„§ 4 Versorgungsgebiete … Regierungsbezirk als Versorgungsgebiet … zu großes Territorium, um Wohnortnähe und Pluralität zu gewährleisten … Tagesreise für Frau in Notlage ist nicht sozial verträglich … Kleinräumigere Berechnungen beibehalten … Konfliktberatung auch in der Fläche gewährleisten.“
Lassen Sie mich zur Unterstreichung dieser Forderung als Beispiel einige Zahlen aufführen. Der Kreis Heinsberg, sehr ländlich strukturiert, liegt zwischen Aachen und Mönchengladbach. Das ist nichts Neues, da lag er schon immer.
Am 30. Juni 2005 hatte der Kreis Heinsberg 257.395 Einwohnerinnen und Einwohner. Die weibliche Bevölkerung war mit 130.656 absolut und prozentual mit 50,8 % unwesentlich höher als die männliche.
In Aachen waren die Zahlen ähnlich bei ca. 257.600 Einwohnerinnen und Einwohnern. Im Jahr 2005 lag der Anteil der weiblichen Mitbürgerinnen auch bei 50,8 %. In Mönchengladbach wohnten ca. 270.000 Menschen. Alle drei sind von der Bevölkerungsgröße her vergleichbar.
Nicht so in der Fläche. Hat der Kreis Heinsberg eine Fläche von 627,7 Quadratkilometern, so hat Aachen 85,7 und Mönchengladbach 86. Der ÖPNV, der öffentliche Personennahverkehr, und der SNV, der schienengebundene Nahverkehr, sind in Aachen und Mönchengladbach gut bis sehr gut ausgebaut. Ich bin schnell von Nord nach Süd, von Ost nach West am Ziel, auch am Ziel einer Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle.
Nicht so im Kreis Heinsberg. Der ÖPNV wird zunehmend schlechter. Einen Schwangerschaftskonflikt sollten sich Frauen ohne eigenen PKW besser nicht in den Schulferien leisten, meine Damen und Herren. Dann fällt nämlich der Schülertransport weg, und die Busse fahren noch seltener.
Die Beratungsstellen, die einen Beratungsschein ausstellen, haben ihren Sitz in Heinsberg und Hückelhoven. „Rat und Hilfe“, die katholische Einrichtung, berät in Geilenkirchen und Erkelenz. Alle liegen also etwa in der geografischen Mitte des Kreises, das heißt, zwischen 20 und 30 Kilometer von den jeweiligen Wohnorten entfernt. Hin und zurück ist das mit Umsteigen und Warten heute schon eine Tagesreise. Auf Nachbarschaftshilfe im Konfliktfall bauen? – Eine hervorragende Möglichkeit zum Dorfgespräch zu werden.
Lassen Sie mich anmerken: Die Städte und Ballungsräume werden mit Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen gut versorgt. Das ist wichtig – auch für den ländlichen Raum –, wenn die Frau, die die Beratung in Anspruch nimmt, mehr Anonymität wünscht. Das darf aber nicht dazu führen, dass das platte Land unterversorgt wird.
Bei meinen Gesprächen mit den drei Beratungsstellen im Kreis Heinsberg wurde deutlich, dass die Arbeit mehr wird, die Beratung häufiger in Anspruch genommen wird, und das auch immer häufiger von Minderjährigen.
Die Beratungsstellen mit Konfliktberatung hatten im vergangenen Jahr mehr als 300 Fälle. Die Jüngste war 13, die Älteste 57 Jahre alt. Also, bessern Sie auch hier noch nach, damit Befürchtungen der Expertinnen und Experten nicht Wirklichkeit werden. Beratungsstellen mit einer halben Fachkraft – in Artikel 1 § 3 Abs. 4 dargestellt – werden von allen Expertinnen und Experten kritisch beleuchtet. Damit fällt Nordrhein-Westfalen
Das einzig Positive – in § 8 – ist die Anhebung des Bestandsschutzes der Beratungsangebote auf fünf Jahre. Das gibt Planungssicherheit. Zusätzlich haben Sie aber laut Ihrem Änderungsantrag in § 8 Abs. 2 festgelegt, dass im Versorgungsgebiet wegfallende Fachkraftstellen innerhalb dieser fünf Jahre für andere unter Umständen weit entfernte Beratungseinrichtungen des Trägers oder der Trägergruppe in die Förderung aufgenommen werden. Wir haben bereits heute bei den 16 Versorgungsgebieten in einzelnen Teilbereichen Über- beziehungsweise Unterversorgungen, die dann insgesamt ausgeglichen werden. Bei nur noch fünf Versorgungsgebieten, die deckungsgleich mit den Regierungsbezirken sind, wird die Mobilität der betroffenen Frauen ausschlaggebend für eine gute Beratung sein.
