Protokoll der Sitzung vom 13.09.2006

Meine Damen und Herren, wir müssen auch mit der Lebensmittelkontrolle in Nordrhein-Westfalen weiterkommen. Wir haben seit dem Regierungswechsel die Lebensmittelkontrolle verbessert. Das Gammelfleisch in Gelsenkirchen, Herr Remmel, stammt nicht aus der Regierungszeit dieser Regierung, sondern wir haben es vorgefunden.

(Beifall von CDU und FDP)

Wir haben daraufhin die risikoorientierte Kontrolle in Nordrhein-Westfalen eingeführt und dann Fleisch gefunden, das seit vielen Jahren in den Kühllagern in Nordrhein-Westfalen liegt. Darüber hinaus bauen wir kein Personal ab, sondern wir haben zusätzliches Personal zur Verfügung gestellt. Wir haben Fachleute des LEJ in diese Lager hineingeschickt. Das heißt, wir haben zusätzliche Anstrengungen unternommen. Des Weiteren haben wir die Kontrolldichte in Nordrhein-Westfalen erhöht. Diesen Weg werden wir in den nächsten Jahren weiter gehen. Die Zahlen der Verbraucherschutzorganisationen auf Bundesebene für das Jahr 2004 sind schlechte Zahlen für Nordrhein-Westfalen. Es ist der Ehrgeiz dieser Landesregierung, die Lebensmittelkontrollen zu verbessern, um das Netz dichter zu machen.

(Beifall von der CDU)

Wir haben im letzten Jahr diesen Weg beschritten und werden ihn in den nächsten Jahren im Rahmen unserer finanziellen Möglichkeiten weitergehen.

Meine Damen und Herren, leider läuft mir die Redezeit weg, aber es ist ein sehr wichtiges Thema. Wir verbessern die Zusammenarbeit zwischen dem Lebensmittelbereich und dem Justizbereich. Dieses Thema wird auch in vielen anderen Ländern diskutiert und steht in dem 15-PunkteProgramm der Landesregierung. Das hat in Nordrhein-Westfalen zu einer sehr engen Zusammenarbeit zwischen der Lebensmittelsicherheit und der Kontrolle auf der einen Seite sowie der Jus

tizministerin auf der anderen Seite geführt. In Nordrhein-Westfalen haben wir den nötigen Sachverstand bei den vier Schwerpunktstaatsanwaltschaften für Wirtschaftskriminalität in Bielefeld, Bochum, Düsseldorf und Köln bereits jetzt. Sie sind – das hat mir Frau Kollegin MüllerPiepenkötter ausdrücklich versichert – für die staatsanwaltschaftliche Bearbeitung umfangreicher Ermittlungsverfahren wegen Lebensmittelstraftaten gut gerüstet.

Noch eine wichtige Nachricht nach draußen: Es kann sich in Nordrhein-Westfalen jetzt niemand mehr sicher fühlen. Bei den 19 Staatsanwaltschaften in Nordrhein-Westfalen gibt es jetzt jeweils mindestens einen Experten für Lebensmitteldelikte. Damit haben wir gute Voraussetzungen für eine ortsnahe Zusammenarbeit der 54 Lebensmittelüberwachungsbehörden mit den Strafverfolgungsbehörden des Landes.

Meine Damen und Herren, das alles ist in diesem wichtigen Bereich auf den Weg gebracht worden, damit sich niemand nicht sicher fühlt. Wir arbeiten als Landesregierung gemeinsam mit der kommunalen Seite. Auch hier muss das eine oder andere noch verbessert werden; das gebe ich gerne zu. Deswegen habe ich alle Landräte und Oberbürgermeister zu einem Gespräch eingeladen. Wir müssen auch die Lebensmittelkontrolle vor Ort in den Kreisen und kreisfreien Städten verbessern. Sie müssen auditiert werden, und zwar nicht nur 19 oder 20, sondern alle. Zum 1. Januar werden wir in Nordrhein-Westfalen im Zusammenhang mit der Verwaltungsstrukturreform eine staatliche Behörde einführen, die die Kontrolle der Lebensmittelüberwachung in Nordrhein-Westfalen an die erste Stelle stellt. Das hat für uns hohe Priorität.

