Protokoll der Sitzung vom 14.09.2006

(Vorsitz: Vizepräsidentin Angela Freimuth)

Ich meine, dass das nicht nur unter dem Nützlichkeitseffekt wichtig ist, nach dem Motto: Da haben wir kulturelle Dolmetscher, da haben wir Brückenbauer, da haben wir Menschen, die in die Migrantenszene positiv hineinwirken können. Es ist auch insgesamt wichtig, dass wir in unserer Gesellschaft deutlichen machen: Jawohl, wir sind in der Einwanderungsgesellschaft angekommen. Das

zeigt sich auch im öffentlichen Sektor, in der Polizei, in der Justiz, in den Kommunalverwaltungen, in den Bürgerbüros, im Strafvollzug, in allen Bereichen.

Jetzt stellen wir aber fest, dass die Polizei – wenn auch zu wenig – im Vergleich zu anderen Sektoren immer noch gut aufgestellt ist, guckt man sich die anderen Verwaltungsbereiche an, beispielsweise die kommunalen Verwaltungen. Dort ist der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund verschwindend gering. Er liegt um die 2 %. Das bildet natürlich in keinster Weise den tatsächlichen Migrantenanteil in der Bevölkerung ab.

Deswegen haben wir einen anderen Ansatz, Herr Preuß. Erstens sagen wir: Es geht nicht nur um die Polizei, sondern es geht auch um andere Bereiche,

(Beifall von den GRÜNEN)

zum Beispiel um die Schule. Ich frage Sie einmal – wir haben dazu ja einen Antrag eingebracht –: Warum können Nichtdeutsche Polizisten werden, aber nicht beamtete Lehrer? Gibt es dafür irgendeinen Grund? Deswegen brauchen wir eigentlich einen ganzheitlichen Ansatz. Wir sagen: Wir müssen das für alle Bereiche weiter öffnen.

Zweitens: Wir müssen nach den Ursachen forschen. Der Kollege Link hat darauf hingewiesen. Wir müssen doch sehen, warum sich gerade bei der Polizei so wenige Migrantinnen und Migranten einfinden. Da stellen wir fest, dass bei unserem Bildungssystem in der Tat – das muss man einfach so offen und ehrlich sagen – leider immer noch die Herkunft über den Bildungsabschluss entscheidet, die soziale Herkunft, aber auch die Herkunft aus einer Migrantenverteilung.

(Ralf Witzel [FDP]: Das ist Ergebnis Ihrer Bildungspolitik!)

An Hauptschulen ist jeder fünfte Jugendliche ein Ausländer oder eine Ausländerin, sagt die Statistik, am Gymnasium jeder Zwanzigste. Die Schulabbrecherquote ist bei ausländischen Schülern doppelt so hoch wie bei deutschen Schülerinnen und Schülern. Das alles muss uns doch zu denken geben. Da müssen wir uns doch fragen: Wie schaffen wir es, dass mehr Bildungsgerechtigkeit in unsere Gesellschaft kommt und dieser Ort Schule eine Schicksalskorrektur bewirkt und keine Schicksalsverfestigung?

(Beifall von den GRÜNEN)

Da müssen wir wirklich ehrlich über die Ursachen reden. Da machen Sie, Herr Preuß, ein Schulgesetz, das diese bildungspolitische Sackgasse, die

Barrieren, die fehlende Durchlässigkeit, die fehlende Chancengerechtigkeit, all das Negative verstärkt und die Zugangsgerechtigkeit noch weiter verschlechtert, gerade für Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund.

(Beifall von den GRÜNEN)

Und dann, zum Schluss: Stellen Sie hier nicht solche Schauanträge! Schauen Sie sich die Ursachen an! Viele Migrantinnen und Migranten haben gerade am Polizeidienst Interesse. Dann müssen wir es auch schaffen, eine höhere Bildungsquote in diesem Bereich hinzubekommen. Ihre Schulpolitik macht genau das Gegenteil. Deswegen nenne ich Ihren Antrag einen Schauantrag und bitte um Zustimmung zu unserem Entschließungsantrag.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Düker. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr verehrte Damen und Herren, als nächster Redner hat für die Landesregierung Herr Minister Dr. Wolf das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, wir stimmen alle überein, dass sich die ethnische Vielfalt unserer Bevölkerung auch in den Institutionen des Staates wiederfinden muss – und damit natürlich auch in der Polizei. Dies dient der Stärkung des gegenseitigen Verständnisses, hilft, Missverständnisse zu vermeiden und Akzeptanz zu stärken.

Wir müssen Personen mit Migrationshintergrund verstärkt für die Polizei gewinnen. In der Tat hat die Polizei Nordrhein-Westfalen bereits früh angesetzt: Bereits 1993 wurden ausländische Bewerber in die Polizeidienst eingestellt. Damit leistet die Polizei auch einen aktiven Beitrag zur Integration dieser Bevölkerungsgruppen in unsere Gesellschaft. Die Resultate unserer bisherigen Bemühungen, junge Menschen mit Mitgrationshintergrund für den Polizeiberuf zu gewinnen, können sich durchaus sehen lassen.

