Wenn Sie glauben, mit Ihren Vorschlägen den Kommunen etwas Gutes tun zu können, dann irren Sie. Denn der Bundesfinanzminister trägt in allen Runden vor, dass selbstverständlich das Mehr für die Kommunen, was bei seinem Modell herauskommt, voll über die Gewerbesteuerumlage wieder abgeschöpft wird. Das sind nach seinem Modell 7 Milliarden €, die zusätzlich natürlich in die Staatskasse von Bund und Ländern kommen müssen.
Davon werden die Kommunen nichts haben. Also, versuchen Sie nicht, die Arie zu singen: Wir tun etwas Gutes für die Kommunen.
Oder man muss nachlesen, was das Finanzministerium Nordrhein-Westfalen entwickelt hat. Oder man macht sich beim Kollegen Dieckmann schlauer. Ich glaube, der kennt das alles besser als Sie, Frau Walsken.
(Beifall von der CDU – Gisela Walsken [SPD]: Jetzt haben Sie es mir aber gegeben! – Zuruf von Ralf Jäger [SPD])
Unser Vorschlag lautet, das nach den von Rot-Grün seinerzeit durchgeführten Veränderungen in der Gewerbesteuer noch verbliebene gewinnunabhängige Element, die 50 %-Anrechnung der Dauerschulden, wegzunehmen. Aber es soll nicht einfach ersatzlos gestrichen werden, sondern die Kommunen sollen dafür einen Anteil an der Lohnsteuer erhalten. Sie hätten dann überhaupt keine Einbuße. – Das dazu, damit Sie auch da nicht weiter irgendwelche Unrichtigkeiten verbreiten.
Bei Ihrem, dem vom Bundesfinanzminister zunächst vorgetragenen Modell zur Eindämmung unerwünschter Finanzierungsgestaltungen – was wir auch wollen, was man aber sehr viel zielgenauer machen kann – durch Hinzurechnung von Zinsen und Finanzierungsanteilen aus Mieten, Pachten, Leasingraten und Lizenzen bei der Gewerbe- und Körperschaftsteuer, kostet die Variante mit 25 % 2 Milliarden € und die Variante mit 50 %, die er vorgetragen hatte, 5 Milliarden €.
Meine Damen und Herren! Sehen Sie sich einmal einen Einzelhändler an, der zehn Filialen in gemieteten Räumen betreibt. Der kann seinen Gewinn vergessen, wenn er zusätzlich 50 % der Mieten versteuern soll. – Herzlichen Glückwunsch zu diesem Modell!
Die antragstellende Fraktion hat direkte Abstimmung beantragt. Deshalb kommen wir jetzt zur Abstimmung über den Inhalt des Antrags der SPD-Fraktion Drucksache 14/2412. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die SPD-Fraktion. Wer ist dagegen? – Das sind CDU, FDP und Bündnis 90/Die Grünen. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Antrag mit den Stimmen der Fraktionen von CDU, FDP und Grünen gegen die Stimmen der SPD-Fraktion abgelehnt.
Meine Damen und Herren, bevor Sie den Plenarsaal fluchtartig verlassen: Wir haben noch über einen Entschließungsantrag von Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 14/2449 abzustimmen. Wer für diesen Entschließungsantrag ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist Bündnis 90/Die Grünen. Wer ist dagegen? – Das sind CDU, SPD und FDP. Gibt es Enthaltungen? – Dann ist dieser Antrag mit den Stimmen von CDU, SPD und FDP gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt.
Mit Schreiben vom 23. August dieses Jahres hat der Chef der Staatskanzlei mitgeteilt, dass die Landesregierung eine Unterrichtung beabsichtige, und zwar zu dem Thema „Sicherheitslage in NRW nach den versuchten Anschlägen“. Die Unterrichtung erfolgt durch den Herrn Innenminister.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nachdem schon zahlreiche Veröffentlichungen zu dem Thema „Stand der Ermittlungen zu den versuchten Anschlägen“ erfolgt sind, werde ich mich auf die wesentlichen Ermittlungsergebnisse konzentrieren und Ihnen vortragen, soweit dies öffentlich möglich ist.
hungsweise Koblenz in zwei Koffertrolleys Sprengsätze gefunden und anschließend entschärft wurden, leitete der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung ein und beauftragte das Bundeskriminalamt mit den polizeilichen Ermittlungen.
