Protokoll der Sitzung vom 07.12.2006

Das schließt auch ein, dass wir unser finanzielles Engagement in diesem Bereich erheblich reduzieren, nämlich um 40 %...“

Ich habe Harald Schartau aus dem Jahr 2003, nach Einführung der Hartz-Gesetze, zitiert. Herr Schmeltzer, das als Antwort auf Ihren Beitrag dazu, was wir tun und was wir nicht tun!

(Zuruf von der SPD)

Die wesentlichen Ziele dieser Hartz-Reform waren, erwerbsfähige Arbeitslose so zu unterstützen, dass sie sich möglichst schnell wieder in den Arbeitsmarkt integrieren und ein von staatlichen Leistungen unabhängiges Leben führen können.

Ein weiteres Ziel ist, angesichts der Herausforderungen durch die Globalisierung des Wirtschaftens und durch die Veränderung des Altersaufbaus unserer Gesellschaft Wachstum und einen höheren Beschäftigungsstand zu erreichen. Dabei sollten – all das sind Zitate aus den Reden des damaligen Bundeskanzlers – die Sozialausgaben gesenkt werden.

Meine Damen und Herren, wir müssen feststellen, dass die mit der Agenda und den Hartz-Gesetzen angestrebten Ziele nur zum Teil erreicht wurden. Es wurde erklärt, es entstehe ein vollkommen anderer Prozess des Sozialstaates. Von den ergänzenden Hilfeleistungen sollte auf einen grundfinanzierten Lebensunterhalt mit ergänzenden Ar

beitsmöglichkeiten hingearbeitet werden. Das zu bewerten überlasse ich Ihnen.

Jeder zweite Arbeitslose ist schon heute seit mehr als einem Jahr ohne Job und findet damit als sogenannter Langzeitarbeitsloser noch schwerer eine Beschäftigung. Besonders hart getroffen sind Menschen, die in etwas vorgerückterem Alter arbeitslos werden. Im Durchschnitt dauert es rund 38 Wochen bei jungen Arbeitslosen und 24 Monate bei älteren Arbeitslosen, bis sie eine mögliche Vermittlung erreicht.

Die damalige Versprechung lautete aber: Die durchschnittliche Arbeitslosendauer, die 33 Wochen beträgt, soll erheblich reduziert werden. – Dies war ein Zitat von Harald Schartau. Was Sie damals davon erreicht haben, das müssen Sie erst noch nachweisen.

Dass dies durch die Agenda nicht gelungen ist, ist klar. Dennoch hat die Agenda eine Reihe von vernünftigen und vom Ziel her richtigen Vorgängen geschaffen. Die Hartz-Vorschläge gingen dahin, neue Formen der Arbeit und der beruflichen Weiterbildung durch die Agentur zu unterstützen. Meine Damen und Herren, das wäre möglich, wenn die Agenturen endlich viel stärker ihre Mittel dafür einsetzen würden, die Leute fortzubilden, damit nicht Nachfragen nach ausgebildeten Arbeitnehmern ins Leere gingen.

Des Weiteren – so Hartz I – sollte die Prävention verbessert werden. Die Prävention vor Arbeitslosigkeit hat nicht gezogen.

Passgenaue und individuelle Zugänge zum Arbeitsmarkt sollten durch Fallmanagement erreicht werden. Fragen Sie die Leute, die sich bei den Agenturen und den Argen vorstellen müssen, wie das Fallmanagement läuft und wie gut sie an die Hand genommen und zur Arbeit geführt werden!

Die Bedeutung der Job-Center überlasse ich Ihrer gepflegten Analyse, denn Ergebnisse haben diese bislang nicht gezeigt.

Ich-AGs sind missbraucht worden, und diese Missbräuche sind uns allen bekannt.

Meine Damen und Herren, die Zusammenlegung der Arbeitslosen- und Sozialhilfe ist der richtige Weg. Aber das handwerkliche Know-How, das dazu nötig war, war und ist bis heute nicht ordentlich vorhanden.

Zur der Zeit von Hartz II hatten wir in diesem Land 5,79 Millionen Beschäftigte. Im März 2005 waren es 5,55 Millionen, und heute sind es wieder 5,67 Millionen. Das ist wahrlich keine besondere Errungenschaft auf dem Arbeitsplatzbeschaffungs

sektor, aber vielleicht ein zartes Pflänzchen der wachsenden Konjunktur, während sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen geändert haben.

Die Vorschläge sind im Herbst 2002 vorgelegt worden und sollten mindestens 2 Millionen Arbeitsplätze bundesweit schaffen. Meine Damen und Herren, wie weit wir gekommen sind, das können Sie an den derzeitigen Zahlen, die Sie ja so gerne zitieren, ablesen.