Meine Damen und Herren, Sie helfen durch Ihre Beiträge dadurch, indem Sie differenziert mit diesem Thema umgehen. Ich weiß, dass man natürlich mit einem solchen Thema, auch nach Ihrer Rede, Frau Abgeordnete Schulze, zu einer großen Verunsicherung bei den Verbrauchern beitragen kann. Aber angesichts Ihrer Bilanz von RotGrün haben Sie nicht das Anrecht, uns, der neuen Landesregierung, Ratschläge zu geben.

(Beifall von CDU und FDP)

Dafür war die Bilanz unter Frau Höhn zu schlecht, und die SPD hat sich um dieses Thema nie gekümmert. – Vielen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Herr Minister Uhlenberg. – Für die SPD spricht nun Herr Kollege Kuschke.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Hier im Raum ist sicherlich niemand so illusorisch zu denken, dass wir in den kommenden Jahren ähnliche Vorfälle nicht wieder erleben werden, weil wir es schlichtweg, Herr Kollege Ellerbrock, mit krimineller Energie zu tun haben. Wenn das so ist, dann spricht doch alles dafür, eine solche Debatte über entsprechende Handlungsweisen mit Leidenschaft, Vernunft und Offenheit zu führen. Das sind die drei Begriffe – ich nehme gar nicht die Begriffe, die Herr Kollege Remmel gebraucht hat –, an denen die Menschen beurteilen werden, was wir diskutieren; denn sie interessiert im Zweifelsfall doch nicht der Streit um irgendwelche Maßnahmen. Die Menschen wollen vielmehr Verlässlichkeit bei Lebensmitteln haben, meine Damen und Herren. Das ist der entscheidende Punkt.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Ich möchte das Stichwort des Kollegen Remmel aufgreifen, der von einem System gesprochen hat. Ob ich so weit gehen oder eher formulieren würde, dass wir auf einem Weg zu einem System sind, lasse ich einmal dahingestellt. Der entscheidende Punkt ist aber folgender, meine Damen und Herren: Was ist das für ein Agrarmarkt und für ein Lebensmittelmarkt, der solche Erscheinungen möglich macht? – Das ist doch der entscheidende Punkt.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Wir alle hier sind für staatliche Kontrollen. Wir sind für die Stärkung des Verbraucherschutzes und der Verbraucherberatung. Auf die Frage, ob wir alle dafür sind, komme ich übrigens gleich noch einmal zu sprechen. Wir müssen aber auch weg von dem Kratzen an der Oberfläche und hin zu der Frage, welche Strukturen so etwas ermöglichen.

An dieser Stelle will ich einen Punkt aufgreifen, bei dem man ganz konkret tätig werden könnte; morgen werden wir ihn im Rahmen der Tagesordnung ja noch etwas intensiver behandeln. Auf der Sitzung des Landwirtschaftsausschusses in Köln – Herr Minister, Sie waren dabei – haben wir über mehr Transparenz im Agrarmarkt – Stichwort: Transparenzrichtlinie – diskutiert. Dort ist von den Kolleginnen und Kollegen der CDU sofort der Hinweis gekommen, das könne man nicht machen, wenn man es ausschließlich auf den Agrarmarkt beschränke. Ich habe Ihnen schon damals zugerufen: Kein Problem! Da gehen wir mit Ihnen. Das darf nicht nur auf den Agrarmarkt beschränkt werden; wir müssen es ausweiten.

Hier und heute kann ich Ihnen Folgendes sagen: Mehrere Kolleginnen und Kollegen unserer Fraktion, an der Spitze unsere Fraktionsvorsitzende Hannelore Kraft, haben in der vergangenen Woche mit Kommissar Günter Verheugen über dieses Thema gesprochen. Es besteht auch beim zuständigen Kommissar der Europäischen Union Bereitschaft, diesen Weg zu gehen, nämlich Transparenz für alle Subventionen und Förderungen in der Europäischen Union im Interesse des Verbrauchers und der Verbraucherin zu schaffen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Als zweiten Punkt möchte ich die Diskussionen darüber nennen, was in den letzten Jahren in Bayern und unter der rot-grünen Koalition passiert ist. Zu Bayern will ich Ihnen Folgendes sagen: Ich habe von der rechten Seite dieses Hohen Hauses in den vergangenen Jahren häufiger den Namen Bayern als das Wort Nordrhein-Westfalen gehört.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Dann werden Sie es sich auch gefallen lassen müssen, dass wir an der einen oder anderen Stelle auch in einen Ländervergleich dieser Art und Weise eintreten.

