Protokoll der Sitzung vom 14.09.2006

Die reichen nicht, um Ihnen den Unterschied zwischen einem Verhältniswahlrecht und einer Personenwahl zu erklären. Ich biete Ihnen an, das unter vier Augen nachzuholen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Herr Lux, weil sich Ihre Reden so ähneln und immer von zwei Argumenten getragen sind, sollten wir vielleicht versuchen, zu einem Agreement zu kommen.

Erstens. Sie sagen, das Thema gehört eigentlich nicht hierher. Herr Lux, ob eine Opposition nach der Geschäftsordnung dieses Landtags einen Antrag einbringt oder eine Aktuelle Stunde beantragt, entscheiden wir ganz alleine und nicht Sie.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Zweitens. Auf die Frage, wo eigentlich unser Vorschlag ist, sage ich Ihnen noch einmal: Sie haben darum gebettelt, Regierungsverantwortung in diesem Land zu haben. Nehmen Sie diese endlich wahr und verweisen nicht darauf, dass Sie jetzt gute Gesetzentwürfe der Opposition brauchen.

Es gibt in der Koalitionsvereinbarung die Absichtserklärung, die Wahl zum Rat und zum Kreistag auf der einen Seite und die Wahl zu den Hauptverwaltungsbeamten auf der anderen Seite zu entkoppeln. Heute Morgen ist ein Streit darüber entstanden, wie sich das auf die Wahlbeteiligung in diesem Lande auswirkt, ob die Bürgerinnen und Bürger einen solchen zusätzlichen Wahlgang tatsächlich annehmen. Das ist die Frage.

Wir haben eine gewisse Erfahrung in NordrheinWestfalen. Nachdem wir 1994 die Gemeindeordnung geändert und diese Direktwahlen stattgefunden haben, haben aus unterschiedlichen Gründen Nachwahlen stattfinden müssen, und zwar immer dann, wenn ein Amtsinhaber ausgeschieden, zurückgetreten oder beispielsweise verstorben ist. Es gab seit 1994 rund 20 Nachwahlen in Nordrhein-Westfalen.

(Ilka Keller [CDU]: Mit welcher Wahlbeteili- gung?)

Schauen wir uns die Wahlbeteiligung einmal an, Frau Keller. Nehmen wir zunächst ein gutes Beispiel:

(Horst Becker [GRÜNE]: Aufpassen!)

in Sassenberg 80,71 % Wahlbeteiligung, allerdings zeitgleich mit der Bundestagswahl.

Immer dann, wenn diese Nachwahlen nicht zeitgleich mit Bundestagswahlen stattgefunden haben, haben sich folgende Wahlbeteiligungen ergeben: Kreis Herford 29,89 %, Kreis SiegenWittgenstein 37,32 %, Hemer 40,49 %, Köln 40,8 %, Coesfeld 36,54 %. Meine Damen und Herren, dass die Entkoppelung von Ratswahl und Wahl des Hauptverwaltungsbeamten von den Bürgerinnen und Bürgern überhaupt nicht gewünscht wird, zeigen diese Zahlen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Jetzt tun Sie nicht so, als hätten Sie das nicht gewusst; das ist nämlich aufgrund einer Kleinen Anfrage von mir persönlich mit der Drucksache 14/568 beantwortet worden. Dort können sie es noch einmal nachlesen. Sie können auch Ihren Delegierten auf Ihrem Parteitag am kommenden Wochenende sagen: Ja, wir müssen zu Recht befürchten, dass die Wahlbeteiligung bei der Entkoppelung sinkt. Das tut der Demokratie nicht gut, sondern nur Ihrem Koalitionsvertrag und Ihrem Koalitionspartner. Da haben Sie eine grundsätzliche Entscheidung zu treffen.

Geht es um das Wohl und die Demokratie in diesem Land, oder wollen Sie nur den kleineren Koalitionspartner bedienen und einfach Stille in Ihrer schönen Ehe haben, die offensichtlich gar nicht so schön ist? Diese Grundsatzentscheidung haben Sie am Wochenende zu treffen. Diese Verantwortung haben Sie wahrzunehmen. Deshalb war die Diskussion heute Morgen sehr wichtig und richtig.

Dass der Kollege Papke heute nicht redet, kann man nur so zusammenfassen: Er setzt Ihnen die Pistole auf die Brust, lädt durch

(Helmut Stahl [CDU]: Und schießt!)

und schweigt dazu beredsam. Ob Sie das mit sich machen lassen, meine Damen und Herren von der CDU-Landtagsfraktion, sollten Sie selbst wissen.

