Der neueste Hammer ist: Sie beabsichtigen nunmehr – das haben Sie angekündigt –, die Mittelinstanz der Polizeiverwaltung in NordrheinWestfalen aufzulösen, ohne konkret sagen zu können, wohin sie soll.
Option 1 Ihres Antrags: Sie geben sie ins Ministerium. Das heißt entgegen Ihrer Behauptung handelt es sich hierbei nicht um eine strategische Aufgabe, aber Sie überlegen, ob Sie so etwas ins Ministerium geben. Das Ministerium wird größer. Interessanter Vorschlag zum Bürokratieabbau in nordrhein-westfälischen Landesministerien, aber schwer verständlich. Das müssen Sie zugeben.
Option 2: Sie schaffen ein kleines Landespolizeiamt – das sage ich mal mit meinen Worten – und damit eine neue Sonderbehörde. Das verstehe nun in der Tat, wer will. Einerseits lösen Sie als Innenminister, Herr Wolf, die Sonderbehörden auf und bündeln sie bei den Bezirksregierungen. Aber bei der Polizei gehen Sie genau den umgekehrten Weg: Sie lösen Polizeiaufgaben aus der Mittelinstanz heraus und prüfen offensichtlich die Einrichtung einer weiteren Sonderbehörde.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie können es drehen und wenden wie Sie wollen: Mit Ihrer Politik in der inneren Sicherheit kommen Sie auf keinen grünen Zweig mehr. Die CDU hat Ihren Kredit in der Innenpolitik verspielt, die FDP hat keine Kompetenz gewinnen können. Ein Drei-Säulen-Modell, von dem Sie re
Deswegen bleiben wir dabei: Sie verbessern nicht die Leistungsfähigkeit der Polizei, sie schwächen die Polizei. Sie schaffen nicht mehr Sicherheit, Sie produzieren Unsicherheit. Eins sage ich Ihnen auch noch: Sie erringen mit Ihrer Mehrheit heute in diesem Haus einen Pyrrhussieg. Für Ihre konzeptions- und kopflosen Änderungspläne für den Aufbau der Polizeibehörden besitzen Sie in Wahrheit nirgendwo in Nordrhein-Westfalen eine Mehrheit – weder bei der Polizei, noch bei den Experten, noch bei den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes. – Schönen Dank für die Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Dr. Rudolph. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erteile ich der Abgeordneten Frau Düker das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Warum macht man eine Reform? Ein vernünftiger Mensch macht eine Reform, wenn er erkennt, dass es Defizite und Schwachstellen im System gibt, bei denen man gegensteuern muss. So weit, so gut.
Nun sind sich alle Fachleute einig, wo bei uns die Schwachstellen in der Polizeistruktur liegen. Das will ich bewusst sagen, Herr Kruse, weil im Ausschuss immer wieder kommt: Das ist ja nur Scheu. – Das ist eben nicht nur Scheu, sondern es ist allgemein klar. Wir haben zu viele Behörden – mehr als alle Bundesländer zusammen –, die völlig unterschiedliche Aufgabenzuschnitte und völlig unterschiedliche Größen haben, dadurch sehr viele Schnittstellen produzieren, und sehr viele Synergieeffekte stellen sich nicht ein.
Die Einsatzmittel und das Personal, das wie teuer bezahlen, setzen wir nicht effizient ein. Es geht nicht darum, dass unsere Polizei im Land schlechte Arbeit macht – ganz im Gegenteil. Sie hat Rahmenbedingungen, unter denen sie nicht optimal arbeiten kann. – So viel zur Schwachstellenanalyse und zum Defizit, an das wir heran müssen.
Nun kommt der Innenminister und legt uns das vor, was er Reform nennt. Schauen wir hin: Ist denn irgendetwas von den Schwachstellen und von den Defiziten, die wir im System haben, damit geheilt und beseitigt, oder sind gar Probleme gelöst worden? Nein, Herr Minister, nein, liebe Koalitionsfraktionen, genau an diesen Schwachstellen passiert zum Teil genau das Gegenteil: Sie ver
Wir haben es hier mit einem sogenannten Reformkonzept zu tun, dass diesen Namen nicht verdient, weil es die Probleme, die wir haben, nicht löst.
Wer die größte Behörde im Land, Köln, mit einer mittelgroßen Behörde wie Leverkusen zusammenlegt, daneben die kleinste Polizeibehörde, Olpe, unbehelligt lässt – es gibt noch andere Polizeibehörden in dieser Größenordnung –, also die größte Behörde vergrößert, zu einer Mega-Behörde ausbaut und an den kleinen Behörden, wo die Synergieprobleme festzustellen sind, nichts verändert, dem muss klar sein, dass ein solches Konzept keinesfalls die Schwachstellen im System löst, sondern die Probleme eher vergrößert.
