Protokoll der Sitzung vom 14.07.2005

(Hannelore Kraft [SPD]: Das haben Sie sel- ber gesagt! - Gisela Walsken [SPD]: Sie sa- gen das doch!)

Mit Verlaub, werte Kollegin: Das ist schlicht bekloppt.

(Beifall von CDU und FDP)

Wenn ich gewärtige, dass bei länderübergreifenden Bildungsvergleichen Nordrhein-Westfalen erneut nicht gut abschneidet, dann tut das nicht gut. Das ist nicht den Kindern und Jugendlichen und nicht zuerst den Eltern anzulasten. Es ist vor allem Folge einer falschen, über viele Jahre ideologisch geprägten Schulpolitik in unserem Land.

(Beifall von CDU und FDP)

Wenn Sie noch Regierungsverantwortung trügen, hätten Sie jetzt wieder gesagt: Fürchtet euch nicht; wir sind auf gutem Wege.

(Heiterkeit von der CDU)

Ich habe einmal den Vergleich „Zentrale Ergebnisse des zweiten Vergleichs der Länder in Deutschland - Pisa-E“, der heute veröffentlicht wird, durchgeblättert. Mathematische Kompetenz 2000 und 2003 im Vergleich: Nordrhein-Westfalen am Schluss. Mathematische Kompetenz in Pisa 2000 und 2003: Nordrhein-Westfalen an drittletzter Stelle. Mittelwertvergleiche für Lesekompetenz in Pisa 2000 und 2003: Nordrhein-Westfalen an letzter Stelle. - Ich könnte so weitermachen, will das aber nicht tun.

Schlimm ist nicht nur, dass wir im hinteren Mittelfeld sind; schlecht ist auch, dass wir seit 2000 offenbar noch zurückgefallen sind.

Wenn Sie jetzt hier mit „Lehrerlüge“ agitieren, Frau Kraft, dann ist das nicht mehr als Ablenkung. Dann ist es die Lebenslüge von Rot-Grün, um das eigene Versagen zu vertuschen. Die Lebenslüge von Rot-Grün!

(Beifall von CDU und FDP)

Mit der Regierungserklärung vor fünf Jahren hatte sich Rot-Grün das Ziel gesetzt, die Nettoneuverschuldung bis 2005 auf unter 5 Milliarden DM herunterzubringen, also auf etwa 2,5 Milliarden € im laufenden Jahr. Tatsache ist: Wir müssen für dieses Jahr mit etwa dem Dreifachen rechnen. Sie haben uns und den Menschen in unserem Land

einen gigantischen Schuldenberg hinterlassen - einen Schuldenberg, der der Politik die Handlungsfähigkeit zu rauben droht.

Diese gerade von mir geschilderten Probleme finden wir, findet die Koalition der Erneuerung, vor. Diese Probleme haben nicht wir verursacht. Wir haben vor ihrem Entstehen gewarnt. Wir haben die Hilflosigkeit der früheren Landesregierung und der sie tragenden rot-grünen Koalition angesichts dieser gewaltigen Probleme thematisiert, in der letzten Legislaturperiode wie auch davor.

Wir mussten zusehen, wie diese Probleme unbeherrscht blieben - und vor allem, wie die Staatsverschuldung in einem nie gekannten Ausmaß explodierte. Sie, die alte Landesregierung und die frühere Koalition, sind immer neu aus der Verantwortung geflüchtet. Sie hatten nicht die Kraft für notwendige Veränderungen. Peer Steinbrück ist letztlich an den Widerständen in Ihren Reihen gescheitert.

(Beifall von CDU und FDP)

Ich verstehe, dass er heute nicht da ist.

Frau Kraft, wenn Sie mit Blick auf Erblasten den jetzigen Ministerpräsidenten als Teil des Systems Kohl bezeichnen: Es stimmt. Wir beide sind stolz darauf, unter einer erfolgreichen Regierung gedient zu haben:

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Gedient unter Kohl!)

unter einer Regierung, die die deutsche Einheit gepackt hat; unter einer Regierung, die die europäische Einigung vorangebracht hat; unter einer Regierung, die die Forschungslandschaft in den neuen Ländern mit aufgebaut hat - das war Solidarität, Frau Kraft -;

(Beifall von CDU und FDP)

unter einer Regierung, die mit dem BioRegioWettbewerb neue innovative Instrumente in die Politik eingebracht hat. Ja, darauf sind wir stolz. Wir sind Teil des Systems Kohl, jawohl.

(Beifall von CDU und FDP - Rainer Schmelt- zer [SPD]: Diener des gescheiterten Kohl!)

Dass es in Nordrhein-Westfalen kein „Weiter so“ gab, war klar und ist klar. Genau deshalb haben die Bürgerinnen und Bürger Rot-Grün am 22. Mai das Vertrauen entzogen. Und deshalb sitzen Sie nun auf den Bänken der Opposition.

