Protokoll der Sitzung vom 23.05.2007

Eine Journalistin aus meiner Region hat bei Ihnen einmal nachgefragt, ob das Verbraucherministerium in Nordrhein-Westfalen dafür zuständig ist. Daraufhin bekam sie die Antwort: Wir sind im Prinzip zuständig, aber die ausführende Behörde ist die Bezirksregierung. Bei der Bezirksregierung wurde ihr allerdings gesagt: Nicht wir sind zuständig, sondern das Landesministerium ist zuständig.

Herr Minister Uhlenberg, erklären Sie uns doch einmal, wer für die Sicherheit der Verbraucherinnen und Verbraucher, wer für die Umwelt hier zuständig ist!

(Beifall von der SPD)

Ist es die Landwirtschaftskammer, die Bezirksregierung oder das Ministerium für Verbraucherschutz? Das ist alles völlig unklar.

Meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, Sie beschäftigen sich mit der Umstrukturierung von Behörden und dem Einsparen von Personal. Das, was wir davon haben, kann man an diesem Fall ganz konkret sehen: Im Bereich des Verbraucherschutzes und des Umweltschutzes fehlen bei Ihrer Umstrukturierung schon jetzt die Zuständigkeiten.

Zusammengefasst kann man also wieder einmal sagen: NRW hat keinen Verbraucherminister. NRW hat auch keinen Umweltminister. Sie verunsichern die Bürgerinnen und Bürger hier in Nordrhein-Westfalen. Sie schweigen und öffnen damit Spekulationen Tür und Tor.

So kann man mit den Menschen in NordrheinWestfalen nicht umgehen. Deshalb unsere klare Anforderung an Sie: Machen Sie sich endlich zum Anwalt der Verbraucher und der Umwelt hier in Nordrhein-Westfalen!

(Beifall von der SPD)

Hören Sie endlich auf, sich nur um Ihre Verwaltungsstruktur und um den Abbau von Personal zu kümmern! Kümmern Sie sich endlich um die Inhalte in Ihrem Ministerium! Und kümmern Sie sich endlich um die Verbraucher und die Umwelt hier in NRW! – Danke.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Danke schön, Frau Schulze. – Für die FDP spricht nun Herr Dr. Romberg.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Die FDP begrüßt, heute hier im Plenum über eine der wichtigsten Zukunftstechnologien unserer Zeit, die Grüne Gentechnik, eine fachliche und sachliche Debatte führen zu können. Liest man jedoch die Begründung des Antrags der Grünen, so muss man feststellen, dass eine sachliche Debatte von den Grünen gar nicht gewünscht ist. Was bekommen wir präsentiert? Ein Sammelsurium von Fragmenten aus entweder nicht näher benannten oder veralteten Quellen! Diese Fragmente werden so zusammengebastelt, dass sie in das festgefügte Weltbild der Grünen passen: Gentechnik ist der Teufel für die Menschen; wir wollen eine gentechnikfreie Zone NRW.

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Leugnen Sie das Schreiben des Bundesamtes?)

Dies gipfelt dann in der Aussage, dass die aktuellen Vorgänge die Grüne Gentechnik grundsätzlich infrage stellen. Ich habe Respekt vor dieser intelligenten Glanzleistung, Herr Remmel, angesichts derer sich die Fachwelt entweder erstaunt die Augen reibt oder resigniert den Kopf schüttelt.

Ein Blick auf die Fakten – Kollege Kemper hat das dankenswerterweise in manchen Bereichen schon gemacht – ist in der Regel hilfreich: Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, das BVL, hat am 9. Mai bekannt gegeben, dass die seit 1998 zugelassene Maissorte MON810 nur noch dann als Saatgut abgegeben werden darf, wenn ein begleitender Monitoringplan vorliegt. Bereits an Landwirte abgegebenes oder ausgesätes Saatgut ist hiervon nicht betroffen. Ein Verbot dieses Saatgutes, wie es die Grünen anführen, gibt es nicht. Die Zulassung von MON810 zum Anbau und zur Verwendung für Lebens- und Futtermittel ist weiterhin erlaubt, Herr Remmel. So viel zur Redlichkeit Ihres grünen Antragstextes!

Weiter führen die Grünen aus, der Grund für die Weisung des BVL seien mögliche Risiken für die Umwelt. In der vom BVL am 3. Mai veröffentlichten Verfügung ist hiervon nichts zu lesen. Sicherlich muss man sich nun fragen, was Bundeslandwirtschaftsminister Seehofer veranlasst hat, die besagte Verfügung zu erlassen. Wie der Presse zu entnehmen ist, hat sich das Bundesamt zunächst geweigert, die Weisung des Bundesministers wegen des fehlenden wissenschaftlichen Nachweises zu vollziehen, Herr Remmel.

(Dietmar Brockes [FDP]: Hört, hört!)

Es ist äußerst bemerkenswert, dass das Bundesministerium ausdrücklich bestätigen musste, dass der derzeitige Forschungsstand keinerlei Begründung für dieses Vorgehen liefern würde.

(Dietmar Brockes [FDP]: Aha!)

Zudem hat die Bundesregierung wenige Tage vor Beginn der Seehofer’schen Kampagne auf Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion ausdrücklich klargestellt:

„Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass die Sicherheit der in der EU für den Anbau und den Import zugelassenen transgenen Sorten gegeben ist. … Der Bundesregierung liegen keine konkreten Erfahrungen aus dem Anbau zugelassener transgener Sorten sowie der Nutzung importierter Produkte von transgenen Pflanzen vor, die eine Änderung der Zulas

sungsverfahren für transgene Sorten erforderlich machten.“

Der Bundesminister kennt also die aktuelle Position der Bundesregierung nicht oder er widerspricht ihr bewusst. Für einen CSU-Vorsitzenden im Wartestand mag dies opportun sein. Für einen fachlich zuständigen Bundeslandwirtschaftsminister ist dieses Vorgehen schon etwas fahrlässig.

