Protokoll der Sitzung vom 18.05.2006

und dass Arbeit sich lohnen und existenzsichernd sein muss.

(Zustimmung von Rainer Schmeltzer [SPD])

Also: Wer Kombilohn will, muss erst über Mindestlohn reden. Wer Kombilohn will, muss über dauerhafte Lösungen für die Menschen reden. Wer Kombilohn will, muss über etwas Flächendeckendes reden, was für alle Menschen trägt.

Ich halte Kombilohn in den klassischen Formen nach wie vor für den absolut falschen Weg. Wir haben auf Bundesebene ein Progressivmodell als Alternative auf den Tisch gelegt; wir haben in NRW einen umfassenden Antrag auf den Tisch gelegt. Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, lassen Sie uns für die Menschen im Land in eine sachliche, inhaltliche Diskussion darüber einsteigen, was die inhaltlich richtigen Wege sind, statt

Koalitionskonflikte der Bundesebene im Landtag auszutragen!

(Beifall von den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, für die FDP spricht jetzt Herr Dr. Romberg.

Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Liebe Kollegen! Der Streit um das Kombilohnmodell NRW, den Bundesarbeitsminister Müntefering am Wochenende vom Zaun gebrochen hat, zeigt sehr deutlich, unter welchem Erfolgsdruck die große Koalition in Berlin steht. Der Druck ist offenbar so groß, dass Vorstöße aus NRW vor allem unter Konkurrenzaspekten wahrgenommen werden und nicht als konstruktive Anregungen, um die drängenden Probleme auf dem Arbeitsmarkt in den Griff zu bekommen.

(Dr. Axel Horstmann (SPD): Sie sind doch die Wettbewerbspartei oder nicht?)

Herr Schmeltzer, es hat mich gewundert: Ihr Politikverständnis ist sogar noch kleinkarierter, als ich bisher angenommen habe.

(Beifall von FDP und CDU – Lachen von Rai- ner Schmeltzer [SPD])

Sie reden vom Geld des Bundes, vom Geld der Arbeitsagenturen. Wessen Geld ist das eigentlich? Zahlt das nicht der Steuerzahler hier in Nordrhein-Westfalen, dem ziemlich egal ist, ob das nun Landes- oder Bundesgeld ist?

(Beifall von FDP und CDU – Zurufe von der SPD)

Es geht darum, dass den arbeitslosen Menschen in Nordrhein-Westfalen geholfen wird.

(Zuruf von Frank Sichau [SPD] – Weitere Zu- rufe)

Wenn es darum geht, noch zusätzliches Geld einzunehmen: Die SPD in Berlin plant ein Steuererhöhungsprogramm,

(Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Ihr Koali- tionspartner!)

damit noch mehr Geld zusammenkommt, um solche Programme aufzustocken.

(Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Ihr Koali- tionspartner!)

Mit den 3 % Mehrwertsteuererhöhung hat die SPD also gar nichts zu tun? – Der Wahlbetrug ist Ihr Wahlbetrug! Dazu müssen Sie schon stehen!

(Beifall von Dietmar Brockes [FDP])

Das Bild sieht so aus: Die Sozis sitzen im Sandkasten und streiten mit Laumann um Förmchen – und das auf dem Rücken von Arbeitslosen. Das ist wirklich schäbig und schändlich.

(Bodo Wißen [SPD]: Herr Laumann sitzt also im Sandkasten? – Heiterkeit von SPD und GRÜNEN)

Die Sozis sitzen im Sandkasten.

(Beifall von der FDP – Prof. Dr. Gerd Boller- mann [SPD]: Was für eine Vorstellung von einem Sandkasten haben Sie eigentlich? – Zuruf von Dietmar Brockes [FDP] – Weitere Zurufe)

Statt die Hände in den Schoß zu legen und abzuwarten, was den Fachleuten in Berlin dazu einfällt, hat die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen ein eigenes Konzept präsentiert.

(Beifall von FDP und CDU)

Das Ziel besteht darin, etwas für diejenigen zu tun, die auf dem Arbeitsmarkt im Moment kaum Chancen haben. Wir wissen, dass die psychosozialen Folgen von Langzeitarbeitslosigkeit häufig sehr schwer wiegen, dass sie häufig zu familiären und gesundheitlichen Krisen führt. Es fehlen Erfolgserlebnisse und das Gefühl, in der Gesellschaft integriert zu sein, etwas Sinnvolles leisten zu können. Dies hat natürlich gesamtgesellschaftliche Konsequenzen.

Bekanntlich steht die FDP Kombilöhnen kritisch gegenüber. Bisherige Erfahrungen haben gezeigt, dass diese nur selten zu positiven Effekten führen. Außerdem sind Mitnahmeeffekte nicht auszuschließen, weil solche Modelle als Aufforderung verstanden werden können, die Löhne weiter zu senken, da ja der Staat den finanziellen Ausgleich leistet. Nicht zu verachten ist auch das damit verbundene Risiko einer Verdrängung bestehender Arbeitsplätze. Das NRW-Modell wurde so konzipiert, dass derartige Entwicklungen vermeidbar sind.

Dennoch setzt die FDP in erster Linie auf die Bekämpfung der Ursachen von Arbeitslosigkeit, die Belebung des Arbeitsmarktes durch Schaffung neuer Standortbedingungen für Betriebe, die Entwicklung neuer Arbeitsplätze durch die Erschließung neuer Märkte, zum Beispiel der Gesundheitswirtschaft, die im Moment kaputt gedrückt wird von den bürokratischen Regelungen, und eben die Beseitigung der hohen finanziellen Belastungen der Arbeitsplätze.

