Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich stehe der Einführung von REITs im Grundsatz positiv gegenüber, weil hiervon belebende Effekte sowohl auf den heimischen Finanzplatz als auch auf den Wirtschaftsstandort ausgehen werden. Wir haben derzeit die paradoxe Situation, dass deutsche Immobilienbestände in ausländische REITs eingebracht und an ausländischen Börsen gehandelt werden. Da halte ich es in jedem Fall für besser, wenn deutsche Immobilienportfolios an deutschen Börsen notiert sind und das Geschäft in Deutschland bleibt.
Um den deutschen Immobilienmarkt mit dem erforderlichen Investivkapital auszustatten, benötigen wir eine Anlageform, die auch für ausländische Investoren attraktiv ist. Hier haben REITs gegenüber den herkömmlichen Immobilienfonds den Vorteil, dass sie international marktgängiger sind und als Standard akzeptiert werden.
Zahlreiche Unternehmen aus Industrie und Handel besitzen noch einen umfangreichen Altbestand an Immobilien und binden zur Vermeidung der steuerschädlichen Aufdeckung von stillen Reserven Kapital außerhalb ihres Kerngeschäfts. Die Einführung von REITs würde diesen Unternehmen wieder finanzielle Flexibilität zurückgeben. Ein klarer Vorteil!
Zudem verspreche ich mir eine Professionalisierung des Immobilienmarkts durch die Einführung von REITs. REITs können sich auf bestimmte Immobilienarten oder Immobilienstandorte konzentrieren und dadurch wettbewerbsfähiger als heutige Immobilienportfolios agieren.
Richtig ist aber auch – hierauf weisen Sie in Ihrem Antrag zutreffend hin –, dass man sich bei der Einführung von REITs auf einem schwierigen regulatorischen Terrain bewegt. Wir dürfen hier vor allem zwei Dinge nicht aus dem Auge verlieren: die fiskalischen und die wohnungspolitischen Folgen, die REITs in Deutschland haben können. Ich möchte zu beiden Aspekten kurz Stellung nehmen.
Richtig ist, dass bei REITs eine gewisse Gefahr besteht, dass deutsches Besteuerungssubstrat – in der Debatte über die Unternehmenssteuerreform heute Morgen haben wir ja gelernt, was das ist – ins Ausland transferiert wird, nämlich dann, wenn der Anteilseigner mit relativ hohem Anteil an dem REIT beteiligt ist und im Ausland sitzt. Aufgrund der Regelungen in den gegenwärtigen Doppelbesteuerungsabkommen bleibt dieser ausländische Anteilseigner in gewissen Fällen steuerfrei.
Um dieses Szenario zu vermeiden, werden wir im Rahmen eines anstehenden Gesetzgebungsverfahrens darauf drängen, dass eine sogenannte Streubesitzklausel eingeführt wird. Diese Klausel würde die Möglichkeit der unmittelbaren Beteiligung an einem REIT auf unter 10 % begrenzen. Ein ausländischer Anteilseigner bliebe dann in jedem Fall im Inland steuerpflichtig.
Des Weiteren geben Sie, Herr Becker, und Ihre Fraktion Ihrer Sorge Ausdruck, dass durch befristete Steueranreize zur Aufdeckung stiller Reser
ven bei der Veräußerung betrieblicher Immobilien die Gefahr von Steuerausfällen besteht. Ich glaube, dass das Gegenteil der Fall sein wird, da durch die Einführung von REITs Veräußerungen erfolgen werden, die es ohne die Einführung von REITs nicht gegeben hätte.
Die Politik muss bei ihren Entscheidungen immer auch die soziale Balance im Auge behalten. Darauf weisen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen, zutreffend hin. Allerdings überzeichnen Sie in meinen Augen die Lage am deutschen Wohnungsmarkt nach einer Einführung von REITs. Es ist meine feste Überzeugung, dass letztlich nur die Politik sozial sein kann, die es ermöglicht, dass Immobilienbestände auch wirtschaftlich solide geführt werden.
80 % des Gesamtbestandes der insgesamt ca. 39 Millionen Wohneinheiten in Deutschland stellen für REITs keine Investmentoption dar, da sie entweder vom privaten Eigentümer selbst genutzt oder vermietet werden oder aber genossenschaftlich gebunden sind. Ich glaube, das sollte man bei allem, was man in die Öffentlichkeit transportiert, immer berücksichtigen.