Was bleibt, ist das Problem der Langzeitarbeitslosigkeit. Diese Arbeitsplätze sind zum Teil wegen der mangelnden Ausstattung mit Lohn, aber auch wegen des Exports dieser Arbeitsplätze ins Ausland weggefallen. Viele Menschen, die nicht gut qualifiziert sind, finden nur schwer Arbeitsplätze, weil diese hier nicht mehr vorhanden sind.

In diesem Bereich können wir viel tun, allerdings nicht mit Hartz I, II oder III, sondern mit dem, was die Landesregierung vorgeschlagen hat, nämlich mit dem NRW-Kombilohn. Ich bitte Sie, in Ihren bundesparteilichen Behörden darauf hinzuwirken, dass dieser Weg endlich freigemacht wird, damit wir die Möglichkeiten, die uns Hartz bietet, endlich ausnutzen können. – Schönen Dank.

(Beifall von der CDU)

Danke schön, Herr Post. – Frau Steffens für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Natürlich ist die im Moment wahrzunehmende Wende auf dem Arbeitsmarkt sehr erfreulich. Aber wir müssen das Ganze mit Vorsicht genießen, denn die Wende kommt durch den guten Außenhandel, den konjunkturellen Anschub, bei dem wir nicht wissen, ob dieser dauerhaft ist, den milden Herbst, der auch nicht mehr lange anhalten wird, und die vorgezogene Konsumnachfrage aufgrund der Mehrwertsteuererhöhung, bei der sich ab dem nächsten Jahr zeigen wird, ob diese Konsumnachfrage, also die Binnennachfrage, über den 1. Januar hinaus anhalten wird. Viele prognostizieren, dass der Aufschwung aufgrund der Mehrwertsteuererhöhung wieder abnehmen wird. Von daher freuen wir uns zwar, aber man kann noch nicht von einer dauerhaften Wende sprechen.

Ich finde es schon erstaunlich, dass in dem Zusammenhang von der SPD eine Aktuelle Stunde beantragt und die Agenda 2010 für den Aufschwung verantwortlich gemacht wird. Die Bestandteile der Agenda 2010 sind Lockerung und

Veränderung des Kündigungsschutzes, Verkürzung der Bezugsdauer für Arbeitslosengeld I, Schaffung der Argen, also viele Nachteile für die Betroffenen. Das sind nicht die Reformschritte gewesen, die die Konjunktur beleben und die den Arbeitslosen zu einem Arbeitsplatz verhelfen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Es sind Reformschritte gewesen, die in vielen Bereichen nach hinten losgegangen sind und die man kritisch reflektieren muss. Es sind zwar zum Teil Schritte gewesen, die Herr Post genannt hat, durch die man aufgrund der Bündelung der Zuständigkeiten Vorteile erlangt hat, da man nun die Leistungen aus einer Hand erhält, aber dadurch sind keine Arbeitsplätze geschaffen worden. Da macht man sich ein Stück weit selber etwas vor und versucht, ein Lob abzukassieren, das man an dieser Stelle wirklich nicht verdient hat.

(Beifall von den GRÜNEN)

Aber den zweiten Punkt, der in der Begründung zur Aktuellen Stunde steht, nämlich das Thematisieren dessen, was in Nordrhein-Westfalen an Zahlen vorliegt, halte ich für sehr legitim. Hiermit muss man sich intensiv beschäftigen. In Nordrhein-Westfalen ist eine Abnahme der Arbeitslosenzahl zu verzeichnen, aber rund 50.000 Arbeitsplätze der mehr als 100.000 Arbeitplätze kommen durch Ein-Euro-Jobs und Arbeitsmarktangebote der Argen zustande. Dies sind natürlich keine dauerhaften Beschäftigungsverhältnisse.

Darüber hinaus haben wir – das hat bereits Herr Schmeltzer gesagt – eine extrem hohe Zahl an Langzeitarbeitslosen. Die Langzeitarbeitslosen haben ja versprochen bekommen, dass wir nicht nur fordern, sondern auch fördern. Die Förderung seitens der Landesregierung kommt jedoch mehr als zu kurz.

Herr Henke, Sie haben eben bei Herrn Schmeltzer die ganze Zeit dazwischen gerufen. Ich muss Ihnen nur sagen: Sie haben jetzt die Verantwortung dafür. Es macht Ihnen keiner zum Vorwurf, dass Sie die Langzeitarbeitslosigkeit nicht abgeschafft haben, aber Sie haben in diesem einen Jahr nichts eingeleitet, was eine dauerhafte Maßnahme gegen die Langzeitarbeitslosigkeit ist und diese Menschen in Beschäftigung bringt – nichts!

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Das Einzige, was Herr Laumann im Zusammenhang mit Langzeitarbeitslosigkeit gemacht hat, ist, die Mittel zu kürzen und in den Bereich der Ausbildung umzuschichten. Das ist für mich kein Angebot für Langzeitarbeitslose, das ist alles andere.

