Protokoll der Sitzung vom 16.11.2006

Die im Haushaltjahr 2006 zu erwartenden Steuereinnahmen werden von bisher 35,245 Milliarden € um 1,2 Milliarden € auf nunmehr 36,445 Milliarden € erhöht. Dazu haben wir uns entschlossen, weil die Ist-Einnahmen der Monate Januar bis September 2006 um 1,713 Milliarden € höher waren als das entsprechende Vorjahresergebnis.

Eingeplant waren im Haushalt 2006 insgesamt Steuermehreinnahmen von gut 544 Millionen € im Vergleich zu 2005. Das heißt, im Haushaltsvollzug bis einschließlich September haben wir rund 1,2 Milliarden € mehr vereinnahmt, als wir für das gesamte Jahr geplant hatten.

Ob und in welchem Umfang auch in den letzten drei Monaten dieses Jahres noch Mehreinnahmen anfallen, ist zurzeit noch nicht sicher einzuschätzen. Da aber Mindereinnahmen im Vergleich zum letzten Vorjahresquartal unwahrscheinlich sind, haben wir unterstellt, dass die Steuereinnahmen der noch ausstehenden Monate zumindest denen des Vorjahres entsprechen. Demzufolge haben

wir den Steueransatz im Nachtrag um 1,2 Milliarden € erhöht.

Den Ansatz für den Länderfinanzausgleich – das hatte ich bereits erwähnt – haben wir im Nachtragshaushalt um 280 Millionen € abgesenkt. Dabei sind die bislang vorliegenden Abrechnungen und die bis zum Ende des Haushaltsjahres 2006 voraussichtlich noch zu leistenden Zahlungen berücksichtigt.

Insgesamt ergeben sich damit Haushaltsverbesserungen in Höhe von 1,48 Milliarden €, die wir in vollem Umfang für die Absenkung der Neuverschuldung verwenden.

(Beifall von Volkmar Klein [CDU])

Dadurch sinkt die Nettoneuverschuldung von gut 5,6 Milliarden € auf 4,108 Milliarden €.

(Beifall von Volkmar Klein [CDU])

Durch die konsequente Umsetzung unserer haushaltspolitischen Leitlinie gelingt es uns in 2006, einen Primärüberschuss zu erzielen. Das heißt, die Neuverschuldung ist in diesem Jahr erstmals seit Langem wieder geringer als die Zinsausgaben in Höhe von knapp 4,7 Milliarden €. Im Hinblick auf die weiterhin angespannte Lage der Landesfinanzen ist dies sicherlich kein Grund zu allzu großer Euphorie. Der positive Primärsaldo zeigt aber, dass wir uns auf dem richtigen Weg befinden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Veranschlagung in Höhe von 1,48 Milliarden € Haushaltsverbesserungen dient übrigens neben der höchst erfreulichen Absenkung der Nettoneuverschuldung auch der Haushaltswahrheit und -klarheit. Und sie verhindert das Entstehen fortgeltender Kreditermächtigungen, mit denen die Vorgängerregierungen – Sie erinnern sich – so gerne jongliert haben.

Der Nachtrag 2006 enthält aber auch zwangsläufige Mehrausgaben in Höhe von 119,9 Millionen €. Diese Mehrausgaben, auf die das Land keinen Einfluss hat, werden allerdings die Nettoneuverschuldung nicht erhöhen. Sie sind vollständig durch Minderausgaben beziehungsweise nichtsteuerliche Mehreinnahmen gedeckt. Die größeren Positionen möchte ich an dieser Stelle kurz erläutern.

10 Millionen € entfallen auf Mehrausgaben für Auslagen in Rechtssachen. Im ursprünglichen Entwurf hatten wir den Ansatz gegenüber dem Ist 2005 bereits um 5 Millionen € erhöht. In Anbetracht der bisherigen Ausgabeentwicklung ist jedoch von einer weiteren Ausgabensteigerung in

Höhe von 10 Millionen € auszugehen. Dies liegt insbesondere an den Ausgaben für Prozesskostenhilfe und den Auslagen in Insolvenzsachen, wo sich jeweils erhebliche, bei der Haushaltsaufstellung nicht zu erwartende Mehrausgaben ergeben haben.

6,3 Milliarden € machen die Mehrausgaben für Aufwandsentschädigungen und Vergütungen an Vormünder, Pfleger und Betreuer aus. Bei der Haushaltsaufstellung waren wir insbesondere durch das Zweite Betreuungsrechtsänderungsgesetz von Mehrausgaben in Höhe von 5 % gegenüber 2005 ausgegangen.

(Vorsitz: Vizepräsidentin Angela Freimuth)

Dass nach derzeitiger Einschätzung mit einer Ausgabensteigerung um 9 % zu rechnen ist, liegt an einer unerwartet hohen Zunahme der Fallzahlen.

