Nein, meine Damen und Herren, was jetzt fehlt, sind Ganztagsangebote in allen Schulformen der Sekundarstufe I; denn die bestehenden decken den Bedarf nicht. Ganztagsangebote machen in allen allgemein bildenden Schulen Sinn. Aus familienpolitischen Gründen kann man die Schulformen der Sekundarstufe I eben einfach nicht unterschiedlich behandeln.
Wir brauchen Verlässlichkeit in den Angeboten. Wir brauchen Planungssicherheit für die Eltern. Deshalb müssen hier zeitnah Angebote in allen Schulformen entstehen.
(Michael Solf [CDU]: Wissen Sie nicht, was hier früher gewesen ist, dass nämlich sämtli- che Anträge von uns abgelehnt worden sind?)
Die Generation der Kinder, die heute in der OGS ist, und deren Eltern benötigen eine Fortsetzung der Ganztagsangebote nach dem Wechsel in die weiterführende Schule. Ich denke, Sie sind angetreten, um es besser zu machen.
Dann können wir uns doch jetzt gleich auch mal über Ihre Anträge unterhalten, die mit unserem relativ deckungsgleich sind, und dann würde ich mir wünschen, dass wir auf diese Art und Weise im Sinne der Kinder konstruktiv weiterarbeiten.
Ganztagsangebote in den weiterführenden Schulen sind einfach notwendig, und das Wahlverhalten der Eltern zeigt, dass sie nachgefragt werden.
Ich zitiere hier aus der Webseite von Herrn Dr. Linssen, der dort den Antrag der CDU-Fraktion aus der letzten Legislaturperiode zum Thema „Ganztag“ veröffentlicht hat.
Da wird gefordert, in der Bildungspolitik die Ganztagsschule für alle Schulformen zu fördern, landesweit die Ganztagsschulen für die Sekundarstufe I und -man höre - II einzuführen und sie in jedem Kreis, in jeder kreisfreien Stadt, in jeder Schulform zur Verfügung zu stellen, Antragsverfahren zu schaffen, mit denen die Eltern die Einrichtung der Ganztagsschule durchsetzen können, und - last but not least - umgehend curriculare und rechtliche Rahmenbedingungen für die Einführung der Ganztagsschule zu schaffen. - Also wir sind doch gar nicht so weit auseinander.
Mit anderen Worten: Sie haben jetzt die Chance, endlich das umzusetzen, was Sie wollten. Und wir helfen Ihnen dabei, dieses auch zu tun. Wir wissen alle, dass man nicht alles auf einmal erreichen kann. Nicht nur finanziell, sondern auch organisatorisch brauchen grundlegende Entwicklungen wie die Einführung von Ganztagsangeboten eine gewisse Zeit. Die vorherige Regierung hat die Entwicklung sehr erfolgreich angeschoben.
Sie sind jetzt gefordert, dieses erfolgreiche Modell in unserem Sinne fortzuführen. Nichts anderes wollen wir mit unserem Antrag erreichen. Bei so viel Einmütigkeit dürfte es doch kein Hindernis geben, unserem Antrag zuzustimmen; denn Sie und wir wollen nichts anderes als das Wohl der Kinder in NRW.
Vielen Dank, Frau Kollegin Hendricks. - Als nächste Rednerin hat für die CDU-Fraktion die Kollegin Doppmeier das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen wir doch einmal die letzten zehn Jahre der schulpolitischen Entwicklung Revue passieren. Ich glaube, wir alle erkennen dann: Es gibt keinen Grund zu applaudieren. Unter Rot-Grün wurden hier Weichen gestellt, die in keiner Weise der Kompetenzförderung der Schüler und Schülerinnen unseres Landes dienten.
Nehmen Sie doch einmal - erinnern Sie sich? - die Abschaffung der Ziffernnoten von Klasse 1 bis 3, die Abschaffung der Kopfnoten, die drastische Reduzierung der Klassenarbeiten, die Reduzierung der Diktate zum Einüben der Rechtschreibung, ständiges Umformulieren der Versetzungsordnung.
Meine Damen und Herren, diese Liste könnte ich noch stundenlang fortführen, da ich selber 21 Jahre lang Realschullehrerin war und dieses miterleben musste.
In den vergangenen Jahren musste ich miterleben, wie von Ihnen, nämlich von Rot-Grün, die Leistungsanforderungen kontinuierlich heruntergeschraubt und die Lernbedingungen durch große Klassen, zu wenig Lehrer und dadurch gehäuft auftretendem Unterrichtsausfall immer schlechter wurden. Warnungen unsererseits wurden von Ihnen immer in den Wind geschlagen.