Das Beispiel, das hier eben gebracht worden ist, dass in Aachen Druck gemacht und eine gesamte Region dafür in Haftung genommen wird, dass Ihnen der Kopf einer Person nicht passt, finde ich bezeichnend für den Weg der Arbeitsmarktpolitik, den Sie hier gehen. Das kann es nicht sein. Wir brauchen eine Politik für die Menschen und nicht eine Politik für die persönlichen Befindlichkeiten eines Ministers.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Auch im Ausschuss habe ich schon mehrfach daran erinnert, dass wir als Grüne allein in diesem Jahr drei Anträge vorgelegt haben: am 7. März, am 9. Mai und am 22. August. Wir haben Ihnen mit drei Anträgen Wege aufgezeigt, welche Maßnahmen man für Langzeitarbeitslose einleiten könnte. Alle drei Anträge haben bei den Koalitionsfraktionen nicht den Wert gefunden, sich hinzusetzen und sie konzeptionell zu entwickeln, obwohl sie im Land auf breite Zustimmung gestoßen sind und wir mehr Zuschriften bekommen haben, als Sie sich vielleicht vorstellen können, in denen steht: Wir verstehen nicht, warum die Regierung das nicht aufgreift. – Die Koalitionsfraktionen lehnen das einfach ab und wollen keinen wirklichen Weg in die Richtung gehen, Konzepte vorzulegen.

(Rudolf Henke [CDU]: Wer blockiert denn Kombilöhne?)

Wir Grüne haben schon in der ersten Koalition in Nordrhein-Westfalen die sozialen Wirtschaftsbetriebe auf den Weg gebracht. Damals haben Sie in jeder Haushaltsdebatte die Streichung genau dieses Instruments für Langzeitarbeitslose gefordert. Die SPD war davon auch nicht begeistert und hat die Weiterentwicklung mit uns nicht so vorangetrieben, wie wir es gerne wollten. Die Überzeugung des Ministers schlug dort auf einer anderen Seite, also auf der für Langzeitmaßnahmen. Aber Sie haben davon nichts angepackt, sondern alles, was noch bestanden hat, heruntergefahren und abgeschafft. Von daher kann ich nur sagen: Das, was bisher von der Landesregierung gekommen ist, geht gegen Null.

Letzter Punkt – das habe ich auch in der letzten Ausschusssitzung schon einmal gesagt –: Herr Laumann, Sie machen es sich immer superleicht. Sie stellen sich hin und behaupten: Die Argen sind es, die Mittel fließen zurück, der Bund und keiner macht etwas. Ich habe Sie schon einmal aufgefordert, zusammen mit der SPD im Bund hinzugehen und der Bundesregierung zu sagen, dass Sie als Länder die Mittel haben wollen, die an Bundesmitteln nicht abfließen und zurück an den Bund gehen, damit die Länder die Mittel nut

zen können. Denn es sind Mittel für die Arbeitslosen; es sind Mittel für die Eingliederung in diesem Land.

(Beifall von den GRÜNEN)

Es macht keinen Sinn, dass Sie zulassen – und Sie als Arbeitsminister lassen es zu –, dass diese Mittel zur Sanierung des Bundeshaushalts verwandt werden. Also, bluffen Sie hier nicht immer nur, sondern gehen Sie nach Berlin und handeln konkret, indem Sie die Mittel für die Arbeitslosen hier im Land einfordern! Dann kommen Sie wieder und sagen Sie uns, was Sie leisten. Aber dass Sie akzeptieren, dass die Mittel zurückfließen, und immer nur jammern, wie wenig Geld Sie haben, das ist keine Politik für Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Danke schön, Frau Steffens. – Für die FDP spricht der Kollege Dr. Romberg.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Schmeltzer, das war eine Vorstellung als Schausteller.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Schausteller ist ein ehrbarer Beruf, Herr Kollege!)

Eher glauben die Menschen an den Weihnachtsmann. Schausteller belustigen, ja; aber der Inhalt von dem, was Sie hier proklamiert haben, war unter aller Kanone. Das muss man wirklich sagen.

(Beifall von FDP und CDU)

Hier so abzufeiern? Schauen Sie wirklich einmal gemäßigt auf diese Zahlen, auch auf die bundesdeutschen Zahlen. Was sagt denn der Sachverständigenrat in seinem Bericht? Die Jahresdurchschnittszahlen für Deutschland: Es sind 222.000 Erwerbstätige hinzugekommen – das ist keine Masse –, von denen 90.000 Minijobs und weitere 90.000 nur sozialversicherungspflichtige Jobs sind, und diese häufig in Teilzeit. Wir haben die Entwicklung, dass Vollzeitjobs weiter zurückgehen und Teilzeitjobs ausgebaut werden.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Dazu tragen Sie doch mit dem Ladenöffnungsgesetz bei!)

Trotz dieses Wirtschaftswachstums haben wir 75 Millionen konstante Arbeitsstunden. Es ist nicht mehr Arbeit geworden; es ist ein bisschen anders verteilt worden. Das als Wende auf dem Arbeitsmarkt abzufeiern, ist wirklich unlauter.