Protokoll der Sitzung vom 07.12.2006

Trotz dieses Wirtschaftswachstums haben wir 75 Millionen konstante Arbeitsstunden. Es ist nicht mehr Arbeit geworden; es ist ein bisschen anders verteilt worden. Das als Wende auf dem Arbeitsmarkt abzufeiern, ist wirklich unlauter.

Wie sieht es denn aus? – Gestern wurde das OECD-Ranking der Wirtschaftsregionen veröffent

licht. Wie ist die Wirtschaftskraft unserer Region? – Die erste deutsche Region liegt auf Platz 29: Stuttgart. So toll sieht die Wirtschaftsregion Deutschland im Moment weltweit aus. Die Region RheinRuhr ist auf Platz 54 gelandet, noch hinter britischen Problemstädten wie Birmingham und Leeds. Das zeigt Ihre Verantwortung der Politik der letzten Jahre: Ihr Festhalten an der Steinkohle, die Milliarden vergeudeter Subventionen, der verhinderte Strukturwandel. Und dann feiern Sie die Wende auf dem Arbeitsmarkt ab!

Was sind denn wirklich Faktoren, die dafür verantwortlich sind, dass die Wirtschaft in diesem Jahr gewachsen ist? – Es ist einerseits die Weltwirtschaft und andererseits die positive Stimmung, die in diesem Land aufgekommen ist, wobei die Fußball-WM sicherlich auch einen Teil dazu beigetragen hat, dass wieder eine positive Stimmung im Volk entstanden ist. Die mäßige Lohnentwicklung der letzten Jahre ist sicherlich auch mit entscheidend dafür gewesen, dass Deutschland wettbewerbsfähiger geworden ist.

Die Einschätzung des Maßnahmenpakets der Agenda 2010 von Kanzler Schröder – mit den Worten: Wir werden die Leistungen des Staates kürzen, Eigenverantwortung fördern, mehr Eigenleistung von jedem Einzelnen abfordern – ist nach wie vor richtig. Aber, was ist denn passiert? – Herr Schröder hat gesagt, die Agenda beinhalte, die Sozialsysteme einer grundlegenden Reform zu unterziehen, die Lohnnebenkosten auf unter 40 % zu senken und den Arbeitsmarkt flexibler zu gestalten. Was ist dabei herausgekommen, Herr Schmeltzer? – Ein Flickenteppich, für den die SPD jetzt Applaus einfordert!

Vielleicht sollte man bei dieser Gelegenheit einmal daran erinnern, dass diese Reform keinem Selbstzweck dienen sollte, sondern der sicherlich schmerzhaften Erkenntnis entsprungen ist, dass die Finanzierbarkeit des Sozialstaates bereits an ihre Grenzen gekommen ist und zugleich einer Entwicklung hin zu Wachstum und mehr Beschäftigung entgegensteht.

Natürlich sind die neuesten Arbeitsmarktzahlen für NRW ein Beleg dafür, dass allmählich Licht am Ende des Tunnels ist, insbesondere die Tatsache, dass die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Jobs zumindest leicht angestiegen ist. In den Jahren der rot-grünen Regierung, von 1995 bis 2005, sind 300.000 sozialversicherungspflichtige Jobs weggefallen. Auch daran darf man vielleicht einmal erinnern.

Es gibt keinen Grund, sich auf dem Erreichten auszuruhen. Die augenblickliche Dynamik kann

schon bald wieder zum Erliegen kommen. Notwendig ist die Lösung struktureller Probleme auf dem Arbeitsmarkt. Das unterbleibt. Da macht die SPD nichts.

Was passiert stattdessen? Zu nennen ist die wachstumsfeindliche Mehrwertsteuererhöhung, die jetzt bevorsteht, die nicht nur die Wirtschaft treffen wird, sondern auch die Bürger in diesem Land. Gleichzeitig wird sich die Beitragserhöhung im Rahmen der sogenannten Gesundheitsreform auf die Lohnnebenkosten auswirken. Die Risiken und Nebenwirkungen dieser Pläne von Ministerin Schmidt für den Arbeitsmarkt sind bestens bekannt. Davon lenken Sie mit dieser Feierstunde natürlich ab.

Wirtschaftsexperten erwarten, dass das Wachstum durch diese Negativimpulse von Arbeitsminister Müntefering auf Bundesebene nächstes Jahr um 1 % geringer ausfallen wird – als Minimum, höchstens 1,5% – und dass auch bei 1,5 % keine neue Beschäftigung entstehen wird. Die Grenze liegt bei 2 %; erst bei mehr als 2 % Wirtschaftswachstum entstehen neue Arbeitsplätze.

Statt weiteren Konjunkturbremsen benötigen wir dringend mehr Anreize und Lösungsansätze. Die Anforderung an die Praxis muss sich daran orientieren, wie das Leben in der Wirtschaft aussieht, und darf nicht ideologisch bestimmt sein. Vor allem der Mittelstand und die kleinen Betriebe sind mit in das Blickfeld zu nehmen.

Die Wettbewerbsfähigkeit ist zurzeit gedämpft. Das wirkt sich negativ auf den Arbeitsmarkt aus. Die SPD hat an einer Weiterentwicklung noch nicht mitgeholfen.

