Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten setzen uns dafür ein, dass der ländliche Raum eine nachhaltige Entwicklung bekommt. Wir setzen dabei auf ein integratives Konzept. Wir wollen lebendige ländliche Räume mit wettbewerbsfähigen Betrieben zusammen mit nachhaltigem Tourismus und nachhaltiger Energieversorgung. Und das unter Berücksichtigung der Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher an gesunden und hochwertigen Lebensmitteln. Der Koalitionsvertrag der neuen Regierung gibt zu dem Punkt nicht viel her und, Herr Minister Uhlenberg, Ihre Äußerungen bisher auch nicht.
Dass die CDU kein Konzept für den ländlichen Raum hat, lässt sich ganz einfach an drei Punkten nachweisen.
Der ländliche Raum wird bei Ihnen definiert über die Land- und Forstwirtschaft. Der ländliche Raum ist aber deutlich mehr und erfordert auch mehr als Land- und Forstwirtschaft.
Natürlich sind Land- und Forstwirtschaft tragende Säulen - das ist unumstritten und soll so bleiben -, aber der ländliche Raum hat deutlich mehr Potenzial, zum Beispiel im Tourismus oder in der Energieversorgung. Herr Uhlenberg, als Betreiber einer Windkraftanlage müssten Sie eigentlich wissen, dass da deutlich mehr Potenzial möglich ist.
Wir brauchen für den ländlichen Raum eine übergreifende Sichtweise und ein integriertes Konzept, das die nachhaltige Sicherung und Entwicklung dieser Region wirklich gezielt fördert. Die CDU hat kein Konzept. Das sieht man, weil Sie zu Land-
In der „WAZ“ vom 2. Juli war zu lesen, dass die Wettbewerbsfähigkeit das oberste Ziel für die Landwirtschaft ist. Da glaubt der Herr Minister, man könnte mit einem Preiskampf, mit billig erzeugten Lebensmitteln eine ganz gute Qualität erreichen.
Die EU-Kommission ist da schon deutlich weiter. Die sagt nämlich, dass es mehr Wettbewerbsfähigkeit und Lebensqualität bei Schonung der Umweltressourcen sind was wir uns zum Ziel gesetzt haben. Herr Uhlenberg, von Ihnen ist bisher nur etwas zu Wettbewerbsfähigkeit zu hören, in die anderen Richtungen noch gar nichts. Was ist denn mit dem Versprechen aus Ihrem CDU-Wahlprogramm, ein Gesamtkonzept für eine langfristig tragfähige Strategie für eine nachhaltige flächendeckende und wettbewerbsfähige Landwirtschaft zu entwickeln? Davon ist jetzt im Koalitionsvertrag nichts mehr zu lesen, und in der Regierungserklärung heute Morgen war es auch sehr knapp.
Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten haben bereits im Februar des letzten Jahres ein Konzept für eine zukunftsfähige Landwirtschaft in NRW beschlossen. Wir setzen auf eine leistungsstarke und wettbewerbsfähige Landwirtschaft. Dazu reicht es aber nicht, alleine auf betriebswirtschaftliche Aspekte abzustellen. Maßstab müssen die Verbraucherinnen und Verbraucher sein. Wir müssen von denen her denken, die die Lebensmittel nachher kaufen und essen sollen.
Zukünftige Agrarpolitik kann deshalb unserer Meinung nach nur erfolgreich sein, wenn sie Perspektiven für die landwirtschaftlichen Betriebe aufzeigt, wenn sie konsequent die Verbraucherinnen und Verbraucher in den Mittelpunkt stellt und sich an
den Märkten der Zukunft orientiert. Eine solche Politik führt dann zwangsläufig zu nachhaltiger Landwirtschaft, die die Balance zwischen Ökonomie und Ökologie findet, soziale und ethische Erfordernisse berücksichtigt und damit wettbewerbsfähig bleibt.
