Sie haben nämlich bereits, als wir im Haushalts- und Finanzausschuss in diesem Jahr darüber diskutiert haben, was nach der Steuerschätzung im Mai an Einnahmen in den Haushalt soll, zu wenig
angesetzt. Damals hätten Sie die Möglichkeit gehabt – die SPD-Fraktion hat Sie deutlich aufgefordert –, nicht 300 Millionen € zusätzliche Einnahmen, sondern 500 Millionen € Steuermehreinnahmen zu veranschlagen.
Sie haben unsere Ablehnung immer wieder breit kommentiert und haben gesagt: Wir sind unehrlich; wir sind nicht seriös. Die wirklich richtigen Zahlen müssen Sie heute vorlegen und damit dokumentieren, dass wir damals Recht hatten. Aber das ist nicht unser Thema. Viel wichtiger ist, dass Sie die Entwicklungen der Einnahmen in Nordrhein-Westfalen seit Mai systematisch runterreden.
Da will ich gerne, meine Damen und Herren, auch für diejenigen, die uns heute als Gäste begleiten, noch einmal kurz die Zahlen nennen. Schon im Juni hatten wir 1 Milliarde € mehr Steuern im Haushalt als noch im letzten Jahr. Im Juli waren es 1,3 Milliarden €. Ende Juli haben wir wieder gesagt: Herr Finanzminister, Sie müssen etwas tun! Sie müssen dem Parlament einen Haushalt vorlegen! Sie müssen korrigieren, was Sie bereits jetzt angesetzt haben! – Nein, er hat es nicht getan. Im August waren es 1,5 Milliarden €, im September 1,7 Milliarden €, und das in NordrheinWestfalen, meine Damen und Herren!
Frau Kollegin Walsken, gestatten Sie mir, Sie zu unterbrechen? – Der Kollege Kern würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen. Lassen Sie die zu?
Liebend gerne. – In der Tat wäre es schön gewesen, wenn ich den Satz hätte zu Ende sprechen dürfen. Aber liebend gerne. Ich war gerade dabei aufzuzählen, dass – vielleicht darf ich das noch sagen – im September die Steuereinnahmen auf 1,7 Milliarden € angestiegen waren. – Jetzt ist der Kollege dran.
Frau Walsken, Sie haben eben unserem Minister vorgeworfen, dass er Zahlen verschleiere. Erklären Sie mir doch einmal das Niederstwertprinzip!
Herr Kollege, Entschuldigung, das war nicht nur ein akustisches Missverständnis. Danke, Herr Kollege Peschkes, für Ihren Zwischenruf. Das war nicht nur ein akustisches Missverständnis. Ich glaube, Sie müssen sich von den Kollegen – Herr Petersen und Herr Klein sind hier – einmal erklären lassen, worum es wirklich geht.
Meine Damen und Herren, ich würde meine Rede gern an der Stelle fortsetzen, an der ich gerade unterbrochen worden bin: Ich habe vor den Sommerferien noch Minister Linssen aufgefordert, einen Nachtragshaushalt vorzulegen, weil klar war, dass die Steuerschätzungen deutlich über dem liegen, was er dem Parlament in den Haushalt hineingeschrieben hat.
Nun haben wir gedacht, das jetzige Werk, dieser Nachtragshaushalt, ist so seriös, dass er wirklich das abbildet, was sich zurzeit auf unserer Einnahmenseite tut. Aber nein, der Minister nimmt nicht das Ergebnis der Steuerschätzung – die Steuerschätzungen werden immer im Mai und im November veröffentlicht –, sondern er legt einen Tag vorher seinen Nachtragshaushalt vor. Und was stellen wir fest? – Es fehlt wieder eine halbe Milliarde Euro zu dem, was die Steuerschätzer festgestellt haben.
Eine halbe Milliarde Euro, meine Damen und Herren! Das, was er selbst dazu im Nachtragshaushalt niedergeschrieben hat, will ich gerne einmal verlesen. Er sagt, er habe die Steuermehreinnahmen vorsichtig veranschlagt und – jetzt wird es wörtlich – werde „die Summe bis zur Vorlage des Nachtragshaushalts an den tatsächlich eingegangenen Steuereinnahmen messen“.
Meine Damen und Herren, das ist unseriös. Das ist Bilanzfälschung. Das werden wir hier nicht durchgehen lassen.
Herr Kollege, das Schöne an der Sache ist: Zahlen sind nicht zu interpretieren. Die können Sie einfach nachschauen.
Schauen Sie auf die Internetseite des Finanzministeriums. Seit gestern wissen wir das. Das ist das eigentlich Entscheidende. Wir haben seit gestern Klarheit darüber, dass am 31. Oktober diesen Jahres das Land Nordrhein-Westfalen 2 Milliarden € mehr Steuereinnahmen hat.