7,5 Millionen € Mehrausgaben entstehen im Bereich des Hochschulbafög. Die Zahl der Studierenden ist stärker gestiegen, als es bei der Verabschiedung des Haushaltes abzusehen war. 60 % der Mehrausgaben trägt allerdings der Bund, sodass beim Land netto eine Belastung von 2,625 Millionen € verbleibt.

7,8 Millionen € entfallen auf Aufwendungen nach dem Opferentschädigungsgesetz. Der Ansatz 2006 lag zwar schon um 3 Millionen € über dem Ist 2005. Tatsächlich zeichnen sich jedoch weitere Mehrausgaben in Höhe von 7,8 Millionen € ab. Ausschlaggebend sind vor allem die unerwartet stark steigenden Fallzahlen im Bereich der Fürsorgeleistungen. Insbesondere bei der Jugendhilfe fallen höhere Ausgaben an.

Meine Damen und Herren, den weitaus größten Batzen bei den Mehrausgaben, nämlich 70 Millionen €, machen die Krankenhausinvestitionen aus. Aufgrund des schnelleren Baufortschritts bei bereits bewilligten Projekten sind Zahlungen schneller fällig. Es handelt sich demnach nicht um echte Mehrausgaben. Dem Plus in 2006 stehen in den Jahren 2008 bis 2010 entsprechende Minderausgaben gegenüber. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn wir uns bei Beratungen der Haushalte 2008 ff. daran erinnern würden. Weil sich die Kommunen im Haushaltsjahr 2006 mit 20 % an den förderfähigen Investitionsmaßnahmen beteiligen, erhöhen sich die korrespondieren Einnahmen um 14 Millionen €.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Zuwendungen an die Gemeinden zu den Betriebskosten für Tageseinrichtungen für Kinder mussten wir um 17,9 Millionen € aufstocken. Zum einen erhöhen

nicht vorhersehbare Kostensteigerungen zum Beispiel bei Kaltmieten, Energie und Personal die Abschlagszahlungen des laufenden Jahres. Durch die Endabrechnung der Kommunen in 2006 haben sich zum anderen Nachzahlungsverpflichtungen für frühere Jahre ergeben. Es ist wohl, solange das Kindergartengesetz in der alten Form besteht, jährlich das Gleiche.

Diese zwangsläufigen Mehrausgaben von insgesamt 119,9 Millionen € werden – ich sagte es bereits – durch nicht steuerliche Mehreinnahmen und Minderausgaben vollständig gedeckt. Allein 65 Millionen € bekommen wir von der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder erstattet. Das Land profitiert hier von dem rückwirkenden Inkrafttreten einer Satzungsänderung. 14 Millionen € erhält das Land von den Gemeinden und Gemeindeverbänden im Zuge der eben genannten Erhöhung der Krankenhausinvestitionen um 70 Millionen €. 13 Millionen € Minderausgaben fallen an, weil nach einer aktuellen Hochrechnung Verstärkungsmittel für Versorgungsausgaben nicht in Anspruch genommen werden müssen.

Die übrigen Minderausgaben beziehungsweise Mehreinnahmen verteilen sich auf diverse Einzelpositionen, die Sie bitte der Gesetzesvorlage entnehmen wollen.

Der Landeshaushalt, meine Damen und Herren, hat sich im Laufe des Jahres erfreulicher entwickelt, als wir das zum Zeitpunkt der Haushaltsaufstellung erwarten durften. Wir sind auf unserem Konsolidierungspfad – sicherlich auch begünstigt durch die Verbesserung der gesamtwirtschaftlichen Situation – einen weiteren Schritt vorangekommen.

Das heißt aber nicht – das sage ich an dieser Stelle noch einmal mit aller Deutlichkeit –, dass damit Geld für neue Begehrlichkeiten vorhanden ist. Trotz der Steuermehreinnahmen bleibt die finanzielle Situation des Landes weiterhin angespannt.

Wir sind auch weit davon entfernt, zu sagen: Wir sind über den Berg. Bei einem Schuldenberg von 113 Milliarden € wäre dies geradezu vermessen. Das Land zahlt knapp 4,7 Milliarden € Zinsen jährlich. Mit dem eingebrachten Nachtragshaushalt senken wir zwar die Neuverschuldung um 1,48 Milliarden € und verringern damit den Abstand zur Regelobergrenze der Kreditaufnahme um mehr als 1,5 Milliarden €.

Dennoch übertrifft die Nettoneuverschuldung die eigenfinanzierten Investitionen weiterhin um 776 Millionen €. Es ist uns nach wie vor objektiv

unmöglich, unsere in der Landesverfassung verankerten Aufgaben zu erfüllen und gleichzeitig die Regelobergrenze der Kreditaufnahme einzuhalten.

