Protokoll der Sitzung vom 31.08.2006

Kontraproduktiv wäre es dagegen, würden Sie die Steuererleichterungen an die Bedingung einer Investition in Deutschland knüpfen, Frau Walsken. – Vielleicht könnten Sie da etwas aufmerksam sein! – Das führt zu Überregulierungen, zusätzlicher Bürokratie und ist zudem europarechtlich bedenklich. Ausländische Investoren, die wir zurückholen beziehungsweise hierhin locken wollen, dürfte das eher abschrecken als begeistern.

Ich werde mich deshalb – das sage ich zum Schluss ganz deutlich – im weiteren Verfahren für die Umsetzung des Konzeptes des Finanzministeriums Nordrhein-Westfalen vehement einsetzen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Herrn Finanzminister. – Meine Damen und Herren, die Landesregierung hat zehn Minuten länger geredet als vorgesehen. Deshalb haben die Fraktionen jetzt Gelegenheit zu einer weiteren Runde.

Frau Walsken von der SPD ist die nächste Rednerin.

(Vorsitz: Vizepräsident Edgar Moron)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Finanzminister, was Sie hier gerade zum Stichwort Populismus abgeliefert haben – ich muss es deutlich sagen –, lässt uns jubilieren,

(Beifall von der SPD)

denn Sie fordern: Die Körperschaftsteuer muss deutlich abgesenkt werden. Sie und Ihre CDUFraktion wollen am liebsten noch unter die 12,5 %.

(Minister Dr. Helmut Linssen: Was?)

Sie sprechen von dramatischen Steuerausfällen, die zurzeit nur aus dem NRW-Finanzministerium publiziert und so gerechnet werden. Erst gestern haben Sie den Kommunen durch den Haushaltsplanentwurf mehrere Hundert Millionen Euro genommen. Jetzt werfen Sie uns Populismus vor, meine Damen und Herren!

(Beifall von der SPD)

Wenn Sie die Absenkung der Steuermesszahl, wie gerade von Ihnen zu hören, begrüßen, Herr Finanzminister, dann frage ich Sie: Für wen machen Sie hier eigentlich Politik?

Wenn Sie begrüßen, dass die Kommunen künftig durch eine solche Maßnahme, die aus Ihrer Frak

tion auf der Bundesebene kommt und in die Medien transportiert wird, wenn Sie eine Politik in diese Richtung betreiben, dann sagen Sie mir ganz deutlich: Stehen Sie in diesem Land an der Seite der Kommunen oder stehen Sie nicht mehr an der Seite der Kommunen?

(Beifall von der SPD)

Die CDU-Bundestagsfraktion hat – da zitiere ich gerne noch einmal die Koalitionsvereinbarung der Bundesebene – mitgezeichnet, dass die Kommunalfinanzen künftig auf einer soliden Basis stehen müssen. Sie hat ebenfalls mitgezeichnet, dass es ein Hebesatzrecht für die Kommunen gibt und dieses administrativ handhabbar sein muss und dass die Kommunen insgesamt, Herr Finanzminister, ein stetiges Aufkommen haben müssen, welches ihre finanzielle Basis sichert.

Wenn das so ist, dann ist das, was Sie hier heute vorgetragen haben, nicht angetan, dieses Ziel umzusetzen. Deshalb frage ich Sie: Wo ist Ihr Konzept an dieser Stelle?

(Beifall von der SPD)

Für uns ist es, auch wenn es schwer ist, wichtig, diese Unternehmensteuerreform weitgehend aufkommensneutral und für die staatlichen Ebenen haushaltsverträglich zu gestalten. Wir wissen sehr wohl, dass „weitgehend aufkommensneutral“ auch heißt, dass dies anfangs zu zusätzlichen Belastungen, zu Steuermindereinnahmen führen kann.

Aber wir sagen ganz deutlich: Jeder Prozentsatz Absenkung der Körperschaftsteuer muss gegenfinanzierbar sein. Das ist möglich durch eine deutliche Erweiterung der Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer. Wir brauchen den Einbezug der freien Berufe und ertragsunabhängiger Elemente, auch wenn Sie sich Seite an Seite mit den Wirtschaftsunternehmen dagegen wehren. Das ist der einzige und der richtige Weg, Aufkommensneutralität zu erzielen.

Meine Damen und Herren, Kollege Weisbrich hat hier noch einmal bekundet, dass er im Grunde für eine Abschaffung der Gewerbesteuer sei. – Wir sind froh, dass mittlerweile auf der Bundesebene eine Weiterentwicklung bezogen auf die Gewerbesteuer stattgefunden hat.

Lassen Sie mich noch einmal betonen, dass sich die Diskussion heute nicht mehr mit der Marginalisierung der Gewerbesteuer befasst, Herr Kollege Weisbrich. Keiner spricht mehr darüber – ganz im Gegenteil. Es wäre wünschenswert, Herr Kollege, wenn Sie mit dafür sorgen würden, dass die Kommunen künftig Planungssicherheit haben.

Ich erwarte von dieser Landesregierung ein klares Bekenntnis zugunsten der Kommunen, und ich erwarte eine entsprechende Initiative auf der Bundesebene. Deshalb bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag, was die Verstetigung der Gewerbesteuer betrifft. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Frau Walsken. – Herr Weisbrich, wenn Sie sich früher einmal melden würden, dann bekommen Sie auch das Wort.

(Christian Weisbrich [CDU]: Ich dachte, das wäre geschehen.)

