Protokoll der Sitzung vom 28.03.2007

Um einem Missverständnis vorzubeugen: Das bringt keine Verkürzung von Rechtsschutzmöglichkeiten für die Gefangenen mit sich. Ihnen bleibt der Rechtsweg zu den Gerichten uneingeschränkt eröffnet. Dieser Rechtsweg wird aber in Zukunft ohne zeitaufwendigen Umweg beschritten werden können.

Meine Damen und Herren, Sie sehen: Der Gesetzentwurf soll einen wichtigen weiteren Schritt in Richtung einer umfassenden Verwaltungsstrukturreform und in Richtung eines modernen Justizvollzuges ermöglichen.

Namens der Landesregierung bitte ich Sie um Ihre Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Frau Ministerin, für die Einbringung des Gesetzentwurfs. – Für die SPD-Fraktion hat jetzt der Kollege Sichau das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist gerade von einer halbherzigen Lösung gesprochen worden, die die Landesregierung abgeschafft hat. Frau Ministerin, Sie hätten hier nicht gestanden, um eine Gesetzesänderung einzubringen, wenn die Landesregierung diese beiden Ämter zusammengelegt hätte. Auch das hat natürlich eines Gesetzes bedurft, das wir hier im Landtag diskutiert und anschließend beschlossen haben.

Was Ihre Ausführungen betrifft, so kann ich an dieser Stelle nur sagen: Am Anfang war die Ideologie – nicht die Ratio, nicht die Überlegung. Die Auflösung stand sozusagen fest, und dann wurde alles andere überlegt. Dazu haben Sie eine ganze Menge Zeit gebraucht.

Ich bringe nur ein Beispiel: Der Präsident des Landesjustizvollzugsamtes sollte zum 30. No

vember des vergangenen Jahres in Ruhestand gehen. Er geht zum 30. November dieses Jahres mit 66 Jahren.

Sie haben viel an Vorbereitung gebraucht und haben uns hier einen ganz schmalen Gesetzentwurf vorgelegt, den Sie mit einem semantischen Theaterdonner versehen haben: Justizvollzugsmodernisierungsgesetz. Daraus wird überhaupt nicht deutlich, um was es geht. Aber gut, Sie haben es ausgeführt.

Sie haben gesagt, dass das Widerspruchsrecht abgeschafft werde, dies aber keine Rechtsschutzverkürzung darstelle. Ich sage hier ganz deutlich: Es ist eine Rechtsschutzverkürzung. Wir schaffen ja auch nicht die Amts- und Landgerichte ab, damit die Leute gleich zum Oberlandesgericht gehen, so nach dem Motto: Dann sind sie direkt da, alles andere wäre ein Umweg. – Dies ist eine Rechtsschutzverkürzung; da kann man semantisch machen, was man will. Es bleibt dabei.

Ich habe gerade schon von der Zeit gesprochen. Wir haben umfangreiche Vorbereitungsarbeiten zur Kenntnis genommen, die diesem Parlament zur Entscheidungsfindung allerdings nicht vorliegen. Es gibt nämlich einen Ausarbeitungsband nebst einem umfangreichen Anlagenband. Wir bitten Sie, auch uns als Entscheidungsträger diese Unterlagen zur Verfügung zu stellen.

Herr Dr. Orth hat schon im Rechtsausschuss zu Recht vermutet, dass es eine Anhörung gibt. Wir haben uns gerade auf den 16. Mai verständigt.

Zu dem, was wir bereits wissen, will ich Folgendes sagen: Die Anstalten werden in der Tat gestärkt, indem ihnen mehr Aufgaben zugewiesen werden; ihnen wird aber nur geringfügig mehr – wenn überhaupt – Personal zugewiesen. Das ist die sogenannte Stärkung der Eigenverantwortung.

Die Strafvollzugsabteilung im Justizministerium – das ist die Abteilung IV – wird mehr Mitarbeitende haben. Es waren einmal 14 geplant. Nun sind es jetzt weit über 20, und das ist schon erheblich mehr. Insofern muss man fragen, ob der Bereich des Ministeriums, der eigentlich strategische Aufgaben wahrnimmt, nun auch einer Aufgabenvermischung Richtung operative Aufgaben unterliegt.

Das eigentlich Skandalöse haben Sie in Ihrer Rede offensichtlich wissentlich verschwiegen: Das Landesjustizvollzugsamt wird nämlich tatsächlich nicht aufgelöst. Vielmehr werden die Aufgaben von der Statistik über Vollzugsentscheidungen, Klärung von Problemen im Vollzug bis hin zur Personalwirtschaft nach der sogenannten SarottiMethode mit ca. 25 Mitarbeitenden auf vier Justiz

vollzugsanstalten aufgeteilt. Das nennt man dann Verwaltungsverschlankung, obwohl man es eigentlich nur woandershin verlagert. Sie kennen das aus dem WDR-Werbefernsehen der 60erJahre: „Hier ein Stückchen, da ein Stückchen! Vielen Dank, singt man im Chor, vielen Dank, Sarotti-Mohr!“ – So weit zur Sarotti-Methode.