In § 7 sind Sie der Argumentation der beiden Kirchen gefolgt und haben Abstand genommen von der Förderung von zwei Trägerbereichen: religiöse Ausrichtung beziehungsweise weltanschaulich neutral.
Selbst wenn nur Schwangerschaftsberatung nachgefragt wird, gibt es Grund genug, die plurale Trägerstruktur in den einzelnen Versorgungsgebieten zu erhalten. Das Argument der Kirchen, dass 72 % der Bevölkerung in den beiden Kirchen organisiert seien, darf hier nicht überbewertet werden. Waren Sie am Sonntag oder am Samstag in der Kirche? Wo sind die 72 %?
Ich bin mir sicher, dass sich die wenigsten Betroffenen bei der Auswahl der Beratungseinrichtung von ihrem religiösen Bekenntnis leiten lassen, insbesondere dann, wenn ein Teil der Beratungseinrichtungen keine zum Abbruch berechtigte Bescheinigung ausstellt. Ja, ein Problem, das das Bundesverwaltungsgericht mit seiner Entscheidung auferlegt hat.
Ich will nicht bezweifeln, dass in den katholischen Einrichtungen, die keinen Schein ausstellen, hervorragend auf den Gebieten der allgemeinen Schwangerschaftsberatung, der sexualen Partnerschaftsberatung, der nachgehenden Beratung und Begleitung nach der Geburt, nach Fehlgeburt und Totgeburt, der Beratung zur pränatalen Diagnostik, der Familienplanungsberatung, der Vergabe von Mitteln der Stiftung „Mutter und Kind“ beraten wird. Das tun sie ohne Zweifel, und die Fälle dieser Beratungen nehmen zu.
Häufig, meine Damen und Herren, spielen in der heutigen Zeit finanzielle Gründe eine wichtige Rolle. Deshalb möchte ich an dieser Stelle auch noch
einmal auf die kurze Zeitspanne eingehen, die nicht nur für den Abbruch einer Schwangerschaft gilt. Die Beratungsgespräche sind, wie Sie alle wissen, nicht nur ergebnisoffen. In den Jahresberichten der Beratungsstellen können Sie nachlesen, wie viele Mütter nach der Konfliktberatung zur allgemeinen Schwangerschaftsberatung kommen. Nein, in den Gesprächen werden auch finanzielle Unterstützungen für die werdende Mutter genannt, die sie vorher so nicht kannte. Es wird auf die Stiftung „Mutter und Kind“ hingewiesen. Diese Anträge müssen bis zur 15. Schwangerschaftswoche gestellt sein.
Gerade in Zeiten nach der Zusammenlegung der alten Arbeitslosenhilfe mit der Sozialhilfe und der Unwissenheit, dass es nach wie vor Geldmittel für Empfängerinnen von Leistungen nach dem SGB II gibt: für die Erstausstattung, für Umstandskleidung, für einen Mehraufwand für die Ernährung der werdenden Mütter.
Aber wenn es nicht anders geht und der Entschluss feststeht, dass die Frau vielleicht mit dem vierten oder fünften Kind schwanger ist und nicht mehr die Kraft hat, eine Geburt und auch eine Erziehung durchzustehen, über 40 ist oder in einer Gewaltbeziehung lebt, alkoholabhängig, drogenabhängig oder sogar infiziert ist und einen Abbruch vornehmen lassen will, dann muss sie die Möglichkeit haben, sofort richtig beraten zu werden und diesen Beratungsschein zu bekommen.
Zum Schluss nochmals die dringende Bitte an Sie, meine Damen und Herren von den regierungstragenden Fraktionen: Nehmen Sie das Gesetz zurück! Überarbeiten Sie es noch einmal! Nehmen Sie nicht nur die Anregungen der Kirchen auf, stellen Sie auch eine Landesförderung oberhalb von BAT IVb sicher! Schreiben Sie den Qualifikationsnachweis einer psychosozialen Zusatzausbildung für die Anerkennung von Beratungsstellen als Standard fest! – Danke.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist klar, dass wir im Bereich der Schwangerschaftskonfliktberatung durch das Urteil, das uns aufgezwungen worden ist, etwas ändern müssen. Wir müssen andere Regelungen für Nordrhein-Westfalen als in anderen Bundesländern gelten lassen. In Bayern be
kommen die Beratungsstellen, die keinen Schein ausstellen, heute und auch in Zukunft keine Landesfinanzierung, denn: Wo kein Kläger, auch kein Handlungsbedarf.
