schen erst einmal einen Aufenthalt auf Probe geben oder eine Prognose ausstellen oder was auch immer. Aber diese Hürde, Herr Minister, ist nicht realitätstauglich. – Das ist Punkt 1.
Zweitens. Diejenigen, die diese sozialversicherungspflichtige Beschäftigung nicht nachweisen müssen, müssen eine Krankenversicherung nachweisen. Wir wissen alle: Die Menschen, die in Duldung leben, haben keinen Krankenversicherungsschutz. Nach dem Asylbewerberleistungsgesetz haben sie einen Anspruch auf Notversorgung, aber das entspricht natürlich nicht dem vollen Versicherungsschutz. Dies als Kriterium zu nehmen, hieße, diese Menschen zu zwingen, eine private Krankenversicherung abzuschließen, für die sie natürlich überhaupt kein Geld haben. Also auch das ist eine Hürde, über die wir reden müssen, Herr Minister.
Mit unserem Antrag bitten wir Sie, fordern wir Sie auf, nicht nur bei den Einzelfällen humanitäre Gesten, die richtig sind, zu zeigen, sondern sich um eine wirklich wirksame politische Lösung zu bemühen. Mit dem Vorschlag Ihres Hauses, der zurzeit in der entsprechenden Arbeitsgruppe der Innenministerkonferenz auf dem Tisch liegt, wird dies nicht gelingen. Schließen Sie sich den anderen Innenministern an, die weiter gehen! Schließen Sie sich Rheinland-Pfalz an! Schließen Sie sich Berlin an!
Eine letzte Bitte: Versuchen Sie bis dahin nicht Fakten durch Abschiebungen zu schaffen! Ich glaube, wir haben eine echte Chance, dass eine Bleiberechtsregelung zustande kommt. Erlassen Sie einen Abschiebestopp für diese Familien,
um diese Familien wenigstens bis zur Innenministerkonferenz noch hier zu behalten. Schaffen Sie eine Vorgriffsregelung. Sachsen – das ist nun nicht gerade der Hort der Liberalität – hat das praktiziert. Da ist die CDU an der Regierung. Sachsen macht eine Vorgriffsregelung. Berlin hat das gemacht. Es ist, wenn Sie es denn wollen, möglich, jetzt ein Signal herauszuschicken mit der Ankündigung: Wir warten bis zur Innenministerkonferenz, wir alle versuchen, ein vernünftiges Bleiberecht zu erreichen, und bis dahin schieben wir diese Menschen nicht in diese Ungewissheit ab.
Ich kann Ihnen die Fälle noch einmal nennen, die von akuter Abschiebung bedroht sind und – teilweise sogar mit Empfehlung und auf Ersuchen
der Härtefallkommission – von den Ausländerbehörden jetzt abgeschoben werden sollen: integrierte Familien in Krefeld, in Solingen, in Düsseldorf, eigentlich in jeder Stadt in unserem Land. Sorgen Sie dafür, dass hier keine Fakten geschaffen werden. Es geht um Menschen. Es geht um Kinder und Jugendliche, die hier aufgewachsen sind, die hier bleiben wollen und die auch die Zukunft für unser Land sind.
Vielen Dank, Frau Kollegin Düker. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der CDU der Kollege Kruse das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Man merkt, Frau Kollegin Düker, dass das eines Ihrer Herzensthemen ist,
Der Vorwurf, den Sie gegenüber der CDUFraktion in der vergangenen Periode erhoben haben, unser System der Wiedervorlage würde stimmen, trifft Sie nun eigentlich selber. Ich möchte in Erinnerung rufen: Im September des vergangenen Jahres haben Sie hier den Antrag gestellt: Die Abschiebepraxis muss dringend geändert werden! Im Mai, vor der Sommerpause, haben Sie den Antrag gestellt: Im Vorgriff auf Bleiberechtsregelungen Abschiebungen aussetzen! Heute stellen Sie den Antrag: Bleiberechtsregelung darf keine Alibilösung werden!
