Protokoll der Sitzung vom 28.03.2007

Wir Grüne sagen dazu: Projekte, die einen besonderen Beitrag zur Bewältigung des Strukturwandels leisten oder aufgrund ihres besonderen Innovationspotenzials Best-Practice-Charakter haben, dürfen nicht an einer formalistischen, restriktiven Aufsichtspolitik von Land und Bezirksregierung scheitern. Gerade Städte und Gemeinden mit Haushaltsnöten brauchen Investitionsspielräume und Flexibilität.

Wir wissen, dass Frau Ministerin Thoben dieses Problem erkannt hat und an einer Lösung arbeitet, aber wir wissen auch, dass sich Herr Innenminister Wolf – mal wieder! – einer vernünftigen, kommunalfreundlichen Lösung versperrt.

(Beifall von den GRÜNEN)

Diese Flexibilität brauchen wir nicht nur für das Ruhrgebiet, sondern für alle Regionen NordrheinWestfalens.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend nochmals festhalten: Die grüne Fraktion vertraut auf die Leistungsfähigkeit des Ruhrgebiets und seiner Akteure. Jene, die immer wieder Sonderkonditionen und Mittelreservierungen fordern, haben dieses Vertrauen in die Region offenbar nicht und werden dem Ruhrgebiet langfristig nicht nutzen, sondern schaden.

Lassen Sie uns aufhören, Regionen gegeneinander auszuspielen, lassen Sie uns gemeinsam an dem Dreiklang arbeiten: fairer Wettbewerb, Solidarität und Ansporn für nachhaltige Entwicklung. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Danke schön, Frau Löhrmann. – Für die FDP hat nun Herr Brockes das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist schon erstaunlich, welchen Ehrgeiz die SPD mittlerweile bei der Subventionsvergabe an den Tag legt und mit welcher Vehemenz sie dabei die Schaffung von Transparenz einfordert. Es ist noch gar nicht so lange her, da wurde nichts unversucht gelassen, gerade die Mittelverwendung so intransparent wie möglich zu gestalten. Dies betraf zum Beispiel das Projekt

HDO – das wird vermutlich jetzt auch für die Fachhochschule Gelsenkirchen gelten – und insbesondere natürlich den heimischen Steinkohlenbergbau, bei dem man als Regierungspartei gemeinsam mit der DSK das Parlament jahrzehntelang höchst erfolgreich „hinter die Fichte geführt“ hat.

Nachdem sich das Ende des Steinkohlenbergbaus abzeichnete, vollzog man eine Wende um 180 Grad: vom Saulus zum Paulus. Frau Kraft, genau dafür stehen Sie.

(Beifall von der FDP)

Minister Breuer hat letzte Woche eine Gesamtstatistik über die Verteilung der EU-Fördermittel der Förderperiode 2000 bis 2006 nach Regierungsbezirken, Kreisen und kreisfreien Städten veröffentlicht. Das nenne ich Transparenz.

Sie von der SPD sprechen in Ihrem Antrag durch deutsche Behörden zu Unrecht vergebene EUSubventionen an und fragen, wie darauf zu reagieren sei. – Gesetz und Rechtsprechung nennen hierzu klare Regeln. Rechtswidrige EUSubventionen können zurückgefordert werden. Bestandsschutz gibt es nicht.

Zurück zur Transparenz! Die EU-Kommission hat am 8. November 2005 eine Transparenzinitiative und am 3. Mai letzten Jahres das Grünbuch „Europäische Transparenzinitiative“ vorgelegt. Damit verfolgt man unter anderem das Ziel, Informationen über nationale Zuwendungsempfänger der EU-Fördergelder offenzulegen. Wir haben hierzu bereits im September ausführlich debattiert: erst zu einem entsprechenden Antrag der Grünen und nur zwei Wochen später zu einem Papier der SPD – so nenne ich es mal – mit von der FDPBundestagsfraktion geliehenen Inhalten.

(Wolfram Kuschke [SPD]: Sehr gute Inhalte!)

Der bestehende rechtliche Rahmen untersagt es der EU-Kommission ausdrücklich, Informationen über die Begünstigten zu veröffentlichen. Derzeit gehören Informationen über Empfänger von Gemeinschaftsgeldern, die in Partnerschaft mit den Mitgliedstaaten ausgegeben wurden, in deren Zuständigkeitsbereich. Das heißt, in unserem Fall fallen sie allein in die Zuständigkeit der deutschen Bundesregierung. Deutschland entscheidet somit allein, ob und welche Informationen veröffentlicht werden.

