Protokoll der Sitzung vom 03.05.2007

Und wir werden diese Leichen aus dem Keller holen, sie waschen und ins Fenster stellen, solange Sie so mit Ihrer Nachfolgerin umgehen!

(Beifall von der CDU – Zuruf von der SPD)

Ja, ja, ja, Sie wissen selbst Bescheid, wie es war. Frau Schäfer, ich habe in Ihrer Fraktion etliche Kolleginnen und Kollegen, die ich achte. Es sind auch sehr viel Neue dabei. Mit denen kann man bei allen Gegensätzlichkeiten reden. Mit Ihnen kann man es leider nicht.

(Beifall von der CDU)

Zurück zu meinem Manuskript: Vor wenigen Tagen wurde in der „Welt“ die Frage gestellt: Wozu ist die CDU noch gut?

(Zuruf von der SPD)

Ja, ich habe darauf gewartet. Unter anderem sind wir dazu gut, dass wir wenigstens die Gehälter unserer Mitarbeiter bezahlen. Während manche kleine Partei ihre Milieus bedient und während sich die SPD Mühe gibt, den Eindruck zu erwecken, sie sei für gar nichts mehr gut, hat die CDU den Mut, endlich auch die dornigen Themen

anzupacken. Das gilt exemplarisch für die Bildungs- und für die Integrationspolitik. Denn jahrelang waren wir die Mahner in der Wüste. Als dann die PISA-Ergebnisse auf dem Tisch lagen, rannte alle Welt, ganz am Ende die SPD, in das Scheunentor, das wir schon längst aufgestoßen hatten.

Wir waren es auch, die – begleitet von der FDP – unmittelbar nach dem Regierungswechsel begonnen haben, endlich das Ruder herumzureißen. Jetzt sind wir in einer ganz ähnlichen Situation, und wieder beweisen wir unsere Nützlichkeit.

Schon vor Jahren sagten wir: Viele Kinder, die eingeschult werden, sind nicht wirklich schulreif, weil ihre Sprachkenntnisse einfach nicht für den Unterricht im ersten Schuljahr ausreichen. Mit dieser Aussage konfrontiert, nickten die Kindergärtnerinnen, nickten die Grundschullehrerinnen, nickten viele Experten, nickten aber nicht die Schulpolitiker von Rot und Grün.

Liebe von mir durchaus geschätzte Kollege Andrea Asch, wenn du damals hier schon im Landtag gewesen wärst, würdest du nicht das sagen, was du hier vorhin gesagt hast.

(Beifall von der CDU)

Es gab wohl draußen im Lande genügend, die fügten noch dazu: Das ist nicht nur ein Problem bei Kindern mit Zuwanderungsgeschichte. – Geschehen ist jedenfalls in all den Jahren nur wenig, zu wenig. Wir haben beim Regierungswechsel gesagt: Das, was viele seit langem spüren, muss jetzt einmal systematisch erhoben werden. Denn nur dann können wir Gegenmaßnahmen ergreifen.

Wir müssen aufhören, unverbindlich zu nicken. Wir müssen handeln. Die Ergebnisse dieser ersten Sprachstandserhebung bestätigen: Es gibt ein Riesenproblem. Es ist allerhöchste Zeit zu handeln. Das schulden wir den Kindern in unserem Land, gerade nachdem jahrelang zu wenig für diese Kinder getan worden ist.

Die zurzeit laufende Diskussion um die Erhebungen ist aber auch entlarvend. Zunächst einmal entlarvt sie diejenigen, die in den Sprachstandserhebungen nur eine Möglichkeit sehen, der Landesregierung am Zeug zu flicken. Damit meine ich nicht die Praktikerinnen und Praktiker in den Kindergärten und Schulen, die konstruktive Verbesserungsvorschläge machen. Denen bin ich dankbar. Auf die will ich gerne hören. Ich meine diejenigen, die in deutscher Erbsenzählermanier möglichst viele Details zusammenklauben, um damit politische Kleinstmünze zu schlagen. Einige sitzen in diesem Haus. Sie entlarven sich selbst.

Die erste Phase der Sprachstanderhebung entlarvt aber auch eine Lebenslüge vieler urdeutscher Mittelschichtbürger, die Spracharmut vor allem als Problem der Migrantenkinder sahen. Es ist aber in der Tat so, dass auch zahlreiche Kinder ohne Zuwanderungsgeschichte nicht altersgemäß deutsch sprechen können, Kinder, bei denen man die Fähigkeit des Miteinander-Sprechen-Könnens schon in früher Kindheit sträflich verkümmern ließ. Viele haben es nicht geglaubt. Jetzt haben sie es schwarz auf weiß. Das hat wehgetan.

Entlarvt werden schließlich auch diejenigen, die den Medien erklären: Diese schlechten Ergebnisse hätte es nicht gegeben, wenn man mich bei der Planung einbezogen hätte. – Hier spricht der Arzt, der die Krankenstatistik dadurch verbessert, dass er bestimmte Untersuchungen gar nicht erst macht.

Dann gibt es auch noch die Schar typisch deutscher Bedenkenträger. Für sie gilt das Wort, angeblich von Kurt Tucholsky: Wenn die Deutschen einmal nichts anderes mehr haben, dann werden sie wenigstens starke Bedenken haben.