Reformbedürftig ist der Kündigungsschutz, der in seiner jetzigen Form nicht mehr zeitgemäß ist.

(Oh-Rufe von der SPD)

Er ist außerdem alles andere als solidarisch, denn er nutzt vor allem Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die einen Arbeitsplatz haben.

(Beifall von der FDP)

Und das ist unsozial. Denjenigen, die vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen sind, schadet es. Das sind gerade die Langzeitarbeitslosen.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Mit sozialer Ge- rechtigkeit haben Sie nichts zu tun!)

Daher ist es kein Wunder, dass sich Unternehmer schwer tun, neue Mitarbeiter einzustellen.

(Hannelore Kraft [SPD]: Verabschieden Sie sich einmal von dieser Lebenslüge!)

Das Gleiche gilt auch für die Entwicklung bei den Zeitarbeitsfirmen. Bei den Zeitarbeitsfirmen werden im Moment die Fachkräfte gesucht.

(Rainer Bischoff [SPD]: Das ist am Anfang immer so!)

Ja, weshalb ist das denn so? Weil da flexibler reagiert werden kann, weil das nicht gänzlich in den Arbeitsmarkt integriert werden kann.

(Beifall von der FDP)

Ihre Vorschläge für einen modernen Arbeitsmarkt liegen nicht vor. Wichtig wäre eine Generalrevision von SGB II. Vor einer „Hartz-Reform“ darf man eigentlich gar nicht mehr sprechen. Denn der Name Hartz ist nicht nur mit der Person Peter Hartz – mittlerweile anrüchig – verbunden, sondern auch dem Gesetzeswerk, das immer noch nicht generalrevidiert ist. Kommunale Arbeitsvermittlung, Anreize im Budgetsystem: Das alles ist nicht angepackt.

Wir brauchen eine Änderung des Kündigungsschutzes, eine Absenkung der Lohnnebenkosten unter 40 %. Das steht im Koalitionsvertrag der Großen Koalition und wurde auch noch nicht angepackt. Auch durch die der Generalrevision des SGB II hätten Langzeitarbeitslose mehr Chancen auf dem Arbeitsmarkt. – Danke sehr.

(Beifall von der FDP)

Danke schön, Herr Dr. Romberg. – Für die Landesregierung spricht Minister Laumann.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich heute Morgen zunächst einmal herzlich bei der SPD für die Beantragung dieser Aktuellen Stunde bedanken.

(Beifall von der CDU)

Es ist eine gute Zeit, um über die Arbeitsmarktpolitik in Nordrhein-Westfalen und Deutschland zu sprechen. Die Langzeitarbeitslosigkeit, die ohne Frage ein großes Problem ist, hat in NordrheinWestfalen um 6,1 % abgenommen.

(Beifall von der CDU)

In Nordhrein-Westfalen sind heute 120.000 Menschen mehr in Lohn und Brot als an dem Tag, an dem wir von Ihnen die Regierung übernommen haben.

(Beifall von der CDU – Zuruf von der SPD: Das glauben Sie doch selbst nicht!)

Die Arbeitslosenquote lag bei über 1 Million. Sie liegt jetzt bei 900.000. Die Jugendarbeitslosigkeit ist um 18 % in meiner Amtszeit zurückgegangen.

(Hannelore Kraft [SPD]: Kommen Sie mal weiter!)

Das sind die Zahlen, die aus jeder Statistik, die es offiziell über die Arbeitsmarktpolitik, über die Situation des Arbeitsmarktes in Deutschland und in Nordrhein-Westfalen gibt, eindeutig hervorgehen.

(Achim Tüttenberg [SPD]: In drei Monaten vergleichen wir einmal!)

Ich finde, dass wir nicht zufrieden sein können. Wir haben immer noch ein Riesenproblem mit über 900.000 Arbeitslosen. Ich finde aber, es ist schön, dass sich auf dem nordrhein-westfälischen Arbeitsmarkt endlich etwas bewegt.

(Beifall von der CDU)

60 Monate lang sind die sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze in Nordrhein-Westfalen immer weniger geworden. Jetzt steigt ihre Zahl wieder an. Dass sich darüber der Arbeitsminister freut, das können Sie sich sicherlich vorstellen.

(Günter Garbrecht [SPD]: Wir freuen uns doch alle darüber!)

Ja, dann reden Sie es doch auch nicht schlecht.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Haben wir doch gar nicht!)

Ein weiterer Punkt: Sie haben gesagt, wir hätten eine Zunahme der Langzeitarbeitslosigkeit im zweistelligen Bereich. – Herr Schmeltzer, wenn Sie schon Anträge schreiben, dann sollten Sie wenigstens die Zahlen kennen.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Das gilt auch für den Minister!)

Die Langzeitarbeitslosigkeit nimmt zu – das ist wahr –, und zwar in Nordrhein-Westfalen um etwa 1 % mehr als im Bundesdurchschnitt. Aber wir liegen bei einer Zunahme um die 7 %.

Jetzt werfen Sie mir vor, dass ich mit den ESFMitteln nicht mehr den Schwerpunkt auf die Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit lege.

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Das ist Murks!)

Lieber Herr Schmeltzer, Sie wissen genauso gut wie ich: Wenn sich die Argen und die Optionskommunen nach dem SGB II um etwas zu kümmern haben, dann ist es die Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit, weil das genau das