Protokoll der Sitzung vom 09.03.2007

Ich möchte auch gerne noch einmal auf das eingehen, was Frau Düker dazu sagte. Der Minister hat Sie schon gelobt. Ihre Aussagen zum Thema Gewaltkriminalität kann man im Prinzip nur bestätigen. Es gibt regional, aber es gibt auch innerhalb der Deliktsbereiche erhebliche Unterschiede in der Statistik.

Ich möchte zunächst auf einen regionalen Unterschied zu sprechen kommen. Als Ergebnis kann man feststellen, dass die Aufklärungsquote landesweit gut ist. Aber viel besser und durchschnittlich deutlich besser ist sie in den landratsgeführten Behörden. Ich möchte damit keine neue Debatte über die Organisationsstruktur lostreten; allerdings ist es so, dass man diesen Fakt nicht isoliert betrachten kann.

(Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Das ist doch wohl an den Haaren herbeigezogen! Das ist abenteuerlich!)

Haben Sie sonst noch irgendein Mitteilungsbedürfnis?

In den Polizeipräsidien ist die Kriminalitätsrate natürlich höher und daher die Arbeit schwieriger. Dennoch ist die Frage erlaubt: Wie kommt es, dass zum Beispiel in einer ländlichen Polizeibehörde wie der in Soest, wo eine Polizeistärke von einem Polizisten auf 750 Bürger Fakt ist, die Aufklärungsquote bei genau 50,5 % liegt und in einem Polizeipräsidium wie Köln, wo auf einen Polizisten 300 Bürger kommen, bei sage und schreibe 39,4 %?

(Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Soll ich Ihnen einmal ein Fachbuch über Statistik lie- fern?)

Sie scheinen ja ein sehr schlechtes Gewissen zu haben.

(Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Nein! – Zuruf von Hannelore Kraft [SPD])

Der Abstand zu anderen Behörden ist noch größer.

Die Debatte von früher wollen wir nicht wieder aufmachen.

(Hannelore Kraft [SPD]: Die machen wir ger- ne wieder auf!)

Bitte nehmen Sie nur zur Kenntnis, dass die Ergebnisse in den ländlichen Behörden durchweg besser sind als in den großstädtisch geprägten Präsidien.

Nun komme ich zu den einzelnen Deliktsgruppen. Ich möchte mich noch kurz dem Thema Gewaltkriminalität zuwenden.

Von 2002 bis 2006 – das umfasst also auch die Zeit unserer Regierung – ist die Gewaltkriminalität um 20 % gestiegen. Exakt liegen wir heute bei 53.000 Fällen von Gewaltkriminalität. Wenn man das auf eine Kleinstadt fokussieren würde, wären das in einer Stadt 53.000 Opfer von gefährlicher Körperverletzung, schwerer Körperverletzung, Raub, Mord und Totschlag. Da müssen wir in der Tat gegensteuern. Da wird die Freude über die Aufklärungserfolge, die wir zu Recht erwähnt haben, leider getrübt.

Wir müssen uns die Frage stellen: Warum nimmt die Zahl der Gewaltdelikte gegen den allgemein positiven Trend um 2,3 % zu? Warum sind 86 % der Tatverdächtigen Männer unter 21 Jahre, die zudem in jedem zweiten Fall auch noch alkoholisiert sind? Gewalttäter sind männlich, jugendlich und – ich ergänze – oft alkoholisiert.

Genau bei dieser Beschreibung der Gewaltkriminalität muss man mit den Lösungsansätzen beginnen. Die Lösung

(Unruhe von der SPD)

kann heute nur sein, dass diejenigen, die schon zu Opfern oder Tätern geworden sind, leider nicht mehr mit Präventionsansätzen aus ihrer Rolle befreit werden können.

(Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Das ist aber eine schlimme Aussage!)

Wir müssen für die Zukunft daran arbeiten, dass Prävention mehr in den Vordergrund gerückt wird. Dazu können wir alle beitragen. Dazu gehört eine generelle Ächtung von Gewalt in der Gesellschaft, dazu gehört die gewaltfreie Erziehung in den Elternhäusern, und ganz besonders gehört dazu die Verinnerlichung bei Kindern und Jugendlichen, dass Konflikte nie mit Gewalt gelöst werden können und dass zum Beispiel Killerspiele nichts mit der Realität zu tun haben.

(Hannelore Kraft [SPD]: Und deshalb kürzen Sie die Mittel für die Suchtbekämpfung!)

Im Gegenteil: In Elternhäusern, in Kindergärten und in Schulen muss den Kindern die Kompetenz vermittelt werden, dass sie der medialen Überflutung mit gewaltverherrlichenden Filmen, Videos und Killerspielen ihre eigene Kraft und Selbstständigkeit entgegensetzen können.

Wir werden präventiv Akzente setzen. Wir werden aber auch gegen diejenigen 20-jährigen jugendlichen Straftäter, die nicht mehr wesentlich umzuerziehen sind, mit Härte vorgehen. Wir werden konsequent verfolgen und konsequent bestrafen.

(Hannelore Kraft [SPD]: Das haben wir gera- de gehört! Herr Wüst wird dafür sorgen, dass Gesetze umgesetzt werden!)

Der Tat muss die Strafe auf dem Fuß folgen. Deswegen wird sich die CDU bei ihrem nächsten Landesparteitag eigens diesem Thema mit einem Leitantrag widmen.