(Ralf Jäger [SPD]: Es sind Stühle!)

Die neue Koalition hat die Kraft zur Erneuerung aus der Mitte unseres Landes. Dafür ist die Koali

tionsvereinbarung von CDU und FDP die Basis. Dafür ist die Regierungserklärung Programm der Erneuerung unseres Landes.

Herr Ministerpräsident, zu Ihrer gestrigen Regierungserklärung gratulieren wir Ihnen. Ihre Regierungserklärung ist realistisch wie visionär, ist wertegestützt und in den Maßnahmen konkret.

(Beifall von CDU und FDP)

Wir als stärkste Fraktion in diesem Landtag werden Sie und die ganze Landesregierung bei der Verwirklichung dieses anspruchsvollen Projektes voll und ganz unterstützen. Das sagen wir Ihnen heute hier zu.

(Beifall von CDU und FDP)

Herr Präsident, meine Damen und Herren, seit dem Abend des 22. Mai wissen wir auch, dass es die Chance der Erneuerung nicht nur für unser Bundesland gibt, sondern dass die Chance der Erneuerung für die ganze Bundesrepublik Deutschland gegeben ist.

Die Problemlagen, die den Wechsel in NordrheinWestfalen herbeigeführt haben, sind mit denen im Bund durchaus vergleichbar.

5 Millionen Menschen in Deutschland sind arbeitslos. Allein in den letzten drei Jahren gingen 1,5 Millionen sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse unter Rot-Grün verloren. Damit drohen Millionen Menschen in die Perspektivlosigkeit abzugleiten.

„Sozial ist, was Arbeit schafft“, das sagen wir, Frau Kraft. Wenn Sie so tun, als ob das „Weiter so in alten Bahnen“ etwas daran ändern könnte, dass es weiter in die Arbeitslosigkeit geht, dann belügen Sie die Menschen in diesem Land.

(Beifall von CDU und FDP)

Wir sind im Bund mit einer desaströsen Finanzpolitik konfrontiert. Jedes Jahr gibt es neue Schuldenrekorde. Das strukturelle Defizit im Bundeshaushalt liegt bei 50 bis 60 Milliarden €. Die Erfüllung der Maastricht-Kriterien rückt in immer weitere Ferne. Rot-Grün ist handlungsunfähig. Das Projekt Rot-Grün, falls es dieses je gab, ist gescheitert. Das Drumherum um die vom Bundeskanzler verlorene Vertrauensfrage ist unserem Land unwürdig.

(Beifall von CDU und FDP)

Unser Programm der Erneuerung unseres Bundeslandes, unser Programm der Solidarität und der Leistungsbereitschaft kann besser gelingen, wenn die Bürgerinnen und Bürger auch im Bund

einer Koalition aus Union und FDP ihr Vertrauen geben. Ich bin optimistisch, weil ich weiß, dass die Bürgerinnen und Bürger fähig sind zur Vernunft. Denn es widerspräche jeder Vernunft, Parteien Vertrauen zu schenken, die sich selbst nichts mehr zutrauen. Es widerspräche jeder Vernunft, einem Bundeskanzler zu vertrauen, der sich selbst misstraut. Deshalb, meine Damen und Herren, bin ich optimistisch für die Bundestagswahl, die uns, wenn der Bundespräsident so entscheidet, im September bevorsteht.

(Beifall von der CDU)

Meine Damen und Herren, angesichts dieser Umstände hatten Sie, Frau Kollegin Kraft, es heute Morgen schwer.

(Zurufe von der SPD: Nein!)

Nach Regierungs- und Vertrauensverlust zu einer gelungenen Regierungserklärung des neuen Ministerpräsidenten Stellung zu nehmen, war keine leichte Aufgabe.

(Carina Gödecke [SPD]: Für Frau Kraft schon!)

Sie, Frau Kollegin Kraft, haben diese Aufgabe nicht gelöst. Sie haben hier mehr als eine Stunde lang den Flachsinn der Woche verbreitet.

(Beifall von CDU und FDP - Zuruf von der SPD: Unverschämt! - Weitere Zurufe von der SPD)

Sie hatten die Möglichkeit, offensiv nach vorne zu gehen und zu erklären: Es war in den letzten 39 Jahren alles gut. - Oder Sie hatten die Möglichkeit, defensiv zu fahren, die „Ich-bin-ja-soenttäuscht-Nummer“ aufzuführen. Sie haben eine Mischung aus beidem gewählt, und das muss schief gehen.

(Carina Gödecke [SPD]: Sie haben nicht zu- gehört! - Ralf Jäger [SPD]: Waren Sie da?)

Sie haben wirklich den Flachsinn der Woche verbreitet. Ich möchte das an einigen Beispielen - es lohnt sich nicht, auf Details einzugehen - deutlich machen. Ich frage Sie: Woher haben Sie eigentlich, dass irgendjemand aus unseren Reihen Gewerkschaften aus den Betrieben drängen will?