(Beifall von der SPD)

Für diese Mogelpackung angeblicher Verschlankung werden sich weder Bedienstete noch die Gewerkschaften, die ihren Bezirkspersonalrat verlieren, noch unsere Fraktion bedanken.

Sie können auch die interessierte Öffentlichkeit nicht täuschen. So kann weder eine effektive Dienst- noch Fachaufsicht noch die Einheitlichkeit des Vollzuges in unserem Lande gestaltet und sichergestellt werden. Das ist keine Verwaltungsmodernisierung. Das ist eine Verwaltungschaotisierung. Hier wird im Übrigen der Strafvollzug bezüglich der Mittelbehörde gegenüber den Staatsanwaltschaften – ich habe das in diesem Haus schon einmal ausgeführt – und den Gerichten vorsätzlich benachteiligt. Auch hier hilft kein Verweis auf andere Bundesländer, Herr Biesenbach. Welches Bundesland hat schon 37 Justizvollzugsanstalten, ohne die Nebenanstalten, und 18.000 Gefangene?

Schließlich werden wohl 20 Mitarbeiter in PEM kommen. Die Aufgaben fallen weg, obwohl auch Herrn Biesenbach

(Das Ende der Redezeit wird angezeigt.)

an dieser Stelle immer gesagt hat: Wir brauchen mehr Leute. – Ich kann dann nur noch stakkatohaft sagen: Wir werden das Justizvollzugsamt, …

Herr Kollege.

… wenn es denn erhalten bleiben würde, nicht so weiterführen, wir müssten es weiterentwickeln. Ich stelle aber schon jetzt die Prognose: Was auch immer passieren wird, das Ministerium kann diese Arbeit nicht leisten. So wird es eine Renaissance dieses Amtes geben. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD)

Ich danke Ihnen, Herr Kollege Sichau. – Für die CDU-Fraktion erhält der Kollege Giebels das Wort. – Ich bitte darum, die Redezeiten einzuhalten.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die CDU tritt für eine bürger

nahe, leistungsfähige und politisch unabhängige Justiz und einen starken Wirtschaftsstandort Nordrhein-Westfalen ein. Dazu gehört auch eine effektive Verwaltungsstruktur in der Justiz. Der von der Landesregierung eingebrachte Entwurf eines Justizmodernisierungsgesetzes folgt mit dem Vorhaben der Auflösung des Landesjustizvollzugsamtes diesem Ziel.

Was ist die wesentliche Aufgabe des Justizvollzugsamtes? – Das Amt übt die Aufsicht über die Justizvollzugsanstalten des Landes aus. In der letzten Sitzung des Rechtsausschusses ist die Frage aufgeworfen worden, wer in Zukunft die Aufsicht über die Justizvollzugsanstalten in Nordrhein-Westfalen ausüben soll. Diese Frage ist längst beantwortet, zuletzt in der Begründung des Ihnen vorliegenden Gesetzentwurfs.

Die Verantwortung wird auf die Anstalten delegiert. Die Position der Leiterinnen und Leiter der Justizvollzugsanstalten wird gestärkt. Durch den Wegfall der Mittelinstanz werden Entscheidungswege verkürzt, zugleich aber nicht die Rechtsschutzmöglichkeiten für die Gefangenen vermindert. Auch zukünftig findet eine Aufsicht über die Anstalten statt.

Die geplante Struktur ohne Justizvollzugsamt als Mittelbehörde wird in allen anderen Bundesländern praktiziert. Sie funktioniert dort, ob CDU- oder SPD-regiert, ob Stadtstaat oder Flächenland. Warum dann nicht auch in Nordrhein-Westfalen? Wir meinen, dass es dieser zusätzlichen Mittelbehörde nicht mehr bedarf, dass sie unnötig ist, und deshalb soll sie aufgelöst werden.