Der dritte Punkt, an dem man merkt, dass die Regierungskoalition noch kein integriertes Konzept hat, ist die EU-Ebene. Die Zukunft für den ländlichen Raum hängt ganz entscheidend von einer entsprechenden Sicherung dieses Raumes durch die EU-Ebene ab. Da geht es nicht, Herr Uhlenberg, dass Ihre Kanzlerkandidatin Merkel an der Frage der Finanzierung hin- und hereiert. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten haben in Regierungsverantwortung auf der EU-Ebene einen Richtungswechsel für den ländlichen Raum vorgenommen und damit auf Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit gesetzt.
Sie wissen, dass die Finanzierung der ersten Säule der EU-Agrarpolitik durch eine Verständigung von Bundeskanzler Gerhard Schröder und Jacques Chirac bis zum Jahre 2013 gesichert ist.
Die zweite Säule - das wissen auch alle, die sich damit beschäftigen - ist aber noch nicht gesichert. Da gibt es noch Diskussionen über die Finanzierung und noch keine Einigung. Dass man in dieser sensiblen Situation, wie es Frau Merkel getan hat, diesen Agrarkompromiss für die erste Säule infrage stellt, finde ich sehr gefährlich. Sie hat in der Europadebatte am 16. Juni gesagt, dass durch die Festlegung der Agrarsubventionen nur noch geringer Spielraum für die Zukunftsausgaben der EU vorhanden sei und von der künftigen Finanzplanung ein Zukunftssignal und nicht ein Signal der Vergangenheit ausgehen müsse.
Wenige Tage später macht sie dann auf dem Landfrauentag die Rolle rückwärts und sagt, dass sie sich für den Bestand der Finanzierung der ersten Säule einsetzt. Was denn nun? Ist die erste Säule der Finanzierung nur ein Signal der Vergangenheit, oder soll sie bleiben? Herr Uhlenberg, was meinen Sie dazu? Der ländliche Raum braucht an dieser Stelle sichere und verlässliche Rahmenbedingungen und kein Hin und Her.
Ich fasse zusammen: Die neue Landesregierung hat kein wirkliches Konzept für den ländlichen Raum. Sie spricht nur über Land- und Forstwirtschaft. Wir brauchen aber in diesem Haus ein Konzept für den ländlichen Raum und müssen es
auch diskutieren. In unserem Antrag sind erste Kernpunkte für ein solches Konzept skizziert. Da wir auf der europäischen Ebene vor wichtigen Entscheidungen stehen, müssen wir heute direkt abstimmen, damit wir noch die Möglichkeit haben, im Herbst dieses Jahres darüber zu debattieren.
Herr Uhlenberg, bei dem Thema „Ländlicher Raum und Landwirtschaftspolitik“ müssen Sie mit uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten rechnen.
Wir setzen uns dafür ein, dass der ländliche Raum eine Perspektive hat, die eine nachhaltige Entwicklung ermöglicht. Wir sind im Interesse des ländlichen Raums bereit, konstruktiv an einem Gesamtkonzept mitzuarbeiten. Ich fordere Sie deshalb auf, hier unser Konzept zu unterstützen.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Schulze. - Für die CDU-Fraktion hat Herr Abgeordneter Ortgies das Wort. - Bitte schön.
(Hans Peter Lindlar [CDU]: Sie haben vor fünf Jahren um die Zeit noch Koalitionsver- handlungen geführt, und jetzt wollen Sie von uns schon Ergebnisse haben!)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als ich in der letzten Woche den Antrag der SPD auf den Tisch bekam, habe ich gedacht: Es geschehen noch Zeichen und Wunder, die SPD entdeckt den ländlichen Raum -
und das, nachdem Sie sich um diesen Bereich kaum gekümmert und ihn zehn Jahre lang den Grünen überlassen haben.
Allerdings bin ich Ihnen für diesen Antrag auch ein wenig dankbar, gibt er uns doch die Gelegenheit, einige grundsätzliche Bemerkungen zu unserer Politik zu machen. Die CDU ist die einzige im Landtag vertretene Partei, die vor der Wahl ein agrarpolitisches Programm vorgelegt hat.
