Protokoll der Sitzung vom 08.03.2007

Wenn ich es recht in Erinnerung habe, stammt der Bericht des Bundesrechnungshofes für die Jahre 2001 bis 2005 nachweislich aus einer Zeit von Rot-Grün in Berlin und Rot-Grün in Düsseldorf, also aus der Zeit der Versagenspolitik von RotGrün.

Das ist der Unterschied zur Politik heute. Wir tun das, was wir sagen.

(Lachen von der SPD)

Sie haben jahrelang die Schienenvorrangpolitik wie eine Monstranz vor sich hergetragen, aber für die Schiene nichts getan. Sie haben sie verrotten lassen.

(Beifall von CDU und FDP)

Sie haben der Bahn nicht hinreichend Mittel sowohl für die Unterhaltung als auch für den Neubau zur Verfügung gestellt. Ich muss da an die Regierungserklärungen von Herrn Clement oder Herrn Steinbrück denken. Schon Herr Steinbrück hat verkündet, in Nordrhein-Westfalen den sogenannten ITF 3 zu fahren, wobei wir beim Herbstlaub

schon darüber diskutierten, dass die Züge nicht pünktlich ankommen und ITF 2 in dem vorhandenen Netz nicht gefahren werden kann, wohl wissend, dass der Knoten Dortmund und der Knoten Köln nicht ausgebaut sind und sich der Stau wie immer an Engpässen entwickelt. Köln zeichnet sich durch zwei Ringe aus: einen Autobahnring, der verstopft ist, und einen Eisenbahnring, der verstopft ist. Für beide war Rot-Grün in Bund und Land verantwortlich. Das zunächst einmal vorweg.

(Dieter Hilser [SPD]: So einfach ist das!)

Ja, so ist das!

Nun hat Herr Jung eben gesagt, der Bericht des Bundesrechnungshofes sei ja nur ein Entwurf. Ich habe die undankbare Aufgabe, darauf einzugehen. Herr Kollege Jung, wie dürfen wir das denn verstehen? Möchte Herr Tiefensee diesen Bericht des Bundesrechnungshofes noch in seinem Sinne etwas schönen, damit er von seiner Untätigkeit oder auch von der seiner Vorgänger – es gab ja jede Menge SPD-Verkehrsminister; man kennt sie schon gar nicht mehr – ablenken kann, die in der Aufsicht über die Bahn versagt und ihr nicht hinreichend Mittel zur Verfügung gestellt haben? Das war ja die Situation.

(Hannelore Kraft [SPD]: Gehen Sie doch einmal zurück in die Vergangenheit, wo die CDU ohne uns regierte!)

Wir hätten erwartet, Herr Wißen, dass Sie sich bei den Themen „Börsengang der Bahn“ und „Trennung von Netz und Betrieb“ etwas bewegen. Wir waren insofern erwartungsvoll, weil der Antrag im Ausschuss überraschenderweise eine einstimmige Zustimmung bei Enthaltung der SPD gefunden hat. Das war das erste Zeichen, dass die SPD auf dem Weg der Besserung ist und sich für die klare Trennung von Netz und Betrieb entscheidet. Vielleicht gibt es heute noch die Möglichkeit, das hier zu sagen.

Aber hier zu erzählen, es stünde im Koalitionsvertrag in Berlin, dass das sogenannte TiefenseeKonzept, eine Mogelpackung, Gegenstand der Koalitionsverhandlung gewesen sei, ist schlichtweg unwahr. Es gibt unterschiedliche Auffassungen in der Frage nach dem Modell bei Netz und Betrieb.

Die Position der CDU und auch die der Bundestagsfraktion ist da ganz eindeutig: klare Trennung von Netz und Betrieb, damit der Bund seine Verantwortlichkeit bei den Investitionen sowohl bei der Unterhaltung als auch beim Neubau wahrnehmen kann.

Das ist auch unsere Position hier im Landtag. Sie haben es einfach versäumt, sich hier klar zu erklären. Im Landtag selbst haben Sie sich daran vorbeigedrückt. Im Ausschuss haben Sie sich enthalten. Wir könnten den Antrag ja noch einmal plenar behandeln und dann erneut abstimmen. Vielleicht hätten wir dann eine Chance, dies einstimmig zu beschließen.

Ein weiterer Vorschlag von Herrn „Unwissen“ bezog sich auf das Thema Verwendung der Mehrwertsteuer.

(Hannelore Kraft [SPD]: Ich finde, das reicht jetzt!)