Wir werden die Erfolge der Kriminalstatistik würdigen. Wir werden hervorheben, was gut gelaufen ist. Wir werden uns aber auch den Problembereichen stellen, zum Beispiel der Gewaltkriminalität.

Außerdem werden wir die Arbeit der Polizisten honorieren. Mit dem Hinweis darauf, dass in diesem Jahr weit über 5.000 Beförderungen möglich sind, möchte ich meine Ausführungen schließen. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Herr Lohn. – Herr Dr. Orth hat jetzt für die FDPFraktion das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kutschaty, teilweise hatte ich das Gefühl, dass Sie auch hier einmal eine Generaldebatte führen wollten – so wie zum Haushalt oder zur Regierungserklärung des Ministerpräsidenten.

(Zuruf von der SPD: Nein, nein!)

Was zum Beispiel das Schulgesetz mit der heutigen Debatte zu tun hat, erschließt sich mir jedenfalls nicht.

(Edgar Moron [SPD]: Das ist ja das Prob- lem!)

Ich fände es gut, wenn auch Sie sich mit dem Thema des heutigen Tages auseinandersetzen und nicht versuchen würden, alles und jedes, was Ihnen in der Politik einmal eingefallen ist, in die beiden Reden, die Sie hier halten mussten, einzubauen.

(Edgar Moron [SPD]: Als ob Bildungschan- cen nicht auch etwas mit Kriminalität zu tun hätten!)

Ich finde es schon sehr bemerkenswert, dass Sie jahrzehntelang die Kriminalitätsstatistik abgefeiert haben und heute, kaum dass Sie in der Opposition sind, sagen, alle Zahlen, die darin stehen, hätten keinen Wert. Meine Damen und Herren, dann müssen Sie auch ehrlich sein und zugeben, dass alles, was Sie über Jahrzehnte gesagt haben, keinen Wert hatte; denn die Statistik kann nicht vorher richtig sein und jetzt plötzlich lügen.

(Beifall von der FDP)

Herr Kutschaty, rechnen können sollte man auch. Sie stellen auf das Dunkelfeld ab. Eben haben Sie hier gesagt, das Dunkelfeld sei doppelt so hoch wie das Hellfeld. Außerdem haben Sie gesagt, das Dunkelfeld sinkt wie das Hellfeld. Ich frage mich, ob dann logischerweise nicht auch die Gesamtkriminalität gesunken ist.

(Beifall von Horst Engel [FDP])

Meiner Meinung nach kann man dann nicht zu dem Schluss kommen, dass man gar nicht sagen könne, ob die Kriminalität gesunken sei oder nicht. Wenn das eine doppelt so hoch ist wie das andere und beides gleichzeitig sinkt, dann ist es insgesamt weniger.

(Horst Becker [GRÜNE]: Spezielle Relativi- tätstheorie!)

Sie stellen auf die Gewaltbereitschaft der jungen Menschen ab. Dies besorgt uns auch sehr. Wir als neue Landesregierung haben hier aber auch einiges in Gang gesetzt, was Sie über Jahrzehnte versäumt hatten.

Wir haben versucht, neue Mittel einzusetzen, zum Beispiel beim Projekt „Gelbe Karte“. Wir haben Schülergerichte gefördert, die versuchen, Delikte unter Schülern abzuurteilen. Wir haben angefangen, endlich die Arreste zu vollstrecken, die in Ihrer Zeit verhängt wurden, wo die Verhängung aber nie zu einer Konsequenz geführt hat, meine Damen und Herren.

(Beifall von Holger Ellerbrock [FDP] – Frank Sichau [SPD]: Doch!)

Wenn man Arreste nicht vollstreckt, sagt man den Jugendlichen: Leute, ihr habt etwas getan, was ihr nicht dürft; so schlimm ist es aber auch wieder nicht, der Staat kümmert sich nicht darum. – Das darf es in Zukunft nicht mehr geben, meine Damen und Herren.

(Beifall von FDP und CDU)

Gestatten Sie mir folgende Anmerkung: Mich hat schon sehr gewundert, dass wir in der Haushaltsdebatte vonseiten der SPD ein ablehnendes Votum erhalten haben, als es darum ging, die Mittel für den Ersatzneubau der Ulmer Höh bereitzustellen. Wer auf der einen Seite davon redet, dass wir den Vollzug modernisieren und versuchen müssen, die Leute besser sozialisiert aus dem Gefängnis zu holen, als sie hineinkamen, kann auf der anderen Seite doch nicht allen Ernstes in der Haushaltsdebatte die Mittel für den dringend notwendigen Neubau der Ulmer Höh blockieren, meine Damen und Herren. Das ist eine unsolide Politik.

(Beifall von der FDP)

Es ist durchaus richtig, dass die Erziehungscamps vielleicht differenziert zu betrachten sind. Eines ist aber auch klar: So, wie Sie in all den Jahren mit den unter 14-Jährigen umgegangen sind – in Ihrer Regierungszeit haben Sie ja alle geschlossenen Heime aufgegeben –, kann es nicht weitergehen.

(Frank Sichau [SPD]: Bundesgesetz! Wissen Sie das nicht? Bleiben Sie doch bei der Wahrheit!)

Wir jedenfalls wollen uns der unter 14-Jährigen, die immer wieder auffällig werden, besonders annehmen und sie notfalls auch zeitweilig geschlossen unterbringen. Dazu stehen wir. Wir können nicht an den Realitäten vorbeischauen, meine Damen und Herren.