Wir müssen allerdings – das hat Herr Preuß zu Recht gesagt – die Anstrengungen verstärken. Ich begrüße daher den Antrag der Koalitionsfraktionen. Er greift ein wichtiges Thema zum richtigen Zeitpunkt auf. Wir wollen mit einem Blick über die Landesgrenzen von den Erfahrungen anderer Polizeien profitieren und Forschungsergebnisse zu diesem Fragekomplex nutzen.

Zudem müssen wir auch das Interesse für den Polizeiberuf in den entsprechenden Bevölkerungs

gruppen wecken. Leider beruht die bisherige, nicht ausreichende Zahl von Polizeibeamten mit Zuwanderungsgeschichte auch darauf, dass in der Relation zu wenige der Bewerber mit Mitgrationshintergrund unsere Einstellungsvoraussetzungen erfüllen, wie zum Beispiel Fachhochschulreife oder Abitur.

Hier setzt diese Landesregierung umfassend an, zum Beispiel durch eine frühe sprachliche Förderung; durch mehr Chancengerechtigkeit und mehr individuelle Förderung durch ein neues Schulgesetz. Ich begrüße außerordentlich die Selbsterkenntnis von Frau Düker, dass das alte Schulgesetz in eine Sackgasse geführt hat.

(Widerspruch von Monika Düker [GRÜNE] – Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Das haben Sie ein bisschen falsch verstanden, Herr Wolf!)

Deswegen haben wir auch ein neues Schulgesetz gemacht. Da bin ich Frau Kollegin Sommer sehr dankbar, dass dies gerade jetzt in der Umsetzung erkennbar Früchte trägt.

(Lachen von Sören Link [SPD])

Neben den staatlichen Institutionen sind alle gesellschaftlichen Gruppen gefordert, um zum Beispiel auch die Eltern frühzeitig über die Möglichkeiten im Polizeiberuf zu informieren, damit sie die Schwelle überwinden und auch die Kinder ermuntern, in öffentliche Institutionen in unserem Lande zu gehen.

Gelingt es, Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamte mit Migrationshintergrund zu gewinnen, sollen sie keine Sonderrolle spielen; sie sollen sich selbstverständlich in unsere Polizei integrieren. Wer Polizist in Nordrhein-Westfalen ist, gehört zur Polizei dieses Landes ohne Wenn und Aber.

Der gesamte Wertekanon unserer Gesellschaft muss für alle Polizistinnen und Polizisten Leitschnur des Handelns sein. Ich hoffe, dass wir es in den nächsten Jahren hinbekommen, den Anteil von Migranten in der Polizei zu erhöhen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Minister. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der FDP der Kollege Witzel das Wort.

Frau Düker, wenn Sie so schön den Ball ins Spielfeld legen, kommen wir natürlich gern Ihrem Wunsch und Ihrer Bitte nach, noch einmal den Aspekt der Bildungschancen zu

diskutieren, den Sie ja in Ihrem Beitrag gestreift haben.

Innenminister Ingo Wolf hat schon wichtige Hinweise zur Einordnung des Problems insgesamt gegeben. Deshalb wollte ich noch einmal ganz ausdrücklich klarmachen – Frau Düker, auch wenn Sie gerade im Gespräch sind –: Wir haben ganz bewusst das neue Schulgesetz in NordrheinWestfalen auf den Weg gebracht als modernstes in ganz Deutschland, damit Kinder neue Chancen im Land der neuen Chancen bekommen.

(Zuruf von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

Deshalb gilt für uns, dass das, was Sie hinterlassen haben, nämlich den enormen Zusammenhang, die starke Korrelation von Bildungschancen und sozialer Herkunft …

(Monika Düker [GRÜNE]: Sie verschlimmern es noch!)

Es ist ja alles richtig, was Sie vorgetragen haben; das sind nur die Schuldaten noch aus Zeiten Ihrer Regierungsverantwortung, weil eben nachlaufend die Daten erst veröffentlicht werden. Das ist Ihre Abschlussbilanz, die Sie vorgetragen haben, Frau Düker.

(Beifall von FDP und CDU)

Herr Kollege Witzel …

Nein, das möchte ich hier gern zusammenhängend vortragen.

Deshalb sind wir angetreten, um hier zu handeln, weil wir sagen, Frau Düker: Es ist eine soziale Schande für unser Land, wenn die Intelligenz junger Menschen nicht genutzt wird, weil eben die sozialen Verhältnisse für den Bildungserfolg entscheidender sind als die Leistung der jungen Menschen.

Deshalb gehen wir hin und sorgen eben dafür, dass, weil es unterschiedliche Wohnquartiere gibt, die Sozialstruktur nicht 1:1 in die Bildungsstruktur projiziert wird. Wir schaffen die Schulbezirke ab.

Herr Kollege Witzel, gestatten Sie …

Das möchte ich hier gern vortragen im Rahmen meiner Redezeit.

Deshalb handeln wir gegen die Risikoschülerproblematik an unseren Schulen. Deshalb werden wir

dafür sorgen, Frau Düker, dass zukünftig, auch wenn Sie mir nicht so aufmerksam erscheinen...

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Wir ärgern uns über Sie!)

Herr Kollege Witzel, die Kollegin Beer möchte gern eine Zwischenfrage stellen, und ich möchte Sie gern fragen, ob Sie diese zulassen wollen, ja oder nein.

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

Ich möchte weiterhin gern im Zusammenhang vortragen.