(Dr. Gerhard Papke [FDP]: Was heißt „zu- rückgewinnen“? – Ralf Witzel [FDP]: Über- haupt erst gewinnen! – Gegenruf von Hans- Willi Körfges [SPD]: Sie dürfen auch im Ste- hen applaudieren!)
Die Grünen wollten vielleicht zu der Koalitionsvereinbarung von 1995 zurückkommen, in die sie etwas von nachhaltiger Finanzpolitik hineingeschrieben haben. Wenn Sie das lesen, würden sogar Sie, Herr Papke, sagen: Das ist eigentlich ganz nett. – Nur haben die Grünen inzwischen durch die Praxis bewiesen, dass das alles nur beschriebenes Papier war und mit der Wirklichkeit nichts zu tun hatte.
Als ich mir die Debatte anhörte, kam mir wirklich manchmal der Gedanke, dass der Müntefering Recht hat: Opposition ist Mist. Du kannst dich nicht hinstellen und einfach nur sagen: Das habt ihr gut gemacht. Wir freuen uns mit euch über die Steuermehreinnahmen. Also: Der Nachtragshaushalt ist wirklich eine gute Sache. Wir freuen uns auch, dass ihr offensichtlich aus Minderausgaben die zwangsläufigen Mehrausgaben decken konntet. – Das hätte man eigentlich sagen müssen.
(Hans-Willi Körfges [SPD]: Das tun wir doch die ganze Zeit! – Gisela Walsken [SPD]: Das habe ich doch!)
Als Opposition muss man sich eigentlich überlegen: Du solltest in bestimmten Bereichen, in denen du keine Schnitte kriegst, der Regierung ruhig einmal zustimmen.
(Hans-Willi Körfges [SPD]: Ich erinnere mich noch ganz deutlich an die Zustimmung von Herrn Diegel!)
Das haben wir früher hin und wieder auch getan; deshalb sind wir heute auch an der Regierung. Man muss nämlich eine bestimmte Kompetenz haben. – Nehmen Sie andere Felder und hauen da richtig drauf – aber nicht so querbeet auch da, wo Sie schlechte Karten haben.
und nach Möglichkeit ein Zerrbild zeichnen müssen, habe ich sogar Verständnis; denn wenn sich das in der Bevölkerung durchsetzen sollte, haben Sie es natürlich schwer.
Frau Walsken, wir haben uns nach der Steuerschätzung im Mai darüber gestritten, ob wir 300 Millionen € oder 490 Millionen € mehr etatisieren sollen. Sie waren bei 490 Millionen €, ich als vorsichtiger Kaufmann bei 300 Millionen €.
Hören Sie mal, Sie müssen die Gedanken doch noch irgendwie sortieren! Ich müsste Sie konsequent, logisch gedacht, entsprechend Ihrem Vortrag zwangsläufig wegen des Ansatzes von nur 490 Millionen € Steuermehreinnahmen als Bilanzfälscherin darstellen.
(Gisela Walsken [SPD]: Machen Sie das, wenn Sie es belegen können! – Hans-Willi Körfges [SPD]: Wenn Sie das in gleicher Weise bei sich machen, gehen wir mit!)
Sie haben einen zweiten Vorwurf erhoben. Sie haben gesagt, was ich sage, sei alles unehrlich. Ich würde die Beträge dem Parlament systematisch vorenthalten.
Liebe Frau Walsken, dieses Parlament hat mit seinen Regierungsfraktionen, also der Mehrheit, beschlossen: Jede Steuermehreinnahme geht in die Reduzierung der Nettoneuverschuldung.
Das ist doch nicht am Parlament vorbei geschehen. Das Parlament weiß ganz genau: Ich will nicht mehr Geld ausgeben.
Ich habe aber an der Äußerung von Frau Gödecke erkannt, wie Sie denken. Sie ticken einfach anders als wir. Sie sagen: Es kommen mehr Steuereinnahmen, dann muss ich auch mehr ausgeben. Wofür sind die denn da! – Wir sagen: Nein! Die sind zur Rückführung der Nettoneuverschuldung da, damit wir in diesem Land endlich einmal solide werden. Das ist unser Bestreben.
Frau Walsken, Sie haben weiter vorgetragen, ich hätte einen Tag, bevor die Steuerschätzung gekommen sei, diesen Nachtrag vorgelegt. Natürlich habe ich das nicht getan. Wir kannten die Steuerschätzung, die Ihnen ja inzwischen, wie wir vermuten, auch in ihrer Regionalisierung ein bisschen bekannt ist, weil Ihnen ja auch etwas erzählt wird. Dann müssen Sie, wenn Sie die Zahl kennen und wir 1,15 Milliarden € ansetzen, berücksichtigen – vielleicht darf ich Ihnen das vortragen, ohne als arrogant verschrien zu sein –, dass wir eine Erbschaftsteuerreform vor der Brust haben. Da sind nach dem, was man in der Zeitung lesen kann, insgesamt 500 Millionen € Mindereinnahmen für den Bund zu erwarten. Davon entfallen 20 % auf Nordrhein-Westfalen. Dann können Sie die ersten 100 Millionen € schon mal abschreiben. Man kann aber auch noch von anderen Fällen und von Konjunkturprognosen lesen. Deshalb gehe ich lieber an die untere Schätzungskante als an die obere.