Herr Kollege Remmel, ich bin schon ziemlich sicher, dass Sie, wenn sich die Innenminister nun hoffentlich im Dezember auf eine generelle Bleiberechts- und/oder Altfallregelung für Deutschland verständigt haben werden, spätestens Mitte Dezember oder Anfang Januar des kommenden Jahres den Antrag stellen: Also damit sind wir überhaupt nicht zufrieden, Nordrhein-Westfalen muss einen Sonderweg einschlagen.
Lassen Sie mich in aller Gelassenheit, Herr Kollege Remmel, Frau Kollegin Düker, festhalten: Die Bundesrepublik Deutschland hat ganz ohne Frage als humanitärer Rechtsstaat gerade auch im Hinblick auf ihre historische Erfahrung die Verpflichtung, Flüchtlingen Asyl zu gewähren.
Deutschland ist dieser Verpflichtung in vollem Umfang nachgekommen und hat allein zwischen 1990 und 2004 über 2,3 Millionen Asylbewerber aufgenommen. Wir liegen in Europa damit an der Spitze.
Innerhalb Deutschlands trägt Nordrhein-Westfalen den größten Anteil an bundesweit aufzunehmenden Personen. In Nordrhein-Westfalen leben ca. 60.000 vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer. Das bringen Sie in Ihrem Antrag ja selber zum Ausdruck, Frau Kollegin Düker. Die Experten wissen und sagen, dass rund 90 % ihre Ausreise aktiv hintertrieben haben. Vielfach sind es Personen, die ihre Identität verschleiern, ihre Pässe vernichten, täuschen, untertauchen, ihren Aufenthaltsort wechseln usw. usf.
Bei allem Verständnis für die Sicht der Dinge, die Frau Kollegin Düker zum Ausdruck bringt: Auch wir wollen Klarheit. Auch wir wollen den Menschen helfen, die Schicksale darstellen. Sie haben die Kinder in besonderer Weise angesprochen. Das ist auch bei uns ein Thema. Ebenso sagen wir aber in aller Nüchternheit: Eine umfassende Altfallregelung kann es insofern nicht geben. Wir beteiligen uns an einer bundeseinheitlich herzustellenden Regelung, …
… die die Kinder und die voll integrierten Familien in besonderer Weise in den Blick nimmt. Es muss natürlich auch eine Perspektive geben.
Herr Kollege, es gab eine Zwischenfrage der Kollegin Beer. Ich wollte Sie nicht in Ihrem Satz unterbrechen, sondern Ihnen die Gelegenheit geben, diese Frage zuzulassen. Sie liegt schon etwas länger vor.
Ich lasse die Zwischenfrage gerne zu, Frau Beer. Im Übrigen wird der Antrag ja überwiesen. Ihre Frage könnte daher auch im Innenausschuss gestellt werden. Aber bitte sehr.
Herzlichen Dank, Herr Kollege. – Sie haben gerade vorgetragen, dass Sie das Ganze mit Gelassenheit betrachten wollen, und hier entsprechend ausgeführt. Vor allen Dingen haben Sie über die Zahlen und Ihre Einschätzung gesprochen, welche Begehren in welcher Qualität da sind. Sie haben davon gesprochen, inwieweit es von Menschen, die hier ein Bleiberecht erwirken wollen, keine konstruktive Mithilfe gab.
Meine Worte haben sich auf die Gelassenheit und die Darstellung bezogen. – Herr Kollege, können Sie nachvollziehen, dass man mit der Gelassenheit am Ende ist, wenn man im Petitionsausschuss tätig ist und in die Einzelfälle hineinschaut – der Ministerpräsident hat mit der Familie Idic ja eine ähnliche Situation erlebt, glaube ich – und daher erwartet, dass sich an dieser Stelle etwas tut, und zwar sehr schnell, und dass wir auf der nordrhein-westfälischen Ebene ja auch Handlungsoptionen haben?
Ich will mir über Ihre Gelassenheit nicht den Kopf zerbrechen. Ich gebe aber zu bedenken – das ist unsere Sicht –, dass es keinen Sinn macht, für 16 Länder 16 unterschiedliche Regelungen herbeizuführen, und plädiere deshalb nachhaltig dafür, bei Bleiberechts- und/oder Altfallregelungen bundeseinheitlich vorzugehen.
