Wie kann man kritisieren, dass ein Ministerpräsident vor einer Wirtschaftsdelegation eines großen Staates das Land Nordrhein-Westfalen positiv darstellt? Sollte er sagen, es ist hier ganz schlimm?
Sie haben die soziale Gerechtigkeit bei Einzelmaßnahmen, die jetzt im Bundestag und im Bundesrat zur Entscheidung anstehen, angemahnt; Stichworte: Entfernungspauschale, Eigenheimzulage und anderes mehr. Gab es eigentlich kein Koch-Steinbrück-Papier, in dem das alles steht? Alles vergessen, alles weg? So einfach können Sie nicht den flotten Socken machen und sich von dem verabschieden, was Sie uns allen noch vor ein paar Wochen im Plenum, den Medien und den Menschen erklärt haben. Das ist flach, das ist Flachsinn.
Wir, die CDU und die FDP als Koalition der Erneuerung, kämpfen um die Zukunft. Sie, Frau Kraft, und Ihre Fraktion - das hat Ihre Rede, das haben aber auch die bisherigen Diskussionen im Plenum gezeigt - kämpfen um die Vergangenheit, die Sie zu Ihrer Vergangenheit machen wollen. Sie haben dokumentiert, dass Sie im alten Denken verbleiben, eben in Rot pur, und das ist abgewählt worden, das ist nicht zukunftsträchtig.
Was Sie hier im Plenum mit Ihren Anträgen, Ihren Begehren nach direkter Abstimmung veranstalten, das dient doch mehr Ihrer Selbstfindung und der Selbstfindung Ihrer Fraktion. Das ist doch keine ernsthafte Politik. Ernsthafte Politik würde zunächst die Frage stellen, warum Sie gescheitert sind. Dieser Frage weichen Sie jedoch konsequent aus. Sie wären gut beraten, darauf schnellstmöglich Antworten zu suchen.
Uns und mir erschließt sich auch nicht, warum Sie bei Ihren Anträgen immer auf eine direkte Abstimmung drängen. Damit dokumentieren Sie doch, dass Sie an einer wirklichen, einer gründlichen Diskussion überhaupt nicht interessiert sind, denn Ort dafür wären die Ausschüsse. Offensichtlich haben Sie nicht realisiert, dass Sie die Mehrheit in unserem Landtag verloren haben. Sie wollen es einfach nicht wahrhaben, und weil Sie es nicht wahrhaben wollen, wollen Sie das am Ende nahezu jedes Tagesordnungspunktes genau wis
Wenn jemand ein Bein verliert, redet man manchmal vom Phantomschmerz. Das Bild hinkt zwar, aber ich habe den Eindruck, Sie wollen immer wieder den Phantomschmerz erfahren, weil Sie meinen, Sie hätten die Mehrheit, die Sie verloren haben, noch.
Und von ebenso geringem Realismus zeugt Ihre Kritik daran, dass sich die Landesregierung bis 2010 nicht in der Lage sehe, einen verfassungskonformen Haushalt vorzulegen.
Ich möchte Sie an Folgendes erinnern: Sie haben 39 Jahre lang unser schönes Bundesland regiert. Sie haben in diesen 39 Jahren keinen einzigen Haushalt ohne eine satte Nettokreditaufnahme, ohne neue Schulden vorgelegt und verabschiedet.
Und am Ende Ihrer Zeit wurde der Schuldenaufbau immer dramatischer. Wir haben ein strukturelles Defizit - der Finanzminister hat es hier im Plenum erläutert - von 7 bis 8 Milliarden €. Sie haben in 39 Jahren Ihren mangelnden Willen und Ihre mangelnde Fähigkeit unter Beweis gestellt, ausgeglichene Haushalte vorzulegen.
(Beifall von CDU und FDP - Zuruf von der SPD: Sie haben doch immer noch mehr Ausgaben gefordert! - Hannelore Kraft [SPD]: Dann machen Sie das doch!)
Und jetzt nach unserem Willen zum Schuldenabbau zu fragen, Frau Kollegin Kraft, ist peinlich. Das liegt einfach daneben.
Wenn Sie jetzt Anträge stellen, die Überlegungen zur Erhöhung der Mehrwertsteuer kritisieren, und sich dabei wie die Kinder in der Hoffnung freuen, einen Keil zwischen die FDP und die CDU treiben zu können, ist das peinlich.
