Das ist aber etwas, was auf Bundesebene entschieden wird. Die Kolleginnen und Kollegen der Union haben mit ihrem Bundestagswahlprogramm ihre Vorstellungen artikuliert, sogar in einer bemerkenswerten Offenheit. Ich sage dazu ausdrücklich: Ich habe eine andere Vorstellung. Aber die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes werden die Forderungen, die unterschiedlichen Konzeptionen oder fehlenden Konzeptionen zur Reform der sozialen Sicherungssysteme und unseres Steuersystems bewerten.
Wir werden abwarten, ob der Bundespräsident den Deutschen Bundestag auflöst und wir zu vorgezogenen Bundestagswahlen noch in diesem Jahr kommen werden. Dann haben wir relativ schnell und klar die Abstimmung darüber, ob die Bürgerinnen und Bürger eine Mehrwertsteuererhöhung für erforderlich, für akzeptabel halten oder nicht. Ich betone noch einmal: Aus Sicht der FDP ist eine Anhebung der Mehrwertsteuer nicht erforderlich. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Freimuth. - Für die Landesregierung hat Herr Finanzminister Dr. Linssen das Wort. Bitte schön.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Alle Redner haben betont, dass sie bereits in der vorigen Woche dieses oder jenes ausgeführt haben. Wenn es nunmehr das Ziel der neuen Opposition ist, hier jede Woche eine Debatte zum gleichen Thema anzuleiern, dann - verzeihen Sie mir - muss ich deutlich sagen: Es ist nicht Arroganz der Macht, wenn man nicht alles wiederholt, was man schon eine Woche vorher gesagt hat!
Was steht denn zur Diskussion? Zur Diskussion steht das, was die CDU/CSU in ihrem Wahlprogramm auf Seite 13 geschrieben hat:
„Wir senken den Beitragssatz in der Arbeitslosenversicherung ab 01.01.2006 um 2 Prozentpunkte von 6,5 % auf 4,5 %. Im Gegenzug erhöhen wir die Mehrwertsteuer ab 01.01.2006 um 2 Prozentpunkte von 16 % auf 18 % und führen strukturelle Veränderungen in der Bundesagentur für Arbeit mit entsprechenden Einsparungen durch.“
Das ist Fakt, jedenfalls Wahlkampfaussage. Und das entspricht einer Ehrlichkeit, die Sie offensichtlich noch nicht gelernt haben.
Ich wage einmal die vorsichtige Prognose: Sie bewegen sich bei diesem Thema ganz genauso wie bei dem Thema „Studiengebühren“. Auch da glaubten Sie aus kurzfristigem Populismus heraus, so etwas nicht sagen zu dürfen. Trotzdem haben die Wählerinnen und Wähler dafür Verständnis gehabt, dass wir ihnen die Wahrheit vorher gesagt haben. Sie werden auch sagen: Wir
sind bereit, die eine Kröte zu schlucken - die Mehrwertsteuererhöhung ist eine Kröte, selbstverständlich -,
dafür aber auch einen Vorteil in Kauf zu nehmen, der langfristig zu einer Besserung der Verhältnisse führt.
Dass man darüber auch in einer Volkspartei intensive Diskussionen führt, werden Sie großen Parteien doch sicherlich erlauben. Sie führen sie nicht. Sie entsprechen eigentlich nicht dem Anliegen Ihres früheren Ministerpräsidenten, der Sie ausdrücklich gebeten hat, eine intelligente Mehrwertsteuerdebatte zu führen.
Herr Dr. Linssen, Ihre Darstellung über eine offene Diskussion in einer Volkspartei ist sehr interessant. Das Parlament, das Hohe Haus, interessiert indes die Position der Landesregierung zu einer Erhöhung der Mehrwertsteuer. Würden Sie die bitte nachtragen?
Ja. - Lieber Herr Horstmann, darüber habe ich vorige Woche geredet, und darüber rede ich jetzt auch. Ich habe erst einmal die Genesis dieses ganzen Kapitels aufgeführt. Es kommt aus einer großen Volkspartei. Es kommt nicht aus Ihrer, sondern aus der anderen großen Volkspartei. In der Abwägung der Vor- und Nachteile hat sich diese Volkspartei nun dazu entschieden, den Mehrwertsteuersatz zu erhöhen, um damit Belebung für den Arbeitsmarkt zu erzeugen. Das ist der Hintergrund.
Darüber kann man lange debattieren. Es ist die Meinung einer Partei. Ich habe die Meinung der Landesregierung schon in der vorigen Woche vorgetragen. Ich habe gesagt: Natürlich ist eine Mehrwertsteuererhöhung ein Nachteil für die Kon
junktur. - Aber ich habe auch erklärt: Wir sind bereit, darüber zu diskutieren, ob nicht der Vorteil überwiegt. - So, in der Diskussionslage befinden wir uns. Ich meine, dass man, wenn man ein bisschen intelligent debattiert, darüber sprechen kann.