Im Zuge der am 18. August 2006 eingeleiteten Öffentlichkeitsfahndung konnte bereits am Folgetag ein erster Tatverdächtiger in Kiel festgenommen werden. Identifizierung und Festnahme waren nicht zuletzt aufgrund der guten Zusammenarbeit mit libanesischen Stellen möglich. Aufgrund von DNA-Spuren und anderen Beweismitteln hat sich der Tatverdacht so erhärtet, dass der Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof am 20. August 2006 einen Haftbefehl erließ.
Die zum familiären Hintergrund vorliegenden Erkenntnisse lassen den Schluss zu, dass der Tatverdächtige in einer Familie im Libanon aufgewachsen ist und der in Deutschland seit dem 15. Januar 2003 verbotenen Organisation Hisb utTahrir al-Islami, kurz Hut, nahestand. Hinweise darauf, dass diese Organisation unmittelbar in die Tatplanung oder Tatausführung eingebunden ist, liegen bisher jedoch nicht vor.
Es ist dann ebenso schnell gelungen, die Identität der mutmaßlichen weiteren Tatverdächtigen zu klären. Am 24. August 2006 stellte sich den libanesischen Sicherheitsbehörden einer der weiteren Tatverdächtigen, und die Generalbundesanwältin prüft derzeit die Möglichkeit einer Auslieferung.
Im Zuge der Fahndungsmaßnahmen wurden auch Objekte in Oberhausen und Essen durchsucht. Die dabei zunächst vorläufig festgenommenen Personen wurden nach ihrer Vernehmung wieder entlassen, die diesbezüglichen Ermittlungen dauern aber noch an.
Für eine umfassende Bewertung der Ereignisse ist es noch zu früh, da die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen sind. Insbesondere über die Motive der Täter kann bisher nur spekuliert werden. Es ist deshalb auch noch keine belastbare Bewertung dazu möglich, aus welchen Gründen Deutschland für die Anschläge ausgewählt wurde.
Darüber hinaus möchte ich Ihnen über die Vorkommnisse vom letzten Wochenende berichten. Die Polizei in Münster hat acht Personen in Gewahrsam genommen. Durch die schnellen und konsequenten Maßnahmen konnte eine An
schlagsgefahr abgewendet werden. Die Ermittlungen dauern an. Sie stehen in keinem Zusammenhang mit den versuchten Sprengstoffanschlägen auf die Regionalzüge. Das ist ein weiteres Beispiel für die gelungene Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern.
Meine Damen und Herren, nach den Anschlägen in den USA am 11. September 2001 gehen alle Sicherheitsbehörden davon aus, dass Deutschland nicht nur Ruhe- und Rückzugsraum für islamistische Terroristen, sondern Teil eines weltweiten Gefahrenraumes ist. Die Anschläge von Madrid und London haben diese Einschätzung belegt. Mit der Entdeckung der beiden Sprengsätze in den Regionalbahnen hat sich diese Bewertung konkretisiert.
Nordrhein-Westfalen hat sich bereits frühzeitig auf diese Bedrohungslage eingestellt. Nach den Anschlägen in den USA sind Polizei und Verfassungsschutz durch Islamwissenschaftler verstärkt worden. Nach den Anschlägen von Madrid arbeitet die Polizei zielgerichtet nach einem einheitlichen Handlungskonzept. Dies dient dazu, Anschlagsvorbereitungen möglichst frühzeitig zu erkennen und damit letztendlich zu unterbinden.
Polizei und Verfassungsschutz des Landes arbeiten unter Beachtung der Grenzen des verfassungsrechtlich gebotenen Trennungsgebotes eng und vertrauensvoll zusammen. Sie tauschen ihre Erkenntnisse arbeitstäglich in einem Sicherheitslagebild aus. Ergänzend informieren sich Verfassungsschutz, Landeskriminalamt und Staatsschutzdienststellen in einer Koordinierungsgruppe über die Erkenntnislage. Von Beginn an beteiligen sich das Landeskriminalamt und die Verfassungsschutzbehörde an der Arbeit im Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum in Berlin, kurz GTAZ. So ist sichergestellt, dass wichtige Informationen so schnell wie möglich auch bundesweit ausgetauscht werden.
Im Rahmen eines ganzheitlichen Bekämpfungsansatzes gilt es auch, aufenthaltsrechtliche Handlungsmöglichkeiten möglichst frühzeitig umfassend und konsequent zu nutzen. Aufenthaltsbeendende Maßnahmen setzen einen zielgerichteten Austausch, das Zusammenführen und die Bewertung aller sicherheitsrelevanten Informationen voraus. Dies geschieht beispielsweise durch spezielle Merkblätter, die das Erkennen und Einschätzen entsprechender Sachverhalte unterstützen.