Ich überlege mir dauernd, weshalb Sie uns verleiten wollen, doch möglichst bis an die oberste Kante zu gehen. Darüber kann man ja einmal nachdenken. Natürlich möchten Sie gerne, dass ich mich hier irgendwann einmal hinstellen und sagen muss: Leider habe ich mich verschätzt. Die Steuereinnahmen haben nicht die Höhe erreicht, die wir erwartet haben. – Was meinen Sie, was dann los ist? Dann hätten Sie einen guten Tag. Aber diesen guten Tag wünsche ich Ihnen nicht, den gönne ich Ihnen nicht. Deshalb bleiben wir bei der vorsichtigen Art, Haushalte aufzustellen.
Vielen Dank, Herr Minister Linssen. – Für die SPD-Fraktion hat jetzt der Herr Abgeordnete Körfges das Wort. Bitte.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben hier gerade den selbst ernannten, sprichwörtlich legendär gewordenen ehrbaren Kaufmann gehört, der versucht hat, der geneigten Öffentlichkeit und dem Parlament seine umsichtige Sicht der Dinge zur Erbauung der Koalitionsfraktionen – man hat ja gesehen, dass man ihnen damit immer wieder eine Freude macht – darzulegen. Eben ist viel von Realität die Rede gewesen. Ich will mich darum bemühen, das alles in einen etwas realeren Zusammenhang, in einen weniger anbetungswürdigen Zusammenhang zu bringen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, man kann den Eindruck bekommen, als seien die Mehrheitsfraktionen vor lauter Anbetung und Verehrung ihres Finanzministers ein bisschen in Schwierigkeiten beim politischen Koordinatensystem. Der Kollege Klein hat hier eben sehr deutlich dargestellt, was er von unserem Recht – auch von seinem Recht –, vom Haushaltsrecht des Parlamentes im Verhältnis zu dem hält, was der Finanzminister an Einschätzungen und Schätzungen immer wieder von sich gibt. Es geht nicht darum, wen der Herr Finanzminister zum Mitarbeiter des Monats ernennt, sondern darum, dass uns allen klar ist, wer der Haushaltsgesetzgeber in unserem Lande ist. Das sind nämlich wir, das Parlament, und niemand anders.
In diesem Zusammenhang befremdet es schon ganz erheblich, wenn wir zum wiederholten Mal zur Kenntnis nehmen müssen, dass sich der Herr Finanzminister bei der Veranschlagung von Steuereinnahmen ganz erheblich getäuscht hat.
Lassen Sie mich etwas zum Rückblick sagen, der eben vielfach zitiert worden ist. Irgendwann müssen Sie einmal aufhören mit dieser Rückwärtsbezogenheit. Sie haben sich wählen lassen, um die Zukunft des Landes zu gestalten. Von daher ist es immer schwierig, nach hinten zu gucken.
Wir haben uns seinerzeit wie viele andere Bundesländer – den Beweis haben wir im HFA mehrfach angetreten – an die Steuerschätzungen gehalten. Wir wären froh darüber, Herr Finanzminister, wenn Sie heute das Gleiche tun würden.
leider ein wenig widersprechen – stellt sich aus unserer Sicht bei dieser Täuschung – wer worüber getäuscht wurde, darüber kann man lange diskutieren – nicht. Ich denke eher, man muss die Frage nach der Berechnung stellen. Worin liegt die Absicht? Richtig ist, meine Damen und Herren, dass man nicht überschätzen darf. Das gilt allerdings auch für Finanzminister. Deshalb verlangen wir nicht mehr und nicht weniger als eine realistische Veranschlagung der Steuereinnahmen des Landes, um dem Parlament zum richtigen Zeitpunkt – ich betone: zum richtigen Zeitpunkt! – die Möglichkeit zu geben, seiner Verantwortung als Haushaltsgesetzgeber gerecht zu werden. Aus diesem Grunde haben wir einen Nachtragshaushalt zum richtigen Zeitpunkt verlangt.
Heute beraten wir über einen Nachtragshaushalt in Kenntnis der Tatsache – die Kollegin Walsken hat darauf hingewiesen –, dass die Steuereinnahmen noch wesentlich höher ausfallen werden als veranschlagt. Das erfordert aus unserer Sicht, Herr Finanzminister, eine zeitnahe Ergänzung des Nachtragshaushaltes. Bekanntlich sind nämlich – darüber kann man auch bei sehr vorsichtigen Schätzungen nicht hinweg – die letzten Monate des Jahres die einnahmestärksten im ganzen Jahr.
Ich freue mich darüber, dass die Kollegin Freimuth so viel Spaß am Thema Prozesskostenhilfe hat; ich denke, darüber kann man an der richtigen Stelle auch diskutieren. Das war aber erkennbar der Versuch, am Thema vorbeizudiskutieren, warum Sie nicht zum richtigen Zeitpunkt reagiert haben.
Wir wollen uns jedenfalls nicht darauf beschränken lassen, jeweils die vom Finanzminister freundlicherweise eingeräumten Abweichungen von der Realität nach dem Motto „Besser spät als nie“ zur Kenntnis zu nehmen. Das wird unserer Gesamtverantwortung nicht gerecht.