Ich bitte in der Diskussion, falls Sie Ihre Redezeit gleich noch ausschöpfen wollen, Herr Papke, auch auf folgenden Umstand einzugehen: Ich habe heute Morgen von Ihnen nicht ein Argument gehört, mit dem Sie begründen, dass die Amtszeit

der Oberbürgermeister, Bürgermeister und Landräte auf acht Jahre verlängert werden sollte,

(Beifall von der SPD)

außer dem, was immer im Hintergrund vorhanden ist, dass die Altersversorgungsansprüche dann besser geregelt sind, was Sie aber nicht offen aussprechen. Wenn Sie die Amtszeit von fünf auf acht Jahre verlängern, nehmen Sie den Bürgerinnen und Bürgern in diesem Land das Recht, einen Politiker zeitnah wiederwählen oder abwählen zu dürfen. Meine Damen und Herren, es kann nicht sein, dass die Kanzlerin in diesem Land nur vier Jahre Zeit hat, dass der Bundespräsident nur fünf Jahre Zeit hat, dass Sie aber kommunalen Hauptverwaltungsbeamten eine Amtszeit von acht Jahren zusprechen. Das ist sachlich nicht begründbar.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Da ich nur noch wenige Sekunden Zeit habe, noch ein Hinweis zu § 107 der Gemeindeordnung. Sie sagen immer: Es wird gar nicht so schlimm für die kommunalen Unternehmen. Wir machen da Bestandsschutz. – Ja, wunderbar! Was heißt denn „Bestandsschutz“? Das heißt nur, dass Sie in einigen Bereichen das vorprogrammierte Sterben der kommunalen Unternehmen ein bisschen verlängern.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Sie nehmen den kommunalen Unternehmen dadurch jede Flexibilität, sich an den Markt zeitnah anpassen zu können.

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss!

Sie müssen dann am Markt verbleiben, ohne die Chance zu haben, in einem gleichwertigen Wettbewerb mit anderen Unternehmen bestehen zu können. Deshalb sind Ihre Vorhaben mit Blick auf § 107 Geschäftsordnung auch einfach nur abzulehnen. – Vielen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Jäger. – Ich habe keine weiteren Wortmeldungen mehr. Dann schließe ich die Aktuelle Stunde.

Wir kommen, meine Damen und Herren, zu Tagesordnungspunkt

3 Migranten als Polizeikollegen: Mehr Bewerberinnen und Bewerber mit Migrationshintergrund bei der Personalauswahl für den Polizeivollzugsdienst berücksichtigen

Antrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP Drucksache 14/2417

Ich weise darauf hin, dass es hierzu auch einen Entschließungsantrag gibt, und zwar von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Drucksache 14/2545.

Ich eröffne die Beratung und erteile Herrn Abgeordneten Preuß für die CDU-Fraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem Antrag der Koalition zielen wir auf die Weiterentwicklung des Personalentwicklungskonzepts im Bereich der Polizei. Wir sehen in unserem Antrag vor allem auch einen Beitrag zur Personalgewinnung, die angesichts der demografischen Entwicklung zunehmende Bedeutung haben wird.

Wir wissen, dass wir der Polizeiführung im Zusammenhang mit der beabsichtigten Personalgewinnung einiges an intelligenten Lösungen abverlangen müssen: Personal zu gewinnen, ist im Interesse unserer Bürgerinnen und Bürger, die objektive und subjektive Sicherheit erwarten, unabdingbar.

Herr Kollege Rudolph, ich habe gelesen, dass Sie unseren Antrag als Fortführung des von dem früheren Innenminister Behrens eingeleiteten Entwicklungskonzepts sehen. Sie werden vermutlich also zustimmen. Wir müssen aber feststellen, dass dieses Konzept unter den von der alten Landesregierung geschaffenen Rahmenbedingungen ganz offensichtlich nicht gegriffen hat. Denn seit 2003 sind die Einstellungszahlen der Polizisten mit Migrationshintergrund rückläufig. Es ist also an der Zeit, die Sache jetzt offensiv anzugehen, Vorzüge des Konzepts herauszustellen und das Konzept im Bewusstsein der Notwendigkeiten konkret umzusetzen. Eine Politik des „Geht nicht!“ des „Da kann man nichts machen!“, des „Haben wir schon!“ ist vorbei.

