Protokoll der Sitzung vom 24.01.2007

Klare Kante gegen die Haushaltskonsolidierung, koste es auch die Lebenschancen unserer Kinder.

Das ist der Kern Ihrer Selbstinszenierung. Bei Licht betrachtet stellt man fest, dass das merkwürdig und unwirklich ist. Ich hoffe, Sie und Ihre Partei erkennen irgendwann: Wenn man in die falsche Richtung läuft, ist es nicht sinnvoll, das Tempo zu steigern. So gesehen sind Sie ohne Sinn für die Wirklichkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Frau Kraft, ja, wir möchten mit Ihnen streiten, sachlich und für die Menschen in NordrheinWestfalen nachvollziehbar. Auch über die soziale Gerechtigkeit möchten wir mit Ihnen streiten.

Aber die soziale Gerechtigkeit findet nicht nur bei den Ausgaben, sondern auch bei den Einnahmen statt.

Sie haben in Ihrer Bochumer Rede, in der es um die Rücknahme der Studiengebühren, den Sockelbergbau und die Beitragsfreiheit von Kindergärten ging, angekündigt, mal eben ein paar Milliarden Euro auf den Tisch legen zu wollen. Was Sie nicht getan haben, ist, zu sagen, woher Sie das Geld nehmen wollen. Genau davor drücken Sie sich.

(Beifall von CDU und FDP)

Wenn Sie für sich reklamieren, Sie hätten Deckungsvorschläge, muss ich Ihnen sagen: Da würden doch die Hühner lachen, wenn sie lachen könnten. – All die Mehrausgaben, die Sie vorschlagen, wollen Sie durch die üblichen Einmaleffekte decken nach dem Motto: Weil es steuerlich ein bisschen besser läuft, kann man ja dauerhaft etwas finanzieren. Das haben Sie 39 Jahre lang gemacht, und wir sitzen jetzt auf 115 Milliarden € Schulden.

(Beifall von CDU und FDP)

Ich sage Ihnen, woher Sie das Geld nehmen müssten, das Sie zusätzlich ausgeben wollen. Das Geld würden Sie bei den Bürgerinnen und Bürgern holen: beim Maurer, beim Bäckermeister, bei der Krankenschwester und der Verkäuferin. Das müssen Sie tun. Diese Menschen müssen die Mehrausgaben tragen. Das sind die kleinen Leute.

(Zuruf von der SPD: Da holen Sie es sich doch her!)

Denen geht es nicht wie der Frau Kollegin Fischer, übrigens ein Mitglied Ihrer Fraktion. Oder Sie holen sich das Geld von den Banken. Sie zahlen dann den begüterten Menschen, die den Ban

ken das Geld leihen, die Zinsen. Das ist unsozial. Das ist nicht sozial gerecht. Vor allem: Sie geben das Geld aus, das unsere Kinder erst erarbeiten müssen. Der Vorwurf an Sie ist, dass Sie diese Sünde wider die soziale Gerechtigkeit immer von Neuem begehen wollen, dass Sie geradezu süchtig danach sind, das immer wieder zu tun.

(Beifall von CDU und FDP)

Wir haben allein durch unsere bisherige Haushaltskonsolidierung Zinsersparnisse von jährlich 140 Millionen € eingefahren, und zwar dauerhaft.

(Beifall von der CDU – Widerspruch von SPD und GRÜNEN)

Davon kann man dauerhaft 2.800 Lehrerinnen und Lehrer bezahlen. Das, Frau Kraft, das ist eine nachhaltige Investition in soziale Gerechtigkeit und in eine soziale Zukunft.

(Beifall von CDU und FDP)

Frau Kraft, Sie betonen, dass Sie Ökonomin sind. Auch das scheint ein Anspruch ohne Substanz zu sein. Wie sagte doch Wolfgang Clement im Sommer? Die SPD-Funktionsträger sind „inhaltlich vielfach noch immer auf dem Niveau aus der Zeit vor der Globalisierung.“ Und: „Zu meinen, allein die soziale Kompetenz – was immer das ist – reiche aus, ist ein Irrtum.“ Wo der Mann Recht hat, hat er Recht.

(Beifall von CDU und FDP)

Wir geben den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes das Land zurück; das haben wir den Menschen vor unserer Wahl versprochen. Selbstverständlich erfordert das auch mehr Einsatz der Bürgerinnen und Bürger.

Wie Sie, danke ich all denen – auch ich erlebe das ja –, die in diesem Sturm standgehalten haben, die gearbeitet haben, die ihr Leben eingesetzt haben – zwei Feuerwehrleute sind dabei leider Gottes zu Tode gekommen. Das verdient wirklich hohe Anerkennung und Hochachtung von uns allen.

(Allgemeiner Beifall)

Diese Anerkennung ist mehr, als den Bürgerinnen und Bürgern Geld zu versprechen, das man nicht hat. Wenn man Geld verspricht, das man nicht hat, dann tut man kein Werk der sozialen Gerechtigkeit.

Wir fahren als Koalition der Erneuerung einen klaren Kurs. Eine unserer Koordinaten ist die Subsidiarität. Die Subsidiarität ist eine reiche Frucht der christlichen Soziallehre. Subsidiarität ist das Glie

derungsprinzip der Solidarität und Orientierungspunkt sozialer Gerechtigkeit.