Von daher haben wir in Nordrhein-Westfalen aus meiner Sicht ein Stück weit Pech, denn ich glaube, dass der § 218 und die Struktur der Beratung einen anderen Sinn hatte, als Frauen zu beraten und am Ende zu sagen: Wenn du dich für einen Abbruch entscheidest, dann gehe bitte in eine Beratungsstelle, die einen Schein ausstellt.
Aber gut, wir sind dazu gezwungen, und wir müssen eine Änderung in Nordrhein-Westfalen vollziehen, solange es auf Bundesebene keine andere oder klarere Regelung in diesem Paragraphen gibt.
Jetzt gibt es diesen Gesetzentwurf und den Änderungsantrag. Vieles von dem, was ich gerade von der CDU im Zusammenhang mit der Diskussion um den § 218 gehört habe, wird in dem Gesetz nicht nur nicht umgesetzt, sondern aus meiner Sicht gerade mit verschiedenen Punkten, worauf ich gleich im Detail eingehe, sogar konterkariert.
Die CDU stellt immer den Schutz des ungeborenen Lebens in den Mittelpunkt ihrer Politik. Wenn man den Schutz des ungeborenen Lebens in der Beratung in den Mittelpunkt stellt oder, wie wir es sagen, wenn es in erster Linie die Beratung der Frau ist, die für sich und in ihrer Lebenssituation entscheiden muss, dann muss man doch dieser Frau eine bestmögliche Beratung zuteil werden lassen. Eine Beratung ist etwas anderes als die einfache Weitergabe von Informationen.
Sie haben in Ihrem Gesetzesentwurf die Vergütungsordnung so festgelegt, dass BAT IVb, also die Entlohnung für die einfache Weitergabe von Informationen, festgeschrieben ist für diejenigen, die in der Schwangerschaftskonfliktberatung tätig sind. Sie haben darüber hinaus das Okay bei der Leiterfunktion, nach dem, was in der Anhörung zutage gekommen ist, für BAT IVa gegeben. Aber Sie können doch nicht allen ernstes sagen, dass man damit dem Anspruch, den das Gesetz beinhaltet, nämlich Multiprofessionalität, gerecht wird.
Was ist denn mit der jungen Frau, die suizidgefährdet in die Schwangerschaftskonfliktberatung kommt? Sollen wir dann per Honorarvertrag sehen, wie man irgendwoher eine Psychologin bekommt? Dem kann doch eine einfache Beraterin, die nur für die Weitergabe von Informationen bezahlt wird, nicht gerecht werden. Soll die sagen, dass sich die junge Frau einen Termin in der nächsten Praxis ihres ortsansässigen Psychiaters holen soll? Wissen Sie, wie viele Monate sie zu
warten hat? Es war doch gerade die Stärke, dass man multiprofessionelle Teams hatte, die den Bereich der Psychologin und damit der psychischen Betreuung der Frau übernommen haben, dass man Ärztinnen im Team hatte, die medizinisch beraten können, die die Schwangerschaft erst einmal feststellen und prüfen können, ob das alles wirklich so ist oder mehr Angst im Spiel ist als sonst was. Sie können sich ansehen, wie lange Frauen oft auf einen Arzttermin warten. Die Schwangerschaftstests an sich gibt es zwar in jeder Apotheke und in jedem Supermarkt, aber auch da ist die Verlässlichkeit nicht gegeben.
Wir brauchen also auch die Ärztinnen. Gerade wenn eine Fraktion wie die Ihre sagt, man müsse präventiv herangehen, man müsse auch die Schwangerschaft vermeiden können, ist zu fragen: Was ist, wenn die junge Frau kommt und nicht schwanger ist und dann sagt: Beraten Sie mich mal. Wie kann ich denn verhüten? Dabei hatten wir doch in vielen Konfliktberatungsstellen die Ärztinnen, die dafür gesorgt haben, dass direkt eine Untersuchung gemacht wurde und gesagt haben, die Frau solle ihren Partner noch mitbringen. Dann könne man eine Sexual- und Paarberatung und eine Verhütungsplanungsberatung machen.
Damit kann man auch Schwangerschaften, die ungewollt sind, vermeiden. Das bricht mit Ihrem Gesetz weg, weil die Beratungsstellen nicht mehr die Möglichkeit haben, Ärztinnen einzustellen.
Schauen Sie sich an, was Pro Familia, aber auch die AWO und andere Beratungsstellen in dem Bereich geleistet haben. Ich kann Ihnen nicht vorrechnen, wie viele ungewollte Schwangerschaften die verhindert haben, aber ich dachte immer, Sie stünden dafür, dass jede vermiedene ungewollte Schwangerschaft wünschenswert ist und man daran nicht sparen kann.