Durch unseren konsequenten Konsolidierungskurs werden wir dieses Etappenziel mit dem Haushalt 2007 wieder erreichen. Das ist sicherlich erfreulich, aber wir dürfen nicht vergessen, dass damit zunächst nur das Verschuldungstempo gedrosselt wurde. Wir sind immer noch weit davon entfernt, den Landeshaushalt ohne Neuverschuldung ausgleichen zu können, geschweige denn mit der Tilgung der Altschulden zu beginnen.

Ferner wird in den nächsten Jahren – auch bei geringer werdender Nettoneuverschuldung – die Gesamtverschuldung des Landes weiter anwachsen. Es ist fest damit zu rechnen, dass dadurch ebenfalls die Zinsausgaben des Landes weiter steigen werden.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt weitere Herausforderungen: Die Pensionslasten wachsen dramatisch, 2008 gibt es tarifbedingt höhere Personalkostensteigerungen und noch haben wir keine Klarheit über die Kohlesubventionen in den nächsten Jahren.

Diesen Kreislauf müssen wir durchbrechen. Deshalb dürfen wir in unseren Konsolidierungsbemühungen nicht nachlassen. Über zusätzliche Wohltaten brauchen wir uns daher bis auf Weiteres keine Gedanken zu machen.

Es geht, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch nicht um die vom Kollegen Schartau im Haushalts- und Finanzausschuss am 27. April 2006 aufgeworfene Frage – ich darf zitieren –:

„Was hat das arme Kind von heute von einem zukünftig ausgeglichenen Landeshaushalt?“

Davon abgesehen, dass wir bei notwendigen Kürzungen darauf geachtet haben, dass es gerecht und mit Augenmaß zugeht, ist es dringend notwendig, so schnell wie möglich dauerhaft finanzpolitische Handlungsspielräume zurückzugewinnen.

(Lachen von Hannelore Kraft [SPD])

Denn sonst tragen wir in absehbarer Zeit das Geld nur noch als Zinsen für ausufernde Schulden zu den Banken.

(Gisela Walsken [SPD]: Das gucken wir uns gleich noch einmal an!)

Wir wollen nämlich auch in Zukunft weiterhin diejenigen unterstützen, die unsere Hilfe in besonderem Maße benötigen.

(Zuruf von Hannelore Kraft [SPD])

Wir müssen die finanzpolitischen Herausforderungen der nächsten Jahrzehnte, vor allem die aus der Demografie erwachsenden Probleme, meistern. Deshalb – das betone ich an dieser Stelle mit allem Nachdruck –: Wir dürfen, liebe Kolleginnen und Kollegen, nicht auf Kosten künftiger Generationen wirtschaften. – Herzlichen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Minister Dr. Linssen. – Als nächste Rednerin hat nun für die Fraktion der SPD die Kollegin Walsken das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Finanzminister Dr. Linssen, natürlich teile ich Ihre Freude darüber, dass die Steuerquellen in unserem Lande wieder sprudeln, weil die rotgrüne Bundesregierung konsequent in ihrem Kampf im Bundesrat gegen die CDU-geführten Länder dafür gesorgt hat, dass die Konsolidierungsbeschlüsse umgesetzt werden. Davon profitieren Sie jetzt. Wir freuen uns trotzdem.

(Beifall von der SPD)

Es passierte aber ohne Ihr Zutun, denn die Steuerquellen in Nordrhein-Westfalen sprudelten schon vor dem Regierungswechsel. Das können Sie nachlesen, meine Damen und Herren. Deshalb, Herr Dr. Linssen, sage ich es einmal so: Schöne fremde Federn allein machen noch keinen stolzen Gockel.

Deshalb möchte ich mich heute gerne dem Teil der Wahrheit widmen, den Sie hier trotz eines Feuerwerks von Zahlen bewusst ausgeklammert haben, einem Teil, den sie verschwiegen haben und der dazu führt, dass Sie, seitdem Sie im Amt sind, Einnahmen für das Parlament systematisch verschweigen.

(Beifall von der SPD)

Damit haben Sie sich – neben dem Wunsch, der ehrliche Kaufmann zu sein – mittlerweile den Ruf des Bilanzfälschers eingehandelt. Ich möchte Ihnen heute klarmachen, warum das auch für das Werk, das Sie gerade hier vorgestellt haben, in besonderem Maße gilt.

Sie haben nämlich bereits, als wir im Haushalts- und Finanzausschuss in diesem Jahr darüber diskutiert haben, was nach der Steuerschätzung im Mai an Einnahmen in den Haushalt soll, zu wenig