Das ist die tollste Sache. Sie machen hier Schulden – 113 Milliarden € –, wir dürfen täglich 15 Millionen € Zinsen zahlen, und Sie erklären uns hier, dass wir den Schuldenstaat weiter betreiben und die zusätzlichen Einnahmen aus der Mehrwertsteuer wieder in andere Dinge hineinstecken sollen.

Das werden wir nicht tun. Wir werden diese Mittel zum Schuldenabbau verwenden und nicht in andere Projekte hineinbringen, nur weil sich der Bund bei den Regionalisierungsmitteln durch Druck des Bundesfinanzministers aus der Finanzierung verabschiedet. Dafür kann das Land nicht mit einstehen. Deshalb werden wir dies so nicht mittragen.

Zum Schluss noch eine Anmerkung, die ich auch als Abgeordneter aus dem Kölner Raum aus der Praxis heraus machen muss. Wer ist denn schuld daran, dass die Planungsläufe bei Neubauten von Strecken so lange dauern? Wir wissen, die Bahn und alle Beteiligten sind in der Lage, eine Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Köln und Frankfurt für 6 Milliarden € zu bauen, aber Bahn und Beteiligte brauchen acht Jahre, um diese Hochgeschwindigkeitsstrecke in das übrige Netz einzuswitchen.

In diesem Jahr kommt eine Komplettsperrung zwischen Köln-Deutz (tief) und Köln-Mülheim, und erst 2008 ist diese Neubaustrecke voll im Netz. Jetzt soll mir noch einer erklären, wie das Baustellenmanagement in der Vergangenheit überzeugend gewesen sein soll. Wir hoffen jetzt drauf, dass die Deutsche Bahn das Baustellenmanagement wesentlich verbessert und vor allen Dingen auch die Fahrgastinformationen weitergibt.

Wir alle leiden darunter, dass Langsamfahrstrecken existieren, dass Anschlüsse im Kölner Knoten nicht gefunden werden können und dass die Kunden der Bahn verlorengehen und wieder auf den PKW umsteigen. Deshalb müssen wir darauf

bestehen, dass der Bundesverkehrsminister seine Aufsichtspflicht über die DB wahrnimmt und die Investitionen dafür und auch hinreichend Mittel in der Zukunft zur Verfügung stellt.

Folge Ihrer Wegschaupolitik ist, dass wir in den nächsten drei Jahren viele Langsamfahrstrecken und viele Investitionen haben werden. Beides ist leider notwendig, aber es ist ein Ergebnis Ihres Versagens in den vergangenen zehn Jahren. – Danke schön.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Herr Lorth. – Für die Grünen spricht noch einmal Herr Becker. Bitte.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass der Kollege Lorth vorhin bei meiner Rede an verschiedenen Stellen Beifall geklatscht hat. Insofern sind seine Äußerungen dann auch schon relativiert.

Was ich allerdings ganz deutlich sagen möchte, ist, dass ich mich zwar einerseits freue, Herr Minister, dass die Landesregierung nunmehr alarmiert ist und sich alarmiert zeigt, aber dass ich andererseits glaube, dass das etwas spät kommt. Dass das etwas spät kommt, glaube ich nicht nur aus dem Grunde, dass Sie letzte Woche noch den Medien gegenüber gesagt haben, das sei alles Bundesangelegenheit, sondern ich glaube auch, wenn Sie denn alle schon einen Blick in die Geschichte werfen, dass es etwas spät kommt vor dem Hintergrund, dass Sie sowohl in der Oppositionszeit der Parteien CDU und FDP als auch im Bund in der Opposition in früheren Zeiten eben keine Bahnvorrangpolitik betrieben haben,

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

sondern das pure Gegenteil.

Wer auch noch aus der letzten Woche Ihre Äußerungen zum Thema „Gigaliner“ und „Rückverlagerung von Güterverkehr von der Bahn auf die Straße“ hören konnte,

(Beifall von den GRÜNEN)

der muss zur Kenntnis nehmen: Genau Ihre Autovorrangpolitik zeigt in eine andere Richtung.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich auch noch wenige Worte zum Stichwort Blockadepolitik verlieren. Zunächst einmal: Das Land NordrheinWestfalen hat es in den zehn Jahren unter Grü

nen-Regierungsbeteiligung geschafft, das Angebot auf der Schiene um 30 % auszubauen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Wenn das Blockadepolitik ist, dann warte ich jetzt auf das, was keine ist. Dann müssen Sie darüber liegen. Ich bin gespannt.

(Beifall von GRÜNEN und SPD – Johannes Remmel [GRÜNE]: Nur zu!)