Das ist nicht geschehen. Aber Sie nehmen sich das Wort. Ich gebe es Ihnen.

Wenn Sie mir das Wort geben, bedanke ich mich sehr, Herr Präsident!

Frau Walsken, ich glaube, den Kardinalfehler, den auch Herr Steinbrück in der ganzen Diskussion gemacht hat, ist der, dass wir nicht über eine Systemänderung reden, sondern nur über Steuersätze. Wenn Sie über Steuersätze reden, macht das aufkommensneutrale Gestalten überhaupt keinen Sinn.

Sie werden sich vielleicht erinnern, dass wir vor Jahr und Tag hier in diesem Hause im Hinblick auf die Finanzausstattung der Kommunen eine Neuordnung des Finanzsystems unter Einbeziehung der Abschaffung der Gewerbesteuer gefordert haben.

In Bezug auf unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit ist es ein Problem, dass Länder in unserer Nachbarschaft, beispielsweise die mittel- und osteuropäischen Beitrittsstaaten, ganz andere Steuersysteme haben als wir.

Ich will es einmal plakativ sagen. Was in Polen, Slowenien oder wo auch immer abgeht, heißt: 20, 20, 20. – Die Unternehmenssteuer, die persönliche Einkommensteuer und die Mehrwertsteuer sind gleich hoch. Das Aufkommen der Mehrwertsteuer ist dann ziemlich beachtlich. Es ist eine Verlagerung von direkten zu indirekten Steuern. Das ist das, was unseren Unternehmen Schwierigkeiten bereitet. Wir werden einen Steuerwettbewerb, bei dem wir die Körperschaftsteuer immer weiter senken, ohne auf der anderen Seite das System zu ändern, auf Dauer nicht gewinnen.

Die Finanzminister dieser Länder sind keine Hinterwäldler. Sie haben zum Teil in Harvard studiert und wissen ganz genau, was sie machen.

Wir müssten uns über diesen Systemwettbewerb Gedanken machen. Wenn wir in den Systemwettbewerb gehen, dann kann und muss man über Aufkommensneutralität für die Kommunen reden, wenn man den Kommunen eine andere Finanzierung geben möchte. Wir wären sogar weitergegangen. Wir möchten die Finanzausstattung der Kommunen deutlich verbessern.

(Gisela Walsken [SPD]: Er hat doch gerade gesagt, er will sie absenken!)

Frau Walsken, nun keifen Sie doch nicht; lassen Sie mich doch einmal reden.

(Gisela Walsken [SPD]: Nein, er hat das ge- sagt!)

Ich will es Ihnen doch erklären.

Wir haben gesagt, die Gewerbesteuer wird abgeschafft und dafür bekommen die Kommunen eine deutlich höhere Beteiligung an der Umsatzsteuer,

(Gisela Walsken [SPD]: Das ist doch alles Schnee von gestern!)

weil das die dynamischste Steuer ist. Und den Kommunen wird ein eigenständiges Hebesatzrecht auf die Einkommensteuer und auf die Körperschaftsteuer eingeräumt, damit sie eigenen Gestaltungsspielraum erlangen. Das haben wir zusammen mit dem Bund der Steuerzahler durchgerechnet. Dies wäre aufkommensneutral gewesen.

Das ist aber etwas ganz anderes als das, was hier propagiert wird. Was Sie wollen, nämlich den Kommunen eine breitere Basis zu geben, indem ertragsunabhängige Bestandteile nunmehr besteuert werden, führt wieder zu einer heftigen Auseinandersetzung zwischen Kommunen und Wirtschaft. Das bringt doch keinen Frieden und bringt den Kommunen vor allen Dingen nicht nachhaltig mehr Geld in die Kasse.

(Beifall von der FDP)

Wir haben die ganze Diskussion landauf und landab seit 1970 Jahr für Jahr immer wieder geführt. Die Kommunen hatten diese ertragsunabhängigen Bestandteile. Sie hatten das Zugriffsrecht auf die Lohnsummensteuer. Das alles ist im Laufe der Zeit auch von SPD-geführten und von CDU-geführten Regierungen abgeschafft worden. Der Druck aus der Wirtschaft war zu groß.

Wir sollten uns endlich einmal von der Lebenslüge – dieses Wort will ich jetzt auch einmal benutzen – Gewerbesteuer verabschieden und uns um eine Neuordnung des Steuersystems insgesamt kümmern.

(Beifall von CDU und FDP)

Ich bin sicher, dann finden wir einen Weg, wie wir es im ersten Schritt aufkommensneutral lösen können.

(Dr. Axel Horstmann [SPD]: Das glauben Ih- nen noch nicht einmal Ihre eigenen Leute, Herr Weisbrich!)

Ich sage Ihnen eines: Wenn die Kommunen in einem vernünftigen Umfang an der Umsatzsteuer beteiligt würden, wie es zur Umfinanzierung notwendig wäre, wäre das eine Beteiligung an der dynamischsten Steuer, die es in der Bundesrepublik gibt.

Dies würde den Kommunen den Jo-Jo-Effekt der ständig schwankenden Gewerbesteuer ersparen. Gleichzeitig hätten sie Zugriff auf die am stärksten sich entwickelnde Steuerart. Das wäre eine vernünftige Reform. Dazu kann man aber eben nicht nur über Steuersätze diskutieren. Man muss das Steuersystem diskutieren. Diese Diskussion ist ausgeblieben. Ich bedauere das. Ich würde mir wünschen, dass wir eines Tages in die Systemdiskussion kommen. – Schönen Dank.