Eine Frage an die Kollegen der Opposition: Wer sitzt denn seit 1998 in der Bundesregierung?

(Beifall von der FDP – Edgar Moron [SPD]: Sie jedenfalls nicht! – Sören Link [SPD]: Völ- lig zu Recht!)

Völlig zu Recht, Herr Kollege Sören...

(Heiterkeit und Beifall von der SPD – Edgar Moron [SPD]: Völlig zu Recht sitzen Sie auf den Oppositionsbänken!)

Völlig zu Recht wird hier deshalb die Intransparenz beklagt. Es ist sicherlich Konsens im Hause, dass die Verwaltungs- und Entscheidungsprozesse auf europäischer Ebene transparenter werden müssen. Diesbezügliche Maßnahmen müssen nicht nur praktikabel, sondern auch rechtlich zulässig, das heißt angemessen und verhältnismäßig sein.

Derzeit wird gefordert, dass sämtliche Namen der deutschen Zuwendungsempfänger, die Fördersummen und der Förderzweck genannt werden sollten. Wir sollten hierbei zu einer vernünftigen Abwägung zwischen den berechtigten Informationsbedürfnissen der Öffentlichkeit und den datenschutzrechtlichen Interessen bzw. dem wettbewerbsrechtlichen Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen des Empfängers kommen.

Nach unserer Bewertung ist nach geltendem Datenschutzrecht in Nordrhein-Westfalen die Veröffentlichung der Namen der Beihilfeempfänger rechtlich nicht zulässig. Fragen Sie dazu doch einmal die Datenschutzbeauftragte des Landes! Wir können nicht einfach ohne vorherige oder nachträgliche Zustimmung der Betroffenen die Namen nennen und sie öffentlich als Subventionsempfänger an den Pranger stellen. Man nennt dies das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.

(Hannelore Kraft [SPD]: Aber nicht, wenn man Fördermittel bekommt!)

In Zukunft, meine Damen und Herren – liebe Frau Kraft, hören Sie gut zu – sollen die Förderanträge einen Passus enthalten, wonach sich die Zuwendungsempfänger mit der Veröffentlichung der Förderungsdaten einverstanden erklären müssen. Nach dem derzeitigen Stand ist also zu erwarten, dass in der nächsten Förderperiode Informationen über die Zuwendungsempfänger aller Fonds in ganz Europa und somit auch in Deutschland erfolgen können.

(Wolfram Kuschke [SPD]: In der nächsten Förderperiode? Die beginnt 2013!)

Nein, in der Förderperiode, über die Sie heute reden.

(Wolfram Kuschke [SPD]: Die läuft schon, Herr Kollege!)

Nein, die läuft noch nicht, lieber Herr Kuschke!

(Wolfram Kuschke [SPD]: Die Periode 2007 bis 2013 läuft!)

Sie ist jetzt beantragt. Wir reden über den Zeitraum 2007 bis 2013.

(Wolfram Kuschke [SPD]: Und welches Jahr haben wir? – Hannelore Kraft [SPD]: Wir ha- ben schon 2007! Haben Sie das noch nicht gemerkt?)

Meine Damen und Herren, wenn wir diese Regelung dort hineinbringen, ist das rechtlich sauber.

Für die Zukunft sollte man sich ernsthaft fragen, welche Erkenntnisse man für ausreichende Transparenz, Kontrolle und Steuerung der Subventionspolitik durch welche Angaben gewinnen kann. Gewinnen wir wirklich etwas dadurch, dass wir jede Firma und jeden Landwirt nennen, die irgendwelche Zuschüsse bekommen? Meines Erachtens ist dringend notwendig, hier eine angemessene Grenze zu ziehen.

Lassen Sie mich Folgendes zum Abschluss sagen: Die FDP-Landtagsfraktion hält es darüber hinaus für unerlässlich, die missbräuchliche Verwendung von Strukturmitteln durch ein permanentes Monitoring zu verhindern. Erst wenn es uns gelingt, ein effektives Frühwarnsystem zu installieren, das entsprechendes Fehlverhalten des Zahlungsempfängers umgehend anzeigt, können wir auch die ordnungsgemäße Verwendung der Mittel gewährleisten. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Danke schön, Herr Brockes. – Für die Landesregierung spricht nun Herr Minister Breuer.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! In der letzten Woche habe ich einen Überblick über die europäischen Förderungen im Zeitraum von 2000 bis 2006 veröffentlicht. Auf Basis der Angaben der zuständigen Fachressorts haben wir die jeweiligen EU-Förderungen nach Kreisen und kreisfreien Städten aufgeschlüsselt.