Ich fasse zusammen: Am Verfahren ist sicherlich noch einiges in den nächsten Jahren zu verbessern. Aber die Fakten müssen auf den Tisch, und seien sie noch so hart. Das Bild vom Arzt ist schon richtig. Erst dann, wenn wir die Krankheit in ihrem ganzen Umfang diagnostiziert haben, können wir den Kindern auch wirksam helfen. Wir von der CDU haben den Mut, das deutlich auszusprechen. Dafür sind wir gut. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Solf. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Abgeordnete Beer.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzter Kollege Solf, in der Tat ist es so, dass NRW schon unter der letzten rot-grünen Landesregierung Vorreiter war und als erstes Bundesland die vorschulische Sprachförderung eingeführt hat. Dieser Tatbestand rechtfertigt doch nicht, dass Sie das jetzt im nächsten Entwicklungsschritt schlecht weitermachen. Genau das brauchen wir an dieser Stelle nicht.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Herr Laschet, bei aller Wertschätzung: Organleihe scheinen Sie als Instrument nicht zu kennen. Sie sollten aber die Verfassungsklage kennen. Diese wird nämlich gegebenenfalls vonseiten der Kom

munen auf Sie zukommen, wenn Sie jetzt nicht auch die Kosten in Sachen Sprachförderungspolitik übernehmen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Offensichtlich sind die Kommunen sich zu Recht dessen nicht sehr sicher.

Es geht noch weiter, Herr Laschet. Dabei dreht es sich nicht um Petitessen, auch nicht um Marginalien oder um Beckmesserei. Schauen Sie doch einmal an, wie wir jetzt in die zweite Stufe des Verfahrens hineinstolpern: 14 Tage Vorlauf für die Multiplikatorinnen, nur zwei zentrale Fortbildungen für die Grundschullehrkräfte, und die Materialien sind noch nicht einmal auf dieser Ebene angekommen. Wie meine Kollegin schon zitiert hat, hat Frau Fried doch selbst gesagt: Mit hängender Zunge sind wir bis hierhin gerannt. Es war schon ein Ding, das alles so hinzubekommen.

Ich bitte Sie, dies angemessen einzuordnen. Das tun wir in der Tat. International anerkannte ausgewiesene Experten wie Prof. Fthenakis gehen davon aus, dass ein solches ambitioniertes Unterfangen – das wir doch stützen, Herr Laschet; da sind wir gar nicht auseinander – eine Entwicklungszeit von bis zu vier Jahren braucht.

(Minister Armin Laschet: Bis 2011!)

Was hat Sie denn eigentlich geritten? Eigentlich hatte Frau Fried eine Entwicklungszeit bis 2008. Warum ist denn politischer Druck ausgeübt worden, das Ganze ein Jahr vorzuziehen? Und warum – das frage ich auch – hat sich diese Wissenschaftlerin dafür funktionalisieren lassen? Es gibt eine politische Verantwortlichkeit, und es gibt eine wissenschaftliche Verantwortlichkeit. Daher stehen Sie beide in der Kritik; das ist ganz deutlich. Seriös kann man das so nicht machen!

(Beifall von den GRÜNEN)

Wenn man schon ein solches Instrument entwickelt, ist es auch ein Unding, dass die Dimension Mehrsprachigkeit dabei gar nicht auftaucht.

(Britta Altenkamp [SPD]: So ist es!)

Das ist überhaupt nicht State of the Art und nicht angemessen. Dieses ganze Verfahren ist kulturell geprägt. Es ist nicht normiert – auch in der Pilotstudie nicht. Bis heute hat Frau Fried die Dinge nicht offengelegt.

Wir wissen ganz genau, was dahintersteckt. Das Ganze ist nämlich im Hauruckverfahren durchgezogen worden, weil es Ihr politischer Wille war. Deswegen tragen Sie auch die politische Verant

wortung für das, was Sie an dieser Stelle in den Sand gesetzt haben.

(Beifall von den GRÜNEN)

Sie wollen nicht wahrnehmen, dass Kinder in diesem ersten Verfahren verstummt sind, dass Sie Frust bei den Erzieherinnen in den Kindertagesstätten erzeugt haben und dass Sie Eltern irritiert haben. Jetzt wollen Sie Ihre Verantwortung für Vokabeln wie „Ihr Kind ist durchgefallen“, mit denen Eltern morgens empfangen worden sind, nicht wahrhaben.

Eines müssen Sie auch wissen, Herr Laschet – an dieser Stelle spreche ich auch das Schulministerium an, sowohl die Ministerin als auch den Staatssekretär, der hier ja gerne mitmurmelt, aber nichts sagen darf –:

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir müssen die Selektionsideologie überwinden, die in den Köpfen steckt.

(Minister Armin Laschet: Wir müssen för- dern! Das ist doch keine Selektion!)

Das schlägt mittlerweile schon auf die Grundschulen und die Kindergärten durch; denn in der Tat wird jetzt der Anschein erweckt: Wo wird mein Kind – unter dem verstärkten Druck, der in diesem System von Ihnen mit befördert wird – denn landen, wenn es nicht richtig aufgestellt ist?

Sie haben die Sensibilität für diese Botschaften ganz offensichtlich nicht entwickelt. Sie nehmen gar nicht wahr, welches Problempotenzial sich hier aufbaut.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das ist Ihre politische Verantwortung. Diese können Sie heute Morgen nicht einfach nach dem Motto „Ich bin jetzt einmal ein bisschen offensiv und schüttele das Ganze ab“ billig loswerden. Damit kommen Sie nicht durch. Das werden Ihnen die Institutionen und die Eltern vorhalten. Wir werden diesen Punkt in einer Anhörung sehr ausführlich diskutieren müssen.

Sie haben dieses wichtige Anliegen Sprachstandsfeststellung beschädigt.

(Beifall von den GRÜNEN)

Sie haben bei Eltern das Vertrauen verloren. Sie haben den Tagesstätten weisgemacht, dass sie hierfür nicht ausreichend qualifiziert seien, anstatt ihnen die notwendige Unterstützung und Förderung, auch in Bezug auf die Fortbildung der Erzieherinnen, zu garantieren. Dadurch ist wirklich eine sehr schlimme Situation entstanden.