Gehen Sie auf die Internetseite von Herrn Finanzminister Linssen! Schauen Sie sich die Zahlen an! Das, meine Damen und Herren, ist der eigentliche Skandal.
Jetzt komme ich zu dem, was dahinter steckt. Worum geht es eigentlich? – Da schauen wir uns einmal an, was 2006 hier tatsächlich an Politik gemacht worden ist. Da setzt sich das fort, was wir gestern Morgen in der Aktuellen Stunde gehört haben, nämlich eine Politik, die versucht, die Menschen gegeneinander auszuspielen, Junge gegen Alte, Arbeitslose gegen Arbeitende – das haben wir gestern gehört –, Schwache gegen Starke.
Jetzt schaue ich mir einmal den Haushalt 2006 an, liebe Kolleginnen und Kollegen, und gebe Ihnen nur wenige Beispiele. Da haben Sie die Übungsleiterpauschale um 1,5 Millionen € abgesenkt. Sie haben 2 Milliarden € mehr im Haushalt! Das trifft Tausende von Ehrenamtlichen.
Sie haben bei der Bekämpfung von Aids 308.000 € eingespart. 2 Milliarden € Mehreinnahmen! Sie haben bei der Sicherheit im Straßenverkehr für die Kinder im Jahr des Kindes, das wir immer noch haben, 388.800 € eingespart. Heute wissen wir: Sie haben 2 Milliarden € mehr.
Eines ist mir auch noch wichtig, nämlich die Gesellschaft für Kinderernährung in Dortmund. Wir haben viele Gespräche mit denen geführt.
Die machen eine wertvolle Arbeit. Die kriegen aber 221.100 € weniger, während diese Landesregierung 2 Milliarden € mehr in den Kassen hat.
Vielen Dank, Frau Kollegin Walsken. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der CDU der Kollege Volkmar Klein das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist natürlich jetzt schon ein bisschen schwierig für die Opposition, sich mit diesem Nachtragshaushaltsplan auseinanderzusetzen. Die Freunde des Pathos in diesem Hause würden jetzt vielleicht sagen, dass es auch einen gewissen Paradigmenwechsel gegeben hat. Früher war ein Nachtragshaushalt immer die Stunde der Opposition. Heute ist dieser Nachtragshaushalt offensichtlich die Stunde der Regierung.
(Beifall von der CDU – Hans-Willi Körfges [SPD]: Der eine sagt so, der andere sagt so, Herr Kollege!)
Früher war die Vorlage eines Nachtragshaushalts für die Landesregierung immer auch verbunden mit der peinlichen Pflicht einzugestehen, selber gescheitert zu sein, Kürzungen nachträglich vornehmen zu müssen und für Schuldenexplosion zu stehen, letztendlich die Rache für überhöhte Steuereinnahmeerwartungen, die man ursprünglich in den Haushalt eingestellt hatte. Ein Nachtragshaushalt, meine Damen und Herren, war immer ein Dokument des finanziellen Niedergangs dieses Landes.
Heute ist der Nachtragshaushaltsplan offensichtlich ein Dokument der Konsolidierung. Das ist ein ganz großer qualitativer Unterschied. Wir können Ihnen gerne einmal so eine schöne kleine Grafik zur Verfügung stellen,
die zeigt, wie in den früheren Jahren vom Haushalt zum Nachtragshaushaltsplan und vielleicht sogar noch zum zweiten Nachtragshaushaltsplan die Schulden explodiert sind. Immer höhere Kreditaufnahmeermächtigungen mussten in den Nachtragshaushaltsplan eingestellt werden. Das war ein Dokument des finanziellen Niedergangs. Die Folge – darunter leiden wir doch heute alle – sind 112 Milliarden € Schulden bereits am Ende des vergangenen Jahres, mit all den Auswirkun
Das ist jetzt anders. Mit dem Nachtragshaushaltsplan wird erstmals die Nettokreditaufnahmeermächtigung – jedenfalls im Vergleich zu den vergangenen vielen Jahren – deutlich gesenkt.
Vielleicht haben Sie gestern in der „FAZ“ ein Zitat des Präsidenten des Bundesrechnungshofs gelesen. Dieter Engels hat gesagt – so ist es jedenfalls der Zeitung zu entnehmen –:
„Rechnet euch nicht die Steuern schön, weil sonst der Haushalt sofort wieder in die Schieflage kommt.“
Meine Damen und Herren, man könnte sagen, das ist eine prognostische Warnung. Man kann aber auch feststellen, das ist genau der empirische Befund, der die Realität und die Vergangenheit dieses Landes kennzeichnet.