Ich zitiere, stellvertretend für viele, aus der Stellungnahme 14/206 zu der Anhörung von Dieter Glietsch, Polizeipräsident in Berlin, ehemals in Düsseldorf Inspekteur der Polizei, dem Sie, Herr Kruse, nicht unterstellen können – das fand ich schon ziemlich abenteuerlich –, dass in der Anhörung nur Funktionärsreflexe vorhanden waren:
„Die in dem Gesetzentwurf vorgesehenen punktuellen Maßnahmen können für die erforderliche und überfällige grundlegende Neuorganisation der Kreispolizeibehörden in NRW eher hinderlich als förderlich sein. Maßnahmen wie z. B. die Zuordnung des bisherigen Polizeipräsidiums Leverkusen zum Polizeipräsidium Köln verstellen sachgerechtere Lösungsmöglichkeiten, wie sie von der Kommission“
„vorgeschlagen wurden. Mit den punktuellen Maßnahmen können die erforderlichen positiven Effekte einer grundlegenden Neuorganisation nicht erreicht werden. Stückwerk kann vielmehr negative Wirkungen entfalten, die den künftigen Reformprozess beeinträchtigen.“
So weit das Zitat. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, dem ist eigentlich gar nichts hinzuzufügen. Die Frage ist nur: Warum erreicht Sie das nicht? Herr Glietsch ist ja nicht der Einzige, der dies sagt. Alle Sachverständigen – Kollege Rudolph hat darauf hingewiesen – haben in einer nie da gewesenen Art diesen Gesetzentwurf der Regie
rung im wahrsten Sinne des Wortes zerrissen. Heute winken die Koalitionsfraktionen – Herr Kruse, Sie haben nach der Anhörung von einer Katastrophe gesprochen – den Gesetzentwurf heute durch. Das ist nicht nur ein schlechter Tag für die Polizei im Land. Es ist auch ein schlechter Tag für den Parlamentarismus, der mit diesem Verfahren zum Gesetzentwurf richtig unter die Räder gerät, Herr Kruse.
Früher galt einmal das Wort: Ein Gesetzentwurf geht nicht wieder so aus dem Landtag heraus, wie er hineingekommen ist, weil man das parlamentarische Verfahren mit den Anhörungen ernst nahm. Das tun Sie nicht mehr. Es geht hier nur noch um Aktionismus und eine Reform an sich, um die Gesichtswahrung des Innenministers, einen Gesetzentwurf, der den Namen Konzept nicht verdient, weil er keine Logik beinhaltet, keine Zielformulierungen enthält und keine Richtung hat. Bewegung brauchen wir, und Bewegung an sich – das sagen Sie immer wieder – ist kein Selbstzweck. Bewegung braucht auch eine Richtung, eine Zielformulierung. Nichts davon finden wir in diesem Antrag.
Das, was Sie an Behörden zusammenlegen, ist, wie der Vorsitzende der DPolG, Wendt, in der Anhörung sagte: Management by Ruhestand. Das Polizeipräsidium, bei dem der Polizeipräsident als Nächster in den Ruhestand geht, wird mit der nächsten Behörde zusammengelegt. Das kann doch nicht das sein, was Sie unter Konzept verstehen.
Jetzt zu den Befürchtungen vor Ort und dem, was Sie so schön Funktionärsreflexe nennen: Im Ausschuss hat die Landesregierung nicht darstellen können, wo denn jetzt die 145 Stellen eingespart werden. Darauf ist sie eine Antwort schuldig geblieben. Sie ist auch die Antwort auf die Befürchtungen der Leverkusener Bürgerinnen und Bürger schuldig geblieben, die sagen, dass ihre regionale Kriminalitätsbekämpfung nicht mehr erhalten bleibt, 50 Beamte für die Kriminalitätsbekämpfung nach Köln gehen. Auch dazu keine Stellungnahme!
Dann dürfen Sie sich nicht wundern, wenn vor Ort solche Proteste sind, wenn die Menschen um ihre Sicherheit fürchten, wenn die Menschen in Mülheim und in Leverkusen befürchten, dass die Kriminalität vor Ort nicht mehr bekämpft wird und dass alles nach Essen beziehungsweise nach Köln verlagert wird.
Der Gipfel der ganzen Angelegenheit: Sie kündigen im Entschließungsantrag – Flucht nach vorne – ein neues Gesetz im September an. Dann kommt die
ganz große Reform. Dann wollen Sie bei den Bezirksregierungen endgültig mit der Zuständigkeit der Polizei aufräumen, nicht mehr nur bei der Autobahnpolizei, sondern in einem zweiten Schritt – ich frage mich, warum Sie es nicht gleich machen – sollen auch die Dezernate 25 und 26 für die Steuerung und Führung der Polizei abgeschafft werden.
