Protokoll der Sitzung vom 14.07.2005

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Genau so ist es!)

Herr Uhlenberg, so geht es nicht. Lebensmittel sind Mittel des Lebens. Und so müssen sie auch erzeugt werden. Wer das missachtet, der ruiniert die Landwirtschaft und damit auch die Arbeitsplätze, die in diesem Bereich existieren.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Wenn die Koalition von Bürokratieabbau spricht, meint sie offensichtlich vor allem den Abbau von Umweltschutz und die Zerschlagung der Umweltverwaltung und von Umwelteinrichtungen in NRW. Schwarz-Gelb leidet offensichtlich an einer Umweltparanoia. Statt Umwelt und Wirtschaft miteinander zu verbinden, wird die Umwelt bekämpft. Das führt in eine Sackgasse. Hohe Umweltstandards sind wichtige Anreize zur Technologieentwicklung. Das ist ein Vorteil in wirtschaftlichem Wettbewerb. Das sorgt für Innovation und schafft zukunftsfähige Arbeitsplätze. Die Sichtweise der Koalition dagegen ist kurzsichtig und rückwärts gewandt.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Meine Damen und Herren, NRW ist das Energieland Nummer eins. Nach unserem Willen soll das auch so bleiben. Doch die neue Regierung schafft keine positive Perspektive. Zwar gibt es einen bedeutenden Lichtblick - der sei hier auch ausdrücklich erwähnt -: Das sind die Vereinbarungen zum Abbau der Steinkohlesubventionen. Ja, das Ende des subventionierten Bergbaus als Zielvereinbarung ist richtig.

Wir Grüne hatten in unserem Wahlprogramm das Auslaufen des subventionierten Bergbaus für Mitte des nächsten Jahrzehnts, also 2015, als Ziel benannt. Insofern ist diese Vereinbarung aus Gründen der Haushaltsbelastung richtig und die Umsetzung überfällig. Die Absetzung von je 50 Millionen ist sozialverträglich machbar. Aber dann hört es mit der schwarz-grünen Gemeinsamkeit auch schon auf.

(Ralf Witzel [FDP] unterhält sich mit Minister Dr. Ingo Wolf [FDP])

- Es tut mir Leid, aber das stört mich auf Dauer. Vielleicht könnten Sie Ihr Gespräch weiter hinten fortsetzen.

(Beifall von den GRÜNEN - Horst Becker [GRÜNE]: Liberale Lümmel! - Johannes Remmel [GRÜNE]: Unparlamentarisch!)

Herr Rüttgers, das, was Sie mit der Windkraft machen - das interessiert Sie doch auch, Herr Wolf - ist eine Sauerei. Sie sprechen von 1.500 m Abstand und strikter Höhenbegrenzung. Warum sagen Sie nicht gleich, was Sie wirklich meinen? Sie meinen ein umfassendes Verbot der Windkraft in NRW.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wer 1.500 m Abstand zum nächsten Wohngebäude verlangt, der wird keine neuen Standorte mehr finden.

(Zuruf von Dr. Gerhard Papke [FDP])

Und wer dann auch noch - freuen Sie sich nicht zu früh - drastische Höhenbegrenzungen will, der vermindert auch das Repowering, also den Ersatz von veralterten Anlagen an schon bestehenden Standorten.

(Dr. Gerhard Papke [FDP]: 200 m hoch!)

Damit gefährden Sie nicht nur zigtausend Arbeitsplätze direkt in der Windkraft. Damit nehmen Sie auch der nordrhein-westfälischen Stahlindustrie einen der wichtigsten Kunden weg. Das nennen Sie Vorfahrt für Arbeit. Das ist Arbeitsplatzvernichtung pur.

(Beifall von den GRÜNEN - Johannes Rem- mel [GRÜNE]: Demokratie- und Arbeits- platzabbau!)

Was kommt stattdessen - das erspare ich Ihnen nicht -: Zurück zur Atomkraft! Wissen Sie auch, was das rein ökonomisch heißt? Die Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke ist ein gigantisches Investitionsverhinderungsprogramm, meine Damen und Herren. Sie wissen es doch

selbst. In den kommenden Jahren würden die Energiekonzerne gerade hier in NordrheinWestfalen mehrere neue hoch moderne und umweltschonende Kraftwerke mit einem Investitionsvolumen von bundesweit rund 20 Milliarden € bauen. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Investitionen von 20 Milliarden €!

(Zuruf von Johannes Remmel [GRÜNE])

Wenn jetzt aber die alten, längst abgeschriebenen Reaktoren weiterlaufen dürfen, dann können Sie das sofort vergessen. Dann werden diese Milliarden nicht hier, sondern im Ausland investiert. Das ist doch die Wahrheit, meine Damen und Herren.

(Beifall von GRÜNEN und SPD - Johannes Remmel [GRÜNE]: Investitionshemmer!)

Das nennen Sie Vorfahrt für Arbeit. Das ist Arbeitsplatzvernichtung in Deutschland pur.

Meine Damen und Herren, der Kandidat Rüttgers hat im Wahlkampf vollmundig die Schaffung von 1 Million zusätzlichen Arbeitsplätzen angekündigt. Im Vertrag der beiden Koalitionäre blieb es bei vagen Absichtserklärungen. Und gestern wieder nichts Eigenes, wieder nichts Konkretes. Selbst Ihre groß angekündigte Dienstleistungsoffensive ist in keinem einzigen Punkt umsetzungsreif.