(Beifall von der FDP)

Die Grünen spielen in ihrem Antrag geschickt mit einigen Versatzstücken aus der Gentechnikdebatte. Sie zitieren mögliche Gefahren des Bt-Toxins, das die gentechnisch veränderte Maissorte MON810 zur Abwehr eines Schädlings eigenständig bildet. Ist den Grünen bekannt – Herr Kemper hat es schon gesagt –, dass dieses Toxin seit Jahrzehnten ein anerkannter und zugelassener Wirkstoff zur Schädlingsbekämpfung im ökologischen Landbau ist? Man kann es nur wiederholen: Ist es den Grünen bekannt?

Ist den Grünen eigentlich bekannt, dass 90 % aller biologischen Schädlingsbekämpfungsmittel auf Bt-Toxinen basieren?

(Beifall von der FDP)

Haben sich die Grünen je die Frage gestellt, welche Auswirkungen auf Natur und Umwelt diese tonnenweise Ausbringung von Bt-Toxinen im ökologischen Landbau hat?

(Beifall von der FDP)

Gibt es da Fragen der Grünen?

Sie initiieren stattdessen lieber eine Kampagne, die sich in Nordrhein-Westfalen um einen kontrollierten Versuchsanbau im Umfang von sage und schreibe 1.025 m² dreht. Herr Remmel hatte die Zahlen schon genannt. In Borken sind das 1.000 m². In Köln plante das Max-Planck-Institut einen Demonstrationsversuch unter Glas auf 25 m².

Es ist schon erschreckend, mit welcher Konstanz es den Grünen immer wieder gelingt, ideologische Borniertheit mit fehlender Sachkenntnis zu vereinen.

(Beifall von der FDP)

Heraus kommt immer eine politische Nullnummer. Die FDP steht seit Jahren für eine sachorientierte Debatte.

(Lachen von Svenja Schulze [SPD])

Die Debatte um die Nutzung der Bio- und Gentechnik ist ohne Zweifel eine Debatte, die in den

Menschen Emotionen auslöst, die sie bewegt. Die Bürger erwarten, dass die Politik diese Debatte sachlich und ergebnisoffen und auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse führt.

(Beifall von der FDP)

Das ist unser Anliegen. Im Gegensatz zur grünen Strategie, Vorurteile zu schüren, durch Falschaussagen die Verunsicherung anzuheizen und wider besseres Wissen einen Glaubenskrieg zu führen, wollen wir die Vorbehalte und Ängste der Menschen ernst nehmen und die Chancen und Risiken der Bio- und Gentechnik mit den Bürgern im Dialog abwägen.

Die vermeintliche Ökopartei muss sich die Frage stellen: Wie ökologisch ist es, auf eine Zukunftstechnologie zu verzichten, die durch den reduzierten Einsatz von Pflanzenschutzmitteln eine umweltfreundliche landwirtschaftliche Produktionsweise ermöglichen kann? Fakt ist: Bei keinem Nahrungsmittel, ob Bio, konventionell oder gentechnisch verändert, gibt es eine absolute Sicherheit vor Gesundheitsrisiken. Fakt ist auch, dass in kaum einem anderen Bereich derart strenge und langwierige Tests und Monitoringprogramme vollzogen werden wie bei gentechnisch veränderten Produkten. Bislang gibt es keine wissenschaftlichen Belege, dass durch gentechnisch veränderte Produkte Schäden für Umwelt oder Konsumenten aufgetreten sind.

Im Bereich der Grünen Gentechnik gelten für uns deshalb folgende Grundsätze: wissenschaftliche Begleitung und Sicherheitsbewertung vor der Markteinführung, Koexistenz und Kennzeichnungspflicht und somit Wahlfreiheit für Verbraucher und Landwirte sowie – ganz wichtig – Verbraucheraufklärung statt Verbraucherverunsicherung, Herr Remmel.

(Beifall von der FDP)

Insgesamt wollen wir eine offene, ehrliche Diskussion gemeinsam mit den Bürgern und der Wissenschaft zur zukünftigen Nutzung der Gentechnik. Dies unterscheidet uns von den Grünen; darauf legen wir sehr großen Wert. – Danke sehr.

(Beifall von FDP und CDU)

Danke schön, Herr Dr. Romberg. – Für die Landesregierung spricht nun Herr Minister Uhlenberg.

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat eine Aktuelle Stunde mit zwei aktuellen Vorgängen zum Thema Gentechnik in der Landwirtschaft beantragt. Es handelt sich um zwei unterschiedliche Sachverhalte:

Erstens geht es um die Entscheidung des Bundessortenamtes in Hannover, die Wertprüfung mit gentechnisch verändertem Mais in Borken in 2007 nicht durchzuführen, da der 150-m-Abstand zu konventionellen Maisfeldern nicht eingehalten werden kann.

Zweitens geht es um den Bescheid des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, dass ab sofort gentechnisch verändertes Saatgut, also MON810, zum Zwecke des kommerziellen Anbaus nur nach Vorlage eines Monitoringplanes abgegeben werden kann.

Um diese beiden Punkte geht es. In den Ausführungen des Abgeordneten Remmel wird dies aber mit vielen anderen Dingen emotional vermischt und zum Anlass genommen, die Grüne Gentechnik grundsätzlich infrage zu stellen. Dazu besteht jedoch kein Anlass.

(Zuruf von der SPD: Doch!)