Das änderte sich allerdings dann, als Sie durch die unterschiedlichen Studien - TIMSS, Pisa I, Iglu, Pisa II - den Spiegel für ihr schulpolitisches Versagen vorgehalten bekamen. Ja, schulpolitisches Versagen - genau das meine ich. Die Ergebnisse bei Pisa waren für uns hier in NordrheinWestfalen katastrophal, im wahrsten Sinne des Wortes niederschmetternd.
Und wer war schuld? Doch wohl nicht die Schüler und Schülerinnen aus Nordrhein-Westfalen?! Denn sie sind auch nicht dümmer und leistungsschwächer als anderswo im Land, auch wenn Stoiber das manchmal anzweifelt. Unsere Kinder sind genauso klug und leistungsfähig wie Kinder in Bayern und Baden-Württemberg. Wir werden Ihnen dieses durch unsere schulpolitischen Weichenstellungen beweisen.
Die Weichenstellungen in den letzten Jahren unter Ihrer Regie haben nicht dazu geführt, die individuellen Fähigkeiten und Fertigkeiten der Kinder zu fördern, ihnen eine Chance zur Entwicklung eigenständiger und eigenverantwortlicher Persönlichkeit zu geben, wie Sie in Ihrem Antrag fordern. Nein, im Gegenteil: Sie haben zur Gleichmacherei, zum Unterlaufen des Leistungsgedankens und zur Benachteilung der Kinder aus bildungsfernen Elternhäusern geführt.
Unsere Schulpolitik wird nicht mehr bestimmt sein durch Ideologien, sondern wir stellen das Wohl des Kindes an erste Stelle. Wir wissen: Kinder sind sehr unterschiedlich, sowohl in den intellektuellen Fähigkeiten wie auch in der emotionalen Entwicklung. Darauf muss sich Schule der Zukunft einstellen.
Das heißt, wir brauchen individuelle Förderkonzepte, die sowohl den Leistungsschwachen gerecht werden, die aber auch Angebote für die Leistungsstarken darstellen, um deren Kompetenz weiter zu fördern. Nur so können wir im globalen Wettbewerb der Wissensgesellschaft wieder auf den vorderen Plätzen mitspielen, und das muss doch unser aller Ziel sein.
Lassen Sie mich zu Ihrem Antrag kommen: Wir haben in NRW seit dem Schuljahr 2000/2001 die ersten offenen Ganztagsgrundschulen. Ihre Zahl stieg und steigt ständig, und sie stellen sicherlich ein Angebot dar, welches von Eltern viel nachgefragt wird. Somit ist ein entsprechender Bedarf vorhanden.
Das bedeutet aber noch lange nicht, dass dadurch gleichzeitig die pädagogische Qualität dieses Angebots hervorragend ist. Dort setzt unsere Kritik an. Ganztagsschule darf nicht das Verwahren der Kinder zum Schwerpunkt haben, wie es bei der rot-grünen Regierung mit ihrem Schwerpunkt auf dem Betreuungsaspekt der Fall war; sondern der Schwerpunkt muss die Kompetenzförderung sein.
- Wir brauchen kompetentes, qualifiziertes Personal. Damit meine ich Sozialpädagogen, Erzieher und Lehrer.
- Wir brauchen geeignete Räumlichkeiten, um ausreichend Platz für eine individuelle Förderung anbieten zu können.
- Wir brauchen ein gemeinsames Mittagessen von Schülern und pädagogischen Kräften, wobei der Schwerpunkt auf Erziehung und gesunder Ernährung liegt.
- Wir brauchen die Entwicklung eines einheitlichen Konzepts zwischen allen Beteiligten, welches vor allen Dingen auf die Situation der einzelnen Schule in ihrem sozio-kulturellen Umfeld eingehen muss.
Wir brauchen eine gute materielle Ausstattung, wobei vor allen Dingen die kindgerechten Materialien wichtig sind, um differenziert fördern zu können.
- Wichtig sind außerdem klare Organisationsstrukturen. Es müssen Möglichkeiten geschaffen werden, die auch außerschulischen Gruppen, zum Beispiel Sportvereinen und dergleichen, und den Eltern die Chance geben, ihr Know-how einzubringen und ihre Kompetenzen hinzuzufügen.
Pisa hat uns die Bildungs- und Erziehungsdefizite aufgezeigt. Erst kürzlich, am 25. August, titelte die „Rheinische Post“: Schulstudie gibt NordrheinWestfalen eine fünf. Bei diesem Bundesländervergleich in Sachen Bildungspolitik haben Nordrhein-Westfalen und somit die abgewählte rotgrüne Landesregierung erneut schlecht abgeschnitten. Nordrhein-Westfalen kommt lediglich auf Platz 11 der Rangliste. Vorne liegen wieder Bayern, Baden-Württemberg und Sachsen.