Ich sehe aber einen anderen Punkt, der zur Blockade führt; den sollten Sie sich alle zusammen einmal genauer anschauen. Ich sehe, dass es eine zu enge Verflechtung von Teilen der Politik, von Teilen der Ministerien und von Teilen des Konzerns Bahn gibt. Wer sich anschaut, welche ehemaligen Minister in Diensten der Bahn waren oder in Diensten der Bahn sind – da fällt der Blick auf die Herrschaften Kniola, früher Schwanhold, jetzt Wiesheu, um nur einige zu nennen; ich könnte noch andere nennen –, der hat den Eindruck, dass es kein Zufall ist, dass dieser Bahn und ihren Instandhaltungsrückständen nicht ordentlich auf die Finger geguckt worden ist.

(Beifall von den GRÜNEN)

Dann darauf zu verweisen, dass ja auch die Grünen mit in der Regierung gewesen seien, ist völlig in Ordnung. Dazu stehen wir auch. Aber ich sage Ihnen: Es ist kein Geheimnis – nicht in jedem Punkt haben wir mit den Sozialdemokraten übereingestimmt. Wer die Kollegen Jung und Wißen eben hören konnte, weiß sehr genau, dass es an dieser Stelle eben keine Kongruenz gab. Es ist keine Kongruenz, Herr Jung, wenn Sie vom Entwurf eines Berichtes sprechen und so tun, als würde der noch überarbeitet. Das Entwurfsstadium hat dazu geführt, dass Herr Tiefensee den wochenlang zurückgehalten hat. Ja, das war wohl wahr. Aber es führt nicht dazu, dass der in der Substanz überarbeitet wird.

Dann sage ich auch ein Wort in Ihre Richtung, Herr Rasche, und an die CDU: Wir hätten uns in unserer Regierungszeit im Bund und auch hier im Land – der Kollege Keymis, der sich immer für eine Erhöhung der Mittel eingesetzt hat – einmal gewünscht, dass ein solcher Rechnungshofbericht gekommen wäre wie dieser, wo die Autoren offensichtlich die Geduld verloren haben. So etwas haben wir leider nicht bekommen. Nutzen Sie diese Vorlage! Das ist nämlich eine Vorlage für eine vernünftige Bahnpolitik. Nutzen Sie diese Vorlage im Sinne der Fahrgäste! Wir hatten die leider nicht.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich an der Stelle noch etwas sagen zum Thema RRX. Das

war ein spannender Auftritt, werte Kolleginnen und Kollegen von der SPD. Meines Wissens haben Sie zu dem Ansinnen, einen gemeinsamen Antrag zu machen, bis heute noch keinen Fraktionsbeschluss. Das ist Ihr Problem.

(Vorsitz: Vizepräsident Edgar Moron)

Es wird allerdings ein Stück aus dem Tollhaus, wenn Sie uns Detailversessenheit nachsagen und offensichtlich meinen, dass wir uns dagegen wehren, zuzustimmen und zu begrüßen, dass 1 Million Zugkilometer im Fernverkehrsnetz eingespart werden sollen im Zusammenhang mit dem Rahmenvertrag, dass der Bahnhof KölnMülheim nicht mehr angefahren werden soll, dass der Bahnhof Wattenscheid nicht mehr angefahren werden soll, dass der Bahnhof Benrath nicht mehr angefahren werden soll und dass auch keineswegs der Bahnhof Mülheim/Ruhr schon gesichert ist. Wenn Sie das alles begrüßen wollen, dann müssen Sie das tun, aber wir können das nicht begrüßen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Meine Damen und Herren, der RRX sollte eine Leistung on top sein und keine Leistung, die andere Leistungen kaputtmacht.

(Beifall von den GRÜNEN)

Genehmigen Sie mir einen letzten Satz, der noch darauf hinweist, dass Sie auch für die Zukunft, Herr Wittke, keineswegs gut aufgestellt sind, wenn das passiert, was die Bahn uns heute Morgen für eine Presseinformation heute Mittag im Voraus zur Verfügung gestellt hat. Hier wird gesagt: In Nordrhein-Westfalen investierte die Bahn im vergangenen Jahr mehr als 700 Millionen € in die Infrastruktur. Für den Mittelfristzeitraum 2007 bis 2011 sind weitere 2,7 Milliarden € Investitionen geplant. Das heißt, es sind jährlich 550 Millionen €. Rechnen Sie sich das einmal durch in Bezug auf die Rückstände, die allein in den letzten fünf Jahren aufgelaufen sind, und in Bezug auf das, was eigentlich nötig ist, dann kommen Sie aus meiner Sicht nach Adam Riese sehr leicht zu dem Ergebnis: Es wird auch weiter eine Verwaltung des Mangels bleiben.