Ergänzend habe ich in meinem Hause eine Sicherheitskonferenz eingerichtet, an der Ausländerbehörden und Sicherheitsbehörden beteiligt
sind. Vorrangige Aufgabenstellung ist die Beendigung des Aufenthalts ausländischer islamistischer Gefährder. Die Arbeit war bereits erfolgreich. So konnte eine dieser Personen bereits ausgewiesen und abgeschoben werden. Weitere Fälle sind in Vorbereitung.
Im Rahmen einer von mir initiierten Veranstaltung zum Thema Gefahrenpotenziale im ÖPNV habe ich am 22. September 2005 in Gelsenkirchen persönlich mit den für Sicherheit und Service Verantwortlichen der Verkehrsunternehmen in NRW Fragen der Sicherheit erörtert. Bereits im Dezember 2005 haben wir eine Konzeption zur Aufklärung und Beratung von Betreibern des öffentlichen Personennahverkehrs zur Früherkennung geplanter Anschläge umgesetzt.
Unmittelbar nach den versuchten Anschlägen in Dortmund und Koblenz haben wir in NordrheinWestfalen die polizeiliche Präsenz in Einrichtungen und Verkehrsmitteln des ÖPNV angemessen verstärkt. Unsere Polizei ist damit vor Ort präsent und ansprechbar. Damit stärken wir das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung, ohne Panik zu verbreiten.
Die Polizei trifft darüber hinaus die zum Schutz gefährdeter Personen und Objekte erforderlichen Maßnahmen. Diese werden entsprechend der jeweils aktuellen Sicherheitslage fortlaufend angepasst.
Meine Damen und Herren, die konsequente Bekämpfung islamistischer Terroristen darf nicht dazu führen, dass Muslime in Deutschland unter Generalverdacht geraten. Wir müssen den Dialog zwischen den Muslimen und den Sicherheitsbehörden weiter ausbauen. Mit muslimischen Organisationen haben wir vereinbart, in einem ersten Schritt Ansprechpartner vor Ort und an zentralen Stellen bereitzustellen. Aufseiten der Polizei steht dafür bereits seit Längerem spezieller polizeilicher Sachverstand zur Verfügung.
Internationale terroristische Netzwerke und auch inländische Terroristen nutzen das Internet und die elektronische Kommunikation zunehmend zur Propaganda und für logistische Zwecke. Wir haben im Rahmen des nachfolgenden Tagesordnungspunktes noch die Gelegenheit, uns dazu intensiver auszutauschen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Aufzählung macht deutlich, dass die Behörden unseres Landes gut aufgestellt sind. Das heißt nicht, dass wir deshalb die Hände in den Schoß legen. Neue Erkenntnisse werden zeitnah analysiert und bei der Durchführung von entsprechenden Maßnahmen und Konzeptionen berücksichtigt.
Wie bereits nach den Anschlägen der letzten Jahre findet jetzt erneut eine kontroverse, zum Teil hitzige politische Debatte statt. Im Mittelpunkt steht dabei der schon reflexartige Ruf nach neuen und verschärften Gesetzen und Sicherheitsmaßnahmen. An einem solchen Überbietungswettbewerb werde ich mich nicht beteiligen. Bei uns gilt der Grundsatz: Gesetzesvollzug geht vor Gesetzesänderung und Gesetzesverschärfung.
Am kommenden Montag treffen sich die Innenminister zu einer Konferenz in Berlin, um die aktuelle Lage zu erörtern und mögliche Konsequenzen zu beraten. Angesichts der aktuellen politischen Diskussion rate ich dringend dazu, Augenmaß zu bewahren. Besonnenheit und Gelassenheit sind gefragt. Denn Angst ist ein schlechter Ratgeber.
Unstrittig ist, dass wir die Vernetzung von Informationen der Sicherheitsbehörden noch weiter verbessern müssen. Deshalb brauchen wir möglichst schnell eine Antiterrordatei. Dabei ist auf die strikte Einhaltung des Trennungsgebotes zu achten. Außerdem dürfen wir auch keine Datenfriedhöfe schaffen, die gerade in zeitkritischen Lagen nicht weiterhelfen. Zu berücksichtigen sind dabei auch die Geheimhaltungsinteressen ausländischer Nachrichtendienste, mit denen wir auch zukünftig eng zusammenarbeiten müssen.
Genau aus diesen fachlichen Gründen halte ich eine Indexdatei für geboten, über deren Einzelheiten wir uns noch verständigen müssen – das aber, so glaube ich, möglichst schnell. Dazu dient ja auch die Innenministerkonferenz am nächsten Montag.