Die Festlegung der Vergütungsordnung in Ihrem Gesetz konterkariert all das, was auf bundesgesetzlicher Ebene initiiert worden war und was Sie selber immer vertreten haben.
Im Bundesverfassungsgerichtsurteil von 1993 ist klar beschrieben, dass jede Beratung darauf angelegt sein muss, ein Gespräch zu führen, die Methoden der Konfliktberatung anzuwenden, dass dafür die notwendige Qualifizierung Voraussetzung ist. All das stand in dem Urteil und all das negieren Sie jetzt und gehen einfach darüber hinweg.
Es gibt außer der Qualität, die Sie heruntersetzen, noch andere Punkte, die aus meiner Sicht sehr problematisch sind. Frau Monheim, wenn Sie jetzt sagen, mit Ihrer Änderung, dass Sie nicht mehr die Träger unterscheiden, sondern es nach Regionen machen, kämen Sie der Anhörung nach, dann seien Sie bitte so ehrlich und sagen Sie, dass Sie da dem Wunsch der Kirchen in der Anhörung nachkommen; denn das ist nichts anderes als der Wunsch der Kirchen gewesen.
Nach dem ursprünglichen Entwurf wäre es so gewesen, dass die Kirchen einige ihrer Beratungsstellen hätten abbauen müssen. Jetzt sagen Sie: Nur noch die Regionen zählen, und wenn neue Zulassungen möglich sind – alle fünf Jahre –, entscheidet nicht mehr, ob es ein kirchlicher Träger oder ein AWO-Träger ist, ob es also kirchlich oder weltanschaulich neutral ist, sondern es entscheidet nur noch die Größe des Trägers. Da werden natürlich die kirchlichen Beratungsstellen einzeln betrachtet. Das führt dazu, dass viele kleine kirchliche Träger sehr wohl in den Genuss von Beratungsstellen kommen können.
Sie haben hier gesagt, die anderen würden darunter nicht leiden, die Kirchen müssten abbauen. Für Köln runtergerechnet bedeutet das ein Minus von 2,5 Stellen für Pro Familia und ein Plus für die kirchlichen Stellen. Sie müssen sich das einfach einmal im Detail anschauen. So geschickt, wie Sie die Regionen gewählt haben, so geschickt, wie Sie das jetzt gewählt haben, stellen Sie sich hin und sagen: Es ist ein Abbau bei den Kirchen. – Das Gegenteil aber ist der Fall.
Das wird dann noch damit gekoppelt, dass die Träger nicht mehr Mitglied eines Spitzenverbandes sein müssen, sondern sich auch irgendwie als Gruppen zusammenschließen können. Damit haben wir eine Marktöffnung.
Im Ausschuss habe ich zynisch davon gesprochen, dass das Öffnen der Ich-AG für die Schwangerschaftskonfliktberatung bedeutet. Es ist nichts anderes als das. Tür und Tor werden geöffnet. Auch Sie können eine kleine Parlamentariergruppe für Schwangerschaftskonfliktberatung aufmachen, und das Land muss Sie dann fördern.
Was hier passiert, halte ich für unverantwortlich. Ich kann mich nur dem anschließen, was meine Vorrednerin gesagt hat, und ich habe es auch schon im Ausschuss gesagt: Nehmen Sie diesen Antrag zurück, und zwar gerade im Interesse dessen, was auch Sie immer propagiert haben, im Interesse der bestmöglichen Beratung der Frauen,
im Interesse einer Prävention und Verhinderung von Schwangerschaften gerade von jungen Frauen in diesem Land, gerade im Interesse dessen, was an Pluralität notwendig ist, im Interesse des ungeborenen Lebens. Nehmen Sie diesen Entwurf zurück und machen Sie einen richtigen Entwurf, der allem gerecht wird: dem Bundesverfassungsgericht, aber auch der Konfliktberatung in diesem Land.
Frau Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bevor ich zum eigentlichen Thema komme, gestatten Sie mir eine kurze Vorbemerkung.
Dieses Gesetzgebungsverfahren zeigt doch vor allem eins: Die neue Koalition von CDU und FDP nimmt konstruktive Kritik, die Experten in der Anhörung geäußert haben und die sinnvoll erscheint, ernst und setzt Anregungen – soweit es möglich ist – um. Das sollte in solchen Fällen eine Selbstverständlichkeit sein, ist aber Ausdruck eines neuen Politikstils. Das möchte ich ausdrücklich feststellen.