Senken Sie gezielt die Lohnnebenkosten, wie die Grünen das fordern, im Bereich der Geringverdiener! Damit eröffnen Sie Märkte bei den haushaltsnahen Dienstleistungen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Am konkretesten wird es bei Ihnen immer dann, wenn rot-grüne Regierungspolitik der letzten Jahre fortgeschrieben wird: bei der offenen Ganztagsschule, bei der Mittelstandsvergabe- und förderpolitik, bei Banken und Sparkassen, bei der Neuausrichtung der WestLB.

Meine Damen und Herren, das 20. Jahrhundert war das sozialdemokratische Jahrhundert. Es war im Übrigen die CDU, die viele sozialdemokratische Ideen ganz im Sinne der klassischen politischen Dialektik mit umgesetzt hat. Das 21. Jahrhundert wird das ökologische Jahrhundert sein, ob Sie wollen oder nicht.

Jede internationale ökonomische Frage ist immer auch eine ökologische Frage.

(Beifall von den GRÜNEN)

Es ist doch ein Widersinn und von vorgestern, dass Sie immer wieder versuchen, den Eindruck zu erwecken, Ökologie und Ökonomie seien unüberwindbare Gegensätze, und Umweltpolitik sei

ein weiches Thema für konjunkturelle Schönwetterzeiten. Das Gegenteil ist richtig. Jeder Mensch in unserem Land weiß: Mehr Arbeit und neue Arbeitsplätze sind die zentralen Herausforderungen in unserem Land. Mit Sprüchen wie „Vorfahrt für Arbeit“ schafft man aber keine Arbeitsplätze. Dafür muss man schon ein bisschen konkreter werden.

Jeder wache Geist in unserem Land weiß: Neue Arbeit schaffen wir nur, wenn unsere Unternehmen bei der Entwicklung und Innovation wirklich vorne sind. Unsere höheren Löhne und kürzeren Arbeitszeiten können wir im Wettbewerb auf dem Weltmarkt nur halten, wenn wir einfach besser sind. Besser heißt hier vor allem: besser gerüstet im Hinblick auf die großen technologischen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts.

(Zuruf von der FDP: Deshalb haben wir auch einen Innovationsminister!)

- Ja, ich frage mich aber, ob er sich nicht als Illusionsminister herausstellen wird. Danke für den Zwischenruf.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, es ist doch sonnenklar: Einige Milliarden Menschen auf dieser Erde, die bislang in unterentwickelten Volkswirtschaften gelebt haben - zum Beispiel in China, Indien und Brasilien -, machen sich jetzt auf den Weg. Sie wollen unseren Lebensstandard erreichen. Wer wollte ihnen das mit welchem Recht verwehren? Unsere Wirtschaft muss sich spätestens jetzt fundamental ändern, wenn wir unsere Lebensgrundlagen nicht ruinieren wollen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wer sich angesichts dieser fast banalen Wahrheit hinstellt und sagt, Ökologie, Umweltschutz und Nachhaltigkeit seien etwas für gute Zeiten, dafür hätten wir jetzt kein Geld und keine Zeit, das behindere nur den Fortschritt, der weiß nicht, was Fortschritt ist, und der gefährdet unsere ökologische und auch ökonomische Zukunft fundamental.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Die zentrale - auch technologisch zentrale - Aufgabe des 21. Jahrhunderts ist nachhaltiges Wirtschaften: erneuerbare Energien, ressourceneffiziente Produktion, Kreislaufwirtschaft. Was aber macht die neue Regierung? Sie dreht das Rad einer wirklich sehr erfolgreichen Entwicklung in Nordrhein-Westfalen zurück. Ohne ökologische Innovationen gibt es keinen wirtschaftlichen Erfolg. Herr Rüttgers, deshalb: Finger weg von den Umweltstandards.

(Beifall von den GRÜNEN)

Sie sind ein unverzichtbarer Anreiz für technologische Innovationen. Wer das missachtet, wird in einigen Jahren zuschauen, wie uns andere Länder plötzlich auch auf diesem Feld abhängen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Herr Ministerpräsident, das Problem ist, dass Sie die entscheidende Frage unserer Zukunftssicherung bis heute nicht verstanden haben. Ökologische, nachhaltige Politik ist keine putzige Nischenpolitik, sondern die einzige volkswirtschaftliche Gesamtstrategie, durch die wir unsere Zukunft auf Dauer sichern können.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ja, wir haben bei der NRW-Wahl eine herbe Niederlage einstecken müssen. Wir haben in den letzten zehn Jahren sicher nicht immer alles richtig gemacht. Wer aber unsere Neuaufstellung hier fair beobachtet hat, der weiß, dass wir uns nicht unterkriegen lassen. Wir arbeiten weiter mit ganzer Kraft an unseren Visionen für NRW.

(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Michael Vesper)

Es geht uns um nicht mehr oder weniger, als dass sich unser Land für das 21. Jahrhundert gut aufstellt: sozial gerecht und ökologisch.

Nach fünf Jahren wird wieder abgerechnet. Ich kann Ihnen auch das versprechen: Wir werden alles, aber auch wirklich alles daransetzen, dass schwarz-gelb in NRW zwar weiterhin eine tolle Farbe für Fußballvereine,