REITs sind nur für großvolumige öffentliche Wohnungsbaugesellschaften und für privatwirtschaftliche Wohnungsbaugesellschaften interessant. Im öffentlichen Eigentum oder im Besitz kommunaler Unternehmen befinden sich lediglich 8 % der Wohneinheiten. Bei einer Veräußerung von Wohnimmobilien an REITs sind keine unangemessenen Mietsteigerungen zu befürchten. Alle Vermieter, auch wenn sie als REITs auftreten, sind an das strenge deutsche Mietrecht und die örtlichen Mietspiegel gebunden. Das sage ich auch im Hinblick auf die Spekulationen und Horrorszenarien in Sachen Verkauf der LEG, die von manchen aus diesem Parlament verbreitet werden.
Die Sorge, dass REITs weder willens noch wegen der Verpflichtung zur hohen Ausschüttung in der Lage wären, die notwendigen Maßnahmen zur Instandsetzung und Modernisierung ihrer Wohnimmobilien zu finanzieren, kann ich nicht nachvollziehen. REITs haben nicht nur die Mittel für Modernisierungs- und Instandhaltungsmaßnahmen, sondern auch ein besonderes Interesse, solche Maßnahmen durchzuführen und damit die Wohnqualität zu erhöhen. Da REITs schon aufgrund ihrer langfristigen Geschäftspolitik an einer nachhaltigen Bindung der Mieter interessiert sein müssen, ist zu erwarten, dass sie alles unterneh
Die Privatisierungsbestrebungen der Kommunen in Bezug auf ihre Wohnungsbestände sind unabhängig von der Einführung deutscher REITs. Der Verkauf von Wohnungen ist auch über die bereits bestehenden Instrumente problemlos möglich, wie die Entwicklung in der jüngsten Vergangenheit gezeigt hat. Große Wohnungsbestände sind bereits jetzt an ausländische Privat-EquityUnternehmen verkauft worden. Seit 2002 waren das allein bei den großvolumigen Wohnungsverkäufen fast 600.000 Wohnungen für insgesamt fast 25 Milliarden €. Die Nichteinführung deutscher REITs wird diese Entwicklung nicht stoppen. Auch in Zukunft werden genug ausländische Finanzinvestoren als Käufer zur Verfügung stehen, wenn sich weitere Kommunen entscheiden, ihre Wohnungsbestände zu verkaufen.
Vor diesem Hintergrund, liebe Kolleginnen und Kollegen, sollten wir zunächst abwarten, bis der Gesetzentwurf des Bundesfinanzministeriums vorliegt. Dann wird zu prüfen sein, ob die berechtigten Belange, insbesondere die fiskalischen und wohnungspolitischen Aspekte, ausreichend Berücksichtigung gefunden haben. Nicht eine Totalopposition ist hier hilfreich, sondern das konstruktive Begleiten einer Entwicklung, die wir im Grundsatz begrüßen sollten. Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen spricht sich daher gegen den Antrag von Bündnis 90/Die Grünen aus. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Überschrift des Antrags der Grünen „Mieterinnen und Mieter als Spekulationsobjekt“ verrät eigentlich schon alles. Es geht den Grünen nämlich darum, Panik zu machen und Unsicherheit zu verbreiten. Auch die Methode, wie man diesen Antrag zusammengestrickt hat, spricht für sich: Man hat in einem Zwischenbericht aufgeworfene Fragen genommen, diese in einen Antrag gestrickt, um somit ein Problem darstellen zu können.
Ich will ausdrücklich darauf hinweisen, dass zu der Arbeitsgruppe REIT, die schon erwähnt worden ist, sowohl Experten aus der Koalition aus CDU/CSU und SPD in Berlin als auch Fachleute aus den Bereichen Wohnungswirtschaft, Finanzwissenschaft und aus der Wissenschaft insge
samt gehörten. Ihr gehörten aber eben auch der Direktor des Deutschen Mieterbundes, Herr Dr. Rips, und der Präsident des Deutschen Städtetages, der Oberbürgermeister von München, Herr Ude, an. Ich glaube, dieses Spektrum spricht für sich.
Das geflügelte Wort von Finanzminister Steinbrück in diesen Tagen „Vorsicht an der Bahnsteigkante!“ ist richtig, aber ohne Wirkung, wenn der Aufruf eine Stunde vor Eintreffen des Zuges ertönt, weil zu diesem Zeitpunkt noch keine Fahrgäste an der Bahnsteigkante stehen. Genauso ist es hier – der Finanzminister hat es ausgeführt –: Der Gesetzentwurf liegt noch gar nicht vor. Von daher redet man über ungelegte Eier.