Dabei handelt es sich um folgende Programme und Fonds: zunächst einmal um die Ziel-2Programme, was den EFRE-Teil und was die ESF-Mittel angeht zur Förderung des wirtschaftlichen und sozialen Wandels in den strukturschwa

chen Regionen. Es ging um das Ziel-3-Programm, um ESF-Mittel für die Beschäftigung und für die Anpassung der Bildungs- und Ausbildungssysteme, die Förderung aus der ersten Säule, also die Direktzahlungen, und die Förderung aus der zweiten Säule, also für die Entwicklung des ländlichen Raumes, zukünftig ELER-Programm genannt. Weitere kleine Förderprogramme sind das INTERREG-III-A-Programm für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit, das Programm URBAN-II für die integrierte Stadtteilentwicklung und das LEADER-+-Programm.

Ich finde, die Landesregierung ist damit dem Anliegen des Parlamentes, größtmögliche Transparenz über die Mittel und ihre regionale Verteilung zu vermitteln, entgegengekommen. Das kann man an dieser Stelle schon einmal festhalten.

Die Statistik hat gezeigt, dass von 2000 bis 2006 über 5 Milliarden € nach NRW geflossen sind. Rund 1,8 Milliarden € sind dabei aus den europäischen Strukturfonds nach Nordrhein-Westfalen gegangen. Zu den Agrarsubventionen – vor allen Dingen zu den Fragen, mit denen Sie Ihre Aktuelle Stunde begründet haben – wird mein Kollege, Herr Minister Eckhard Uhlenberg, gleich Stellung nehmen, weil das arbeitsteilig vernünftig ist.

Mit der detaillierten Aufstellung aller EU-Förderungen in Nordrhein-Westfalen hat sich die Landesregierung bemüht, größtmögliche Transparenz herzustellen. Sie hat dem Landtag im Rahmen der Kleinen Anfrage „Transparenz bei den EU-Agrarsubventionen“ schon vorher, Herr Kuschke, Informationen über die Empfänger von Direktzahlungen in anonymisierter Form zur Verfügung gestellt. In der auslaufenden Förderperiode 2000 bis 2006 – das wissen Sie – gibt es keine rechtliche Grundlage für die Veröffentlichung der Empfänger von EU-Fördermitteln.

In der neuen Förderperiode 2007 bis 2013 – Sie haben Ihren Antrag angesprochen, Herr Kuschke – werden sich die Voraussetzungen für die Veröffentlichung von Daten über den Einsatz europäischer Fördermittel ändern. Das hat die Europäische Kommission mit ihrer Transparenzinitiative eingeleitet.

Meine Damen und Herren, Ihnen ist bekannt – wir haben das vor 14 Tagen im Hauptausschuss diskutiert –, dass wir dem Anliegen aus diesem Antrag und dass wir dem Anliegen, das die FDPBundestagsfraktion schon mehr als einmal formuliert hat, auf die rechtlich gegebenen Rahmenbedingungen Rücksicht nehmend in vollem Umfang entsprechen werden.

Ein Punkt ist noch offen: Wie wir das bei den Direktzahlungen transparent machen, kann nicht das Land Nordrhein-Westfalen alleine entscheiden, sondern darüber werden alle Landwirtschaftsminister – dazu wird Herr Uhlenberg gleich noch etwas ausführen – beschließen.

Mich ärgert sehr, meine Damen und Herren, dass Sie diese Aktuelle Stunde offensichtlich wieder benutzen, um die Regionen in diesem Land gegeneinander auszuspielen. Das ist wirklich ein sehr ärgerlicher Vorgang!

(Beifall von CDU und FDP)

Lassen Sie mich ein Beispiel nennen, das ich ausdrücklich nicht auf Sie beziehe, Herr Kuschke. Frau Löhrmann, ich bin dankbar für Ihren Beitrag, weil Konsens zwischen allen vier Fraktionen bestehen sollte, dass wir die Regionen nicht gegeneinander ausspielen und dass es um einen Wettbewerb der Ideen und Projekte und nicht um einen Wettbewerb gegeneinander geht, meine Damen und Herren.

Ich bin schon sehr verärgert, dass einerseits gestern Nachmittag bei der Vorstellung des 100Millionen-€-Programms im Sauerland, also in Südwestfalen, deutlich gemacht wurde, das sei etwas, wo alle Regionen zusammenstehen müssten, was vor Ort begrüßt werde,