Einer der Autoren dieser Studie erklärte dazu, in den unionsgeführten Ländern werde der Leistungsgedanke im Bildungswesen stärker betont. Weiterhin sagte er: In keinem der anderen Bundesländer ist die Betreuung an den Schulen so schlecht wie in Nordrhein-Westfalen. Was hörten wir dann? Der Rat der Forscher ist: mehr Kontrolle, mehr Wettbewerb, klare Standards im Schulwesen und deren Einhaltung durch eine Art SchulTÜV regelmäßig überprüfen. Genau das werden wir tun.
Unser Ziel ist es somit, die Schulen zu Häusern des Lernens zu entwickeln, wo Kinder positiv an Schulen gebunden werden, wo sie sich mit ihrer Schule identifizieren, um damit negativen Verhaltensaspekten entgegenzuwirken, wo das Gruppenzugehörigkeitsgefühl durch gemeinsames Erleben gesteigert wird, wo Schüler ein möglichst breites Angebot an sinnvollen Freizeitbeschäftigungen bekommen, wo Migranten gerade im Ganztag durch Lehrer förderliche Bedingungen und eine sprachreiche Umgebung finden, die in ihren häuslichen Strukturen häufig nicht gegeben ist.
Daher werden wir den ersten Schritt tun und die Hauptschulen gerade als Konsequenz aus Pisa in den Ganztag überführen. Hauptschulen waren bei Ihnen immer das Stiefkind. Wir werden dies än
dern. Wir werden detaillierte Konzepte auf real finanzierbarer Basis mit kompetentem Personal aufbauen und keine Billiglösung übers Knie brechen. Es geht nicht um Verwahrung, sondern - ich sage es noch einmal - um die Kompetenzförderung bei unseren Kindern.
Sie sehen, wir haben uns ein großes Ziel vorgenommen, welches wir schrittweise und überlegt angehen und auch erreichen werden. Wir freuen uns auf die Diskussion mit Ihnen im Ausschuss.
Vielen Dank, Frau Kollegin Doppmeier. - Als nächste Rednerin hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Kollegin Beer das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen, speziell Frau Doppmeier! In vielen offenen Ganztagsschulen scheinen Sie in der letzten Zeit nicht gewesen zu sein, sonst würden Sie die Arbeit der Lehrer und Lehrerinnen und auch die multiprofessionelle Zusammenarbeit dort nicht als Verwahren bezeichnen.
Sie haben zwar inzwischen manche Begriffe sehr schön übernommen, zum Beispiel Häuser des Lernens, aber Sie müssen sich schon entscheiden, was Sie wollen - eine sozialräumliche Aufstellung mit entsprechender Verankerung der Schulen oder die Auflösung der Grundschulbezirke. Bitte klären Sie das für sich.
Die Ganztagsgrundschule, der Dreiklang von Bildung, Erziehung und Betreuung, ist von den Eltern gewollt. Das zeigt der Zuspruch zur offenen Ganztagsschule und die rasante Entwicklung, die Rot-Grün entscheidend durch die Investitionsmittel des Bundes und die hundertprozentige Durchleitung auf der nordrhein-westfälischen Ebene auf den Weg gebracht hat. Das sieht in CDUregierten Ländern allerdings ganz anders aus. Dort sind die Mittel zurückgehalten oder gar nicht richtig verwendet worden.
Sie haben sich kulturell mit dem Ganztag immer schwer getan. Es ist noch gar nicht so lange her, da wurden Mütter und Väter als Rabeneltern bezeichnet, wenn ihre Kinder Ganztagsschulen besucht haben. Sie haben sich kulturell also doch ein Stückchen bewegt und entwickelt. - Herzlichen Glückwunsch.
Sie haben durchaus eine Kehrtwende vollzogen in der Bewertung der offenen Ganztagsschule, die Sie vor den Wahlen grundsätzlich verteufelt haben. Als Regierung bauen Sie nun gerne auf diesem Erfolgsmodell auf.
Wir Grünen haben dies von Anfang an sehr deutlich als Einstiegsmodell bezeichnet. Wir haben sehr viele Ideen dazu vorgetragen, wie es weiterzuentwickeln ist.
Viele Schulen haben sich auf den Weg gemacht, gerade die Vernetzung zwischen Vormittag und Nachmittag herzustellen und Fragen der Gesundheitsförderung aufzunehmen. Wir sind der Meinung, dass zusätzlich auch Sonderpädagogen, Sonderpädagoginnen und vor allen Dingen auch weitere Sozialpädagogen in diesen Bereich hinein müssen.