Im Koalitionsvertrag zwischen den beiden erwähnten Faktionen im Deutschen Bundestag ist konkret vereinbart worden, dass man dem REITsModell näher treten will. Deshalb wurde die schon erwähnte Arbeitsgruppe von der Koalition eingesetzt. Zurzeit geht es darum, die Voraussetzungen zu schaffen, damit vom Finanzministerium irgendwann einmal ein Gesetzentwurf vorgelegt werden kann.
Diesen Entwurf sollten wir abwarten, bevor wir zu diesem Thema inhaltlich Stellung beziehen. Über den Antrag sollten wir im Ausschuss für Bauen und Verkehr also erst dann beraten, nachdem der Bund seine Vorstellungen dargelegt hat.
Nach meiner Einschätzung wird die Diskussion über die REITs-Problematik bisher primär unter finanzwirtschaftlichen, wirtschaftlichen und steuerlichen Gesichtspunkten geführt. Ich denke, es ist notwendig, dass diejenigen von uns, die aus dem Bereich des Wohnungsbaus kommen, die wohnungswirtschaftlichen Gesichtspunkte einbringen. Der Finanzminister hat dankenswerterweise schon darauf hingewiesen.
Das Interesse der Städte, kommunalen Wohnungsunternehmen und Mieterverbände an einer angemessenen Berücksichtigung der wohnungspolitischen, städtebaulichen und sozialen Auswirkungen dieses neuen Finanzierungsinstruments ist verständlich. Vor allem müssen wir uns mit der Frage auseinandersetzen, welche Auswirkungen die REITs auf die Handlungsfähigkeit der örtlichen und regionalen Wohnungsunternehmen haben. Diese sind an Wohnungsfragen und der Gestaltung der kommunalen Infrastruktur in erheblichem Maße interessiert.
Der Finanzminister sprach davon, dass es darum geht, die soziale Balance sicherzustellen. Ich möchte diesen Satz ausdrücklich unterstreichen.
In diesem Zusammenhang sind sicher auch die Ergebnisse der laufenden Forschungsarbeit von Bedeutung. Diese sollten ebenfalls abgewartet werden und in den Gesetzentwurf einfließen.
Mich interessiert auch, welche abschließenden Positionen die Bauminister der Länder und der Bundesbauminister zu diesem Themenbereich einnehmen. Ich denke, deren Aussagen sind für das weitere Verfahren wichtig.
Ich hoffe sehr, dass unsere Beratungen im Ausschuss Bauen und Verkehr zu einer besseren Einschätzung der REITs beitragen und wir zu einem fairen Ausgleich zwischen den Interessen der Finanzwirtschaft und den Interessen der Städte, Gemeinden und der Wohnungswirtschaft kommen. In einer der nächsten Sitzungen des Sprecherkreises werden wir das weitere Verfahren besprechen.
Einer Überweisung – Herr Rasche hat darauf hingewiesen – stimmen wir natürlich zu. Ich denke allerdings, dass es sinnvoll ist, den Gesetzentwurf des Bundes abzuwarten, bevor wir uns mit diesem Thema inhaltlich weiter beschäftigen. – Vielen Dank.
Danke schön, Herr Sahnen. – Meine Damen und Herren, da ich keine weiteren Wortmeldungen sehe, kommen wir zum Schluss der Beratung.
Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrages Drucksache 14/2405 an den Ausschuss für Bauen und Verkehr – federführend –, den Haushalts- und Finanzausschuss sowie den Ausschuss für Kommunalpolitik und Verwaltungsstrukturreform. Die abschließende Beratung und Abstimmung soll im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer dieser Überweisungsempfehlung zustimmen kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Dann ist das einstimmig so beschlossen.
9 Arbeit statt Arbeitslosigkeit finanzieren – Langzeiterwerbslosen eine dauerhafte Perspektive für Arbeit und Beschäftigung schaffen
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Arbeit statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren, das muss konsequent der Leitgedanke der Beschäftigungs- und Arbeitsmarktpolitik in Nordrhein-Westfalen werden, und zwar auch bezogen auf die Personengruppen, die bisher noch am Rand der Arbeitsgesellschaft stehen.