Haben Sie in der Anhörung nicht zugehört? Die Sachverständigen haben klar gesagt: Nach dieser Reform, wenn immer noch 47 Behörden bestehen – vorher hatten wir 50 –, wird das nicht möglich sein, weil die Führungsspanne viel zu groß ist, um diese Kompetenzen ins Innenministerium zu verlagern.
Dann seien Sie auch so ehrlich, Herr Kruse, und sagen, dass Sie, wenn Sie diesen Schritt vollziehen, ein Landespolizeipräsidium und eine neue Behörde schaffen müssen. So viel zum Bürokratieabbau und zum Thema „Jeden Monat sparen wir eine Behörde ein“. Das ist schlicht und einfach nicht umsetzbar. Das ist Aktionismus. Wir wissen nicht, wohin es geht. Ich befürchte: Der Gesetzentwurf, der uns im Herbst erreicht, wird der nächste Schritt ins Chaos, was die Polizeistrukturen angeht.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Düker, Herr Dr. Rudolph, ich kann verstehen, wenn Sie hier so argumentieren. Sie haben viele Fragen aufgeworfen. Man kann sie zusammenfassen: Warum macht ihr das überhaupt? Was soll das bringen? Wo ist da der Reformgewinn? Wo ist der Benefit? Ich formuliere das mal so.
Erstens, Drei-Säulen-Modell: Alleine die Einstellung der produktbezogenen Arbeitszeiterfassung im November 2005 hat uns 490 Stellen gebracht – 490 Stellen! Die Reform, die wir jetzt machen, nämlich das Eingliedern von drei Behörden an dem jeweiligen Standort, bringt uns ungefähr 145 – bei konservativer Berechnung.
Das, was wir im Herbst, nach der Sommerpause machen, nämlich das Herauslösen der fünf mal zwei Polizeidezernate 25 und 26 wird noch einmal
die Abschaffung und Verkleinerung des Beratungsteams „Steuerung und Führung“ 15 Beamte. Allein der Prozess der Reduzierung der Polizeiinspektionen von jetzt 89 – bei Beginn der Legislaturperiode waren es 118 – bringt noch einmal round about 150 Beamte.
Das macht summa summarum 930 Polizeivollzugsbeamte aus, und das hat für den Finanzminister einen Gegenwert von ungefähr 74 Millionen €. Es sind Kosten, die der Steuerzahler schon heute für Personal bezahlt, das zwar da ist, aber an der falschen Stelle eingesetzt wird. Da frage ich Sie: Was ist an Ihrer Kritik berechtigt? – Null und nichts. Wir gewinnen mit diesem ersten Schritt knapp 1.000 Leute zurück, und zwar ohne eine einzige Neueinstellung.
Noch einmal zur Ausgangslage! Es ist völlig klar – und das wissen Sie auch –: Wir haben im bundesweiten Vergleich eine unterdurchschnittliche Aufklärungsquote; das konnten wir in der „Welt am Sonntag“ vor einigen Wochen peinlicherweise so nachlesen.
Wir haben nach wie vor eine unglaublich hohe Kriminalitätsbelastung. Aber wir sehen den ersten Silberstreif am Horizont. Denn die Zahlen gehen zurück; ich hoffe, wir können das verstetigen. Ich weiß, dass die Kolleginnen und Kollegen draußen erstklassige Arbeit leisten. Und wenn wir tatsächlich umsetzen, was wir uns als Koalitionäre vorgenommen haben, nämlich mehr zu fahnden und weniger zu verwalten, wenn wir also eine völlige Umkehr dessen erreichen, was uns die 93er/94er-Reform gebracht hat, dann werden wir die Zahlen verstetigen. Dann werden Sie am Ende zugeben müssen, dass diese erste Stufe eine richtige Stufe war.
Zur Ausgangslage und Beschreibung gehört auch zu erwähnen, dass – das haben wir immer wieder beklagt, und da liegen wir nicht auseinander – eine unglaublich hohe Anzahl von Polizeivollzugsbeamten in den sogenannten Stäben und in der Verwaltungsbürokratie der Polizei tätig ist. Bei diesem Prozess ist von vorgesetzter Seite nicht aufgepasst worden. Es kamen junge Kolleginnen und Kollegen in diese Stellen hinein, obwohl sie eigentlich in die Kommissariate, in den Bezirks- und Ermittlungsdienst sowie in den Wach- und
Des Weiteren haben wir damit zu kämpfen – das wissen Sie –, dass pro Tag durchschnittlich zwei Polizeibeamte in den Ruhestand gehen. Das gleichen wir nur aus – und das hat die Vorgängerregierung schon gemacht –, indem wir die Wochen- und Lebensarbeitszeit verlängert haben, und wir stellen knapp 500 weitere Polizeibeamtinnen und –beamte ein.