Lassen Sie mich zum Schluss ein scheinbares Argument ansprechen, das in letzter Zeit immer wieder in den Zeitungen zu lesen war, nämlich den Umstand, dass das Gebäude des Justizvollzugsamtes in Wuppertal erst vor drei Jahren vom damaligen SPD-Justizminister eingeweiht wurde: Hier gilt es aber sauber zu differenzieren. Bei dem vorliegenden Gesetzentwurf geht es um die Auflösung einer Behörde zur Straffung der Verwaltungsstruktur. Damit ist nicht zwingend der Abriss des alten Dienstgebäudes verbunden. Das eine hat nicht zwingend etwas mit dem anderen zu tun. Sie können sicher sein, dass das Gebäude in Wuppertal auch weiterhin entweder für das Land oder einen anderen eine Verwendung finden wird. Die Frage des Gebäudebestandes jedenfalls kann und darf nicht über das Für und Wider – das ist das Entscheidende – einer notwendigen Verschlankung von Verwaltungsstrukturen entscheiden. – Vielen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Giebels. – Jetzt hat wieder Frau Düker das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe die Ehre, zu Angelegenheiten der Polizeistrukturreform sowie der Justizstrukturreform sprechen zu können. Wenn ich das nebeneinander halte, muss ich sagen, dass sich das, was Sie tun, Frau Ministerin, etwas überzeugender anhört. Der Satz, dass im Justizvollzug ein zweistufiger Behördenabbau geschaffen wird, ist sicher der ehrlichere, als wenn Minister Wolf dies sagt, wenn er zwei neue Sonderbehörden schafft.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wenigstens im Justizbereich wird konsequent gesagt – Herr Sichau, man kann sicher zu anderen Bewertungen kommen –, dass ein zweistufiger Behördenabbau vollzogen wird und die Mittelinstanz wegfallen kann. Aus unserer Sicht kann sie dies auch. Wir stimmen dieser Entscheidung zu.

Es gibt noch eine ganze Menge Fragen zu klären. Auch da finde ich es im Gegensatz zum Kollegen Wolf, Frau Müller-Piepenkötter, angenehm, in Ihrer Begründung zu lesen, dass die Umsetzung in Abstimmung mit den Personalvertretungen erfolgt und dass man die Schritte der Umsetzung möglichst einvernehmlich angeht. Das ist ein wohltuender Gegensatz zu dem, wie im Innenministerium Reformen gemacht werden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Nun aber zu dem, was wir nicht gut finden, wo wir Bedenken haben: Es geht um Art. 3, Änderung des Vorschaltverfahrensgesetzes, durch den zukünftig alle Widerspruchsverfahren, die sich gegen Maßnahmen der Vollzugsbehörden im Vollzug der Freiheitsstrafe, der die Freiheitsstrafe zu vollziehenden Haft, der Jugendstrafe, des Jugendarrests und der U-Haft richten, wegfallen sollen. Übrig bleibt nur das Widerspruchsverfahren gegen Maßnahmen der Vollzugsbehörden im Vollzug derjenigen freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung, zum Beispiel Unterbringung in der Psychiatrie, Entziehungsanstalt, Sicherungsverwahrung oder Führungsaufsicht.

Dies lehnen wir ab. Wir glauben, dass das Widerspruchsverfahren eine kostengünstigere Alternative ist,

(Beifall von den GRÜNEN)

dass es als Form des Dialogs in unserem Rechtsschutzsystem seinen Sinn hat, beizubehalten ist, dass es eher zu einer Befriedung führt und – jetzt kommt das Hauptargument – dass wir die Strafvollstreckungskammern nicht unnötig belasten wollen,

(Beifall von den GRÜNEN)

wenn den Betroffenen nur noch der direkte Rechtsweg offensteht.

Im Gesetz wird auch nicht die Frage beantwortet, wie der dann entstehende offensichtliche personelle Mehrbedarf bei den Strafvollstreckungskammern gedeckt werden soll? Wir sehen diesen Bedarf. Die Widerspruchsverfahren halten wir für vernünftig. Wir sehen hier einen Rechtsschutzabbau, eine Verkürzung von Rechtsmittelmöglichkeiten und glauben, dass wichtige Instrumente ohne Not abgebaut werden. Ich glaube nicht, dass sich die Strafvollstreckungskammern sehr darüber freuen werden, dass Sie dies tun.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Düker. – Jetzt hat noch Herr Dr. Orth für die FDP das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Es ist sehr wohltuend, dass wir zu so später Stunde kurz vor dem „Bergischen Abend“ eine sachliche Debatte führen. Man kann unterschiedlicher Auffassung sein; ich finde es aber gut, wenn man auch einmal Gemeinsamkeiten betont.

Insofern möchte ich nicht lange all das wiederholen, was der Kollege Giebels bereits gesagt hat. Natürlich sind auch wir für die Auflösung des Landesjustizvollzugsamtes. Ich denke, es ist wichtig, diese Mittelbehörde abzuschaffen. Wir stärken damit auch auf eine bestimmte Art und Weise die Verantwortung im Ministerium.