Wenn wir uns die Zahlen und Entwicklungen am Arbeitsmarkt ansehen, stellen wir fest, dass selbst die leicht positiven Effekte, die wir aufgrund der Frühjahrsbelebung im Moment haben, an einem großen Teil der Betroffenen komplett vorbeigehen. Wenn man sich die Eckwerte des Arbeitsmarktes im August anschaut, wird klar, dass von den Arbeitsmarkteffekten überwiegend Männer profitieren, die Arbeitslosengeld I beziehen, die also Leistungen nach dem SGB III erhalten. Langzeitarbeitslose, gerade auch langzeitarbeitslose Frauen, profitieren aber überhaupt nicht davon. Die Zahl der langzeitarbeitslosen Frauen hat im August gegenüber dem Vorjahresmonat sogar über 5,5 % zugenommen. Diese Zahlen sollten uns erschrecken und fordern uns auf, neue Ideen und Konzepte für diese Personengruppe auf den Tisch zu legen.
Wir müssen uns nichts vormachen: Langzeitarbeitslose haben, je länger sie sich in der Arbeitslosigkeit befinden, am Arbeitsmarkt derzeit einfach keine Chance.
Wenn man sich die Zahlen anschaut, stellt man fest, dass rund 30 % sogar länger als drei Jahre arbeitslos sind. Der Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt ist dann extrem schwierig.
70 % der Beschäftigten in den unteren Einkommenssegmenten haben eine abgeschlossene Berufsausbildung. Die Konkurrenz, die in diesem Bereich auf den Arbeitsmarkt drängt, ist extrem stark. Das heißt: Je geringer man qualifiziert ist, je mehr Arbeitsmarkthemmnisse da sind, umso wahrscheinlicher ist es, dass man auf dem Arbeitsmarkt außen vor bleibt.
Im Landtag von Nordrhein-Westfalen haben wir in Obleuterunden und in Ausschusssitzungen etliche Gespräche mit Leitern verschiedener Arbeitsgemeinschaften geführt. Alle sagen übereinstimmend, 10 bis 20 % der Kundinnen und Kunden der Arbeitsgemeinschaften, also 50.000 bis 70.000 Personen in Nordrhein-Westfalen, sind weder kurz- noch mittelfristig in den Arbeitsmarkt
integrierbar. Meistens sind es Personen, die von mehreren ungünstigen Faktoren betroffen sind, wie zum Beispiel fehlender Schulabschluss, fehlende Berufsausbildung, lebensgeschichtliche Entwicklungen, die zum Teil in der Person und ihrer Geschichte begründet sind, Einschränkungen wie gesundheitliche Beeinträchtigungen, Suchtverhalten oder andere Hintergründe, die zusätzliche Hindernisse darstellen, in den Arbeitsmarkt zurückzukehren.
Wir haben nicht zu wenige Instrumente, um die Rückkehr in den Arbeitsmarkt zu erreichen, sondern sehr viele, aber sie sind nicht passgenau für diese Zielgruppe. Die Instrumente greifen zu kurz, sind unzureichend, weil viele Maßnahmenangebote zeitlich befristet sind. Was nützen jemandem, der vielleicht noch sechs Jahre bis zur Rente hat, temporärere Maßnahmen – ein Sechs-MonatsAngebot oder ein Ein-Euro-Job –, bei denen klar ist, dass er nach einem halben Jahr oder einem Jahr keine Chance auf Integration in den Arbeitsmarkt haben wird.
Wir können es uns als Land weder den Betroffenen noch der Gesellschaft gegenüber verantworten, diese Menschen einfach in der Arbeitslosigkeit zu belassen und sie weiterhin die Transferleistungen beziehen zu lassen. Nein, wir müssen überlegen, welche Angebote wir genau für diese Personengruppe haben. Denn wir haben auf der anderen Seite zahlreiche gesellschaftliche Aufgaben, die notwendigerweise erledigt werden müssen. Viele dieser Bereiche würden sehr gut zu den genannten Personen passen.
Wir brauchen dauerhafte Lösungen, die aber durchlässig sind und einen Übergang in den ersten Arbeitsmarkt sicherstellen. Wir brauchen nach Maßnahmen kein Zurück in die Perspektivlosigkeit, sondern wir brauchen für diese Personengruppe Sicherheit als Basis zur Stabilisierung, als Fundament für Bewerbungen, für Qualifizierung, für Weiterbildung. Wir brauchen also auch mehr Flexibilität der Instrumente,