem Text zu tun? – Dr. Axel Horstmann [SPD]: Wen machen Sie dafür verantwort- lich?)

in deren Verlauf vier Polizeibeamte leicht verletzt worden sind und ein Einsatzkrad beschädigt worden ist. Insgesamt wurden zehn Personen der Gefangenensammelstelle zugeführt, davon neun zur Strafverfolgung.

(Zurufe von der SPD: Unverschämt! Das ist billigste Methode!)

Zwei festgenommene Personen wurden vorsorglich zur Untersuchung in ein Krankenhaus gebracht. Ermittlungsverfahren wurden eingeleitet.

Das sind nicht diejenigen, von denen wir uns beeindrucken lassen. Es hätte Ihnen gut angestanden, wenn Sie auch ein Wort des Bedauerns gegenüber den Polizisten zum Ausdruck gebracht hätten.

(Beifall von CDU und FDP – Rainer Schmelt- zer [SPD]: Das war ganz billig! – Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Wer ist dafür ver- antwortlich? – Edgar Moron [SPD]: Das ist vordemokratisch! Das war vor 1848! – Weite- re lebhafte Zurufe von SPD und GRÜNEN)

Nein, das ist nicht vordemokratisch. Wir haben keine Angst vor Demonstranten. Nein, Herr Vizepräsident, in diesem Land kann jeder demonstrieren, aber mit friedlichen Mitteln.

(Edgar Moron [SPD]: Sie haben Angst, wenn sie auf die Straßen gehen! – Lebhafte Zurufe von SPD und GRÜNEN – Unruhe – Glocke)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte ein Wort sagen …

(Fortgesetzt Zurufe)

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, das Wort hat überwiegend Ministerpräsident Dr. Rüttgers.

Ich möchte ein Wort zu einem letzten Punkt sagen, der in die Strategie der Erneuerung gehört und der auch etwas mit neuen Arbeitsplätzen zu tun hat. Das ist die Frage des Bürokratieabbaus.

Unser Leitbild heißt: zusammenlegen, kommunalisieren und privatisieren. Wir gliedern 35 Sonderbehörden in die Bezirksregierungen ein, wir kommunalisieren die Aufgaben von elf Versorgungsämtern, und wir werden viele Aufgaben privatisieren und zahlreiche Stellen einsparen.

(Dr. Axel Horstmann [SPD]: Eine wesentliche Frage ist nicht beantwortet!)

Wir haben in diesem Jahr die Oberfinanzdirektionen in Köln und Düsseldorf zu einer Oberfinanzdirektion Rheinland zusammengelegt, was übrigens zur Folge hat, dass sich jetzt, wenn ich die Zahl richtig im Kopf habe, Herr Finanzminister, 120 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bekämpfung des Umsatzsteuerbetruges widmen können.

Wir haben das Landeszentrum für Zuwanderung in das Ministerium eingegliedert. Wir haben das Landesjustizvollzugsamt in Wuppertal geschlossen. Wir werden das Landesinstitut zur Qualifizierung schließen. Und wir bereiten die Privatisierung des Materialprüfungsamtes und des Amtes für Mess- und Eichwesen vor.

(Dr. Axel Horstmann [SPD]: Wann trifft es die Staatskanzlei?)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das sind für die Betroffenen – und davon sind insgesamt 7.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betroffen – keine einfachen Entscheidungen. Ich weiß das. Aber es ist wichtig, dass wir nicht nur abstrakt über kw-Stellen und Ähnliches reden, sondern dass auch einmal konkret gesagt wird, was das im Aufbau bedeutet.

Das ist eine sehr schwierige Aufgabe. Jeden Einzelfall – davon sind über 1.000 konkrete Aufgaben, die bisher der Staat macht, betroffen – muss man sich ansehen und Schritt für Schritt überlegen, ob es kommunalisiert, neu geordnet, privatisiert werden kann. Ich habe mit Interesse verfolgt, dass, nachdem die Landesregierung die politischen Beschlüsse gefasst hat, eine Debatte auch in den Reihen der Opposition geführt worden ist nach dem Motto: Da passiert ja gar nichts. Das hängt jetzt bei den Regierungspräsidenten.

Wie stellen Sie sich das eigentlich vor? Wer das sagt, muss mir erklären, warum während Ihrer Regierungszeit in Sachen Bürokratieabbau nicht viel passiert ist.

(Gisela Walsken [SPD]: Etwas lauter!)

Entschuldigung, dann muss jemand

(Dr. Axel Horstmann [SPD]: Ein bisschen präziser!)

das ist präzise – etwas am Mikrofon machen.

Es ist wichtig, nicht nur konkret den Menschen und den Betroffenen zu sagen, dass sich bei ihnen etwas ändert; sondern wir machen dieses auch so, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an diesem Prozess beteiligt sind.

(Zurufe von der SPD)

Das heißt, dass wir über die Regierungspräsidien den Versuch machen, Schritt für Schritt, Aufgabe für Aufgabe mit den Mitarbeitern zu definieren und dann zu sagen, was damit passiert. Wer kritisiert, dass das keine Auflösung sei – nein, es ist ein Prozess, der hinter dem juristischen Begriff steckt, der da eingeleitet wird –, den frage ich: Was haben Sie für ein Verständnis vom Umgang mit Mit

arbeiterinnen und Mitarbeitern? Hier passiert genau das, was man machen muss:

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Nein, nein!)

Klar sagen, was die Politik will und dann mit den Leuten über die besten Lösungen reden. Die Alternative wäre übrigens gewesen: Landesämter für Landesämter einzurichten, die dann die Aufgabe wahrnehmen, die jetzt von den Regierungspräsidenten wahrgenommen wird. Natürlich haben wir Pläne aus Ihrer Zeit vorgefunden, so etwas zu tun. Nur: Wir haben uns für eine andere Lösung entschieden. Ich bin mir sicher, dass wir Lösungen finden werden, die nicht nur zu weniger Bürokratie führen, sondern auch gleichzeitig im Interesse der zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter liegen.

(Beifall von CDU und FDP – Rainer Schmelt- zer [SPD]: Vorher reden, nicht nachher re- den!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte noch etwas zum Thema „Kinder und junge Leute“ sagen. Ich habe eben schon darauf hingewiesen, dass wir mit diesem Haushalt mehr als 250 Millionen € mehr für Kinder und junge Leute zur Verfügung stellen. Man mag – ich bin bereit, diese Debatte zu führen – darüber diskutieren, ob man die eine oder andere Einzelmaßnahme für richtig hält. Ich bin aber nicht bereit zu akzeptieren, dass mit falschen Zahlen – so, wie das von Frau Walsken in der letzten Woche gemacht wurde – der Eindruck erweckt wird, als ob weniger für Kinder und junge Leute getan würde.

(Beifall von CDU und FDP)

Um es einmal ganz konkret zu sagen: Im Haushalt 2006 werden 158 € pro Kind mehr ausgegeben als noch im Haushalt 2001 und in all den weiteren Haushaltsjahren. Als Sie an der Regierung waren, wurde in diesem Land weniger für Kinder getan. Jetzt wird mehr getan. Deshalb ist dieses Jahr auch ein Jahr des Kindes, und es bleibt ein Jahr des Kindes.