Ein darauf aufbauendes Programm werden wir in den nächsten Monaten erarbeiten und unsere Zusagen einhalten. Ich empfinde es schon als Zumutung, dass uns Rot-Grün nun Anträge vorlegt,
mit denen Sie uns vorschreiben wollen, wie wir die Fördermittel im ländlichen Raum verteilen sollen. Ich darf Sie daran erinnern, dass Sie am 22. Mai gerade auf dem Land dramatisch verloren haben - die SPD um die 10 %, die Grünen haben in vielen Fällen nicht einmal 5 % geschafft, in meinem Wahlkreis übrigens keine 4 %. Das war die Quittung einer zehn Jahre währenden Regierungszeit von Frau Höhn. Haben Sie das eigentlich schon vergessen?
Meine Damen und Herren von der SPD, es ist Ihnen nicht gut bekommen, in all diesen Jahren von einer Ministerin vorgeführt zu werden. Sie hat auf dem Land eine ideologisch verbrämte, die Landwirte drangsalierende Politik gemacht, um damit in den gut verdienenden Vorstädten Stimmen zu gewinnen. Diesen Widerspruch haben die Menschen erkannt, und darum sind Sie abgewählt worden.
In der rot-grünen Regierungszeit ist die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe von ca. 70.000 auf rund 50.000 zurückgegangen. Die Zahl der Arbeitskräfte hat sich von etwa 150.000 auf gut 100.000 verringert. Wenn man weiß, dass an jedem Direktbeschäftigten drei bis vier Beschäftigte im vor- und nachgelagerten Bereich hängen, sprechen wir von einem Arbeitsplatzverlust von mehr als 150.000. Das ist eine wahrlich „stolze Bilanz“. Nun tun Sie in Ihren Anträgen so, als könne das alles so weitergehen.
Wir werden die Schwerpunkte der Förderung anders setzen. Wir wollen in Nordrhein-Westfalen eine flächendeckende, nachhaltig wirtschaftende und wettbewerbsfähige Landwirtschaft erhalten. Ohne diese würde unser ländlicher Raum unattraktiv, arm und letztlich veröden. Es ist jedem klar, dass es in Deutschland und in NordrheinWestfalen unter den Bedingungen einer globalisierten Welt mit weitgehend offenen Märkten nur an wenigen von der Natur besonders gut bedachten Standorten möglich ist, kostendeckend zu wirtschaften. Dazu noch einige Zahlen: Der Getreidepreis liegt zurzeit mit weit unter 10 € je 100 kg historisch niedrig. Milch und Eier kosten seit 50 Jahren das Gleiche.
Die EU hat sich auf eine umfassende Agrarreform verständigt - Frau Schulze, Sie haben darauf reflektiert -, die im Januar in Kraft getreten ist. Wir sind uns darüber einig, dass eine Förderung des ländlichen Raums unerlässlich ist. Diese Förderung ist nun von der Produktion abgekoppelt worden. So sollten verlässliche Rahmenbedingungen bis ins Jahr 2013 geschaffen werden, aufgeteilt auf die erste Säule und die zweite Säule.
Für Nichtinsider: Die erste Säule umfasst, grob gesagt, die Direktzahlungen an die Betriebe, die zweite Säule umfasst die Entwicklung der ländlichen Räume mit den Bereichen Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit, Verbesserung der Umwelt, Diversifizierung und die LEADER-Programme.
Damit das klar ist: Wir wollen und werden diese Bereiche weiter fördern. Das sehen auch die EURichtlinien vor, die Mindestsätze für die einzelnen Bereiche vorschreiben. Wir werden allerdings die Schwerpunkte anders setzen. Wir wollen vor allen Dingen die Wettbewerbsfähigkeit und die Absatz- und Vermarktungswege stärken. Wir brauchen starke Partner gegenüber Handelsriesen wie Aldi oder Lidl, die ihre Marktmacht zurzeit gnadenlos ausnutzen. Der desaströse Milchpreis zeigt das im Augenblick besonders deutlich.