Meine Damen und Herren, Ziel des Antrages ist es, das Leistungsspektrum bei der Polizei zu erhöhen, indem wir vor allem landeskundliche Spezialkenntnisse der Polizisten mit Migrationshintergrund nutzen, sinnvoll einsetzen und Verständigungsbarrieren abbauen. Wir wollen die Akzep

tanz der Polizei vor allem in der Bevölkerung mit Migrationshintergrund erhöhen.

Da gerade der Polizist den Rechtsstaat unmittelbar vor Ort verkörpert, fördert diese gewollte spezifische Kommunikationsebene zwischen den Polizisten mit Migrationshintergrund und dem Bürger mit Migrationshintergrund die Identifikation des Bürgers mit unserem Rechtsstaat und unserer Gesellschaft. Wir wollen keine Quotenregelung, keine Dolmetscher, keine Konfliktschlichter oder eine irgendwie geartete Sonderstellung der Polizeikollegen, sondern volle Integration der Polizisten in den jeweiligen Diensten, auch die Weiterentwicklung von speziellen Diensten mit entsprechenden Anforderungen und Befähigungen der Bewerber.

Wir wissen natürlich, dass die Anforderungen und die Auswahlkriterien an und für unsere künftigen Polizisten hoch sind. Dafür dürfen die Bürgerinnen und Bürger aber auch eine hohe Sach- und Fachkompetenz der Polizisten in ihren jeweiligen Dienstbereichen erwarten. Es ist auch klar, dass eine solche Qualität durch Fort- und Weiterbildung gesichert werden muss.

Frau Düker, ich habe gelesen, Sie sehen das Problem in den niedrigen Bildungsabschlüssen der Migranten. Es gibt aber keinen Grund anzunehmen, dass Polizeibewerber mit Migrationshintergrund grundsätzlich weniger geeignet und ausgebildet bzw. befähigt sind als andere Bewerber. Generell sind natürlich Ausbildungsdefizite frühzeitig schon in der Schule auszugleichen. Hier werden die Mechanismen der Schule, der Ausbildung und auch der frühen Sprachförderung, nicht zuletzt aber die Erkenntnis, dass Arbeit und Dienstleistung sich über berufliche Qualifizierung definieren, greifen. Wir haben dazu bereits die Weichen gestellt.

Darüber hinaus ist unbestritten, dass schulische und berufliche Bildung, Spracherziehung und die Akzeptanz unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung die Grundlagen sind für Integration und Konkurrenzfähigkeit auf dem Arbeitsmarkt, mithin auch im Polizeidienst, übrigens nicht nur der Migranten.

Wir müssen auch hier den Einstieg für mehr Integration in der Polizei wollen und diesen Willen konkret umsetzen. Es ist gerade die hohe Kompetenz der Polizisten, die in der Bevölkerung Vertrauen schafft. Wenn inzwischen jeder vierte Einwohner in Nordrhein-Westfalen einen Migrationshintergrund hat, dann ist es folgerichtig, die Kompetenz von zukünftigen Polizisten mit Spezialkenntnissen einzubringen und deren Einstellungen ver

stärkt zu fördern. Schließlich sind sich alle Fachleute darin einig, dass der Integrationseffekt sehr hoch einzuschätzen ist.

Zum Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ist festzustellen, dass er zunächst in keinem sachlogischen Zusammenhang mit unserem Antrag steht, der polizeispezifische Aufgaben und Erfordernisse im Zusammenhang mit der inneren Sicherheit zum Inhalt hat.

(Monika Düker [GRÜNE]: Ich erkläre Ihnen das gleich!)

Sie wollen dagegen die Einstellungspraxis auf den gesamten Bereich der öffentlichen Verwaltungen ausdehnen. Darüber kann man sicher in den Ausschüssen reden, insbesondere unter den von Ihnen beschriebenen Aspekten der Verbesserung der Kommunikation und der Arbeitseffizienz, der Bürgernähe und der Identifikation mit Staat und Gesellschaft. Das ist alles okay, findet sich allerdings nicht in Ihren Anträgen wieder. In bemerkenswerter Offenheit sprechen Sie vielmehr von einem Bildungssystem, das strukturelle Benachteiligungen der Migranten erzeuge und Chancenungleichheiten schaffe. Ich frage mich, von welchem Bildungssystem Sie eigentlich sprechen.

Herr Kollege, würden Sie bitte zum Ende Ihrer Rede kommen?