Denn Sie blenden Ihr Versagen in der Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik aus. Sie blenden aus, dass es nicht nur um eine Erhöhung der Mehrwertsteuer gehen kann und gehen soll. Es geht vor allem darum, durch die Senkung der Arbeitskosten eine Verbesserung der schlimmen Verhältnisse an unseren Arbeitsmärkten herbeizufüh
ren. Dazu nehmen Sie nicht Stellung. Stattdessen schlagen Sie sich populistisch in die Büsche und setzen dabei auf ein kurzes Gedächtnis der Medien und der Kolleginnen und Kollegen im Landtag.
Ich habe noch vor Augen und noch im Ohr, wie hier vor wenigen Monaten Peer Steinbrück versuchte, Jürgen Rüttgers und uns mit dem Angebot zu jagen, die Mehrwertsteuer zu erhöhen, um gleichzeitig die Lohnnebenkosten zu senken.
Frau Kraft, es ist peinlich. Sie liegen voll daneben mit Ihren Einlassungen, mit Ihrem Opportunismus.
Voll daneben liegt auch Ihr Versuch, Frau Kollegin Kraft, Ihre eigene Politik zu dementieren. Stünde unser Land ähnlich gut wie beispielsweise BadenWürttemberg da, würden Sie für sich politisch in Anspruch nehmen, dass es Ihre Arbeit und Ihre Leistung gewesen wären, die NordrheinWestfalen besser als andere Bundesländer abschneiden ließen.
Fakt ist jedoch, dass unser Land in allen wesentlichen Kennziffern von Arbeitslosigkeit - vor allem Langzeitarbeitslosigkeit - über die Raten des Wirtschaftswachstums bis hin zur Staatsverschuldung massiv schlechter dasteht als andere Bundesländer. Das ist ausschließlich Ihre Verantwortung.
Deshalb müssen Sie sich die von Ihnen zu verantwortenden Strukturdefizite politisch anrechnen lassen. Davor können Sie sich nicht drücken. Aus dieser Verantwortung werden wir Sie nicht entlassen.
Ich empfehle Ihnen, dabei zu Fuß und nicht auf hohem Ross zu kommen - vor allem nicht auf dem hohen Ross der Moral. Denn in NordrheinWestfalen haben roter Filz und Skandale über Jahre hinweg Schneisen geschlagen. Die werden die Bürgerinnen und Bürger nicht vergessen:
von der Flugaffäre und HDO, über die Gesellschaft zur Wirtschaftsförderung bis hin zu aktuellen Vorkommnissen bei der Landesentwicklungsgesellschaft, ganz zu schweigen von den Milliarden Euro, die Sie bei der West-LB mitverbrannt haben. Und ich bin sicher, dass wir längst noch nicht alles gesehen haben. Aus dieser Verantwortung werden wir Sie nicht entlassen. Seien Sie
Herr Präsident, liege Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren, wir - Landesregierung und Koalition der Mitte - werden jetzt ans Werk gehen. Wir werden das ruhig, zielorientiert, solide und mutig tun.
Wir wissen, dass es Widerstände geben wird, weil es Interessen gibt, in die wir eingreifen müssen. Das geschieht nicht aus Willkür. Es geht darum, Weichen für eine bessere Zukunft unseres Landes zu stellen.
Dazu hat uns die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler am 22. Mai den Auftrag gegeben - den Auftrag, unser Land wieder zu einem Land der Chancen, zu einem Land, das Kindern und Jugendlichen wieder Perspektiven auf ein gutes und eigenständiges Leben bietet, zu machen. Wir wollen aus der Schuldenfalle raus und wieder die Mittel für Investitionen in Menschen und Infrastruktur erwirtschaften.
Wir werden im Verfolgen unseres Weges stark sein, damit unser Land wieder erstarken kann. - Ich danke Ihnen.
Vielen Dank, Herr Stahl. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt die Fraktionsvorsitzende Frau Löhrmann das Wort.
Ach, Herr Kuhmichel! - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde: Alles hat seinen Platz. Um eines gleich vorweg zu sagen: Wenn wir ein Hochamt und eine Messe hören wollen, gehen wir in die Kirche. Das tue ich bisweilen auch ganz gerne. Wenn wir Politik machen wollen, machen wir Politik. Sie gehört in dieses Parlament und nicht eine Messe nach der anderen.