Nun haben Sie, Frau Walsken, gemeint, Sie müssten schon jetzt überlegen, wie viel von den 16 Milliarden die Länder bekommen, was sie damit machen. Das sind alles ungelegte Eier. Das ist die Aussage, die hier im Programm steht, jedenfalls so, wie ich es gelesen habe. Wenn von dem Betrag tatsächlich etwas für die Länder übrig bleiben sollte - in erster Linie geht es um die Senkung der Lohnnebenkosten, und das ist Sache des Bundes -, dann werden wir es nur so verwenden - das ist Meinung dieser Koalition -, dass wir damit auf jeden Fall dem gerecht werden, was da heißt: Sozial ist, was Arbeit schafft. - Nur das ist bezweckt.
Zum Stopfen von Haushaltslöchern kommt der Betrag nicht infrage. Das werden wir Ihnen nachweisen, und damit hat sich die ganze Debatte dann eigentlich auch in Luft aufgelöst. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Finanzminister. - Es liegt noch eine Wortmeldung von Herrn Becker, Bündnis 90/Die Grünen, vor. Sie haben noch eine Minute. Bitte schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als Neuling in diesem Parlament nehme ich mit Interesse zur Kenntnis, dass der Begriff „Ehrlichkeit“ eine zentrale Rolle zu spielen scheint. Er scheint mir allerdings eine zentrale Rolle zu spielen aus einer Sicht, die mir bei diesem Begriff bisher fremd war. Ich halte es nicht für ehrlich, dass Sie Rot-Grün jahrelang vorzuführen versucht haben mit der angeblichen Absicht, die Mehrwertsteuer nicht zu erhöhen.
Ich halte es nicht für ehrlich, dass Sie in den letzten Jahren allen Abbau von Subventionen blockiert haben und heute so tun, als hätten Sie plötzlich neuere Erkenntnisse bekommen. Wenn das Ihre Ehrlichkeit ist, dass Sie sozusagen beliebig Ihre Position wechseln, Herr Ministerpräsident - Sie haben heute Morgen von Verlässlichkeit geredet -,
dann kann ich nur sagen: Das ist nicht ehrlich, das ist nicht verlässlich, und das war jahrelang Blockade, alles das, was Sie hier wie eine Oppositionsfraktion heute noch vor sich hertragen.
Meine Damen und Herren, als Neuling kann ich nur sagen: Das ist ein armes Spiel, das Sie hier veranstalten - weder verlässlich, weder ehrlich noch seriös.
Die antragstellende Fraktion der SPD hat direkte Abstimmung beantragt. Wir kommen deshalb zur Abstimmung über den Inhalt des Antrags Drucksache 14/30. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um das Handzeichen. - SPD-Fraktion und Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Wer ist dagegen? - Fraktion der FDP und Fraktion der CDU. Damit ist dieser Antrag mit der Mehrheit von CDU und FDP abgelehnt.
Es liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP in der Drucksache 14/65 vor. Wer für diesen Entschließungsantrag ist, den bitte ich um das Handzeichen. - CDU und FDP. Wer ist dagegen? - SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Damit ist dieser Entschließungsantrag mit den Stimmen von CDU und FDP angenommen.
7 Zukunftsfähigkeit des ländlichen Raums in Nordrhein-Westfalen durch integrierte nachhaltige Politik sichern und ausbauen
Hierzu gibt es einen Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der Drucksache 14/62.
Ich eröffne die Beratung und gebe für die antragstellende SPD-Fraktion Frau Svenja Schulze das Wort. Bitte schön.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Nordrhein-Westfalen ist nicht nur ein Industrie- und Wirtschaftsland und da die Nummer eins in Deutschland, sondern auch durch den
ländlichen Raum geprägt. Rund drei Viertel aller Kommunen in NRW liegen im ländlichen Raum. Er ist Lebensgrundlage für über 7 Millionen Menschen in Nordrhein-Westfalen. Der ländliche Raum ist von erheblicher wirtschaftlicher, ökologischer und kultureller Bedeutung. Deswegen fordern wir heute die Landesregierung auf, für diesen Raum ein Konzept vorzulegen.
Dass das nötig ist, hat die Regierungserklärung heute Morgen gezeigt. Da war nämlich vom ländlichen Raum nicht ein einziges Mal die Rede.
Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten setzen uns dafür ein, dass der ländliche Raum eine nachhaltige Entwicklung bekommt. Wir setzen dabei auf ein integratives Konzept. Wir wollen lebendige ländliche Räume mit wettbewerbsfähigen Betrieben zusammen mit nachhaltigem Tourismus und nachhaltiger Energieversorgung. Und das unter Berücksichtigung der Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher an gesunden und hochwertigen Lebensmitteln. Der Koalitionsvertrag der neuen Regierung gibt zu dem Punkt nicht viel her und, Herr Minister Uhlenberg, Ihre Äußerungen bisher auch nicht.