Meine Damen und Herren, in dem 15-PunkteKatalog des Ministers habe ich übrigens nichts gesehen, was wirklich etwas Neues darstellt. Das kann doch nur bedeuten, dass die Grundstrukturen des Verbraucherschutzes, die Sie vorgefunden haben, von Ihnen nicht infrage gestellt werden. Also lassen Sie uns dieses Theater in Bezug auf die Frage, wer wann was gemacht und nicht gemacht hat, einmal beenden und lieber über Optimierung reden. Dazu sind wir offen und bereit.

Dann sage ich aber auch, dass in diesem 15-Punkte-Katalog einiges fehlt. Dort steht kein einziges Wort zum Stellenwert der Verbraucherberatung, des Verbraucherschutzes und der Möglichkeiten aktiver Verbraucherinnen und Verbraucher. Letzteres ist doch das Stichwort der FDP, Herr Kollege Ellerbrock. Das braucht allerdings eine entsprechende Unterstützung und Strukturen. Stattdessen werden die Mittel für den Verbraucherschutz in Nordrhein-Westfalen aber zurückgefahren, meine Damen und Herren.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Drittens möchte ich auf das Stichwort Landesamt eingehen. Meine Damen und Herren, der Ausschuss hat sich bei seiner Reise nach Berlin das Bundesinstitut für Risikobewertung angeschaut. Unseres Erachtens können wir eine solche Einrichtung in Nordrhein-Westfalen – möglicherweise als Korrespondenzeinrichtung dieses Bundesinsti

tuts – sehr gut gebrauchen. Herr Kollege Remmel, ich glaube nicht, dass es dann noch einmal auf eine Zentralisation der staatlichen Aufgaben ankommt; ich will das vorsichtig ausdrücken. Vielmehr können wir uns vorstellen, dass wir mit einem solchen unabhängigen Institut – möglicherweise als Korrespondenzinstitut zu dem Bundesinstitut – einen sehr guten Weg gehen können.

Meine vorletzte Anmerkung betrifft das Verbraucherinformationsgesetz. Ich sage in aller Offenheit – das haben Sie ja auch angemahnt, Herr Minister –, dass wir als SPD-Fraktion dieses Gesetz auch in der jetzigen Form für einen ersten entscheidenden Schritt halten. Diesen Schritt sollten wir jetzt gehen, meine Damen und Herren – gerade auch vor dem Hintergrund, dass wir ein hohes Interesse daran haben, auf einer rechtlich gesicherten Basis auch Namen von Unternehmen preisgeben zu können. Es ist ein Spagat, der dort gegangen werden muss. Dass es noch Optimierungsbedarf gibt, steht völlig außer Frage.

Allerletzte Anmerkung: Ich will ein Stichwort aufgreifen, das Sie vorhin genannt haben, Herr Kollege Ellerbrock – übrigens mit dem Randverweis darauf, dass wir uns nachher beim Kaffee noch einmal darüber unterhalten werden, von welchem Tier das Fleisch für den Döner kommt. Das ist aber nur eine fachliche Frage, die wir nachher erörtern werden.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Die Verantwortlichkeit der Unternehmen möchte ich nicht infrage stellen. Vor dem Hintergrund der Marktsituation, wie sie sich derzeit darstellt, will ich aber infrage stellen, ob diese Verantwortlichkeit durch den derzeitigen Markt nicht doch enge Grenzen erfährt und es von daher notwendig ist, in aller Deutlichkeit darüber nachzudenken, welches System von staatlichen Kontrollen wir brauchen und wie wir das private Engagement im Verbraucherschutz stärken können.

Herr Ministerpräsident, meine Damen und Herren, für mich und unsere Fraktion ist auch dies ein Bereich, den wir uns bei der Verwaltungsstrukturreform weiterhin angucken werden. Wie weit trägt das Motto „Privat vor Staat“, und wie weit ist es ein untaugliches Motto? Wir glauben, dass es ein untaugliches Motto ist,

(Beifall von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

und werden das bei der weiteren Diskussion verfolgen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Danke schön, Herr Kuschke. – Für die CDU spricht nun Herr Kollege Peter Kaiser.