Bei allen Einzelschicksalen, die man sich vorstellen kann und die auch mir bekannt sind, Frau Kollegin Beer, bitte ich aber auch, den Art. 20 des Grundgesetzes in den Blick zu nehmen. Dort steht eindeutig, dass auch die Exekutive an Recht und Gesetz gebunden ist.
Wir haben – ich wiederhole mich – in NordrheinWestfalen und in Deutschland das liberalste Asylrecht. Die Asylanträge werden in einwandfreien rechtsstaatlichen Verfahren bearbeitet. Ich bitte, auch das zu beachten. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Kruse. – Als nächster Redner hat Herr Kollege Peschkes für die Fraktion der SPD das Wort.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kruse hat offensichtlich wieder die Meinungsführer
schaft in diesem Thema übernommen, nachdem Sie ihm, Herr Biesenbach, im Juni/Juli die Spur gewiesen haben.
Es ist ein absolutes Trauerspiel, dass wir uns in diesem Hause zum wiederholten Male in kurzer Zeit mit diesem Thema beschäftigen müssen. Das eigentlich Beschämende ist: Jeder weiß um die Problematik und um die oft auch bestehende Dramatik für die betroffenen Personen; wir sind aber keinen Schritt weiter als vor Monaten und auch vor Jahren.
Deshalb werden auch diese vielen Anträge gestellt, Herr Kruse. Wir müssen das Ganze nach vorne bringen. Bei den betroffenen Personen gibt es nämlich weiterhin Ungewissheit. Es gibt weiterhin Kettenduldungen. Es gibt weiterhin Abschiebungen von Familien, die seit Jahren in Deutschland wohnen und hier auch integriert sind.
Das alles passiert vor dem Hintergrund, dass auch bundesweit die Bereitschaft wächst, hier zu einer Lösung zu kommen. Selbst Herr Schäuble hat das ja verlauten lassen.
Nur in diesem Hause ist die Haltung nicht ganz so klar, Herr Kruse – zumindest in der Koalition. Dort kann ich nämlich überhaupt keine Linie erkennen, um es einmal höflich und freundlich zu formulieren.
Erst will Innenminister Dr. Wolf das Thema im Herbst 2005 auf die Tagesordnung der Innenministerkonferenz setzen, um dort eine Lösung herbeizuführen. Das finde ich auch in Ordnung. Er knüpft das aber an die Bedingung eines sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisses von mindestens zwei Jahren. Herr Dr. Wolf kann sich nicht durchsetzen. Sein guter Wille wird von der SPD und auch von mir allerdings durchaus gesehen.
Sein Koalitionsfreund, der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Theo Kruse, ist aber ganz anderer Meinung als Herr Dr. Wolf. Er bürstet ihn im Innenausschuss am 22. November 2005 mit der Bemerkung ab, eine Bleiberechtsreglung sei überflüssig.
Minister Laschet teilt diese Meinung seines Fraktionskollegen Kruse überhaupt nicht und spricht sich kurze Zeit später mit Nachdruck für eine Altfallregelung aus. Da kann ich nur sagen: Glückwunsch!
Jetzt scheint es in der CDU-Fraktion eine neue Erkenntnis zu geben; denn sie scheint die Notwendigkeit einer Altfallregelung zu sehen. Herr Biesenbach, der Fraktionsvize, nimmt sich persönlich des Themas an. Das finde ich in Ordnung. Darüber, ob dies auf höhere Weisung passiert, will ich nicht spekulieren. Wichtig ist nur, dass die Wichtigkeit erkannt wurde.
Herr Biesenbach geht in seinen Überlegungen viel weiter, als der Innenminister es ursprünglich vorhatte. Er will das Aufenthaltsrecht von ausreisepflichtigen Flüchtlingen nicht an einen festen Arbeitsplatz knüpfen. Zu Recht erkennen Sie an, Herr Biesenbach, dass das gar kein geeignetes Kriterium sein kann, da die Gewährung von Arbeitserlaubnissen von Arbeitsamt zu Arbeitsamt sehr verschieden sein kann.
Plötzlich teilen auch Sie diese Meinung, Herr Kruse. Da hat bei Ihnen wohl eine Supervision stattgefunden.