Was Subsidiarität bedeutet, habe ich von Oswald von Nell-Breuning gelernt. Ich zitiere:

„Was der Mensch selbst tun kann, soll ihm nicht durch gesellschaftliche Tätigkeiten abgenommen werden. Denn das wäre nicht Hilfe oder Bereicherung, sondern im Gegenteil Beeinträchtigung, Schädigung, Verkürzung der Persönlichkeitsentfaltung, die immer an das Regen der eigenen Kräfte gebunden ist.“

Oswald von Nell-Breuning, das war ein ChristlichSozialer, kein Liberaler, kein Konservativer.

(Karl Schultheis [SPD]: Lasst den Mann in Ruhe!)

In der Subsidiarität finden Sie auch den Weg, der den Pfeil ins Schwarze und damit ins Ziel führt. Das ist unser Weg. Diesen Weg gehen wir.

Wir gehen ihn im Schulgesetz. Wir geben den Lehrerinnen und Lehrern, den Rektoren, den Eltern die Eigenständigkeit zurück.

Wir gehen ihn im Hochschulfreiheitsgesetz. Es folgt demselben Verständnis von Subsidiarität. Die an den Hochschulen Tätigen erhalten, was sie an Möglichkeiten zur Entfaltung, zur Freiheit brauchen.

Wir gehen ihn bei der Verwaltungsstrukturreform. Wieder Entscheidung und Verantwortung zusammenführen, wo immer möglich vor Ort! Im Übrigen: Verwalten und Selbstverwalten ist eine Kunst, die wir in Nordrhein-Westfalen wieder kultivieren werden. Ich weiß, dass die Räte und die bei unseren Kommunen beschäftigten Mitarbeiter, dass die Beschäftigten im Landesdienst diese Kunst beherrschen.

Und, Frau Kollegin Kraft, wir sind diesen Weg der Subsidiarität beim Ladenöffnungsgesetz gegangen. Die Überlegenheit unseres Politikansatzes zeigt sich genau an dieser Stelle.

(Lachen von den GRÜNEN – Rüdiger Sagel [GRÜNE]: Das ist ja lächerlich!)

Das, was die Menschen vor Ort regeln können, das regeln sie freiwillig, in eigener Verantwortung, in Gesprächen mit den Beschäftigten, mit den Tarifpartnern. Das richtet die Wirklichkeit und nicht irgendwelche dickleibigen Gesetze, Regularien, die dann noch von Tausenden von Mitarbeitern im öffentlichen Dienst nachvollzogen werden müssen.

(Beifall von CDU und FDP)

Genau das ist der Unterschied! Danke für die Steilvorlage, Frau Kraft!

(Karl Schultheis [SPD]: Alles auf dem Buckel der kleinen Leute! – Rüdiger Sagel [GRÜ- NE]: Das ist Politik zulasten der kleinen Leu- te!)

In diesem Sinne werden wir im neuen Jahr weiterarbeiten: beharrlich, zielorientiert und – ich bin sicher – weiterhin erfolgreich. Wir werden in diesem Jahr erneut ein großes Paket gestaltender Politik auf den Weg bringen und unser Land weiter im Sinne der Subsidiarität erneuern, also mit Sinn für das wirtschaftlich Vernünftige und für das sozial Gerechte.

(Karl Schultheis [SPD]: Auch Unsinn ist Sinn!)

Wir werden und wollen den Aufschwung stabilisieren, denn der Aufschwung in der Wirtschaft und am Arbeitsmarkt ist Schlüssel zur Lösung vieler Probleme, ist Schlüssel für eine gute Zukunft unseres Landes.

Darüber hinaus werden wir das Landschafts-, das Landeswasser-, das Landesplanungsgesetz novellieren, das Landespersonalvertretungsrecht neu gestalten, die Gemeindeordnung zukunftsgerecht novellieren,

(Karl Schultheis [SPD]: Ach du Schande!)

die Strukturen im öffentlichen Personennahverkehr zukunftsgerecht ordnen, das Gesetz der Tageseinrichtungen für Kinder grundlegend überarbeiten, das Sparkassengesetz novellieren, Weiterarbeiten an der Verwaltungsstrukturreform, uns um die Reform der Lehrerausbildung kümmern, das Krankenhausgesetz novellieren, beharrlich dem Kurs der Konsolidierung des Landeshaushalts in einem schwerer werdenden Jahr 2008 folgen.

Diese Liste, liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Liste ist nicht einmal vollständig. Ja, wir haben Lust auf Gestaltung auch in diesem Jahr, und wir gehen mit Optimismus ans Werk. Noch einmal: Wir misstrauen Leuten, die sich beim Gehen auf die Mundwinkel treten. Wir sehen den Wiederbelebungsversuchen der Opposition mit Gelassenheit und großem Interesse entgegen.

Angesichts Ihrer Rede heute Morgen, Frau Kraft, gebe ich Ihnen ein paar Verse mit auf den Weg. Es sind Verse in Anlehnung an Wilhelm Busch.

Wenn eine, die mit Mühe kaum geklettert ist auf einen Baum,

schon meint, dass sie ein Vogel wär’, so irrt sie sehr.

Ich bedanke mich.