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zunächst reflektieren, was hier heute Morgen gesagt worden ist, und auch einmal darstellen, wie es überhaupt zu dieser Entwicklung mit den Zwischenhändlern und der Lagerung gekommen ist.

Das ganze Spielchen nahm seinen Lauf, als im Jahre 1998 die Hygienerichtlinie der EU in deutsches Recht umgesetzt worden ist. Daraufhin passierte Folgendes: Die Kontrolleure, die Veterinäre, gingen in die fleischverarbeitenden Betriebe hinaus und haben diese Betriebe erst einmal kontrolliert und komplett auf den Kopf gestellt. Als Beispiel wurde uns immer genannt: Die Fleischbetriebe, die Großbetriebe, die Zerlegebetriebe, das sind saubere, ordentliche Betriebe. Dorthin müsst ihr einmal gehen. Sie haben eigene Veterinäre, eigene Chemiker und sogar eigene Ökotrophologen. – Klar, bei Schlachtbetrieben ist der Staat wegen der Trichinbeschauung immer anwesend.

Allerdings hatte ich dann immer den Eindruck – und das sehr stark –, dass bei Zwischenhändlern, die ja nur mit verpackter Ware handeln, unter RotGrün so gut wie gar nicht kontrolliert worden ist. Denn was haben wir nach der Regierungsübernahme gefunden? – Vier bis fünf Jahre altes Gammelfleisch.

In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal auf die Ereignisse im vergangenen Jahr hinweisen, wo mit mafiösen Methoden aus Hotelzimmern heraus mit Laptops Ware gehandelt worden ist, also quasi über Briefkastenfirmen. Das sind Leute gewesen, denen es egal ist, ob sie morgen Socken, Schuhe oder Fleisch vermarkten. Für diese Leute zählt doch nur eines, nämlich der Profit. Sie wollen Geld machen.

Des Weiteren möchte ich dazu anmerken, dass es Rot-Grün war, die auf Bundesebene das Qualitätssiegel des Meisterbriefes im Lebensmittelhandwerk abschaffen wollten, und heute diskutieren Sie darüber, wieder neue Qualitätssiegel einzuführen.

(Beifall von der CDU)

Alle Fraktionen im Hause sollten sich einig sein: Bei Verstößen gegen Lebensmittelsicherheit gilt eine Nulltoleranzgrenze.

Ich kann Minister Uhlenberg nur zustimmen, dass die vorhandenen, gesetzlich zulässigen Sanktionen voll ausgeschöpft werden müssen. Hohe

Geldbußen, harte Gefängnisstrafen bis hin zum Berufsverbot dürfen nicht mehr zur Disposition stehen. Und wenn die Staatsanwaltschaft die Betriebsnamen bekannt gibt, sollten sie auch für die Verbraucherinnen und Verbraucher freigegeben werden.

Lassen Sie mich auch ein Thema ansprechen, das ich für sehr wichtig halte, nämlich das Thema der Rückverfolgbarkeit der Ware. Wir sollten uns dabei nichts vormachen. Lebensmittel, die über den Seeweg aus aller Welt oder auch aus Osteuropa bei uns eingeführt werden, bergen ein Problem. Denn die Rückverfolgbarkeit läuft heute noch vorwiegend über Papier und nicht – wie es für die Dokumentation wünschenswert wäre – in digitaler Form. Wir wissen alle: Papier ist geduldig. Das Schwein, die Pute, das Rind sind aber schon geschlachtet. Somit kommen Waren in den Verkehr, die eigentlich dort nichts mehr zu suchen haben.

Wenn Herr Remmel nach der gläsernen Langwurst ruft, kann ich nur sagen: Es wird bestimmt kein Bundesland, kein Land der Welt schaffen, neben jede Currywurst einen Kontrolleur zu stellen, Herr Remmel.

Und wir sollten uns auch fragen, inwieweit es vernünftig sein kann, dass der Verbraucher für 1,50 € Döner kauft und dass im Sommer ein Kilogramm Grillfleisch für 3,99 € verkauft wird. Deshalb sollten wir dafür Sorge tragen – Herr Ellerbrock hat es ja schon gesagt –, dass bei Lebensmitteln die Mentalität „Geiz ist geil“ aufhört. Dafür sollten wir uns alle einsetzen.