Zugleich wissen wir natürlich, dass für die Gruppe der langfristig arbeitslosen Menschen der Zugang zum ersten Arbeitsmarkt auch in Zukunft alles andere als leicht sein wird. Der jüngste Anstieg der arbeitslosen Hartz-IV-Empfänger in NordrheinWestfalen auf über 700.000 zeigt deutlich, dass diese Menschen gezielte Angebote brauchen. Von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen sind vor allem Menschen ohne abgeschlossene Berufsausbildung, ältere Menschen, Menschen mit Behinderungen. Hier setzt das NRW-Kombilohnmodell an. Statt einen Lohnzuschuss zu zahlen, finanzieren die Arbeitsgemeinschaften und Optionskommunen den Sozialversicherungsbeitrag und sorgen auf diese Weise für eine höhere Attraktivität von gering bezahlter Tätigkeit.

Für die FDP-Fraktion besteht ein ganz entscheidendes Element darin, dass dieses Instrument nicht auf bereits existierende gering entlohnte Stellen zielt, sondern bei neuen Beschäftigungsfeldern zum Einsatz kommt, wo bisher kein Markt bestanden hat und die eher am Gemeinwohl orientiert sind. Denn auf diese Weise können Mitnahme- und Verdrängungseffekte verhindert werden.

Erwähnenswert bei diesem Kombilohnansatz sind außerdem die zu erwartenden positiven Wirkungen auf der Nachfrageseite. So wird es möglich sein, mit den geplanten Wäschehol- und – bringdiensten in Kooperation mit den ambulanten Diensten oder Integrationsunternehmen zum Erhalt der Selbstständigkeit älterer und pflegebedürftiger Menschen beizutragen. Ein Bedarf für solche Hilfen ist sicher vorhanden, da der Anteil der älter werdenden Menschen in der Gesellschaft zunimmt. Auch die FairKaufhäuser können ein sinnvolles Angebot sein für Haushalte, die eben über wenig Einkommen verfügen.

Angesichts des vielfältigen Spektrums an Aktivitäten, die im Rahmen des Kombilohnmodells möglich sind, können viele von Langzeitarbeitslosigkeit betroffene Menschen ein Angebot finden, das ihren Möglichkeiten und Interessen entspricht. Die überwiegend positiven Reaktionen der Fachwelt auf die Initiative der Landesregierung sprechen eine deutliche Sprache. Natürlich kann man nicht mit Gewissheit voraussagen, welche Effekte im Einzelnen eintreten werden. Nicht alles ist im Vorfeld planbar, aber der Versuch lohnt sich allemal.

Auffallend war ja, dass auch die Opposition vereinzelt dieses Modell vorab ganz positiv aufgenommen hat. Der Wirtschaftsexperte der Bundestagsfraktion der SPD, Rainer Wend, fand diesen Ansatz richtig. Bei der Rede von Frau Steffens war ich auch etwas verwundert, denn ihre Lan

desvorsitzende Frau Schneckenberger hielt dieses Modell auch für eine gute Idee, bestimmte Gruppen von Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt einzubauen.

Modellrechnungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit haben gezeigt, dass Freibetragsregelungen bei den Sozialabgaben eine gute Basis für mehr Beschäftigung bilden können. Städte wie Düsseldorf und Hamm sowie der Kreis Steinfurt haben angekündigt, sie wollen möglichst schnell in dieses Kombilohnmodell einsteigen. Das zeigt, dass der von uns eingeschlagene Weg nicht der schlechteste ist.

Es bleibt zu hoffen, dass wir mit diesen Mitteln Langzeitarbeitslosigkeit wirklich nachhaltig bekämpfen können. Ich meine, dazu haben wir jetzt einen Teil beigetragen. Die Rahmenbedingungen müssen trotzdem geschaffen werden. Die Verantwortung dafür liegt in Berlin. Da bitte ich Sie alle, positiv Einfluss zu nehmen. Wir in NordrheinWestfalen können den Arbeitsmarkt nicht alleine auf die Beine stellen. Das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. – Danke schön.

(Beifall von FDP und CDU)

Danke schön, Herr Dr. Romberg. – Für die Landesregierung spricht Minister Laumann.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde, dass die Rede von Herrn Schmeltzer gar nicht näher kommentiert werden muss.

(Beifall von CDU und FDP)

Ich lese am 10. April: Ein solcher Kombilohn ist grundsätzlich positiv, so der Vizevorsitzende der SPD-Landtagsfraktion Rainer Schmeltzer.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Und weiter?)

Herr Schmeltzer, wenn Sie jetzt von Müntefering in den Stiefel gestellt worden sind – das hat Ihre Rede ja gezeigt –, dann weiß ich, was für ein Rückgrat Sie haben.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Kombilohn ist grundsätzlich positiv, wenn es so durchge- führt wird wie vereinbart!)

Das lässt auf vieles andere schließen.

(Beifall von CDU und FDP)

Völlig richtig ist auch – das sage ich vorweg –, dass jede Arge und jede Optionskommune in

Nordrhein-Westfalen das Kombilohnmodell, das wir entwickelt haben, umsetzen könnte

(Zuruf von der SPD: Könnte!)